Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 122 I 360



122 I 360

45. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 28.
November 1996 i.S. B. und Mitbeteiligte gegen Regierungsrat des Kantons
Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Persönliche Freiheit. Beschaffung und Aufbewahrung personenbezogener
Daten.

    Besonders schützenswerte Personendaten dürfen nur gemäss einer
klaren gesetzlichen Grundlage bearbeitet werden, es sei denn, die
Datenbearbeitung sei für eine in einem formellen Gesetz klar umschriebene
Aufgabe unentbehrlich (E. 5b).

    Im Kanton Zürich fehlt eine gesetzliche Grundlage dafür, die blosse
Zugehörigkeit zu einem Verein systematisch ins Personaldossier von
Lehrkräften aufzunehmen (E. 5d).

Sachverhalt

    A.- Die Beschwerdeführer ersuchten die Erziehungsdirektion des
Kantons Zürich um vollständige Einsicht in die über sie erstellten
Datenblätter betreffend ihre Beziehung zum Verein für Psychologische
Menschenkenntnis (VPM). Sie verlangten überdies Einsicht in sämtliche
über sie gesammelten Unterlagen sowie Fotos und Offenlegung der
bisher abgedeckten Quellenangaben. Sodann wandten sie sich dagegen,
dass Datenblätter und damit zusammenhängende Korrespondenz in ihre
Personaldossiers auf der Abteilung Volksschule abgelegt werden. Bei den
Gesuchstellern handelte es sich um Lehrkräfte, die an Zürcher Schulen
arbeiteten oder gearbeitet hatten. Die Erziehungsdirektion gewährte
den Beschwerdeführern Ende Juni bzw. Anfang Juli 1993 Einsicht in die
Datenblätter und eröffnete ihnen, dass Datenblätter und Korrespondenz im
Zusammenhang mit dem Einsichtsgesuch in die entsprechenden ordentlichen
Personaldossiers abgelegt würden. Eine bestimmte Quelle, die auf einem
Teil der Datenblätter angegeben ist, wurde abgedeckt.

    Hiergegen reichten die Beschwerdeführer Rekurse an den Regierungsrat
des Kantons Zürich ein. Dieser wies die Rekurse ab, soweit er darauf
eintrat und soweit sie sich nicht als gegenstandslos erwiesen hatten.

    Die Beschwerdeführer erhoben staatsrechtliche Beschwerden, mit welchen
sie im wesentlichen die Aufhebung der Rekursentscheide des Regierungsrates
verlangten. Ausserdem stellten sie die Anträge, die Fichenblätter mit
Bezug zum VPM sowie die dazugehörende Korrespondenz etc. seien aus dem
ordentlichen Personaldossier der fichierten Lehrkräfte und weiterer
Betroffener zu entfernen, und in Zukunft keine weiteren Fichenblätter
mit Bezug zum VPM sowie keine dazugehörende Korrespondenz etc. ins
ordentliche P ersonaldossier der fichierten Lehrkräfte und weiterer
Betroffener einzulegen. Das Bundesgericht heisst die staatsrechtlichen
Beschwerden gut und weist den Kanton Zürich an, die Datenblätter betreffend
VPM-Mitgliedschaft sowie die darauf bezugnehmende Korrespondenz aus den
ordentlichen Personaldossiers der Beschwerdeführer zu entfernen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

    5.- Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, das Sammeln, Aufbewahren
und Bearbeiten von Informationen über ihre Zugehörigkeit zum VPM
verletze die persönliche Freiheit, den Anspruch auf Achtung des Privat-
und Familienlebens nach Art. 8 EMRK, die Vereinsfreiheit sowie weitere
verfassungsmässige Rechte, weshalb diese Daten aus ihren Personalakten
entfernt werden müssten.

    a) Das ungeschriebene Verfassungsrecht der persönlichen Freiheit
schützt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung als zentrales
Freiheitsrecht und verfassungsrechtlicher Leitgrundsatz nicht nur die
Bewegungsfreiheit und die körperliche Integrität, sondern darüber hinaus
alle Freiheiten, die elementare Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung
darstellen. Hierzu gehört auch der Anspruch auf eine persönliche
Geheimsphäre: So wird die persönliche Freiheit durch die Erhebung
erkennungsdienstlicher Daten (BGE 109 Ia 146 E. 6a S. 155 mit Hinweis;
113 Ia 1 E. 4b/bb S. 6; unveröffentlichtes Urteil i.S. G. vom 22.
September 1994 E. 1a) sowie deren Aufbewahrung und Bearbeitung
betroffen (BGE 120 Ia 147 E. 2a S. 149 f. mit Hinweisen); desgleichen
kann die Aufbewahrung persönlicher, der Öffentlichkeit ansonsten nicht
zugänglicher Daten einen Eingriff in die persönliche Freiheit darstellen
(BGE 113 Ia 257 E. 4c S. 263), und zwar auch dann, wenn die Datenerhebung
verfassungsmässig war und die gespeicherten Informationen den Tatsachen
entsprechen (Urteil vom 12. Januar 1990 i.S. S. E. 2a, publiziert in SJ
1990 S. 561 ff. und Pra 79/1990 Nr. 243 S. 875). Auch die Übernahme von
Akten eines Straf- oder Administrativverfahrens in ein anderes Verfahren
berührt den Schutzbereich der persönlichen Freiheit, wenn darin besonders
schützenswerte Personendaten enthalten sind (Bundesgerichtsentscheid
i.S. D. vom 27. März 1991, ZBl 92/1991 S. 543 ff. E. 5 und 6; Bundesamt
für Justiz vom 25. Mai 1982, VPB 48/1984 Nr. 28 E. 4-6 S. 172 f.). In
gleicher Weise berührt die Beschaffung, Aufbewahrung, Verwendung und
Bekanntgabe persönlicher Daten die nach Art. 8 Ziff. 1 EMRK geschützte
Privatsphäre (vgl. BGE 118 Ib 277 E. 4b S. 281 f.; 113 Ia 1 E. 4b/bb
S. 6 f.; Entscheid i.S. S. vom 12. Januar 1990 E. 2a, SJ 1990 S. 563 =
Pra 79 Nr. 243 S. 875, je mit Hinweisen).

    Im vorliegenden Fall sammelte die Abteilung Volksschule des
Zürcherischen Erziehungsdepartements ab Februar 1991 Informationen über
den VPM und dessen Mitglieder. Insgesamt wurden die Namen von 1458
angeblichen VPM-Mitgliedern, 17 Unterorganisationen oder VPM-Häusern
sowie 25 Arbeitsplatzadressen (Praxen) des VPM auf einem elektronischen
Datenträger gespeichert. Die Datei enthält neben Namen, Adresse, Bürgerort,
Beruf, Tätigkeit und Arbeitsort der VPM-Mitglieder auch Hinweise auf
deren Funktion und Verbindungen im Rahmen des VPM und auf Publikationen
im VPM-Verlag. Auch wenn der VPM und seine Mitglieder sich in gewissen
Bereichen (insbesondere Schul- und Gesundheitspolitik) öffentlich
engagieren, handelt es sich doch um Informationen, die nicht allgemein
bekannt sind. Die Beschaffung und Aufbewahrung derartiger personenbezogener
Daten fällt nach dem Gesagten in den Schutzbereich der persönlichen
Freiheit sowie der nach Art. 8 Ziff. 1 EMRK geschützten Privatsphäre.

    b) Einschränkungen der persönlichen Freiheit sind zulässig, wenn sie
auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen,
verhältnismässig sind und den Kerngehalt des Grundrechts nicht verletzen
(BGE 120 Ia 147 E. 2b S. 150).

    aa) Der Regierungsrat stützte die Beschaffung und Speicherung der
Informationen über VPM-Mitglieder auf § 34 lit. a Ziff. 1 des Gesetzes
betreffend die Organisation und Geschäftsordnung des Regierungsrates und
seiner Direktionen vom 26. Februar 1899 (OGRR), § 6 des Gesetzes über
das gesamte Unterrichtswesen vom 23. Dezember 1859 (Unterrichtsgesetz),
§ 2 des Gesetzes über die Ausbildung von Lehrern für die Vorschulstufe
und die Volksschule vom 24. September 1978 (Lehrerbildungsgesetz) und
Art. 40 Ziff. 4 KV, welche dem Regierungsrat die Oberaufsicht über das
Unterrichtswesen übertragen. Die Beschwerdeführer rügen eine willkürliche
Auslegung der vom Regierungsrat herangezogenen kantonalen Normen; darüber
hinaus sind sie der Auffassung, die genannten Aufsichtsbefugnisse seien
keine hinreichend klare gesetzliche Grundlage für die Bearbeitung besonders
schützenswerter Personendaten.

    bb) Das Bundesgericht prüft die Auslegung und Anwendung kantonalen
Rechts grundsätzlich unter dem Gesichtswinkel der Willkür; eine freie
Prüfung nimmt es nur bei Vorliegen besonders schwerer Eingriffe vor
(BGE 120 Ia 147 E. 2b S. 150). Dagegen überprüft das Bundesgericht in
allen Fällen frei, ob die kantonale Gesetzes- oder Verordnungsbestimmung
den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit einer
Eingriffsnorm erfüllt (BGE 115 Ia 277 288 E. 7 S. 288; 109 Ia 146 E. 5
S. 152 f. und 273 E. 4d S. 282 ff.; WALTER KÄLIN, Staatsrechtliche
Beschwerde, 2. Auflage, Bern 1994, S. 179). Allerdings hängen auch die
Anforderungen an die Klarheit und Bestimmtheit der Eingriffsnorm von
der Schwere des Eingriffs ab: Bei schweren Eingriffen in grundrechtlich
geschützte Positionen verlangt das Bundesgericht in den wesentlichen
Punkten eine klare unzweideutige Grundlage in einem formellen Gesetz;
leichtere Eingriffe können bei Vorliegen einer schlüssigen gesetzlichen
Delegation auch in Erlassen unterhalb der Gesetzesstufe vorgenommen
oder auf Generalklauseln abgestützt werden (BGE 99 Ia 262 E. 5 S.
269; 102 Ia 62 E. 2 S. 64; 106 Ia 364 E. 2 S. 366; 115 Ia 277 E. 7a
S. 288; 118 Ia 305 E. 2a S. 309 f. mit Hinweisen, Bundesamt für Justiz
vom 13. März 1980, VPB 44/1980 Nr. 131 E. 5 S. 623). In gewissen Fällen
kann eine aufgrund der Komplexität und Vielgestaltigkeit der zu regelnden
Verhältnisse unabdingbare Unbestimmtheit der gesetzlichen Grundlage durch
verfahrensrechtliche Garantien kompensiert werden (BGE 109 Ia 273 E. 4d
S. 284 mit Literaturhinweisen).

    cc) Ähnliche Anforderungen sind nach der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an die gesetzliche Grundlage
für Eingriffe in Konventionsrechte zu stellen: Zwar genügt hierfür ein
Gesetz im materiellen Sinne (vgl. Entscheid i.S. Kruslin c. Frankreich
vom 24. April 1990, CourEDH, Série A, vol. 176, §§ 28 f. mit Hinweisen
zur bisherigen Rechtsprechung); Voraussetzung ist jedoch, dass dieses
ausreichend zugänglich und hinreichend bestimmt ist, damit der Bürger die
sich daraus für ihn ergebenden Konsequenzen vorhersehen kann (Entscheid
vom 26. April 1979 im Fall Sunday Times, Série A, vol. 30, § 49; Urteil
vom 25. März 1983 im Fall Silver, Série A vol. 61 §§ 85 ff.; Urteil vom
2. August 1984 im Fall Malone, Série A vol. 82 §§ 66 ff.). Bei schweren
Eingriffen in die Privatsphäre sind klare und detaillierte gesetzliche
Bestimmungen unerlässlich (Entscheid im Fall Kruslin, aaO, § 32). Im Fall
Leander betreffend Eintragungen in eine Staatsschutzdatei verlangte der
Gerichtshof, dass das Gesetz klar regle, unter welchen Voraussetzungen
es die Behörden zu derartigen geheimen und potentiell gefährlichen
Eingriffen in das Privatleben der Bürger ermächtige und inwiefern die
Polizei derart gewonnene Informationen speichern und weitergeben dürfe
(Urteil vom 26. März 1987, Série A vol. 116 §§ 50 ff.; vgl. auch Urteil
vom 2. August 1984 im Fall Malone, aaO, § 67).

    dd) Soweit Eingriffe in die persönliche Freiheit (bzw. das nach
Art. 8 EMRK geschützte Privatleben) durch die Erhebung, Aufbewahrung
oder Bekanntgabe personenbezogener Daten erfolgen, lassen sich
den Datenschutzgesetzen des Bundes und der Kantone Hinweise zu den
verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen an die gesetzliche Grundlage
entnehmen: Wie das Bundesgericht bereits im Entscheid i.S. D. vom
27. März 1991 (ZBl 92/1991 S. 543 ff., E. 5c mit zahlreichen Hinweisen)
ausgeführt hat, beruhen die existierenden Datenschutzgesetze und
-richtlinien in Bund und Kantonen auf der Prämisse, dass der Datenschutz
einem verfassungsrechtlichen Anliegen entspreche und insbesondere die
persönliche Freiheit betreffe; die ihnen zugrundeliegenden allgemeinen
Grundsätze sind weitgehend Konkretisierungen der verfassungsrechtlichen
Anforderungen in diesem Bereich (vgl. Art. 1 des Bundesgesetzes über den
Datenschutz vom 19. Juni 1992 [DSG; SR 235.1]; CHRISTOPH STEINLIN/FRANK
SEETHALER in: URS MAURER/NEDIM PETER VOGT, Kommentar zum Schweizerischen
Datenschutzgesetz, Basel und Frankfurt a.M. 1995 [im folgenden:
DSG-Kommentar], Entstehungsgeschichte des DSG, N. 1; MARC BUNTSCHU in:
DSG-Kommentar, aaO Art. 1 N. 1 ff., insbes. 33 ff.).

    Danach dürfen Personendaten nur bearbeitet werden, wenn dafür eine
gesetzliche Grundlage besteht oder das Bearbeiten zur Erfüllung einer
gesetzlichen Aufgabe erforderlich ist (vgl. z.B. Art. 17 Abs. 1 DSG;
§ 4 Abs. 1 des Zürcher Gesetzes über den Schutz von Personendaten vom
6. Juni 1993 [ZH-DSG]; § 5 des baselstädtischen Gesetzes über den Schutz
von Personendaten vom 18. März 1992 [BS-DSG]; Art. 4 Loi sur la protection
des données vom 25. November 1994 des Kantons Fribourg [FR-LPrD]; Art. 5
Abs. 1 des Berner Datenschutzgesetzes vom 19. Februar 1986 [BE-DSG]);
besonders schützenswerte Personendaten dürfen grundsätzlich nur bearbeitet
werden, wenn sich die Zulässigkeit aus einer gesetzlichen Grundlage
klar ergibt. Ausnahmsweise genügt es auch, wenn die Datenbearbeitung für
eine in einem formellen Gesetz klar umschriebene Aufgabe unentbehrlich
ist, die Rechte der betroffenen Personen nicht gefährdet sind oder die
betroffene Person im Einzelfall eingewilligt oder ihre Daten allgemein
zugänglich gemacht hat (vgl. Art. 17 Abs. 2 DSG und § 6 BS-DSG, die beide
grundsätzlich ein formelles Gesetz verlangen; § 5 ZH-DSG; Art. 13 Abs. 1
der St. Galler Datenschutzverordnung vom 24. Oktober 1995 [SG-DSV];
Art. 6 BE-DSG). Zu den besonders schützenswerten Personendaten zählen
u.a. Daten über die religiösen, weltanschaulichen, politischen oder
gewerkschaftlichen Ansichten oder Tätigkeiten (Art. 3 lit. c Ziff. 1
DSG; § 1 lit. d Ziff. 1 ZH-DSG; Art. 6 Abs. 1 lit. a SG-DSV; § 2 Abs. 2
BS-DSG; Art. 3 lit. c Ziff. 1 FR-LPrD; Art. 3 lit. a BE-DSG; Art. 6 des
Europarats-Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen
Verarbeitung personenbezogener Daten vom 28. Januar 1981; vgl. auch § 3
Abs. 2 des Reglements über den Schutz und die Sicherung von Daten bei der
"KSD Kanton und Stadt Schaffhausen Datenverarbeitung" vom 22. April 1980,
der die Speicherung von Daten über die Privatsphäre wie unter anderem
die Vereins- und Organisationszugehörigkeit verbietet).

    c) Im vorliegenden Fall sammelten die Zürcher Behörden systematisch
Daten über die Mitgliedschaft sowie die Funktion von Personen beim
VPM. Der VPM vertritt eine bestimmte psychologische Schule, und er ist
in der Öffentlichkeit vor allem durch seine Stellungnahmen zu schul-
und gesundheitspolitischen Fragen bekannt geworden. Die Mitgliedschaft
im VPM bringt somit eine bestimmte weltanschauliche sowie politische
Haltung zum Ausdruck. Nach Einschätzung der Zürcher Behörden weist der
VPM sektenähnliche Züge und eine totalitäre, vereinnahmende Tendenz auf;
VPM-Lehrkräfte verursachten Schulkonflikte aufgrund ihres rechthaberischen,
missionarischen Auftretens und unkollegialen Verhaltens, welches sich
unter anderem in der Unfähigkeit zeige, andere Meinungen gelten zu
lassen und sich Mehrheitsentscheidungen zu fügen; dabei würden sie
offensichtlich vom Verein beraten und gesteuert. Die Zürcher Behörden
weisen in ihren Vernehmlassungen darauf hin, dass es zwischen 1990
und 1992 zu rund 50 Konfliktfällen im Schulwesen mit VPM-Angehörigen
gekommen sei. Angesichts dieser Einschätzung des VPM sowie den zahlreichen
Konflikten zwischen Erziehungsdepartement bzw. Schulpflegen einerseits
und VPM-Lehrkräften bzw. dem VPM andererseits liegt es auf der Hand, dass
sich die VPM-Mitgliedschaft für die Einstellung bzw. das berufliche
Fortkommen im Zürcher Schuldienst negativ auswirken kann, auch wenn
sie für sich allein kein Grund für eine Anstellungsverweigerung oder
eine allfällige Entlassung ist. Es handelt sich somit um besonders
schützenswerte Personendaten, deren Bearbeitung für die Betroffenen mit
einem besonderen Gefährdungspotential verbunden ist. Zu berücksichtigen
sind ferner die Umstände der Datenerhebung (JEAN-PHILIPPE WALTER, in:
DSG-Kommentar, Art. 17 N. 16): Es handelte sich um eine systematische
Erfassung sämtlicher bekannter VPM-Mitglieder, d.h. einer Vielzahl
von Personen; überdies erfolgte die Datensammlung ohne Mitwirkung und
Wissen der betroffenen Personen. Unter diesen Umständen ist von einem
schwerwiegenden Eingriff in die persönliche Freiheit auszugehen, auch wenn
die Datei nur einem beschränkten Personenkreis unmittelbar zugänglich ist.
Dementsprechend sind eher strenge Anforderungen an die Bestimmtheit und
Klarheit der gesetzlichen Grundlage zu stellen.

    d) Gemäss Art. 40 Ziff. 4 KV kommt dem Regierungsrat die Oberaufsicht
über das Unterrichtswesen sowie über die sämtlichen ihm untergeordneten
Behörden und Beamtungen zu. § 34 lit. a Ziff. 1 OGRR bestimmt, dass der
Direktion des Erziehungswesens in Verbindung mit dem Erziehungsrat die
Oberaufsicht über das gesamte Unterrichtswesen zusteht. Der Erziehungsrat
übernimmt die Aufsicht über die sämtlichen Schulanstalten des Kantons
und die Förderung sowohl der wissenschaftlichen Bildung als auch der
Volksbildung; ihm obliegt überdies die allgemeine Oberleitung aller
öffentlichen Schulanstalten, die Vorberatung und Entwerfung der das
Unterrichtswesen betreffenden Gesetze und Verordnungen sowie die Sorge für
deren Vollziehung (§ 6 Unterrichtsgesetz). §2 des Lehrerbildungsgesetzes
überträgt der Erziehungsdirektion in Verbindung mit dem Erziehungsrat
auch die Aufsicht über sämtliche Seminare zur beruflichen Ausbildung von
Lehrern für die Vorschulstufe und die Volksschule.

    Zur Wahrnehmung dieser Aufgaben ist das Erziehungsdepartement
zwingend auf Informationen aus den seiner Aufsicht und Oberleitung
unterstehenden Schulanstalten angewiesen. Dazu gehören insbesondere
auch Daten über die Eignung, Qualifikation und Leistung der Lehrer
sowie über alle Vorkommnisse, die Anlass zu aufsichtsrechtlichen
Massnahmen gegenüber der Schulleitung bzw. disziplinarischen Massnahmen
gegenüber einem Lehrer geben könnten. Hierzu können im Einzelfall auch
ausserschulische Verhaltensweisen gehören, die eine Verletzung der
beamtenrechtlichen Treuepflicht darstellen, weil sie die Amtsführung
und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung beeinträchtigen
(vgl. z.B. Bundesgerichtsentscheid i.S. C. vom 28. März 1996 E.
6c und d betreffend disziplinarische Massnahmen gegen eine dem VPM
angehörende Lehrerin). Der im Zürcher Schuldienst tätige Beamte oder
Angestellte muss deshalb damit rechnen, dass solche Informationen der
Erziehungsdirektion gemeldet und dort - zumindest eine gewisse Zeit
lang - aufbewahrt werden. Jedenfalls für die Zeit vor Inkrafttreten des
kantonalen Datenschutzgesetzes liegt es deshalb nahe, in den genannten
Aufsichtsbefugnissen der Erziehungsdirektion auch eine gesetzliche
Grundlage für die Bearbeitung von Daten zu sehen, die eng mit dem
Schulbetrieb verbunden und für die Wahrnehmung der Aufsicht unentbehrlich
sind.

    Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch nicht um die
Registrierung einzelner, schulbezogener Vorkommnisse und Konflikte,
die durch das Engagement von Lehrern beim VPM bzw. der Identifizierung
mit dessen Ideen und Schulkonzepten ausgelöst worden wären. Vielmehr
sammelte das Erziehungsdepartement Informationen über sämtliche
VPM-Mitglieder; Kriterium für die Speicherung in der Datei war somit
einzig die Vereinszugehörigkeit. Auch soweit die Datensammlung
Beamte bzw. Angestellte im Schuldienst betraf, ging es nicht um
konkrete berufsbezogene Leistungen bzw. Verfehlungen, bei denen
die VPM-Mitgliedschaft eine Rolle gespielt hätte, sondern abstrakt um
Mitgliedschaft und Funktion beim VPM. Die systematische Erhebung derartiger
- nach dem oben (E. 5c) Gesagten besonders sensibler - Daten, die keinen
unmittelbaren Zusammenhang mit dem Zürcher Schulbetrieb aufweisen, war
für die Betroffenen aufgrund der allgemeinen Aufsichtsbefugnisse der
Erziehungsdirektion nicht voraussehbar. Für die Bearbeitung solcher Daten
wäre vielmehr eine klare gesetzliche Grundlage erforderlich gewesen,
die mit der nötigen Bestimmtheit regelt, unter welchen Voraussetzungen
und zu welchem Zweck die Mitgliedschaft von Beamten bzw. Angestellten in
politischen bzw. weltanschaulichen Vereinen registriert werden darf,
welcher Personenkreis erfasst werden darf, wem derartige Informationen
bekanntgegeben werden dürfen und wann bzw. unter welchen Voraussetzungen
die Daten wieder gelöscht werden müssen. Zum Schutz der persönlichen
Freiheit der Betroffenen sowie aus Gründen der Rechtssicherheit darf die
Erhebung solcher besonders schützenswerter Daten nicht in das Ermessen der
Behörden gestellt werden, sondern muss zumindest in den Grundzügen normativ
geregelt werden. Dies gilt auch im Beamtenrecht als sogenanntem besonderen
Rechtsverhältnis (vgl. ROBERT ZIMMERMANN, Le principe de la légalité et
les rapports de droit spéciaux dans la jurisprudence du tribunal fédéral,
in: Charles-Albert Morand (Hrsg.), La Légalité: Un principe à géométrie
variable, Basel/Frankfurt a.M. 1992, S. 135).

    e) Mangels genügender gesetzlicher Grundlage verletzte somit die
Sammlung, Aufbewahrung und Bearbeitung der Daten über die VPM-Zugehörigkeit
von Lehrern und anderen Personen das Grundrecht der persönlichen
Freiheit sowie Art. 8 EMRK. Bei diesem Ergebnis kann offenbleiben, ob die
Datensammlung weitere Grundrechte der Beschwerdeführer verletzte. Den
Beschwerdeführern steht grundsätzlich ein Anspruch auf Beseitigung der
widerrechtlich gespeicherten Daten zu (vgl. BGE 120 Ia 147 E. 4 S. 156;
Urteil vom 25. November 1994 i.S. T., publiziert in ZBl 96/1995 S. 329
ff.; ROLF HUBER, Rechtsprobleme der Personalakte, Diss. Zürich 1985,
S. 183; vgl. auch die übereinstimmende Regelung der Datenschutzgesetze,
wonach der Betroffene bei widerrechtlicher Datenverarbeitung einen
Beseitigungsanspruch hat, z.B. Art. 25 Abs. 1 lit. b DSG; § 19 Abs. 1
lit. b ZH-DSG; § 22 lit. b BS-DSG; Art. 26 Abs. 1 lit. b FR-LPrD;
Art. 24 Abs. 1 BE-DSG). Daher ist die Entfernung der Dateiblätter aus
den Personalakten der Beschwerdeführer anzuordnen. Gleiches gilt für die
Korrespondenz mit Bezug auf die VPM-Datei, aus der sich ebenfalls die
(mutmassliche) Zugehörigkeit der Beschwerdeführer zum VPM ablesen lässt.