Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 122 I 294



122 I 294

39. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27.
September 1996 i.S. Erbengemeinschaft Marcuard gegen Yvonne Hausammann,
Einwohnergemeinde Muri, Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des
Kantons Bern sowie Verwaltungsgericht des Kantons Bern (staatsrechtliche
Beschwerde) Regeste

    Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Streitigkeit über "zivilrechtliche Ansprüche"
in der Nutzungsplanung.

    Ist im Rahmen der Nutzungsplanung umstritten, ob ein Gebot zur
Einzonung bestimmter Flächen in die Bauzone besteht, so handelt es
sich dabei um eine Streitigkeit über zivilrechtliche Ansprüche und
Verpflichtungen im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 3e). Das Berner
Verwaltungsgericht ist verpflichtet, auf eine Beschwerde gegen eine
Nichteinzonung einzutreten (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Die Erben Marcuard sind Eigentümer des weitgehend nicht überbauten,
eine Fläche von knapp 60'000 m2 umfassenden Gebiets Aarwil in Muri.

    Im kommunalen Zonenplan aus dem Jahre 1973 war das gesamte
Gebiet Aarwil der Landhauszone zugewiesen mit der Auflage, dass eine
Überbauung nicht vor 1987 erfolgen dürfe. 1980 wurde das Gebiet einer
Zone mit besonderen Vorschriften zugewiesen und im Einvernehmen mit
den Eigentümern mit einem Bausperrvertrag belegt. Im Rahmen der ersten
Etappe der Ortsplanungsrevision erfolgte im Jahre 1990 die Einweisung
von rund 1,3 ha des Gebiets Aarwil in ein Ortsbildschutzgebiet; für die
übrige Fläche wurde eine Landwirtschaftszone festgelegt. Eine Beschwerde
der Erbengemeinschaft Marcuard gegen diese Festsetzungen wurde vom
Regierungsrat des Kantons Bern am 5. März 1991 mit Rücksicht auf die in
der Gemeinde hängige zweite Etappe der Ortsplanungsrevision sistiert.

    An der Urnenabstimmung vom 6. Juni 1993 verabschiedeten die
Stimmberechtigten der Einwohnergemeinde Muri die zweite Etappe der
Ortsplanungsrevision. Im Gebiet Aarwil wurde für eine Teilfläche entlang
des angrenzenden, bereits überbauten Gebiets eine Bauzone mit der
Bezeichnung "Zone mit Planungspflicht Aarwil" festgesetzt. Am 20. Juli
1994 genehmigte das kantonale Amt für Gemeinden und Raumordnung die
Zonenordnung und wies die Einsprache von Yvonne Hausammann - mit ihrer
Parzelle Nr. 1126 direkte nördliche Anstösserin der neu ausgeschiedenen
"Zone mit Planungspflicht Aarwil" - als unbegründet ab.

    Gegen diese Plangenehmigung wehrte sich Yvonne Hausammann mit Erfolg
bei der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern, welche
deren Beschwerde am 17. Oktober 1995 guthiess und der Einzonung der
"Zone mit Planungspflicht Aarwil" die Genehmigung verweigerte. Das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern trat auf eine Beschwerde der
Erbengemeinschaft Marcuard gegen den Nichtgenehmigungsentscheid der
Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion mit Urteil vom 6. Februar 1996
nicht ein, weil es sich bei der umstrittenen Nichteinzonung nicht um einen
Fall handle, für welchen Art. 6 Ziff. 1 EMRK "die Beurteilung durch ein
unabhängiges Gericht verlange" (Art. 61a Abs. 3 lit. a des kantonalen
Baugesetzes vom 9. Juni 1985; BauG).

    Gegen das Verwaltungsgerichtsurteil vom 6. Februar 1996 führt die
Erbengemeinschaft Marcuard staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung
von Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 4 BV.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 61a Abs. 3 lit. a BauG steht die Beschwerde an das
kantonale Verwaltungsgericht gegen Plangenehmigungsbeschlüsse der Justiz-,
Gemeinde- und Kirchendirektion offen, soweit die EMRK die Beurteilung
durch ein unabhängiges Gericht verlangt, namentlich zur Bestreitung
des Enteignungsrechts. Mit dem von den Beschwerdeführern beanstandeten
Entscheid der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion vom 17. Oktober 1995
wird kein Enteignungsrecht erteilt. Die Beschwerdeführer machen geltend,
sie hätten gestützt auf Art. 61a Abs. 3 lit. a BauG und Art. 6 Ziff. 1
EMRK trotzdem Anspruch darauf, dass die Zulässigkeit der umstrittenen
Zonenplanmassnahme vom kantonalen Verwaltungsgericht überprüft werde. Der
angefochtene Nichteintretensentscheid verletze daher Art. 6 Ziff. 1 EMRK
sowie Art. 4 BV.

    a) Wird mit einer staatsrechtlichen Beschwerde eine Verletzung von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK geltend gemacht, so prüft das Bundesgericht vorerst die
Auslegung und Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts auf Willkür. Mit
freier Kognition beurteilt es daraufhin, ob die als vertretbar erkannte
Auslegung des kantonalen Prozessrechts mit den Garantien nach Art. 6
Ziff. 1 EMRK vereinbar ist (BGE 114 Ia 50 E. 2b S. 52; 117 Ia 170 E. 1,
mit Hinweisen).

    b) Bei der Überprüfung von Zonenplänen ist es nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichts unter Umständen möglich, dass das Verfahren
der staatsrechtlichen Beschwerde eine Art. 6 Ziff. 1 EMRK genügende
richterliche Kontrolle erlaubt (BGE 120 Ia 19 E. 4c S. 30; 119 Ia 411
E. 5 S. 419 ff.; 117 Ia 497 E. 2c-e S. 501 ff.; Urteil des Bundesgerichts
vom 11. November 1992 in ZBl 94/1993, S. 476). Diese Rechtsprechung,
die auf das in BGE 117 Ia 497 ff. publizierte Urteil betreffend die
Gemeinde Oberschrot zurückgeht, steht nach der Praxis der Strassburger
Organe mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK im Einklang (VPB 58/1994 Nr. 102;
Entscheid der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 11. April
1996 i.S. Fondation Croix-Etoile c. Suisse zur Publikation bestimmt in
VPB 60/1996, Heft IV).

    Im vorliegenden Verfahren geht es nicht um die nach Art. 6 Ziff. 1
EMRK allenfalls erforderliche materielle Prüfung der Angelegenheit
durch das Bundesgericht, da der Sachentscheid der Justiz-, Gemeinde- und
Kirchendirektion vom 17. Oktober 1995 damals nicht mit staatsrechtlicher
Beschwerde, sondern lediglich mit kantonaler Verwaltungsgerichtsbeschwerde
angefochten wurde. Dieses Rechtsmittel ist, wie das Verwaltungsgericht
willkürfrei darlegt, nach Art. 61a Abs. 3 lit. a BauG zulässig, wenn
Art. 6 Ziff. 1 EMRK auf die Streitsache Anwendung findet.

    Es ist somit vorliegend mit freier Kognition (s. vorne E. 2a) zu
prüfen, ob das Verwaltungsgericht die Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1
EMRK auf den Nichtgenehmigungsentscheid der Justiz-, Gemeinde- und
Kirchendirektion vom 17. Oktober 1995 zu Recht verneint hat.

Erwägung 3

    3.- Nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine
Sache in billiger Weise öffentlich und innert angemessener Frist gehört
wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz
beruhenden Gericht, das unter anderem über zivilrechtliche Ansprüche und
Verpflichtungen zu entscheiden hat. Die Frage, ob Art. 6 Ziff. 1 EMRK
auf eine Nichteinzonung von Land in die Bauzone anwendbar ist, hat das
Bundesgericht bisher noch nie beantworten müssen.

    a) Das Verwaltungsgericht führt im angefochtenen Urteil aus,
die Strassburger Organe wendeten Art. 6 Ziff. 1 EMRK im Bereich
der Raumplanung dann an, wenn die von einer Planung betroffenen
Grundeigentümer konkrete Beschränkungen bestehender Nutzungsrechte oder
mit der Plangenehmigung verbundene Rechtsverluste beanstandeten (RUTH
HERZOG, Art. 6 EMRK und kantonale Verwaltungsrechtspflege, Bern 1995,
S. 139 ff., insbes. S. 142, 148). Im vorliegenden Verfahren stehe indessen
nicht ein Fall zur Diskussion, in welchem der Entscheid der Justiz-,
Gemeinde- und Kirchendirektion über die Nutzungsplanfestsetzung für die
betroffenen Grundeigentümer Nutzungseinbussen oder Rechtsverluste zur
Folge habe. Die Beschwerdeführer würden denn auch selbst nicht behaupten,
das Gebiet Aarwil habe in den vergangenen Jahrzehnten jemals baureifes
Land im enteignungsrechtlichen Sinn dargestellt. Eine Nichteinzonung
ohne (materielle) Enteignungswirkung wie sie hier vorliege, sei in der
Strassburger Praxis jedoch noch nie als Tatbestand, der zivilrechtliche
Ansprüche im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK berühre, betrachtet worden. Auch
die bundesgerichtliche Praxis habe sich bisher an die Rechtsprechung der
Strassburger Organe gehalten und die Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK
im Zusammenhang mit Nichteinzonungsfällen noch nie ausdrücklich bejaht.

    Sollten - so das Verwaltungsgericht weiter - nicht mehr nur
konkrete Einbussen bestehender Nutzungsrechte bzw. Rechtsverluste,
sondern auch (theoretisch) mögliche Nutzungsmehrungen, auf welche
in der schweizerischen Planungsrechtsordnung kein materieller
Rechtsanspruch bestehe, als individuelle vermögenswerte Interessen
bzw. als zivilrechtliche Ansprüche im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK
anerkannt und der daraus fliessenden Rechtsweggarantie unterstellt
werden, so bedinge dies einen Paradigmenwechsel im schweizerischen
Planungsrechtsverständnis. Art. 6 Ziff. 1 EMRK dürfe indessen nicht als
"Hebel" verwendet werden, um neue innerstaatliche Ansprüche zu schaffen
(MARK E. VILLIGER, Probleme der Anwendung von Art. 6 Abs. 1 EMRK auf
verwaltungs- und sozialgerichtliche Verfahren, in AJP 2/95 S. 163 ff.,
MARK E. VILLIGER, Handbuch der EMRK, 1993, S. 225 Rz. 377; ferner HEINER
WOHLFAHRT, in AJP 11/95 S. 1421 ff.). Die Anwendbarkeit von Art. 6
Ziff. 1 EMRK auf den Nichtgenehmigungsentscheid der Justiz-, Gemeinde-
und Kirchendirektion vom 17. Oktober 1995 sei deshalb zu verneinen.

    b) Dem vorliegenden Verfahren liegt ein Entscheid der Justiz-,
Gemeinde- und Kirchendirektion vom 17. Oktober 1995 zugrunde, mit
welchem die von den Stimmberechtigten der Einwohnergemeinde Muri an einer
Urnenabstimmung verabschiedete und vom kantonalen Amt für Gemeinden und
Raumordnung genehmigte zweite Etappe der kommunalen Ortsplanungsrevision
in bezug auf die Festsetzung einer Bauzone mit Planungspflicht im Gebiet
Aarwil nicht genehmigt wurde. Es ist unbestritten, dass mit der zweiten
Etappe der Ortsplanungsrevision von Muri eine Begrenzung der Bauzone auf
das in Art. 15 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979
(RPG; SR 700) vorgesehene Mass angestrebt wurde und dass der Nutzungsplan
erst mit der Genehmigung durch die zuständige kantonale Behörde verbindlich
wird (Art. 26 RPG, Art. 61 BauG). Der Genehmigungsentscheid des Amts
für Gemeinden und Raumordnung unterliegt nach Art. 61a Abs. 1 BauG der
Beschwerde an die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion, die über die
Plangenehmigung unter Vorbehalt der Beschwerde an das Verwaltungsgericht
endgültig entscheidet. Die vom kantonalen Amt für Gemeinden und
Raumordnung genehmigte Festsetzung der "Zone mit Planungspflicht Aarwil"
wurde aufgrund des Nichtgenehmigungsentscheids der Justiz-, Gemeinde-
und Kirchendirektion nicht verbindlich im Sinne von Art. 26 Abs. 3 RPG.
Insoweit kann auch dem Verwaltungsgericht darin zugestimmt werden,
dass es sich vorliegend nicht um eine Auseinandersetzung über konkrete
Einbussen bestehender Nutzungsrechte bzw. Rechtsverluste handelt. Den
Beschwerdeführern stand mangels rechtlicher Verbindlichkeit der "Zone
mit Planungspflicht Aarwil" jedenfalls noch kein konkreter Rechtsanspruch
auf eine dieser Planfestsetzung entsprechende Grundstücksnutzung zu. Dies
wird im wesentlichen auch nicht bestritten.

    c) Die Beschwerdeführer vertreten indessen die Ansicht, es bedürfe
aufgrund von Art. 6 Ziff. 1 EMRK einer gerichtlichen Überprüfung, ob
die "Zone mit Planungspflicht Aarwil" von der Justiz-, Gemeinde- und
Kirchendirektion zu Recht nicht genehmigt wurde. Sie machen geltend, es
handle sich entgegen den Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht um eine
Streitigkeit über bloss theoretisch mögliche Nutzungsmehrungen, sondern um
eine ernsthafte Auseinandersetzung über bauliche Nutzungsmöglichkeiten,
die von den Stimmberechtigten der Einwohnergemeinde Muri festgelegt
und vom kantonalen Amt für Gemeinden und Raumordnung in erster Instanz
genehmigt worden seien. Erst die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion
habe die "Zone mit Planungspflicht Aarwil" auf Beschwerde einer Nachbarin
hin nicht genehmigt. Damit liege hier eine Streitigkeit über die den
Grundeigentümern im Gebiet der "Zone mit Planungspflicht Aarwil"
zustehenden Grundstücksnutzungen und folglich über ihre konkreten
individuellen zivilrechtlichen Ansprüche im Sinne von Art. 6 Ziff. 1
EMRK vor.

    d) Weder das Bundesgericht noch die Strassburger Organe haben
die Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK in bezug auf Streitigkeiten
über öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkungen generell auf Fälle
beschränkt, in welchen konkrete Einbussen bestehender Nutzungsrechte
bzw. Rechtsverluste zur Diskussion stehen. Zwar ist dem Verwaltungsgericht
darin zuzustimmen, dass die Mehrheit der Angelegenheiten, in denen
die Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK bejaht wurde, Anordnungen
betrafen, die eine Beschränkung bestehender Nutzungsrechte bewirkten
(s. ANDREAS KLEY-STRULLER, Der Anspruch auf richterliche Beurteilung
"zivilrechtlicher Streitigkeiten" im Bereich des Verwaltungsrechts sowie
von Disziplinar- und Verwaltungsstrafen gemäss Art. 6 EMRK, in AJP 1/1994,
S. 23 ff., insbes. S. 29 mit Hinweisen). Dies bedeutet jedoch nicht,
dass in allen Fällen, die nicht direkt einen Verlust von bestehenden
Nutzungsrechten zum Gegenstand haben, das Vorliegen einer Streitigkeit
über zivilrechtliche Ansprüche im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK verneint
werden müsste. So hat das Bundesgericht in BGE 120 Ib 136 ff. und in BGE
120 Ib 224 ff. hervorgehoben, dass ein Anspruch des Grundeigentümers auf
umfassenden gerichtlichen Rechtsschutz auch bei drohender materieller
Enteignung besteht (vgl. weiter BGE 118 Ia 372 E. 6 S. 381 ff.; 119 Ia
88 E. 4b S. 94 und die Übersicht über die Rechtsprechung in diesem Urteil
E. 3b S. 92 f. sowie in BGE 120 Ia 209 E. 6b S. 213 f.). Eine materielle
Enteignung kann nicht nur vorliegen, wenn der bisherige Gebrauch des
Grundeigentums wegfällt, sondern auch, wenn eine voraussehbare künftige
Nutzung untersagt oder besonders stark eingeschränkt wird (BGE 121 II 417
E. 4a S. 423 mit Hinweisen). So wurde denn auch in BGE 121 II 417 ff. das
Vorliegen einer materiellen Enteignung bei einer Nichteinzonung bejaht.

    e) Ein Entscheid über zivilrechtliche Ansprüche im Sinne von Art. 6
Ziff. 1 EMRK liegt vor, wenn eine Zonenplanung direkte Auswirkungen
auf die Ausübung der Eigentumsrechte der Grundeigentümer hat. Dass
Nichteinzonungen direkte Auswirkungen auf die zivilrechtlichen Ansprüche
oder Verpflichtungen der Grundeigentümer haben können, zeigt sich
insbesondere in Fällen, in welchen umstritten ist, ob den Grundeigentümern
nach dem geltenden Raumplanungsrecht ein Anspruch auf Einzonung ihres
Landes in eine Bauzone zusteht. Solche Ansprüche können sich zunächst
daraus ergeben, dass Land, das nach den gesetzlichen Vorschriften in die
Bauzone gehört, grundsätzlich in eine solche Zone einzuweisen ist. Bei
der Festsetzung der Nutzungsplanung haben die Planungsbehörden indessen
ungeachtet des Umstands, ob die bisherige Planung den Anforderungen
von Art. 15 RPG entspricht, nicht allein der Begriffsumschreibung
gemäss Art. 15 RPG zu folgen, sondern auch die übrigen im Bundesrecht
und im kantonalen Recht enthaltenen Zonierungsgrundsätze optimal zu
berücksichtigen. Sie haben alle Interessen, öffentliche und private,
zu beachten und gegeneinander abzuwägen. Der Grundeigentümer hat dabei
zwar grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass sein Land im Rahmen einer
revidierten Nutzungsplanung in der Bauzone verbleibt (vgl. BGE 119 Ia 362
E. 5a S. 372; 118 Ia 151 E. 4b S. 157, je mit Hinweisen). Als Ausnahme von
dieser Regel hat das Bundesgericht jedoch aufgrund der im Planungsrecht
anwendbaren Grundsätze schon in verschiedenen Fällen ein Einzonungsgebot
bejaht (vgl. BGE 115 Ia 350 E. 3f/dd S. 356 f., 333 ff.; 113 Ia 457 ff.;
Urteil des Bundesgerichts vom 10. Dezember 1987 in ZBl 90/1989 S. 363
ff.). Zudem hat sich im Zusammenhang mit Verfahren betreffend materielle
Enteignung gezeigt, dass die Beschränkung der baulichen Nutzung von
Grundstücken - auch bei Nichteinzonungen - eine Entschädigungspflicht
des planenden Gemeinwesens bewirken kann (BGE 121 II 417 ff.; BGE 122 II
326 E. 6c S. 334; Urteil des Bundesgerichts vom 11. November 1992 in ZBl
94/1993 S. 251 ff. E. 6d). Soweit über die Einzonung oder Nichteinzonung
von Land in eine Bauzone befunden wird, liegt darin nach dem Gesagten
auch ein Entscheid über den Anspruch des Grundeigentümers auf bauliche
Nutzungsmöglichkeiten. Insoweit werden somit bereits im Planungsentscheid
zivilrechtliche Ansprüche des Grundeigentümers im Sinne von Art. 6 Ziff. 1
EMRK beurteilt. Dass im Anschluss an die Planfestsetzung bzw. -genehmigung
in gewissen Fällen ein Anspruch auf Entschädigung wegen materieller
Enteignung besteht, ändert nichts am Umstand, dass bereits mit dem
Entscheid über die Genehmigung bzw. Nichtgenehmigung der Nutzungsplanung
die zulässige Grundstücksnutzung festgelegt und damit auch über ein
allfälliges planungsrechtliches Einzonungsgebot entschieden wird. Dies
gilt insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden, in welchem ein vom
kommunalen Planungsträger und der erstinstanzlichen Plangenehmigungsbehörde
anerkanntes, planungsrechtliches Einzonungsgebot umstritten ist.

    f) Diese Beurteilung steht mit der Rechtsprechung der Strassburger
Organe im Einklang. Zwar liegt noch kein Entscheid des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vor, der sich mit der hier
vorliegenden Problematik im einzelnen befasst. Die Europäische
Menschenrechtskommission (EKMR) geht indessen allgemein davon aus, dass
der Ausgang eines Verfahrens über Nutzungspläne auch zivilrechtliche
Ansprüche und Verpflichtungen im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK betrifft,
wenn ein Grundeigentümer öffentlichrechtliche Normen anruft, um eine
Beeinträchtigung seiner mit dem Grundbesitz verbundenen Eigentumsrechte zu
verhindern. Demzufolge wendete die Strassburger Kommission Art. 6 Ziff. 1
EMRK auf den Zonenplan einer Bündner Gemeinde (vgl. VPB 58/1994 Nr. 102)
sowie auf einen Quartierplan nach Waadtländer Recht an (zur Publikation
in VPB 60/1996 Heft IV bestimmter Entscheid der EKMR vom 11. April 1996
i.S. Fondation Croix-Etoile c. Suisse, mit Hinweisen auf die Urteile des
EGMR vom 25. November 1994 i.S. Ortenberg gegen Österreich, Serie A no
295-B, Ziff. 28, und vom 22. November 1995 i.S. Bryan gegen Vereinigtes
Königreich, Serie A no 335-A, Ziff. 31).

Erwägung 4

    4.- a) Wie vorne in E. 3c erwähnt, beanstanden die Beschwerdeführer
im vorliegenden Fall, dass die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion
des Kantons Bern am 17. Oktober 1995 die Festsetzung der "Zone mit
Planungspflicht Aarwil" nicht genehmigte. Inhaltlich bedeutet diese
Nichtgenehmigung, dass das Gebiet der "Zone mit Planungspflicht Aarwil"
nach Auffassung der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion aus Gründen
des Landschaftsschutzes vor jeder Überbauung freigehalten werden soll
und den Grundeigentümern kein planungsrechtlicher Einzonungsanspruch
zusteht. Diese Entscheidung hat nach den Ausführungen in E. 3e hiervor
direkte Auswirkungen auf die Rechte der Grundeigentümer. Dies gilt
unbesehen darum, dass die Bauzone nach dem alten Zonenplan von Muri mit
Blick auf die Anforderungen von Art. 15 RPG zu gross war und das bisher
nicht überbaute Gebiet der "Zone mit Planungspflicht Aarwil" seit dem
1. Januar 1988 deshalb nicht in einer der Raumplanungsgesetzgebung
entsprechenden Bauzone lag (Art. 35 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 36
Abs. 3 RPG; BGE 121 II 417 E. 3b mit Hinweisen). Soweit es in der dem
vorliegenden Verfahren zugrunde liegenden Auseinandersetzung darum geht,
gestützt auf planungsrechtlich relevante Normen eine Beeinträchtigung des
von den Beschwerdeführern behaupteten Einzonungsanspruchs zu vermeiden,
ist das Vorliegen einer Streitigkeit über zivilrechtliche Ansprüche im
Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu bejahen. Ob sich die Beschwerdeführer zu
Recht auf einen Einzonungsanspruch berufen, ist im Rahmen der materiellen
Prüfung der Angelegenheit zu beurteilen.

    b) Es ergibt sich somit, dass die vorliegende Auseinandersetzung
über das Einzonungsgebot betreffend die "Zone mit Planungspflicht
Aarwil" einer gerichtlichen Überprüfung im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK
bedarf. Die bernische Rechtsordnung sieht einen gerichtlichen Rechtsschutz
auf kantonaler Ebene vor, wenn in Anwendung der EMRK eine Anrufung des
Richters ermöglicht werden muss (Art. 61a Abs. 3 lit. a BauG). Ein solcher
Anspruch wird noch nicht in allen Kantonen der Schweiz gewährt. Soweit
eine entsprechende kantonale Bestimmung (noch) fehlt, gewährleistet
das Bundesgericht nach der von der Strassburger Kommission bestätigten
"Oberschrot-Praxis" (s. vorne E. 2b) in bestimmten Fällen ausnahmsweise
einen Art. 6 Ziff. 1 EMRK genügenden Rechtsschutz. Wenn jedoch, wie hier,
das kantonale Recht in Anwendung der EMRK die Beurteilung durch ein
unabhängiges kantonales Gericht vorschreibt (s. Art. 61a Abs. 3 lit. a
BauG), ist dieses verpflichtet, auf eine Beschwerde wegen Verletzung
eines planungsrechtlichen Einzonungsgebots einzutreten.

Erwägung 5

    5.- Zusammenfassend ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht auf die
kantonale Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Erben Marcuard zu Unrecht nicht
eingetreten ist. Die staatsrechtliche Beschwerde ist somit gutzuheissen.
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung
an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen.