Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 122 I 236



122 I 236

32. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 15.
Juli 1996 i.S. Jorane Althaus gegen Einwohnergemeinde Mörigen und
Erziehungsdirektion des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Sprachenfreiheit, Art. 116 BV, Art. 4, 6, 15 KV/BE; Besuch einer
französischsprachigen Schule durch Kinder, die in einer deutschsprachigen
Gemeinde des Kantons Bern wohnen.

    Verhältnis zwischen Sprachenfreiheit und Territorialitätsprinzip
aufgrund von Art. 116 BV in der Fassung vom 10. März 1996. Die
Sprachenfreiheit verpflichtet die Gemeinwesen nicht, für neu zugewanderte
sprachliche Minderheiten einen Schulunterricht in deren Sprache anzubieten
(E. 2).

    Auch nach bernischem Verfassungs- und Gesetzesrecht hat ein in einer
deutschsprachigen Gemeinde wohnhaftes Kind französischer Muttersprache
keinen Anspruch auf (unentgeltlichen) Unterricht in französischer Sprache
(E. 3).

    Sofern aber eine andere Gemeinde freiwillig bereit ist, das Kind
in einer französischsprachigen Schule aufzunehmen und die Eltern
die daraus entstehenden finanziellen Konsequenzen tragen, ist es eine
unverhältnismässige Einschränkung der Sprachenfreiheit, den Besuch einer
deutschsprachigen Schule zu verlangen (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Jorane Althaus, geboren 1988, wohnt mit ihren Eltern
in der deutschsprachigen Berner Gemeinde Mörigen. Ihr Vater ist
deutscher, die Mutter französischer Muttersprache. Im Elternhaus wird
französisch gesprochen. Jorane Althaus besuchte den (deutschsprachigen)
Kindergarten in Mörigen. Im August 1995 wurde sie in der ersten Klasse
der französischsprachigen Primarschule Mühlefeld in Biel eingeschult. Ihr
Vater ersuchte nachträglich um Bewilligung, seine Tochter in dieser
Schule belassen zu dürfen, und verpflichtete sich gleichzeitig, alle
finanziellen Konsequenzen zu tragen. Der Gemeinderat Mörigen lehnte
das Gesuch am 1. Dezember 1995 ab und verfügte, dass Jorane Althaus ab
8. Januar 1996 die Primarschule in Mörigen zu besuchen habe.

    Jorane Althaus reichte dagegen am 28. Dezember 1995 Beschwerde bei
der Erziehungsdirektion des Kantons Bern ein. Diese wies mit Entscheid
vom 2. April 1996 die Beschwerde ab und verpflichtete Jorane Althaus,
ab Schuljahr 1996/97 die Primarschule in Mörigen zu besuchen.

    Jorane Althaus erhebt staatsrechtliche Beschwerde und beantragt,
den Entscheid der Erziehungsdirektion aufzuheben.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung der
Sprachenfreiheit und eine willkürliche Anwendung von Art. 7 des
bernischen Volksschulgesetzes vom 19. März 1992 (VSG) sowie Willkür
durch Nichtanwendung von Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 3 der bernischen
Kantonsverfassung vom 6. Juni 1993 (KV/BE).

    a) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gehört
die Sprachenfreiheit zu den ungeschriebenen Freiheitsrechten der
Bundesverfassung (BGE 91 I 480 E. II.1 S. 485 f.; 100 Ia 462 E. 2a S. 465;
106 Ia 299 E. 2a S. 302; 121 I 196 E. 2a S. 198; ZBl 83/1982 S. 356 E. 1b
S. 358). Sie ist zudem durch Art. 15 KV/BE ausdrücklich gewährleistet.

    b) Die Sprachenfreiheit schützt den Gebrauch der Muttersprache (BGE
121 I 196 E. 2a S. 198) bzw. einer nahestehenden anderen Sprache (ZBl
83/1982 S. 356 E. 3b S. 361) oder allenfalls jeder Sprache, deren sich
jemand bedienen will (GIORGIO MALINVERNI in Kommentar BV, Rz. 5 f. zur
Sprachenfreiheit; JÖRG PAUL MÜLLER, Die Grundrechte der schweizerischen
Bundesverfassung, Bern 1991, S. 82; RUDOLF VILETTA, Abhandlungen zum
Sprachenrecht mit besonderer Berücksichtigung des Rechts der Gemeinden des
Kantons Graubünden, Band I: Grundlagen des Sprachenrechts, Diss. Zürich
1978, S. 287; RUDOLF VILETTA, Die Regelung der Beziehungen zwischen
den schweizerischen Sprachgemeinschaften, ZBl 82/1981 S. 193-217,
206). Soweit diese Sprache zugleich eine Landessprache der Schweiz ist,
steht deren Gebrauch sodann unter dem Schutz von Art. 116 Abs. 1 BV (in
der Fassung vom 10. März 1996, AS 1996 1492). Diese Bestimmung verbietet
es den Kantonen insbesondere, Gruppen, die eine Landessprache sprechen,
aber im Kanton eine Minderheit darstellen, zu unterdrücken oder in ihrem
Fortbestand zu gefährden (BGE 106 Ia 299 E. 2a S. 302; 121 I 196 E. 2a
S. 198).

    c) Art. 116 BV gewährleistet nach der Rechtsprechung allerdings
auch die überkommene sprachliche Zusammensetzung des Landes
(Territorialitätsprinzip)(BGE 91 I 480 E. II.2 S. 486 f.; 106 Ia 299
E. 2a S. 303; 116 Ia 345 E. 5b/aa S. 349; ZBl 94/1993 S. 133 E. 4a; ARTHUR
HAEFLIGER, Die Sprachenfreiheit in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung,
in: Mélanges Zwahlen, Lausanne 1977, S. 77-86, 78; DANIEL THÜRER, Zur
Bedeutung des sprachenrechtlichen Territorialprinzips für die Sprachenlage
im Kanton Graubünden, ZBl 85/1984 S. 241-271, 248). Er steht damit in einem
Spannungsfeld zur Sprachenfreiheit. Zwar ist das Territorialitätsprinzip
kein verfassungsmässiges Individualrecht (nicht veröffentlichtes Urteil
des Bundesgerichts i.S. R. vom 4. März 1993, E. 2b). Es stellt aber
eine Einschränkung der Sprachenfreiheit dar und erlaubt den Kantonen,
Massnahmen zu ergreifen, um die überlieferten Grenzen der Sprachgebiete
und deren Homogenität zu erhalten, selbst wenn dadurch die Freiheit des
einzelnen, seine Muttersprache zu gebrauchen, eingeschränkt wird. Solche
Massnahmen müssen aber verhältnismässig sein (BGE 91 I 480 E. II.2
S. 486 f.; 106 Ia 299 E. 2a S. 303; 116 Ia 345 E. 6a S. 351 ff.; 121
I 196 E. 2a S. 198). Im Verkehr mit den Behörden ist die Freiheit des
Sprachgebrauchs zudem eingeschränkt durch das Prinzip der Amtssprache
(MALINVERNI, aaO, Rz. 16; CHARLES-ALBERT MORAND, Liberté de la langue et
principe de territorialité. Variations sur un thème encore méconnu, ZSR
112/1993 I S. 11-36, 20, 28; MÜLLER, aaO, S. 82); vorbehältlich besonderer,
namentlich staatsvertraglicher, Bestimmungen (z.B. Art. 5 Ziff. 2 und
Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK) besteht grundsätzlich kein Anspruch darauf,
mit Behörden in einer anderen Sprache als der Amtssprache zu verkehren. Die
Amtssprache steht ihrerseits in Beziehung zum Territorialitätsprinzip,
indem sie normalerweise derjenigen Sprache entspricht, die im betreffenden
Gebiet gesprochen wird.

    d) Das Territorialitätsprinzip ist kein Selbstzweck. Es dient mehreren
Zielen: Soweit staatliche Leistungen, insbesondere der unentgeltliche
öffentliche Schulunterricht, zur Diskussion stehen, dient es zunächst
dem Anliegen der Praktikabilität und der kostengünstigen Wahrnehmung
öffentlicher Aufgaben. Infolge der zunehmenden Mobilität der Bevölkerung
und der Zuwanderung zahlreicher Personen aus sehr unterschiedlichen
Sprachgebieten wäre das Gemeinwesen finanziell rasch überfordert, wenn es
öffentliche Leistungen, insbesondere den von Verfassungs wegen (Art. 27
BV) unentgeltlichen Schulunterricht, für sämtliche Sprachgruppen in deren
eigener Sprache anbieten müsste. Das Territorialitätsprinzip gilt deshalb
grundsätzlich auch für die Unterrichtssprache. In der öffentlichen Schule
wird der Unterricht in der Regel in der Amtssprache des Einzugsgebiets
erteilt. Nach der Rechtsprechung geben weder Art. 27 BV noch die
Sprachenfreiheit einen Anspruch darauf, dass sprachliche Minderheiten
in ihrer Muttersprache unterrichtet werden (BGE 91 I 480 E. II.2 S. 487;
100 Ia 462 E. 2 S. 465 f., und E. 4 S. 470 f.; VEB 40/1976 Nr. 37 S. 46
f.; MARCO BORGHI in Kommentar zur Bundesverfassung, Rz. 35 zu Art.
27; CHRISTINE MARTI-ROLLI, La liberté de la langue en droit suisse,
Thèse Lausanne 1978, S. 20). Diese Praxis wird in der Lehre teilweise
kritisiert (MALINVERNI, aaO, Rz. 36, 38, 42, mit Hinweisen). Die Kritik
ist insofern berechtigt, als das Territorialitätsprinzip in traditionell
zwei- oder mehrsprachigen Gebieten das Verhältnis zwischen den Sprachen
gerade nicht regeln kann. In solchen Gebieten kann sich deshalb aus der
Sprachenfreiheit allenfalls ein Anspruch darauf ergeben, in einer der
mehreren traditionellen Sprachen unterrichtet zu werden, sofern dies
nicht zu einer unverhältnismässigen Belastung des Gemeinwesens führt
(HAEFLIGER, aaO, S. 83; MORAND, aaO, S. 30; offen gelassen in BGE 100
Ia 462 E. 2b S. 466). Anders verhält es sich hinsichtlich von Sprachen,
die nicht traditionell in einem Gebiet gesprochen werden (MORAND, aaO,
S. 30). Es kann nicht im Belieben Privater stehen, in ein fremdsprachiges
Gebiet zu ziehen und von den dortigen Behörden einen Unterricht in ihrer
Sprache zu verlangen. Dadurch würden das Territorialitätsprinzip und die
bestehende sprachliche Gliederung geradezu aus den Angeln gehoben. Wer
in ein fremdes Sprachgebiet zieht, hat grundsätzlich die Konsequenzen zu
tragen, die sich daraus ergeben. Infolgedessen ist daran festzuhalten, dass
das Gemeinwesen nicht verpflichtet ist, für neu zugewanderte sprachliche
Minderheiten einen Unterricht in deren Sprache anzubieten.

    e) Nebst dem Anliegen einer kostengünstigen Wahrnehmung öffentlicher
Aufgaben wird dem Territorialitätsprinzip aber auch die Funktion
zugeschrieben, zur Erhaltung bedrohter Sprachen sowie zur Wahrung des
Sprachfriedens und damit zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beizutragen
(BGE 121 I 196 E. 2b S. 199; EMILIO CATENAZZI, Libertà di lingua e
lingua ufficiale, RDAT 1977, S. 269-274, 271; MARTI-ROLLI, aaO, S. 39
f.; MÜLLER, aaO, S. 80 f.; MICHEL ROSSINELLI, La question linguistique
en Suisse: Bilan critique et nouvelles perspectives juridiques, ZSR
108/1989 I S. 163-193, 169; MICHEL ROSSINELLI, Protection des minorités
linguistiques helvétiques et révision de l'article 116 de la Constitution
fédérale, Gesetzgebung heute 1991/1, S. 45-68, 54). Dieses Ziel wird in
der Schweiz herkömmlicherweise dadurch angestrebt, dass - abgesehen von
traditionell zwei- oder mehrsprachigen Gebieten - Personen, die in ein
anderssprachiges Gebiet ziehen, die dort gesprochene Sprache übernehmen.
Insofern rechtfertigen sich zur Wahrung der sprachlichen Homogenität
gewisse Einschränkungen der Sprachenfreiheit, auch soweit nicht staatliche
Leistungen zur Diskussion stehen. So hat das Bundesgericht es als
zulässig betrachtet, dass für Privatschulen der Gebrauch der Amtssprache
vorgeschrieben wird (BGE 91 I 480 E. II.3 S. 489 ff.). Gleicher Ansicht ist
ein Teil der Lehre, welcher aus dem Territorialitätsprinzip folgert, dass
Personen, die in ein fremdsprachiges Gebiet zuwandern, sich im öffentlichen
Sprachgebrauch zu assimilieren haben (MARTI-ROLLI, aaO, S. 41; VILETTA,
aaO (1978), S. 342, (1981), S. 211 f.). Andere Lehrmeinungen betonen
demgegenüber eher die individualrechtliche Sprachenfreiheit und sind der
Ansicht, das Territorialitätsprinzip sei in Art. 116 BV nicht zwingend
enthalten; gerade eine bewusste Politik der Mehrsprachigkeit könne der
Förderung des sprachlichen Friedens dienen (MALINVERNI, aaO, Rz. 40;
MÜLLER, aaO, S. 84 f.; ROSSINELLI, aaO (1991), S. 54). In der Lehre
lässt sich keine einhellige Auffassung über Bedeutung und Tragweite des
Territorialitätsprinzips und seine Beziehung zur Sprachenfreiheit erkennen.

    f) Die vom Eidg. Departement des Innern eingesetzte Arbeitsgruppe
unter dem Vorsitz von Professor Saladin, welche den Auftrag hatte, eine
Neufassung von Art. 116 BV zu formulieren, kritisierte in ihrem Bericht
von 1989, dass sich das Territorialitätsprinzip in der bisherigen
Praxis vorwiegend zu Lasten sprachlicher Minderheiten ausgewirkt
habe (ARBEITSGRUPPE DES EDI, Zustand und Zukunft der viersprachigen
Schweiz, Abklärungen, Vorschläge und Empfehlungen einer Arbeitsgruppe
des Eidg. Departements des Innern, August 1989, S. 200, 348), und betonte
eher die Bedeutung der Sprachenfreiheit (aaO, S. 206 ff., 366 f.). Aus dem
Territorialitätsprinzip fliessende Einschränkungen der Sprachenfreiheit
empfahl sie hauptsächlich zum Schutze der bedrohten Sprachen Italienisch
und Rätoromanisch (aaO, S. 351 f., 365 ff.). Im Vernehmlassungsverfahren
zum neuen Sprachenartikel in der Bundesverfassung beharrten indessen
insbesondere die französischsprachigen Kantone auf einer strikten Anwendung
des Territorialitätsprinzips (BBl 1991 II 332). Der Bundesrat schlug
deshalb eine Formulierung vor, die sowohl die Sprachenfreiheit als auch
das Territorialitätsprinzip erwähnte (BBl 1991 II 346). Der Ständerat
als Erstrat strich die ausdrückliche Erwähnung der Sprachenfreiheit
(AB StR 1992 S. 1044 ff.). Das wurde im Nationalrat als asymmetrisch
betrachtet. Eine Minderheit schlug deshalb vor, wieder zum Antrag des
Bundesrates zurückzukehren. Nach ausführlichen Debatten beschloss der
Nationalrat jedoch angesichts der Schwierigkeiten, eine befriedigende
Regelung zu finden, eine Formulierung, welche weder die Sprachenfreiheit
noch das Territorialitätsprinzip ausdrücklich festlegte (AB NR 1993
S. 1541 ff.). Diese Fassung wurde schliesslich in der Volksabstimmung
vom 10. März 1996 angenommen.

    g) Die ausführlichen Verhandlungen in der Bundesversammlung
zeigen auf, dass das Spannungsverhältnis zwischen Sprachenfreiheit und
Territorialitätsprinzip nicht leicht aufgelöst werden kann und auch heute
geeignet ist, Emotionen zu wecken. Es kann davon ausgegangen werden,
dass mit der neuen Fassung von Art. 116 BV weiterhin die beiden
divergierenden Anliegen in einer differenzierten, den Anliegen des
Sprachfriedens Rechnung tragenden Weise anzuwenden sind. Je bedrohter
eine Sprache ist, desto eher sind Massnahmen zu ihrer Erhaltung und
Eingriffe in die individuelle Sprachenfreiheit gerechtfertigt (AB NR
1993 S. 1544, Kommissionssprecher Bundi). Im übrigen ist es weitgehend
eine Frage politischen Gestaltungsermessens, ob dem Ziel der Bewahrung
bedrohter Sprachen und des Sprachfriedens eher mit der Erhaltung homogener
Sprachgebiete oder eher mit einer bewussten Förderung der Mehrsprachigkeit
gedient sei (MORAND, aaO, S. 31; ROSSINELLI, aaO (1989), S. 191). Es gibt
in der Schweiz traditionell zweisprachige Städte oder Gebiete, welche
belegen, dass ein friedliches Zusammenleben von Angehörigen verschiedener
Sprachen möglich ist. Umgekehrt gibt es zahlreiche Beispiele im In-
und Ausland, wonach Verschiebungen von Sprachgrenzen oder Zuwanderungen
von nicht assimilationswilligen Anderssprachigen durchaus zu Spannungen
führen können.

    h) Aufgrund von Art. 3 BV sind für die Regelung des Sprachgebrauchs
primär die Kantone zuständig (BGE 100 Ia 462 E. 2a S. 465; 121 I 196
E. 2c S. 199 f.; ARBEITSGRUPPE EDI, aaO, S. 172 ff.; ANDREAS AUER, D'une
liberté non écrite qui n'aurait pas dû l'être: la liberté de la langue,
AJP 1992 S. 955-964, 961, 964; FRANÇOIS DESSEMONTET, Le droit des langues
en Suisse, Québec 1984, S. 112 f.; MARTI-ROLLI, aaO, S. 18 f.; THÜRER, aaO,
S. 254). Bundesverfassungsrechtliche Schranken ergeben sich einerseits
daraus, dass es mit dem Territorialitätsprinzip nicht vereinbar wäre,
die Sprachgrenzen bewusst und gewollt zu verschieben (BGE 100 Ia 462 E. 2b
S. 466; ARBEITSGRUPPE EDI, aaO, S. 202; HAEFLIGER, aaO, S. 78; MALINVERNI,
aaO, Rz. 28); insoweit schützt die Bundesverfassung die überlieferte
sprachliche Gebietsaufteilung und damit auch die Homogenität traditionell
einsprachiger Gebiete, insbesondere (aber nicht nur) wenn es sich dabei
um gesamtschweizerische Minderheitssprachen handelt. Andererseits
darf in traditionell zwei- oder mehrsprachigen Gebieten nicht die
eine Sprache unterdrückt werden; insoweit schützt die Sprachenfreiheit
insbesondere die Sprache von regionalen Minderheiten (BGE 106 Ia 299
E. 2b/cc S. 305; ZBl 83/1982 S. 356 E. 3c/bb S. 362). Schliesslich
darf auch der Gebrauch anderer Sprachen als der in einem bestimmten
Gebiet traditionellerweise gesprochenen nicht unverhältnismässig
beeinträchtigt werden; dabei sind umso einschneidendere Massnahmen
zulässig, je bedrohter eine herkömmliche Sprache ist (vgl. BGE 116 Ia
345 E. 5b/cc S. 350; ARBEITSGRUPPE EDI, aaO, S. 237; HAEFLIGER, aaO,
S. 80). Innerhalb dieser bundesverfassungsrechtlichen Schranken steht
den Kantonen ein weiter Gestaltungsspielraum offen. Ob diese - wie in
Lehre und Praxis teilweise angenommen (BGE 91 I 480 E. II.2 S. 486 f.;
116 Ia 345 E. 5b/aa S. 349; ZBl 94/1993 S. 133 E. 4a; CATENAZZI, aaO,
S. 271; THÜRER, aaO, S. 256 ff.) - geradezu verpflichtet sind, für die
Erhaltung des Territorialitätsprinzips zu sorgen, kann offenbleiben;
jedenfalls sind sie dazu innerhalb der genannten Schranken berechtigt
(BGE 116 Ia 345 E. 5b/cc S. 350). Es ist somit die rechtliche Lage im
Kanton Bern zu untersuchen und anschliessend zu prüfen, ob diese allenfalls
verfassungsmässige Rechte der Beschwerdeführerin verletzt.

Erwägung 3

    3.- a) Art. 15 KV/BE gewährleistet ausdrücklich die
Sprachenfreiheit. Gemäss Art. 6 Abs. 1 KV/BE sind das Deutsche und das
Französische die bernischen Landes- und Amtssprachen. Art. 6 Abs. 2
KV/BE legt fest, dass im Berner Jura das Französische, im Amtsbezirk
Biel das Deutsche und das Französische und in den übrigen Amtsbezirken
das Deutsche die Amtssprachen sind. Damit ist implizit für amtliche
Zwecke auf Bezirks- und Gemeindeebene das Territorialitätsprinzip
verfassungsmässig festgelegt. In der Gemeinde Mörigen ist demzufolge
das Deutsche von Verfassungs wegen Amtssprache. Gemäss Art. 6 Abs. 3
KV/BE können Kanton und Gemeinden besonderen Verhältnissen, die sich
aus der Zweisprachigkeit des Kantons ergeben, Rechnung tragen. Diese
Bestimmung erlaubt dem Kanton und den Gemeinden, in bestimmtem Umfang
von dem in Abs. 2 festgelegten Territorialitätsprinzip abzuweichen;
sie gibt jedoch keinen individualrechtlichen Anspruch auf eine solche
abweichende Regelung, ebensowenig wie Art. 4 KV/BE, wonach unter anderem
den sprachlichen Minderheiten besondere Befugnisse zuerkannt werden können.

    b) Gemäss Art. 7 Abs. 1 VSG besucht jedes Kind die öffentliche Schule
an seinem Aufenthaltsort; die Gemeinden können unter sich abweichende
Vereinbarungen treffen. Zwischen der Gemeinde Mörigen und der Gemeinde
Biel, in welcher die Beschwerdeführerin die Primarschule besuchen möchte,
besteht nach übereinstimmender Darstellung der Beteiligten für diese
Schulstufe keine derartige Vereinbarung. Unbegründet ist der Vorwurf der
Beschwerdeführerin, die Gemeinde Mörigen habe willkürlich gehandelt,
indem sie den entsprechenden Vereinbarungsvorschlag der Gemeinde Biel
abgelehnt habe. Nach dem klaren Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 VSG liegt es in
der Autonomie der Gemeinden, derartige Vereinbarungen abzuschliessen. Dass
angeblich alle oder die meisten anderen deutschsprachigen Gemeinden in
der Region Biel eine entsprechende Vereinbarung abgeschlossen haben,
ändert nichts. Der Sinn der Autonomie liegt gerade darin, dass auch
Lösungen zulässig sind, die von denjenigen abweichen, welche die anderen
Gemeinden gewählt haben.

    c) Nach der verfassungs- und gesetzmässigen Lage im Kanton Bern
hat somit die in Mörigen wohnhafte Beschwerdeführerin keinen Anspruch
darauf, dass ihr der Kanton oder die Gemeinde einen französischsprachigen
Schulunterricht - sei es in Mörigen oder Biel - anbietet. Das widerspricht
nach dem vorne Ausgeführten (E. 2d) auch nicht der Bundesverfassung.

Erwägung 4

    4.- a) Vorliegend hat sich nun freilich einerseits die Gemeinde
Biel bereit erklärt, die Beschwerdeführerin in eine französischsprachige
Schule aufzunehmen, sofern ihr das Schulgeld vergütet wird; andererseits
haben sich die Eltern der Beschwerdeführerin bereit erklärt, für alle
finanziellen Konsequenzen aufzukommen. Unter diesen Umständen bedeutet
die angefochtene Verfügung, wonach die Beschwerdeführerin in Mörigen
die Schule zu besuchen hat, eine Einschränkung der Sprachenfreiheit, die
nicht durch das öffentliche Interesse an einer kostengünstigen Gestaltung
des Schulwesens gerechtfertigt werden kann. Sie unterliegt den üblichen
Voraussetzungen für Grundrechtseingriffe. Dabei prüft das Bundesgericht
frei, ob Einschränkungen von Grundrechten verhältnismässig sind und
einem überwiegenden öffentlichen Interesse entsprechen (WALTER KÄLIN, Das
Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. A. Bern 1994, S. 185, mit
Hinweisen). Nur auf Willkür hin prüft es die Auslegung und Anwendung von
kantonalem Gesetzesrecht, sofern, wie vorliegend, kein besonders schwerer
Eingriff zur Diskussion steht (KÄLIN, aaO, S. 175, 177, mit Hinweisen).

    b) Nach Ansicht der Erziehungsdirektion erlaubt das Volksschulgesetz
nicht, dass die Eltern mittels Übernahme des Schulgeldes den Schulort des
Kindes bestimmen können. Es kann offenbleiben, ob diese Gesetzesauslegung -
wie die Beschwerdeführerin vorbringt - geradezu willkürlich ist. Auch wenn
sie haltbar ist, fragt sich, ob es mit der Sprachenfreiheit vereinbar ist,
den Besuch einer französischsprachigen Schule auch dann zu verbieten, wenn
die Eltern die Kosten übernehmen. Dass Art. 27 BV einen unentgeltlichen
Schulunterricht vorschreibt, ändert daran nichts, da dadurch der
freiwillige Besuch einer entgeltlichen Schule nicht ausgeschlossen wird.

    c) Eine gesetzliche Grundlage für den Eingriff ist gegeben, indem
Art. 7 Abs. 1 VSG vorschreibt, dass - vorbehältlich abweichender
Vereinbarungen unter den Gemeinden oder einer im Streitfall durch die
Erziehungsdirektion zu erteilenden Bewilligung aus wichtigen Gründen -
jedes Kind die öffentliche Schule an seinem Aufenthaltsort besucht.

    d) Diese Regelung kann grundsätzlich mit öffentlichen Interessen
gerechtfertigt werden.

    aa) Die Gemeinde hat ein legitimes Interesse daran, die Klassengrössen
planen zu können. Allerdings ist eine Schulplanung nie genau möglich, da
durch Wohnortswechsel immer Schwankungen in der Zahl der schulpflichtigen
Kinder auftreten können. Doch wird die Planung zusätzlich erschwert, wenn
die Wahl des Schulortes auch für die Einwohner der Gemeinde freigestellt
wäre.

    bb) Zudem ist denkbar, dass insbesondere in kleineren Gemeinden der
Fortbestand einer Schule in Frage gestellt wird, wenn den Einwohnern
freigestellt würde, ihre Kinder in einer anderen Gemeinde zur Schule zu
schicken. Angesichts der erheblichen kulturellen und gesellschaftlichen
Bedeutung, welche einer eigenen Schule für eine Gemeinde zukommt, stellt
es durchaus ein haltbares öffentliches Interesse dar, wenn das Gesetz
dafür sorgt, dass die in einer Gemeinde wohnhaften Kinder die dortige
Schule besuchen.

    cc) Ein allgemeines Recht der Kinder bzw. Eltern auf freie Wahl
der ihnen zusagenden Schule kann daher nicht in Frage kommen. Hingegen
ist fraglich, ob die genannten Interessen für eine Einschränkung der
Sprachenfreiheit ausreichen. Dafür kommt hauptsächlich das allgemeine
staatspolitische Interesse an der Erhaltung sprachlich homogener
Gebiete in Betracht. Dieses Interesse ist - wie vorne ausgeführt -
grundsätzlich haltbar und berechtigt. Auch soweit der Erhaltung
sprachlicher Homogenität keine grosse Bedeutung beigemessen wird,
erscheint es doch zumindest erwünscht, dass Binnenwandererfamilien eine
zweisprachige Identität entwickeln, um zur sprachlichen Verständigung
beizutragen (ARBEITSGRUPPE EDI, aaO, S. 96 f.). Das würde gefördert,
wenn die Kinder von fremdsprachigen Zuwanderern, die in der Familie ihre
Muttersprache sprechen, durch den Schulbesuch an ihrem Wohnort auch die
Ortssprache erlernen. Gerade eine solche Zweisprachigkeit wird von der
Beschwerdeführerin bzw. ihren Eltern abgelehnt, indem sie nicht nur
zu Hause, sondern auch in der Schule ihre französische Muttersprache
sprechen will.

    e) Das geltend gemachte öffentliche Interesse an einem
Schulbesuch der Beschwerdeführerin in Mörigen muss im Lichte des
Verhältnismässigkeitsprinzips die entgegenstehenden privaten Interessen
überwiegen.

    aa) Die Beschwerdeführerin macht keine persönlichen Gründe geltend,
die für sie spezifisch eine Ausnahmebewilligung nahelegen würden. Sie
bringt einzig vor, dass sie - bzw. ihre Eltern - einen Schulunterricht
in französischer Sprache bevorzugen. Ihre Situation unterscheidet sich in
nichts von derjenigen aller anderen Kinder französischsprachiger Eltern,
die im deutschen Sprachgebiet wohnen - oder umgekehrt. Wird ihr der Besuch
in einer französischsprachigen Schule in Biel bewilligt, so muss dasselbe
allen anderen Kindern ebenfalls bewilligt werden, deren Eltern bereit sind,
die entsprechenden Kosten auf sich zu nehmen.

    bb) Im Lichte des Verhältnismässigkeitsprinzips muss ein Mittel,
welches Grundrechte einschränkt, geeignet sein, den angestrebten legitimen
Zweck zu erreichen. Es fragt sich, ob die Verpflichtung, die Schule am
Aufenthaltsort zu besuchen, ein geeignetes Mittel ist, um einen legitimen
Zweck zu erreichen.

    cc) Das Territorialitätsprinzip verbietet absichtliche
Veränderungen der Sprachgrenze (vorne E. 2h). Hingegen bezweckt es
nicht eine Zementierung einmal bestehender Zustände. Es kann nicht
natürliche Verschiebungen in der sprachlichen Zusammensetzung verhindern
(MALINVERNI, aaO, Rz. 28; THÜRER, aaO, S. 249 f., 255). Auch soweit eine
Assimilation und gesellschaftliche Integration fremdsprachiger Zuwanderer
wünschbar erscheint, ist doch fraglich, inwieweit dies mit staatlichen
Zwangsmassnahmen sinnvollerweise erreicht werden kann. Insofern ist
anzuerkennen, dass dem Recht nur eine beschränkte Steuerungskraft
gegenüber gesellschaftlichen Entwicklungen zukommen kann (AUER,
aaO, S. 963; DESSEMONTET, aaO, S. 65 f.; MARTI-ROLLI, aaO, S. 67 f.).
Beachtet die Rechtsordnung diese Beschränkung nicht, so kann längerfristig
ein Widerspruch zwischen Recht und Lebenswirklichkeit entstehen, der
seinerseits für den Sprachfrieden eine Gefahr darstellen könnte.

    dd) Hinzu kommt, dass so oder so ein Besuch der Gemeindeschule
in Mörigen letztlich nicht erzwungen werden kann. Der Besuch der
staatlichen Volksschule ist nämlich ohnehin nicht zwingend. Es stünde
der Beschwerdeführerin frei, eine Privatschule zu besuchen (Art. 64
ff. VSG). Zwar hat das Bundesgericht entschieden, dass ein Kanton
den Privatschulen vorschreiben kann, in der jeweiligen Amtssprache zu
unterrichten (BGE 91 I 480 E. II.3b S. 491 ff.; dieser Entscheid wurde in
der Lehre kritisiert, vgl. HAEFLIGER, aaO, S. 82; MALINVERNI, aaO, Rz. 33;
MARTI-ROLLI, aaO, S. 58 ff.; MORAND, aaO, S. 24; LUZIUS WILDHABER,
Der belgische Sprachenstreit vor dem Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte, in: Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht 26
(1969/70), S. 9-38, 37 f.). Der Kanton Bern kennt denn auch grundsätzlich
eine entsprechende Regelung (Art. 66 Abs. 1 VSG). Er könnte jedoch aufgrund
der gesetzlichen Lage nicht verhindern, dass die Beschwerdeführerin eine
französischsprachige Privatschule im französischsprachigen Kantonsteil oder
in Biel besucht. Schliesslich könnten die Eltern ihre Tochter privat auf
französisch unterrichten (Art. 71 Abs. 1 VSG), anstatt sie in eine Schule
zu schicken. Insofern der angefochtene Entscheid die Beschwerdeführerin
hoheitlich verpflichtet, in Mörigen die Schule zu besuchen, ist er somit
so oder so nicht haltbar. Es kann aufgrund der rechtlichen Situation
nicht erzwungen werden, dass die Beschwerdeführerin effektiv auf deutsch
unterrichtet wird.

    ee) Könnte demnach eine private französische Schulung der
Beschwerdeführerin ohnehin nicht verhindert werden, sofern die Eltern
für das Schulgeld aufkommen bzw. das Kind selber unterrichten, kann
Anknüpfungspunkt des Entscheides der Erziehungsdirektion einzig sein, dass
es sich bei der Schule, welche die Beschwerdeführerin in Biel besuchen
möchte, um eine öffentliche Schule handelt. Freilich dürfte es nach
bernischem Recht nicht zulässig sein, dass eine Gemeinde generell ihre
öffentliche Schule gleichsam wie eine Privatschule allen Interessierten
gegen Bezahlung zur Verfügung stellt. Doch hat die Gemeinde Mörigen nach
dem Gesagten keinen Anspruch darauf, dass die auf ihrem Gebiet wohnhaften
Kinder ihre Schule besuchen. Sie hat deshalb kein rechtlich geschütztes
Interesse, sich gegen einen Schulbesuch der Beschwerdeführerin in Biel
zu wehren, solange ihr daraus keine Kosten oder sonstigen Nachteile
erwachsen. Das angestrebte Ziel der sprachlichen Homogenität oder zumindest
der Zweisprachigkeit kann durch den angefochtenen Entscheid kaum erreicht
werden, während das finanzielle Interesse der öffentlichen Hand solange
nicht berührt wird, als die Beschwerdeführerin bereit ist, die finanziellen
Konsequenzen des Schulbesuchs in Biel selber zu tragen. Die Gemeinde
Mörigen tut auch nicht dar, dass der Bestand ihrer Primarschule durch
den Schulbesuch von französischsprachigen Schülern in Biel gefährdet
würde. Unter diesen Umständen erweist sich die Verpflichtung, in Mörigen
die Schule zu besuchen, als ein durch kein überwiegendes öffentliches
Interesse gerechtfertigter und daher unverhältnismässiger Eingriff in
die Sprachenfreiheit.

Erwägung 5

    5.- Gesamthaft ergibt sich, dass weder die Bundesverfassung noch
die Kantonsverfassung den Kanton Bern oder die Gemeinde Mörigen
verpflichten, der Beschwerdeführerin einen französischsprachigen
Unterricht anzubieten. Ebensowenig ist die Gemeinde Biel verpflichtet, die
Beschwerdeführerin in eine französischsprachige Schule aufzunehmen. Solange
jedoch die Gemeinde Biel auf freiwilliger Basis dazu bereit ist und
die Eltern die daraus resultierenden finanziellen Konsequenzen tragen,
ist es ein unverhältnismässiger Eingriff in die Sprachenfreiheit der
Beschwerdeführerin, ihr den Besuch der französischsprachigen Schule in
Biel zu verunmöglichen. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben.