Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 122 I 168



122 I 168

25. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
24. Juni 1996 i.S. Eduard Rüsch und Wohnbaugenossenschaft "Säge" gegen
Bezirk Appenzell und Kantonsgericht Appenzell I.Rh. (staatsrechtliche
Beschwerde) Regeste

    Art. 84 ff., Art. 88 OG; Art. 22ter BV. Enteignung eines
Streifens Bauland für die Erstellung einer Strasse, Bestimmung der
Enteignungsentschädigung.

    Veräusserung der streitbetroffenen Parzelle während des
enteignungsrechtlichen Schätzungsverfahrens; Bedeutung für die Legitimation
des Verkäufers und des Käufers zur staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 88
OG; E. 1).

    Umfang der Überprüfung eines angefochtenen Entscheides; Kognition des
Bundesgerichtes bei der Überprüfung einer Enteignungsentschädigung (E. 2).

    Methoden zur Bestimmung der Enteignungsentschädigung; Vorrang der
Vergleichsmethode (statistische Methode; E. 3a).

    Besteht eine bestimmte Wohnzone nur aus einer kleinen Anzahl
Grundstücke, können für die Festsetzung der Enteignungsentschädigung
Vergleichspreise herangezogen werden, welche für Parzellen in anderen
Wohnzonen bezahlt werden; Ausgleich der unterschiedlichen (auch
planerischen) Beschaffenheiten der in Betracht kommenden Liegenschaften
durch Auf- und Abschläge (E. 3b).

    Blosse Offerten, Verhandlungspreise oder Verkaufspreise
unter Miteigentümern des enteigneten Grundstücks stellen keine zu
berücksichtigenden Vergleichspreise dar, wenn sie wesentlich vom Ansprecher
der Enteignungsentschädigung mitbestimmt worden sind (E. 3c).

    Bei einer Teilenteignung (Enteignung von Vorgartenland) kann vom
Verkehrswert ein Abzug gemacht werden, wenn auf dem Restgrundstück die
gleiche bauliche Nutzung möglich ist, wie sie vor der Enteignung für die
ganze Parzelle galt (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Die Stimmberechtigten der Feuerschaugemeinde Appenzell nahmen
am 27. November 1967 den Quartierplan "Kaustrasse-Rinkenbach" an. Die
Genehmigung der Planung durch die Standeskommission des Kantons Appenzell
I.Rh. erfolgte am 5. Februar 1968. Der Quartierplan sieht zwischen der
Gonten- und der Kaustrasse eine neue, in zwei Etappen zu erstellende
Nord-Süd- Strassenverbindung als Basis-Erschliessungsstrasse vor. Das
Gebiet zwischen der Gonten- und der Kaustrasse soll durch Ringverbindungen
feinerschlossen werden. Die Quartierplanung bildet Grundlage unter anderem
für die Enteignung von Land für den Bau der Basis-Erschliessungsstrasse im
Bereiche der Parzelle Nr. 1715, Grundbuch Appenzell. Diese Liegenschaft
ist seit Erlass des Zonenplanes der Feuerschaugemeinde vom 1. April
1981/9. März 1982 der Wohnzone W3 zugeteilt.

    Am 4. Juli 1968 setzte die Feuerschaugemeinde für beide Bauetappen die
perimeterpflichtigen Grundstücke sowie die Perimeterquoten und für die 1.
Bauetappe die Bodenabtretungen fest. Der entsprechende Strassenabschnitt
wurde 1974 fertiggestellt und "St. Antonstrasse" benannt. Für die
2. Bauetappe nahmen die Stimmberechtigten am 5. Mai 1985 einen Kredit
von Fr. 455'000.-- an. Die St. Antonstrasse soll aber ihren Charakter als
Erschliessungsstrasse verlieren, vom Bezirk Appenzell übernommen und zu
einer Bezirksstrasse mit Entlastungsfunktion umklassiert werden.

    Zwischen dem 14./15. März und dem 5. April 1986 legte die
Feuerschaugemeinde Appenzell, welche vom Bezirk mit dem Strassenbau
beauftragt worden war, ein Projekt für die 2. Etappe öffentlich auf. Danach
ist vorgesehen, für den Strassenbau ab der 6'622 m2 grossen Parzelle
Nr. 1715 ca. 1'080 m2 Land zu einem vom Bezirk veranschlagten Preis von
ca. 65.-/m2 zu beanspruchen; die damaligen Grundeigentümer erhoben gegen
den Strassenplan keine Einsprache.

    Ende der achtziger Jahre wurden Planungsarbeiten für eine Überbauung
der Liegenschaft mit drei Mehrfamilienhäuser eingeleitet. Im Laufe des
Jahres 1991 begann die Feuerschaugemeinde mit dem Bau der 2. Etappe der
St. Antonstrasse. Sie ist heute fertiggestellt. Ebenfalls vorangetrieben
wurde das Projekt für die Überbauung des Grundstückes Nr. 1715. Am
13. April 1992 legte der Geometer mittels einer Mutationsurkunde die für
die 2. Etappe der St. Antonstrasse definitiv abzutretende Bodenfläche ab
der Liegenschaft Nr. 1715 mit 1'044 m2 fest, und am 26. Mai 1992 erliess
die Feuerschaugemeinde den Quartierplan "St. Anton" (genehmigt am 9. Juni
1992). Bereits am 13. November 1992 beantragte die Feuerschaugemeinde auf
Veranlassung von Eduard Rüsch, damals Eigentümer der fraglichen Parzelle,
eine Änderung des Quartierplanes "St. Anton". Neu soll neben den bisherigen
drei Baubereichen ein vierter hinzukommen. Diese Planänderung wurde am
17. Dezember 1992 beschlossen und am 16. Februar 1993 genehmigt. Einen
Tag zuvor erhöhte der Grosse Rat des Kantons Appenzell I.Rh. die
Ausnützungsziffer in der Wohnzone W3 von bisher 0,60 auf 0,65.

    Eduard Rüsch und der Bezirk Appenzell konnten sich über die
Enteignungsentschädigung nicht einigen. Noch während des Verfahrens
vor der kantonalen Schätzungskommission verkaufte Eduard Rüsch die
Parzelle Nr. 1715 an die Wohnbaugenossenschaft "Säge". Im Kaufvertrag
vereinbarten die Parteien, dass eine allfällige Enteignungsentschädigung
dem Verkäufer zukommen solle. Mit Entscheid vom 19. Dezember 1994 setzte
die Schätzungskommission die Entschädigung für die Abtretung von 1'044 m2
Land ab der Parzelle Nr. 1715 auf Fr. 165.--/m2 fest. Dagegen rekurrierten
Eduard Rüsch und die Wohnbaugenossenschaft "Säge" an das Kantonsgericht
Appenzell I.Rh. Dieses wies den Rekurs am 9. Mai 1995 ab.

    Gegen das Urteil des Kantonsgerichtes führen Eduard Rüsch und die
Wohnbaugenossenschaft "Säge" am 22. September 1995 staatsrechtliche
Beschwerde an das Bundesgericht. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde
im Sinne der Erwägungen gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Eduard Rüsch hat - wie die kantonale Schätzungskommission in
ihrem Urteil vom 19. Dezember 1994 entschied und wie das Kantonsgericht
stillschweigend bestätigte - trotz des Verkaufs der streitbetroffenen
Parzelle während des erstinstanzlichen Verfahrens seine Parteistellung im
Enteignungsverfahren behalten. Mit Blick auf diesen Umstand sowie darauf,
dass sich Eduard Rüsch anlässlich des Grundstückverkaufs gegenüber der
Käuferin das Recht auf die Enteignungsentschädigung vorbehielt, ist er
nach Art. 88 OG zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (vgl. auch
HEINZ HESS/HEINRICH WEIBEL, Das Enteignungsrecht des Bundes, Bd. I, N. 17
zu Art. 16, Bern 1986, unter Hinweis auf einen nicht veröffentlichten
Entscheid des Bundesgerichtes vom 26. November 1959 i.S. Rollier).

    Ob unter diesen Umständen auch die Wohnbaugenossenschaft "Säge"
als Grundeigentümerin zur staatsrechtlichen Beschwerde befugt ist,
mag offenbleiben, weil auf die im übrigen frist- und formgerecht
erhobene Eingabe nach dem Gesagten ohnehin einzutreten ist. Die
Wohnbaugenossenschaft "Säge" ist vom angefochtenen Entscheid
jedenfalls insoweit betroffen, als gemäss den beiden kantonalen
Entscheiden die auf dem Wege der Enteignung erworbenen Rechte nach
Zahlung der Enteignungsentschädigung an Eduard Rüsch zulasten ihres
Grundeigentums ins Grundbuch einzutragen sind und als "die Enteigneten"
die Grundstückgewinnsteuer sowie die Kosten des kantonsgerichtlichen
Verfahrens zu tragen haben.

Erwägung 2

    2.- a) Die kantonalen Instanzen haben das für den Strassenbau
beanspruchte Areal der Parzelle Nr. 1715 grundsätzlich als unüberbautes
Bauland entschädigt. Weil Abklärungen beim Grundbuchamt Appenzell ergaben,
dass offenbar in der Wohnzone W3 in letzter Zeit keine Handänderungen
stattgefunden hatten, wurde die Entschädigung nach der Methode der
Rückwärtsrechnung bestimmt. Die kantonalen Instanzen bezifferten den
Verkehrswert des Baulandes auf Fr. 330.--/m2. Davon nahmen sie einen Abzug
von 50% vor, weil die bauliche Ausnützung und damit der wirtschaftliche
Wert der Restparzelle trotz der Teilenteignung keine (wesentliche)
Reduktion erfahren habe.

    Die Beschwerdeführer machen geltend, das Kantonsgericht hätte für
die Bemessung der Enteignungsentschädigung anstelle der Methode der
Rückwärtsrechnung die statistische Methode anwenden müssen. Für den Fall,
dass trotzdem Raum für die Rückwärtsrechnung bestehe, wird vorgebracht,
das Kantonsgericht habe der Berechnung unrealistische Hypothesen zugrunde
gelegt, was zu einem zu tiefen Verkehrswert geführt habe. Schliesslich
wird sowohl in methodischer als auch in quantitativer Hinsicht kritisiert,
dass das Kantonsgericht vom errechneten Rohbaulandwert einen Abzug von 50%
gemacht hat.

    b) Neben den Einwendungen der Beschwerdeführer wirft die
vorliegende Sache weitere Fragen auf. Sie betreffen primär die
Abwicklung des Strassenplanungs- und des Enteignungsverfahrens, aber
auch das Verhältnis der Quartierplanung von 1967/68 zur Planung der
2. Bauetappe der St. Antonstrasse und die Auswirkungen auf die Enteignung
bzw. Enteignungsentschädigung. Wie es sich mit diesen Fragen im einzelnen
verhält, ist jedoch unter Vorbehalt der folgenden Ausführungen nicht weiter
zu prüfen. Bei einer staatsrechtlichen Beschwerde, welche der Überprüfung
eines kantonalen Hoheitsaktes lediglich auf seine Verfassungsmässigkeit
hin dient, ist der Streitgegenstand zum vornherein eng begrenzt. So
prüft das Bundesgericht nur Rügen, welche in der Beschwerdeschrift gemäss
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügend klar und deutlich vorgebracht werden
(BGE 119 Ia 197 E. 1d). Erhebt ein Beschwerdeführer zu einem Punkt
keine mit einer hinreichenden Begründung versehene Rüge, so werden
allfällige Verfassungswidrigkeiten in diesem Bereich vom Bundesgericht
im Regelfall nicht behoben (vgl. BGE 104 Ia 236 E. 1d). Auch ist das
Bundesgericht bei kantonalrechtlichen Enteignungen über die ihm im
staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren gegebenen Befugnisse hinaus nicht
oberste Aufsichtsinstanz über die Kantone.

    c) Aus diesen Grundsätzen folgt, dass hier - ausgehend von
den unbestrittenen Feststellungen, Annahmen und Erwägungen des
Kantonsgerichtes - lediglich zu beurteilen ist, ob dieses die für
die Ermittlung und Bemessung der Entschädigung zutreffenden Methoden
herangezogen und im konkreten Fall verfassungskonform angewendet hat. Dabei
steht dem Bundesgericht freie Prüfung zu, soweit es darum geht, ob die
Entschädigung bzw. ihre Höhe methodisch richtig ermittelt und insoweit
dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf volle Entschädigung (Art. 22ter
Abs. 3 BV) hinreichend Rechnung getragen worden ist. Soweit sich die
Kritik hingegen auf die bei der Anwendung dieser Methoden getroffenen
tatsächlichen Feststellungen oder Annahmen bezieht, ist das angefochtene
Urteil lediglich unter Willkürgesichtspunkten zu überprüfen (in BGE 104
Ia 470 nicht publ. E. 3a; 93 I 130 E. 4). Insoweit fällt die Rüge der
Verletzung des Willkürverbotes (Art. 4 BV) mit dem Einwand zusammen,
Art. 22ter BV sei verletzt.

Erwägung 3

    3.- a) Der zu entschädigende Verkehrswert ist primär anhand
von Vergleichspreisen festzulegen (statistische Methode oder
Vergleichsmethode). Was eine unbestimmte Vielzahl von Kaufsinteressenten
auf dem freien Markt für das enteignete Grundstück bezahlt hätte,
lässt sich am zuverlässigsten aufgrund der tatsächlich gehandelten
Preise für vergleichbare Liegenschaften ermitteln. Allerdings führt
diese Methode nur zu richtigen Resultaten, wenn Vergleichspreise in
genügender Zahl für Objekte ähnlicher Beschaffenheit zur Verfügung
stehen. An diese Voraussetzung dürfen jedoch nicht zu hohe Anforderungen
gestellt werden. So erfordert die Vergleichbarkeit nicht, dass in
bezug auf Lage, Grösse, Erschliessungsgrad und Ausnützungsmöglichkeit
praktisch Identität besteht. Unterschieden der Vergleichsgrundstücke
kann durch Preiszuschläge oder -abzüge Rechnung getragen werden. Auch
braucht das Vergleichsgrundstück nicht im selben Quartier zu liegen,
sofern es hinsichtlich Lage, Umgebung, Ausnützungsmöglichkeit usw. dem
Schätzungsobjekt ähnlich ist.

    In der Regel lässt sich selbst aus vereinzelten Vergleichspreisen
auf das allgemeine Preisniveau schliessen. Sind nur wenige Kaufpreise
bekannt, müssen diese besonders sorgfältig untersucht und können sie nur
zur Entschädigungsbestimmung verwendet werden, wenn dem Vertragsabschluss
nicht - wie etwa bei Verkäufen unter Verwandten sowie bei Arrondierungs-
und ausgesprochenen Spekulationskäufen - unübliche Verhältnisse zugrunde
liegen. Nur wenn überhaupt keine Vergleichspreise vorhanden sind,
dürfen sich die Schätzungsbehörden auf die ausschliessliche Anwendung
von Methoden beschränken, die - wie die Lageklassenmethode oder die
Methode der Rückwärtsrechnung - auf blosse Hypothesen abstellen, auf heute
nicht mehr durchwegs geltenden Rentabilitätsüberlegungen beruhen und bei
denen das Ergebnis selbst durch kleinere Erhöhungen oder Reduktionen der
Ausgangswerte fast beliebig verändert werden kann (BGE 115 Ib 408 E. 2c;
114 Ib 286 E. 7).

    b) Nach Ansicht des Kantonsgerichtes ist es hier unmöglich, die
Entschädigung nach der statistischen Methode festzulegen, weil nur
unzulängliches Vergleichsmaterial vorliege. So hätten - wie gesagt -
im Bereich der Wohnzone W3 mit Ausnahme der streitbetroffenen Parzelle
seit längerem keine Handänderungen von unüberbauten Liegenschaften mehr
stattgefunden, und andere mit dem enteigneten Grundstück vergleichbare
Liegenschaften fehlten.

    aa) Wie dem Zonenplan der Feuerschaugemeinde Appenzell vom 1. April
1981/9. März 1982 zu entnehmen ist, umfasst die Wohnzone W3 lediglich
ein relativ begrenztes Gebiet im Ortsteil "St. Anton". Die letzte
noch unüberbaute Liegenschaft ist oder war die Parzelle Nr. 1715,
wie sich aus dem Quartierplan "St. Anton" von 1992 ergibt (danach
ist die nördlich benachbarte, gemäss Zonenplan noch freie Parzelle
Nr. 1413 heute überbaut). Es erstaunt daher nicht, dass sich in den
Akten des Grundbuchamtes für unüberbaute Parzellen in der Wohnzone W3
keine Vergleichspreise finden liessen. Allein deswegen die statistische
Methode zu verwerfen, geht jedoch nicht an, wie die Beschwerdeführer mit
Recht bemerken.

    bb) Wie sich aus der dargelegten bundesgerichtlichen Praxis ergibt,
müssen der statistischen Methode nicht zwingend Handänderungspreise
für Grundstücke gleicher Art in der gleichen Zone zugrunde gelegt
werden. Es muss sich lediglich um Vergleichspreise für Objekte ähnlicher
Beschaffenheit handeln, wobei an diese Voraussetzung keine zu hohen
Anforderungen gestellt werden dürfen; Identität in bezug auf Lage (im
gleichen Quartier), Grösse, Erschliessungsgrad und Ausnützungsmöglichkeit
ist nicht zwingend notwendig (vorne E. 3a). Es ist daher auch nicht
ausgeschlossen, dass im Falle einer relativ homogenen, noch mehrheitlich
ländlich geprägten Ortschaft mit Zentrumsfunktion, wie es Appenzell
darstellt, auch Preise herangezogen werden, welche für unüberbaute
Liegenschaften in der relativ grossen Wohnzone W2 (oder unter Umständen
gar in der erweiterten Kernzone K2) bezahlt wurden, sofern es sich um
vergleichbare Parzellen handelt. Unterschiedlichen (auch planerischen)
Beschaffenheiten der in Betracht kommenden Grundstücke ist durch sachlich
angemessene Auf- oder Abschläge der Ausgangswerte Rechnung zu tragen.

    Das Kantonsgericht hat mit der Feststellung, es fehle an anderen
mit der Parzelle Nr. 1715 vergleichbaren Grundstücken, ein solches
Vorgehen abgelehnt. Im angefochtenen Entscheid hat es jedoch nicht
dargelegt, auf welche Sachverhaltsabklärungen es sich dabei genau gestützt
hat. Sodann geht aus dem Urteil nicht zweifelsfrei hervor, ob sich die
Aussage des Kantonsgerichtes auch auf Parzellen in einer anderen Bauzone
als der Wohnzone W3 bezieht. Es steht somit nicht abschliessend fest, ob
Vergleichspreise vorhanden sind, und es kann daher nicht überprüft werden,
ob den Beschwerdeführern volle Entschädigung im Sinne von Art. 22ter Abs. 3
BV zugesprochen worden ist. Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich
daher insoweit als begründet.

    cc) Bedenken am Vorgehen der kantonalen Instanzen ergeben sich auch
hinsichtlich der Art, wie sie die ihrer Ansicht nach hier sachgerechte
Methode der Rückwärtsrechnung angewendet haben. Die vom Kantonsgericht
geschützte Berechnung der Schätzungskommission lässt vermuten, dass
die Kommission in die Rückwärtsrechnung Elemente der Lageklassenmethode
hat einfliessen lassen, hat sie doch unter anderem bei der Bestimmung
des Landwertes einen Lageklassefaktor veranschlagt, welcher der
Rückwärtsrechnung an sich fremd ist. Die beiden Berechnungsmethoden,
welche nur zu Kontrollzwecken oder allenfalls dann anzuwenden sind,
wenn die statistische Methode zu keinem eindeutigen Resultat führt, sind
jedoch auseinanderzuhalten (zu den beiden Methoden im einzelnen: WOLFGANG
NAEGELI/KURT J. HUNGERBÜHLER, Handbuch des Liegenschaftsschätzers, 3.
Aufl., Zürich 1988, S. 38 ff. und 43 ff.).

    c) Dass die Beschwerde im genannten Punkt begründet ist,
gilt unbekümmert des Umstandes, dass das Kantonsgericht die von den
Beschwerdeführern ins Feld geführten, auf die Parzelle Nr. 1715 bezogenen
Handänderungswerte unberücksichtigt lassen durfte. Entgegen der Auffassung
der Beschwerdeführer sind blosse Offerten bzw. Verhandlungspreise
für die Berechnung eines allfälligen Baurechtszinses unbeachtlich
(nicht veröffentlichte Urteile des Bundesgerichtes vom 20. April 1993
i.S. Gemeinde Valendas, E. 3, und vom 7. Juni 1985 i.S. Staat Bern,
E. 2a). Auch verstösst es nicht gegen die Eigentumsgarantie, wenn die
von den Beschwerdeführern für die Übernahme der Liegenschaft zu Mit- oder
Alleineigentum bezahlten oder in Baurechtsverträgen als Ausgangspreis für
die Berechnung des Baurechtszinses bestimmten Landwerte unberücksichtigt
gelassen wurden. Die entsprechenden Werte - wie übrigens auch der Wert für
die Subventionierung der Wohnüberbauung nach den Bestimmungen des Wohnbau-
und Eigentumsförderungsgesetzes vom 4. Oktober 1974 (WEG; SR 843) - sind
wesentlich von den Ansprechern der Enteignungsentschädigung mitbestimmt
worden und stellen keine Vergleichspreise im Sinne der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung dar.

Erwägung 4

    4.- Ist die staatsrechtliche Beschwerde im ersten Punkt begründet, so
bestünde an sich kein Anlass, die weiteren Einwendungen zu prüfen. Weil die
kantonalen Behörden aber nach eingehenderen Abklärungen den Verkehrswert
neu zu bestimmen haben werden, rechtfertigt es sich aus prozessökonomischen
Gründen, hier zu prüfen, ob vom Verkehrswert ein Abzug von 50% gemacht
werden darf.

    a) Das Kantonsgericht hat wie die Schätzungskommission unter Hinweis
auf die Grundsätze zur Entschädigung von Vorgartenland einen solchen
Abzug veranschlagt. Es war der Auffassung, die Teilenteignung habe nur
eine kleine Werteinbusse zur Folge, da mit dem Quartierplan "St. Anton"
eine erhöhte Ausnützung des Restgrundstückes zugestanden worden sei.

    Die Beschwerdeführer bestreiten die Berechtigung dieses Abzuges. Soweit
sie zunächst geltend machen, die Enteignerin habe sich nicht auf eine
solche Entschädigungsreduktion berufen, ist ihnen entgegenzuhalten, dass
der Bezirk Appenzell bisher eine Entschädigung für angemessen hielt, die
mit Fr. 65.--/m2 wesentlich unter dem zugesprochenen Quadratmeterpreis
liegt. Vor Kantonsgericht hat der Bezirk zudem die Berechnung der
Entschädigung durch die Schätzungskommission mit dem umstrittenen Abzug
ausdrücklich anerkannt (Schreiben an das Kantonsgericht vom 3. Februar
1995).

    b) Ob der enteignete Landstreifen - wie das Kantonsgericht meint -
Vorgartenland darstellt, als welches ein mit einem Bauverbot belegter
Landstreifen zwischen Strasse und Baulinie bezeichnet wird (BGE 105 Ib 327
E. 1c; Urteil des Bundesgerichtes vom 27. Februar 1974, E. 1d-f, in ZBl.
76/1975 S. 99 f.; HESS/WEIBEL, aaO, N. 106 zu Art. 19), kann offenbleiben.
Von der Beantwortung dieser Frage hängt der Verfahrensausgang nicht ab,
wie im folgenden zu zeigen ist.

    aa) Die Beschwerdeführer machen geltend, die kantonale Baugesetzgebung
sehe entgegen der Auffassung des Kantonsgerichtes nicht vor, dass die
Ausnützungsziffer als Entschädigung für eine Teilenteignung erhöht und
der Verkehrswert des zu entschädigenden Landes dementsprechend reduziert
werden dürfe.

    Diese Kritik ist im Lichte des Grundsatzes zu beurteilen, wonach
dem Enteigneten volle Entschädigung geschuldet ist (Art. 22ter Abs. 3
BV). Dieser soll bei einer Enteignung keinen Verlust erleiden, aber
auch keinen Gewinn erzielen; wirtschaftlich ist der Enteignete gleich zu
stellen wie ohne Landabtretung (Urteil des Bundesgerichtes vom 27. Februar
1974, E. 1e, in ZBl. 76/1975 S. 99; BGE 93 I 554 E. 3). Bei einer
Teilenteignung, wie sie hier zur Diskussion steht, kann die Festsetzung
des Bodenwertes zudem nicht losgelöst von der Frage erfolgen, ob das
Restgrundstück durch die Abtretung einen Minderwert erfahren habe (Art. 10
Abs. 1 lit. b des kantonalen Gesetzes über die Enteignung [kEntG]) oder ob
dem Enteigneten weitere nach Art. 10 Abs. 1 lit. c kEntG zu entschädigende
Nachteile entstanden seien (BGE 105 Ib 327 E. 1c).

    bb) Das Kantonsgericht ist wie gesagt davon ausgegangen,
dass den Beschwerdeführern trotz der Teilenteignung insofern kein
Nachteil entstanden sei, als der ursprüngliche wirtschaftliche Wert der
Liegenschaft durch eine Erhöhung der Ausnützungsziffer der Restparzelle
wieder hergestellt worden sei. Ohne dies ausdrücklich zu erklären,
hat es die Erhöhung der Ausnützungsziffer als Sachleistung betrachtet,
welche neben der finanziellen Abgeltung die Interessen der Enteigneten
im Sinne von Art. 9 Abs. 3 und 4 kEntG ausreichend wahre (zur Leistung
von Naturalersatz: PETER WIEDERKEHR, Die Expropriationsentschädigung,
Diss. Zürich 1966, S. 179 ff., insbesondere auch S. 186 f.).

    cc) Diese Betrachtungsweise verletzt die Eigentumsgarantie nicht. Die
Planungsgeschichte des Gebietes "St. Anton" seit Erlass des nur teilweise
realisierten Quartierplans "Kaustrasse-Rinkenbach" im Jahre 1967/68 zeigt,
dass trotz der Mitte der achtziger Jahre erfolgten Umklassierung der St.
Antonstrasse von einer Erschliessungs- in eine Bezirksstrasse und dem
neuen, räumlich auf eine Parzelle reduzierten Quartierplan "St. Anton"
immer noch ein Zusammenhang zwischen dem Strassenbau und der Überbauung
des angrenzenden Gebietes im Sinne eines bei umfangreichen Quartierplänen
üblichen Gesamtkonzeptes besteht. Dieses Gesamtkonzept kommt beim
Quartierplan "St. Anton" insoweit zum Ausdruck, als nach den Vorstellungen
der kantonalen und kommunalen Behörden der Verlust von Bauland für die
Erstellung der im früheren Quartierplan vorgesehenen Erschliessungs-
bzw. Strassenanlage durch eine Erhöhung der Ausnützung der Restparzelle
aufgefangen werden soll. Ein solches Vorgehen ist bei Quartierplänen
durchaus üblich, um trotz des Abzuges für gemeinschaftliche Anlagen den
Besitzstand der Betroffenen so weit wie möglich zu wahren. Einzelne Kantone
sehen generell den Einbezug von für Strassen abgetretenes Land in die
Nutzungsberechnung vor, sofern dies - wie hier - bei der für das Land zu
bezahlenden Entschädigung berücksichtigt wird (so zum Beispiel der Kanton
Basel-Landschaft in seinen Zonenreglements-Normalien; vgl. auch WIEDERKEHR,
aaO, S. 69, wonach für die Bestimmung der Entschädigung massgeblich auf
die noch zulässige bauliche Nutzung abzustellen sei).

    dd) Der dargestellte planerische Gesamtzusammenhang lässt sich anhand
der Entwicklung der Ausnützungsmöglichkeiten der Parzelle Nr. 1715 belegen,
die primär durch die Ausnützungsziffer (AZ) bestimmt werden und von welcher
gemäss Art. 32 Abs. 2 des Baugesetzes vom 28. April 1985 (BauG) und Art. 38
der Verordnung zum Baugesetz vom 17. März 1986 (Bauverordnung, BauV)
in Quartierplänen unter gewissen Voraussetzungen abgewichen werden kann.
Auszugehen ist von der möglichen Ausnützung vor Erlass der Strassenpläne
im Jahre 1986. Bei der damals geltenden Ausnützungsziffer (AZ) von 0,60
und der ursprünglichen Parzellengrösse von 6'622 m2 betrug die nutzbare
Geschossfläche im Sinne von Art. 37 Abs. 1 und 2 BauV rund 3'974 m2.

    Der im März/April 1986 erlassene Strassenbauplan sah eine Abtretung
von ca. 1'080 m2 Land vor. Bei einer AZ von 0,60 und einer reduzierten
Grundstücksfläche von 5'542 m2 verminderte sich die nutzbare Geschossfläche
auf 3'324 m2. Im April 1992 wurde die abzutretende Fläche definitiv auf
1'044 m2 festgelegt; bei der verbleibenden Grundstücksfläche von 5'578
ergibt sich eine nutzbare Geschossfläche von 3'347 m2. Die alsdann am
9. Juni 1992 von der Standeskommission genehmigte ursprüngliche Fassung
des Quartierplanes "St. Anton" sah drei Baubereiche mit je 1'108 m2, total
somit (wie nach Erlass des Strassenbauplanes) 3'324 m2 Bruttogeschossfläche
vor; gerundet entspricht dies bei einer (reduzierten) Grundstücksfläche
von 5'578 m2 der damals gesetzlich zulässigen AZ von 0,60.

    Am 15. Februar 1993 erhöhte der Grosse Rat die für die Wohnzone W3
geltende AZ auf 0,65, woraus rechnerisch für die Restparzelle eine nutzbare
Geschossfläche von 3'625,7 m2 resultierte. Vor dieser Erhöhung der AZ
wurde jedoch eine Änderung des Quartierplanes "St. Anton" eingeleitet,
welche zusätzlich einen vierten Baubereich mit 650 m2, total somit 3'974
m2 und damit den gleichen Nominalwert an Bruttogeschossfläche wie vor
Erlass der Pläne für die 2. Etappe der St. Antonstrasse vorsah. Bei einer
(reduzierten) Grundstücksfläche von 5'578 m2 entspricht dies einer Erhöhung
der AZ von ursprünglich 0,60 auf 0,71. Diese Änderung trat einen Tag nach
dem Beschluss des Grossen Rates, am 16. Februar 1993, mit der Genehmigung
der Quartierplanrevision durch die Standeskommission in Kraft. Sie galt
am entschädigungsrechtlich relevanten Stichtag der Einigungsverhandlung,
ist noch heute für die Überbauung der Restparzelle massgebend und zeigt,
dass die Enteigneten unter Berücksichtigung der zu leistenden Entschädigung
in Geld vor und nach der Expropriation wirtschaftlich gleich gestellt sind,
wie es die bundesgerichtliche Praxis verlangt.

    ee) Gegen die vorstehende Argumentation könnte eingewendet werden,
Schuldner der Enteignungsentschädigung sei der Bezirk Appenzell, während
die Quartierplanung bzw. die Ausnützung der Parzelle Nr. 1715 durch
Anordnungen eines anderen Gemeinwesens, der Feuerschaugemeinde Appenzell,
geregelt werde und daher im Enteignungsverfahren unbeachtlich sei. Eine
solche, allein auf formalrechtlichen Unterscheidungen beruhende Betrachtung
wird den planerischen Gegebenheiten, die durch sachlich zusammenhängende
Hoheitsakte des Bezirkes und der Feuerschaugemeinde Appenzell geprägt
sind, nicht gerecht. Überdies würde man der besonderen Struktur des
Gemeindewesens in Appenzell ein Gewicht beimessen, das ihr im vorliegenden
Fall nicht zukommt (zum Gemeindewesen im Kanton Appenzell I.Rh.: RICCARDO
JAGMETTI, Die Stellung der Gemeinden, ZSR 91/1972 II S. 258 f. und 270). So
ist zu beachten, dass im allgemeinen der Bezirk sowohl für die Ortsplanung
als auch für das örtliche Strassenwesen zuständig ist (Art. 2 Abs. 3 BauG
und Art. 38 ff. des Gesetzes über das Strassenwesen vom 24. April 1960
[StrG]). Nur in der Gemeinde Appenzell ist aus historischen Gründen die
Ortsplanung der Feuerschaugemeinde als besonderem Gemeinwesen mit sachlich
begrenzter Zuständigkeit übertragen (Art. 2 Abs. 4 BauG). Im Lichte von
Art. 3 Abs. 3 lit. a des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni
1979 (Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700), wonach Wohn- und Arbeitsgebiete
einander zweckmässig zugeordnet und durch das öffentliche Strassennetz
hinreichend erschlossen sein sollen, kann jedoch auch in Appenzell die
dem Bezirk verbleibende Planung des örtlichen Strassenwesens bzw. der
Bezirksstrassen nicht losgelöst von der Ortsplanung der Feuerschaugemeinde
betrachtet werden.

    c) Es ergibt sich aus diesen Erwägungen, dass die Reduktion der
Enteignungsentschädigung nicht gegen die Eigentumsgarantie verstösst. Es
fragt sich somit, ob gleiches auch hinsichtlich der Höhe dieses Abzuges
gilt. Dazu führte das Kantonsgericht aus, der enteignete Landstreifen sei
insofern minderwertiger Boden, als dessen Beanspruchung für den Strassenbau
nicht zu einer Beschränkung der baulichen Nutzung der Restparzelle geführt
habe. Nach einem Entscheid des Zürcher Obergerichtes sei in der Regel
bei einer Enteignung von Vorgartenland die Hälfte des Baulandpreises zu
vergüten, während im Kanton St. Gallen Abzüge von 20-30% des Verkehrswertes
gemacht würden. Hier rechtfertige sich mit Blick auf das wirtschaftliche
Gesamtergebnis ein Abzug von 50%.

    Die Kritik der Beschwerdeführer an dieser Begründung ist wegen der
nicht im Zusammenhang zitierten Zürcher Praxis, die auf ein Urteil aus
dem Jahre 1910 zurückgeht, verständlich (vgl. den im angefochtenes Urteil
enthaltenen Nachweis auf die ältere zürcherische Praxis in einem Urteil des
Zürcher Verwaltungsgerichtes in: MAX IMBODEN/RENÉ A. RHINOW, Schweizerische
Verwaltungsrechtsprechung, Bd. II, 6. Aufl., Basel/Frankfurt a.M. 1986, S.
919). Dennoch ist der angefochtene Entscheid hinsichtlich der Höhe des
Abzuges verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

    Bei noch nicht überbautem Bauland, dessen gesamthafte Ausnützung
durch eine Teilenteignung nicht reduziert wird, kann das Mass des unter
dem Titel "Vorgartenland" vorzunehmenden Abzuges vom zu entschädigenden
Verkehrswert selten präzise bestimmt werden; vielmehr ist das Ausmass der
Herabsetzung nach pflichtgemässem Ermessen festzulegen (in diesem Sinne BGE
105 Ib 327 E. 1c; 93 I 554 E. 3 sowie WIEDERKEHR, aaO, S. 72). Wird dieser
den kantonalen Behörden zustehende Spielraum respektiert, so lässt sich
der fragliche Abzug von 50% nicht nur mit Rücksicht auf alle genannten
Umstände, sondern auch damit rechtfertigen, dass die Beschwerdeführer
nicht hinreichend substantiiert geltend machen, die Teilenteignung habe
für sie spezifische nicht abgegoltene Nachteile zur Folge (vgl. Art. 10
Abs. 1 lit. c kEntG).

Erwägung 5

    5.- a) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die staatsrechtliche
Beschwerde insoweit begründet ist, als das Kantonsgericht es abgelehnt
hat, die Enteignungsentschädigung nach der statistischen Methode zu
bestimmen (vgl. vorne E. 3). Im übrigen erweist sich die Beschwerde aber
als unbegründet.