Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 122 I 257



122 I 257

35. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 24.
September 1996 i.S. X. gegen Finanzdirektion und Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 4 BV; Art. 4 Prot. Nr. 7 EMRK; Art. 14 Abs. 7 UNO-Pakt
II; Grundsatz "ne bis in idem"; Verhältnis von Steuerbetrug und
Steuerhinterziehung.

    Grundlagen und Bedeutung des Grundsatzes "ne bis in idem" (E. 3).

    Substitution von Motiven durch das Bundesgericht (E. 5).

    Zwischen dem Tatbestand der Steuerhinterziehung und dem Tatbestand des
Steuerbetrugs besteht Idealkonkurrenz (Änderung der Rechtsprechung). Kein
Verstoss gegen den Grundsatz "ne bis in idem" bei Verurteilung wegen
Steuerhinterziehung im Anschluss an eine solche wegen Steuerbetrugs
(E. 5-7).

    Berücksichtigung der für den Steuerbetrug ausgesprochenen Strafe bei
der Bemessung der Hinterziehungsbusse (E. 8).

Sachverhalt

    A.- Mit Urteil vom 13. Februar 1991 sprach das Bezirksgericht
Dielsdorf X. des fortgesetzten vollendeten und versuchten Steuerbetrugs
bei den Staats- und Gemeindesteuern (§ 192 Abs. 1 des Steuergesetzes des
Kantons Zürich [StG] vom 8. Juli 1951) und des Steuerbetrugs bei der
direkten Bundessteuer (Art. 130bis Abs. 1 des Bundesratsbeschlusses
vom 9. Dezember 1940 über die direkte Bundessteuer [BdBSt], SR
642.11) schuldig und verurteilte ihn zu fünf Monaten Gefängnis,
unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges, und zu einer Busse
von Fr. 12'000.-. In tatsächlicher Hinsicht beruht der Schuldspruch
darauf, dass X. als Inhaber der Einzelfirma "X. Sport" in den mit
seinen Steuererklärungen 1980-1983 eingereichten Geschäftsabschlüssen
Rückvergütungen seiner ausländischen Lieferantin unterdrückt und damit die
Steuerbehörden über seine tatsächlichen Einnahmen getäuscht hat. Diese
Rückvergütungen beliefen sich gemäss damaligem Ermittlungsstand auf:
Steuerjahr 1980 Fr. 209'000.--
(ausgewiesener Reingewinn Fr. 46'727.88)
Steuerjahr 1981 Fr. 269'000.--
(ausgewiesener Reingewinn Fr. 105'926.17)
Steuerjahr 1982 Fr. 110'000.--
(ausgewiesener Reingewinn Fr. 114'314.74)
Steuerjahr 1983 Fr. 120'000.--
(ausgewiesener Reingewinn Fr. 152'651.22)

    Das Urteil erwuchs in Rechtskraft.

    Am 6. Juli 1992 leitete der Steuerkommissär gegenüber den Ehegatten
X. das Nach- und Strafsteuerverfahren für die Staats- und Gemeindesteuern
1982 und 1983 ein. Mit Verfügung vom 20. November 1992 setzte die
Finanzdirektion des Kantons Zürich die Nachsteuern auf Fr. 77'916.20 fest
und auferlegte dem Ehemann wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung eine
Strafsteuer von Fr. 116'874.30 (§ 188 StG). Die Steuerjahre 1980 und
1981 blieben infolge Verjährung unberücksichtigt.

    Gegenüber der Nach- und Strafsteuerverfügung der Finanzdirektion
erhoben die Eheleute X. Rekurs beim Verwaltungsgericht des Kantons
Zürich. Sie machten geltend, dass inzwischen auch die Hinterziehung der
Staats- und Gemeindesteuern 1982 verjährt sei und beriefen sich auf den
Grundsatz "ne bis in idem". Diesen sahen sie dadurch verletzt, dass X. für
die gleiche Tat sowohl des Steuerbetrugs wie auch der Steuerhinterziehung
schuldig gesprochen wurde.

    Mit Entscheid vom 14. Juli 1993 stellte das Verwaltungsgericht das
Nach- und Strafsteuerverfahren für das Steuerjahr 1982 wegen Verjährung
ein. Die Nachsteuer 1983 setzte es auf Fr. 40'171.50 fest und auferlegte
dem Steuerpflichtigen eine Strafsteuer von Fr. 35'000.-. Bei der Bemessung
der Strafsteuer berücksichtigte es strafmindernd den Umstand, dass der
Beschuldigte bereits wegen Steuerbetrugs vom Bezirksgericht Dielsdorf
bestraft worden ist.

    Die Eheleute X. führen staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, der
Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich sei hinsichtlich der
dem Beschwerdeführer X. auferlegten Strafsteuer aufzuheben. Dementsprechend
sei der Entscheid auch insoweit zu kassieren, als den Beschwerdeführern die
Kosten für das verwaltungsgerichtliche Verfahren teilweise überbunden und
ihnen keine Parteientschädigung zugesprochen worden sei. Die Eheleute
X. berufen sich auf den Grundsatz "ne bis in idem" und rügen den
Kostenspruch als willkürlich.

    Die Finanzdirektion des Kantons Zürich beantragt, die staatsrechtliche
Beschwerde abzuweisen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
verzichtete auf eine Stellungnahme.

    Die II. öffentlichrechtliche Abteilung führte mit dem Kassationshof
des Bundesgerichts ein Meinungsaustauschverfahren durch (Art. 16 Abs. 1
OG). In Frage stand, ob die Rechtsprechung des Kassationshofes (Urteile
vom 14. Juni 1990 in BGE 116 IV 262 und ASA 59 S. 639) in dem Sinne
zu ändern sei, dass zwischen den Tatbeständen des Steuerbetrugs und
der Steuerhinterziehung echte Konkurrenz im Sinne von Idealkonkurrenz
anzunehmen sei.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Das Prinzip "ne bis in idem" folgt nach ständiger Rechtsprechung
aus dem eidgenössischen Strafrecht. Es hat ferner verfassungsrechtlichen
Rang und leitet sich aus Art. 4 der Bundesverfassung (BV) ab. Sodann
ist es in Art. 4 des Protokolls Nr. 7 zur Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten (vom 22. November 1984, nachfolgend
Prot. Nr. 7 EMRK, in Kraft getreten für die Schweiz am 1. November 1988 [SR
0.101.07]) und in Art. 14 Abs. 7 des Internationalen Pakts über bürgerliche
und politische Rechte (vom 16. Dezember 1966, nachfolgend UNO-Pakt II,
in Kraft getreten für die Schweiz am 18. September 1992 [SR 0.103.2])
ausdrücklich erwähnt. Danach darf niemand "wegen einer strafbaren Handlung,
wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines
Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem
Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft
werden" (Art. 4 Ziff. 1 Prot. Nr. 7 EMRK; fast gleichlautend Art. 14
Abs. 7 UNO-Pakt II). Einer zweiten Verfolgung der gleichen Tat steht mit
anderen Worten prozessual die materielle Rechtskraft des zeitlich ersten
Entscheides entgegen (BGE 119 Ib 311 S. 318 mit Hinweisen). Voraussetzung
für diese Sperrwirkung ist allerdings die Identität der Person und
der Tat (s. dazu ROBERT HAUSER, Kurzlehrbuch des Strafprozessrechts, 2.
Aufl. 1984, S. 241 ff.). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung greift
das Verbot der Doppelbestrafung zudem nur ein, wenn dem Richter im ersten
Prozess die rechtliche Möglichkeit zugestanden hat, den Sachverhalt unter
allen tatbestandsmässigen Gesichtspunkten zu würdigen (BGE 119 Ib 311
S. 319 mit Hinweisen).

    Wird ein kantonales Strafurteil wegen Verletzung des Grundsatzes
"ne bis in idem" mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten, prüft
das Bundesgericht frei, ob die als vertretbar erkannte Auslegung des
kantonalen Rechts mit der aus Art. 4 BV und Art. 4 Prot. Nr. 7 EMRK
fliessenden Garantie vereinbar ist. Das gilt auch, soweit die Anwendung
von Art. 14 UNO-Pakt II in Frage steht (vgl. etwa BGE 116 Ia 32 S. 33, 162
S. 175 f., 485 S. 486 für Art. 6 EMRK; BGE 120 Ia 247 S. 255 für Art. 14
Abs. 3 lit. d UNO-Pakt II). Nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür
prüft es dagegen die Auslegung und Anwendung des kantonalen Gesetzesrechts.

Erwägung 4

    4.- Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Entscheid eine
Verletzung des Verbots "ne bis in idem" verneint. Es argumentiert im
wesentlichen wie folgt:

    Mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (Urteil vom 14. Juni 1990
in BGE 116 IV 262 und ASA 59 S. 639) sei davon auszugehen, dass es sich
beim Steuerbetrug und bei der Steuerhinterziehung um unecht konkurrierende
Tatbestände handle; der Steuerbetrug baue als qualifizierte Form der
Steuerhinterziehung auf diesem Tatbestand auf. Der Unterschied zwischen
den beiden Tatbeständen bestehe nur darin, dass beim Steuerbetrug
die Täuschungshandlung mit gefälschten Urkunden vorgenommen werde,
während für die Hinterziehung jedes Vorenthalten von Steuern ausreiche;
ein Steuerbetrug ohne gleichzeitige Begehung einer Steuerhinterziehung
sei schon nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung (vgl. Art. 130bis
Abs. 1 BdBSt: "Wer bei einer Hinterziehung ...") nicht denkbar; beide
Strafnormen schützten zudem das gleiche Rechtsgut, nämlich das staatliche
Vermögen. Somit sei davon auszugehen, dass mit der Bestrafung wegen
Steuerbetrugs der darin enthaltene geringere kriminelle Unwert der
Steuerhinterziehung konsumiert werde, und zwar nicht nur bei jenen
Tatbeständen des Steuerbetrugs,bei denen die Steuerhinterziehung
Tatbestandsmerkmal bilde (Art. 130bis Abs. 1 BdBSt), sondern auch
bei der anderen Normvariante, bei der Hinterziehungsabsicht genüge (§
192 Abs. 1 StG: "Wer zum Zwecke der Steuerhinterziehung ..."). Daraus
sei indessen nicht zu folgern, dass ein rechtskräftig verurteilter
Steuerbetrüger wegen der gleichen Tat nicht dem Hinterziehungsrichter
überantwortet werden dürfe; sei nämlich wegen eines Lebenssachverhalts
eine Strafe durch mehrere Behörden auszusprechen, so könne das Prinzip
"ne bis in idem" nur unter der Voraussetzung Platz greifen, dass jeder
Strafbehörde die rechtliche Möglichkeit zugestanden habe, den Sachverhalt
unter allen tatbestandsmässigen Gesichtspunkten zu würdigen. An dieser
Voraussetzung fehle es hier, weil nach der zürcherischen Ordnung die
Steuerbehörden nicht über den Steuerbetrug und der Strafrichter nicht
über das Hinterziehungsdelikt zu entscheiden haben. Das Prinzip "ne bis
in idem" sei deshalb nicht verletzt, wenn der Beschwerdeführer sowohl
wegen Steuerbetrugs wie auch wegen Steuerhinterziehung (durch verschiedene
Behörden) bestraft worden sei.

Erwägung 5

    5.- Die Begründung des Verwaltungsgerichts erweckt Bedenken.
Es trifft zwar zu, dass der Kassationshof des Bundesgerichts in BGE
116 IV 262 (S. 267) hinsichtlich der direkten Bundessteuer wie auch im
konnexen Entscheid in ASA 59 S. 639 (S. 644/45) für den Steuerbetrug und
die Steuerhinterziehung nach zürcherischem Recht erkannt hat, dass die
beiden Tatbestände im Verhältnis unechter Konkurrenz zueinander stehen,
dass mithin die Bestrafung wegen Steuerbetrugs den weniger weitgehenden
kriminellen Unwert der Steuerhinterziehung einbeziehe. Insofern vermag
sich das Urteil des Verwaltungsgerichts auf die bundesgerichtliche
Rechtsprechung zu stützen. Wenn jedoch der Tatbestand des Steuerbetrugs
den Tatbestand der Steuerhinterziehung (im Sinne der Spezialität oder
Konsumtion) gänzlich erfasst, wie das Verwaltungsgericht anzunehmen
scheint, so herrscht zwischen den beiden Tatbeständen unechte Konkurrenz
und kommt nach der rechtskräftigen Verurteilung wegen Steuerbetrugs eine
erneute Bestrafung wegen Steuerhinterziehung nicht in Frage, weil mit
der Bestrafung wegen Steuerbetrugs das weniger weit gehende Unrecht der
Steuerhinterziehung bereits abgegolten ist (vgl. zur Konkurrenzlehre
TRECHSEL/NOLL, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I,
4. Aufl. 1994, S. 258; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht,
Allgemeiner Teil I: Die Straftat, 2. Aufl. 1996, S. 459 ff.). Einer solchen
Doppelbestrafung stünde das Prinzip "ne bis in idem" entgegen. Daran ändert
nichts, dass für die Beurteilung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung
verschiedene Behörden zuständig sind. Denn das Prinzip "ne bis in idem"
ist auch dann zu beachten, wenn verschiedene Behörden über die gleiche
Tat befinden müssen.

    Hingegen fragt sich, ob richtigerweise zwischen dem Tatbestand des
Steuerbetrugs und demjenigen der Steuerhinterziehung Idealkonkurrenz
angenommen werden muss und der Entscheid des Verwaltungsgerichts mit
dieser Begründung aufrecht erhalten werden kann. Die Aufhebung eines
mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochtenen kantonalen Entscheides
rechtfertigt sich nur, wenn er im Ergebnis verfassungswidrig ist,
und nicht schon dann, wenn die Begründung unhaltbar erscheint (BGE
118 Ia 118 S. 123 f.). Das Bundesgericht hat deshalb die Möglichkeit,
eine verfassungswidrige Begründung durch die richtige Begründung zu
ersetzen. Zwar hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid zur
Frage der Konkurrenz zwischen den beiden Tatbeständen bereits Stellung
genommen, was formell einer Motivsubstitution entgegenstünde (BGE 98
Ia 351 E. 3; ferner BGE 112 Ia 353 S. 355 mit weiteren Hinweisen). In
seiner früheren Rechtsprechung ging jedoch das Verwaltungsgericht
davon aus, dass es sich bei Steuerbetrug und Steuerhinterziehung nach
kantonalem Recht um echt konkurrierende Tatbestände handle und dass
der Unrechtsgehalt der Steuerhinterziehung durch die Bestrafung wegen
Steuerbetrugs nicht abgegolten werde (Rechenschaftsbericht an den
Kantonsrat, 1987 Nr. 47). Seine neue Praxis begründet das Gericht im
wesentlichen mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts, die unechte
Konkurrenz zwischen den beiden Tatbeständen annimmt. Da jedoch die
bundesgerichtliche Rechtsprechung ihrerseits der Überprüfung bedarf,
rechtfertigt es sich, abweichend von der Regel, eine Motivsubstitution
in Betracht zu ziehen. Die Konkurrenzfrage ist daher zu prüfen.

Erwägung 6

    6.- Da die II. öffentlichrechtliche Abteilung eine Änderung der Praxis
des Kassationshofes in BGE 116 IV 262 und ASA 59 S. 639 in Betracht zog,
eröffnete sie das Meinungsaustauschverfahren gemäss Art. 16 OG zwischen
den beiden Gerichtsabteilungen. Der Meinungsaustausch hat zu folgendem
Ergebnis geführt:

    a) Es gibt kein sicheres Kriterium, anhand dessen sich sagen lässt,
ob ein Tatbestandsmerkmal die Tat bzw. den Täter näher charakterisiert
und deshalb der Tatbestand allein Anwendung findet oder ob keiner der
beiden in Betracht fallenden Tatbestände den Unrechtsgehalt der Tat
voll erfasst und diese deshalb nebeneinander zum Zuge kommen. Letztlich
handelt es sich um eine Entscheidung des Gesetzgebers, der zwischen zwei
Tatbeständen echte Konkurrenz (Idealkonkurrenz) oder unechte Konkurrenz
anordnen kann. Wenn beispielsweise der Täter bei einem Betrug gefälschte
Urkunden verwendet, so stehen die Art. 146 und 251 des Strafgesetzbuches
(StGB) nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts in echter
Konkurrenz (BGE 105 IV 242 S. 247; 100 IV 176 S. 179); oder wenn der
Täter seine Veruntreuung durch falsche Quittungen zu verdecken sucht,
so stellt dieser Sachverhalt gleichzeitig eine Urkundenfälschung dar
(BGE 76 IV 102 S. 107). Es ist deshalb nicht einzusehen, weshalb der
Steuergesetzgeber zwischen dem Steuerbetrug und der Steuerhinterziehung
nicht echte Konkurrenz vorsehen kann. Die Frage nach der Konkurrenz der
beiden Tatbestände ist somit durch Auslegung des Gesetzes zu beantworten.

    b) § 192 Abs. 1 StG umschreibt den Tatbestand des Steuerbetrugs
folgendermassen:

    § 192

    1 Wer zum Zwecke der Steuerhinterziehung die Steuerbehörden über
   erhebliche Tatsachen durch den Gebrauch von Urkunden, insbesondere

    Geschäftsbüchern, Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen,
Lohnausweisen,
   die gefälscht oder verfälscht sind oder die erhebliche Tatsachen
   unrichtig oder unvollständig beurkunden, täuscht, wird, unabhängig
   von der

    Festsetzung einer Strafsteuer, durch den Strafrichter mit Busse bis

    Fr. 20'000, in schweren Fällen in Verbindung mit Gefängnis bis zu drei

    Jahren bestraft.

    Danach genügt die Hinterziehungsabsicht des Täters ("zum Zwecke der
Steuerhinterziehung"); der Eintritt des Erfolgs, die Steuerhinterziehung,
ist nicht erforderlich (Reimann/Zuppinger/Schärrer, Kommentar zum
Zürcher Steuergesetz, N. 8 zu § 192 StG). In dieser Hinsicht umfasst
der Steuerbetrug die Steuerhinterziehung tatbestandsmässig zum vornherein
nicht vollständig. Steuerhinterziehung und Steuerbetrug sind in getrennten
Verfahren zu verfolgen und durch verschiedene Behörden zu beurteilen. Auch
bezeichnet das Gesetz selbst den Steuerbetrug nicht als schweren Fall der
Hinterziehung. Der Wortlaut von § 192 Abs. 1 StG behält die Bestrafung
wegen Steuerhinterziehung vielmehr ausdrücklich vor ("unabhängig von der
Festsetzung einer Strafsteuer"). Offensichtlich ist auch die absolut auf
Fr. 20'000.- beschränkte Busse beim Steuerbetrug nach § 192 Abs. 1 StG in
keiner Weise auf die vom Hinterziehungsrichter auszufällende Strafsteuer
in der Höhe von mindestens einem Viertel der Nachsteuer (§ 188 Abs. 2 StG)
abgestimmt. Das spricht dafür, dass der Gesetzgeber von zwei verschiedenen
Tatbeständen ausgegangen ist und nicht von einer einzigen Widerhandlung,
die auch in qualifizierter Form begangen werden kann.

    c) Daran ändert nichts, dass die beiden Delikte in getrennten Verfahren
- durch verschiedene Behörden - zu untersuchen und beurteilen sind. Die
Bestrafung wegen der vollendeten Steuerhinterziehung setzt voraus, dass die
Höhe der zu Unrecht nicht erhobenen Steuer in einem Nachtaxationsverfahren
festgestellt wird. Das erfordert Kenntnisse im Steuerrecht. Aus diesem
Grund, und weil die Steuerhinterziehung nicht kriminalisiert werden
soll, wird sie durch die Steuer- und Steuerjustizbehörden untersucht
und beurteilt. Andererseits soll der Gebrauch von Falsifikaten bei einer
Steuerhinterziehung stärker geahndet werden. Deshalb wurde der Steuerbetrug
als selbständiges Delikt ausgestaltet und in die Klasse der Vergehen
erhoben, das von den ordentlichen Strafverfolgungsbehörden geahndet wird
(REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, aaO, N. 2 zu § 192 StG). Zürich war der
erste Kanton, der mit dem Steuergesetz von 1917 für den Steuerbetrug
die kriminelle Bestrafung anordnete; andere Kantone folgten nach
(REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, aaO, N. 6 zu § 192 StG). Im Recht der
direkten Bundessteuer wurde der Steuerbetrugstatbestand des Art. 131bis
Abs. 1 BdBSt durch das Bundesgesetz vom 9. Juni 1977 über Massnahmen gegen
die Steuerhinterziehung (AS 1977 2103) eingeführt und dessen Verfolgung
grundsätzlich den kantonalen Strafverfolgungsbehörden übertragen. Vor
der Revision war der Steuerbetrug als qualifizierte Steuerhinterziehung
mit einem gegenüber dem gewöhnlichen Hinterziehungsdelikt erhöhten
Strafrahmen ausgestaltet (Art. 129 Abs. 2 BdBSt; KÄNZIG/BEHNISCH, Die
direkte Bundessteuer [Wehrsteuer], 2. Aufl. 1992, N. 1 zu Art. 130bis). Die
Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung und die
Beurteilung dieser beiden Tatbestände in getrennten Verfahren (durch
verschiedene Behörden) dient somit der wirksamen Bekämpfung von schweren
Fällen der Steuerhinterziehung und ist vom Gesetzgeber gewollt (s. auch
EMIL KLAUS, Der Steuerbetrug im Zürcherischen Recht, ZBl 31/1930, S. 321
ff., wo ausgeführt wird, dass während der Geltung des Steuergesetzes
von 1870 rund 30%-40% des wirklichen Vermögens und Einkommens nicht
versteuert wurden.)

    Für die Strafzumessung beim Steuerbetrug spielt auch die Höhe
der hinterzogenen Steuern nur insoweit eine Rolle, als der auf
eine hohe Hinterziehung ausgerichtete Steuerbetrug schwerer wiegt
(RICHNER/FREI/WEBER/BRÜTSCH, Zürcher Steuergesetz, N. 63 zu § 192). In
der Regel geht das Verfahren wegen Steuerhinterziehung demjenigen wegen
Steuerbetrugs voraus. Aus der Trennung der Verfahren kann deshalb nicht
gefolgert werden, dass die Tatbestände einander ausschliessen. Bereits
unter der Geltung des Zürcher Steuergesetzes von 1917 erfolgte die
Bestrafung wegen Steuerbetrugs unabhängig von der Verpflichtung zur
Entrichtung von Nach- und Strafsteuern (KLAUS, aaO S. 481).

    d) Was das Verhältnis zwischen den beiden Tatbeständen betrifft,
so behalten übrigens die Steuergesetze beim Steuerbetrug die Bestrafung
wegen Steuerhinterziehung regelmässig vor (vgl. etwa Art. 186 Abs. 2 des
Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG],
SR 642.11). Auch das Steuerharmonisierungsgesetz vom 14. Dezember 1990
(StHG; SR 642.14) lässt in dieser Hinsicht den Kantonen für abweichende
Lösungen keinen Raum (Art. 59 Abs. 2 StHG). Zwischen Steuerhinterziehung
und Steuerbetrug herrscht daher Idealkonkurrenz. Das entspricht der
in der Doktrin einhellig vertretenen Auffassung (zum DBG und StHG:
AGNER/JUNG/STEINMANN, Kommentar zum Gesetz über die direkte Bundessteuer, N
2 zu Art. 186; BLUMENSTEIN/LOCHER, System des Steuerrechts, 5. Aufl. 1995,
S. 325; ANDREAS DONATSCH, Zum Verhältnis zwischen Steuerhinterziehung und
Steuerbetrug nach dem Steuerharmonisierungs- und dem Bundessteuergesetz,
ASA 60 S. 292; auch zum zürcherischen Recht: KONFERENZ STAATLICHER
STEUERBEAMTER, Nachsteuer- und Steuerstrafrecht: Bericht einer
Expertenkommission an den Regierungsrat des Kantons Zürich vom 5. Januar
1994, S. 28 ff., 31; RICHNER/FREI/WEBER/BRÜTSCH, aaO, N. 6 zu § 192;
MARTIN ZWEIFEL, Aktuelle Probleme des Steuerstrafrechts, ZStrR 111/1993
S. 18; für den BdBSt: URS R. BEHNISCH, Das Steuerstrafrecht im Recht der
direkten Bundessteuer, Bern 1991, S. 236; KÄNZIG/BEHNISCH, aaO, N. 70 zu
Art. 130bis; MASSHARDT, Kommentar zur direkten Bundessteuer, 2. Aufl.
1985, N. 4 zu Art. 130bis; PETER MICHAEL, Der Steuer- und Abgabebetrug
im schweizerischen Recht, Diss. St. Gallen 1992, S. 256; W. R. PFUND,
Das Gestrüpp unseres Steuerstrafrechts, ASA 48 S. 22). In der Lehre wird
zwar die gesetzliche Lösung (Idealkonkurrenz) wie auch die Aufteilung
in ein Steuerbetrugs- und ein Steuerhinterziehungsverfahren teilweise
als sachwidrig kritisiert, doch anerkennen auch diese Autoren, dass
zwischen den beiden Tatbeständen von Gesetzes wegen Idealkonkurrenz besteht
(vgl. etwa DONATSCH, aaO, S. 308 f.; ZWEIFEL, aaO, S. 18 f.; FELIX RICHNER,
Wandel und Tendenzen im Zürcher Steuerhinterziehungsrecht, ASA 61 S. 605).

    e) An der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach zwischen dem
Tatbestand des Steuerbetrugs und dem Tatbestand der Steuerhinterziehung
unechte Konkurrenz besteht, kann daher nicht festgehalten werden. Vielmehr
ist zwischen den beiden Tatbeständen Idealkonkurrenz anzunehmen, so dass
der Steuerbetrug die Steuerhinterziehung nicht konsumiert. In dieser
Hinsicht ist die in BGE 116 IV 262 und ASA 59 S. 639 begründete Praxis
zu ändern.

Erwägung 7

    7.- Handelt es sich aber beim Steuerbetrug und bei der
Steuerhinterziehung um echt konkurrierende Tatbestände, so ist der
aus Art. 4 BV hergeleitete Grundsatz "ne bis in idem" nicht verletzt,
wenn der Beschwerdeführer sowohl für den Steuerbetrug wie auch für
die Steuerhinterziehung (durch verschiedene Behörden) bestraft worden
ist. Keine weitergehenden Garantien ergeben sich aus Art. 4 Prot. Nr. 7
EMRK oder aus Art. 14 Abs. 7 UNO-Pakt II. Dem Verwaltungsgericht kann
somit im Ergebnis keine Verletzung dieser Bestimmungen vorgeworfen werden,
wenn es den Beschwerdeführer wegen der Steuerhinterziehung schuldig erklärt
hat, obschon er bereits für den Steuerbetrug bestraft wurde. Mit diesen
Erwägungen kann die Begründung im angefochtenen Entscheid substituiert
werden.

Erwägung 8

    8.- Zu beachten ist freilich, dass die von den verschiedenen Behörden
auszusprechenden Strafen zusammen nicht exzessiv ausfallen dürfen und bei
der Bestrafung wegen Hinterziehung der Steuerbetrug nicht straferhöhend
oder strafschärfend berücksichtigt wird. Der Grundsatz "ne bis in idem"
wäre verletzt, wenn der Steuerpflichtige nur deshalb strenger bestraft
wird, weil die echt konkurrierenden Delikte von verschiedenen Behörden
statt von einer einzigen Behörde zu beurteilen sind. Das ist hier indessen
nicht der Fall. Das Bezirksgericht Dielsdorf, das den Steuerbetrug zu
beurteilen hatte, berücksichtigte bei der Strafzumessung, dass sich
die Betrugshandlungen über einen langen Zeitraum erstreckten und der
Angeklagte arglistig vorging, indem er für Warenbezüge seiner ausländischen
Lieferantin bewusst zuviel bezahlte, um sich später die steuertechnisch
nicht ausgewiesenen Rückvergütungen überweisen zu lassen. Es sanktionierte
somit einzig die vom Beschwerdeführer begangenen Steuerbetrugshandlungen
und nicht die Steuerhinterziehung. Das Verwaltungsgericht, welches über die
Steuerhinterziehung zu befinden hatte, wies seinerseits ausdrücklich darauf
hin, dass das vom Beschwerdeführer errichtete "Lügengebäude" bzw. die von
ihm an den Tag gelegte Arglist bereits vom Strafrichter beurteilt worden
sei und bei der Bemessung der Hinterziehungsstrafe die vom Strafrichter
ausgesprochene Strafe "stark strafmindernd" berücksichtigt werden müsse.

    Keine der beiden Instanzen hat somit den Beschwerdeführer für
ein von ihr nicht zu beurteilendes Delikt bestraft. In Anbetracht der
Höhe der verheimlichten Rückvergütungen und Wertschriftenerträge von
Fr. 126'487.-- (bei einem deklarierten Einkommen von Fr. 144'351.--)
kann auch nicht gesagt werden, die vom kantonalen Verwaltungsgericht auf
Fr. 35'000.-- festgelegte Strafsteuer sei exzessiv ausgefallen. Auch in
dieser Hinsicht ist das Verbot der Doppelbestrafung gemäss Art. 4 BV oder
Art. 4 Prot. Nr. 7 EMRK nicht verletzt.