Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 122 IV 344



122 IV 344

53. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 25. November 1996 i.S. R.
gegen Eidg. Finanzdepartement Regeste

    Art. 103 VStrR. Abwesenheitsverfahren; Wiedereinsetzung.

    Ein Schreiben, mit welchem die Verwaltung ein Gesuch um
Wiedereinsetzung abweist bzw. auf ein solches nicht eintritt, ist eine
Verfügung und als solche mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen
(E. 3c).

    Der Entscheid der Verwaltung über ein Wiedereinsetzungsgesuch
unterliegt der Beschwerde an die Anklagekammer des Bundesgerichts (E. 4e).

    Mit der (auflösend bedingten) Rechtskraft des Abwesenheitsurteils
hört die Verfolgungsverjährung zu laufen auf; gleichzeitig beginnt die
Vollstreckungsverjährung (E. 5b).

    Der in Abwesenheit Verurteilte kann auch nach Eintritt der
Vollstreckungsverjährung die Aufhebung des Abwesenheitsurteils und die
Durchführung des ordentlichen Verfahrens verlangen (E. 5c und d).

    Wann hat sich der Beschuldigte im Sinne von Art. 103 Abs. 2 VStrR
gestellt (E. 6b)?

Sachverhalt

    A.- Im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb der D. AG
reichte die Eidg. Bankenkommission am 1. Dezember 1988 gegen vier
Beschuldigte, darunter auch den deutschen Staatsangehörigen R.,
beim Eidg. Finanzdepartement Strafanzeige ein wegen Bestellung der
Vertretung einer ausländischen Bank in der Schweiz ohne Bewilligung
(Art. 46 Abs. 1 lit. a BankG; SR 952.0). Gestützt darauf eröffnete das
Eidg. Finanzdepartement gegen die vier Beschuldigten am 17. Januar 1989
eine Verwaltungsstrafuntersuchung.

    Gestützt auf das Schlussprotokoll vom 28. Januar 1991 verurteilte
das Eidg. Finanzdepartement R., dessen Aufenthaltsort angeblich
nicht in Erfahrung gebracht werden konnte, mit Strafbescheid (Art. 64
Abs. 1 VStrR) vom 8. Mai 1991 im Abwesenheitsverfahren (Art. 103 Abs. 1
VStrR) wegen vorsätzlicher Widerhandlung im Sinne von Art. 46 Abs. 1
lit. a BankG zu einer Busse von Fr. 8'000.--; ferner wurden ihm die
Verfahrenskosten im Betrag von Fr. 2'084.-- auferlegt. R. soll die ihm
zur Last gelegten Widerhandlungen vom Spätherbst 1987 bis 1. Februar
1988 begangen haben. Wegen unbekannten Aufenthalts von R. wurde der
Strafbescheid gestützt auf Art. 64 Abs. 3 VStrR durch Notifikation im
Bundesblatt Nr. 18 vom 14. Mai 1991 eröffnet.

    Nachdem R., der sich seit dem 2. November 1988 in der
Justizvollzugsanstalt Hakenfeld (Berlin) befindet, von diesem Urteil
durch eine Mitteilung des Generalbundesanwalts vom 1. Dezember 1992,
es sei im (deutschen) Bundeszentralregister eingetragen worden,
Kenntnis erhalten hatte, beantragte der am 16. Dezember 1992 durch ihn
bevollmächtigte Rechtsanwalt Z., Berlin, mit Schreiben vom 5. Januar
1993 beim Eidg. Finanzdepartement vorsorglich die Wiedereinsetzung in
den vorherigen Stand und legte "gegen die Entscheidung das zulässige
Rechtsmittel ein".

    Das Eidg. Finanzdepartement teilte dem Vertreter von R. am 10. Mai
1993 mit, die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung seien in keiner
Weise erfüllt; dem Gesuch um Wiedereinsetzung in den früheren Stand könne
daher nicht entsprochen werden.

    Mit Eingabe vom 21. Juni 1993 an das Eidg. Finanzdepartement
beantragte der Vertreter von R. die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung
der Wiedereinsetzungsfrist sowie die Wiedereinsetzung "gegen der
Rechtsmittelfrist"; zudem legte er vorsorglich das zulässige Rechtsmittel
gegen den Strafbescheid vom 8. Mai 1991 ein.

    Am 23. Juli 1993 verwies das Eidg. Finanzdepartement auf sein Schreiben
vom 10. Mai 1993, das nach wie vor Gültigkeit habe und keiner Ergänzung
bedürfe.

    B.- Mit Schreiben vom 27. Januar 1996 beantragte R. dem Eidg.
Finanzdepartement die "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand"; weiter
ersuchte er um Übermittlung des Strafbescheides vom 8. Mai 1991, damit
er sich rechtfertigen könne.

    Mit Schreiben vom 31. Januar 1996 teilte das Eidg. Finanzdepartement
R. mit, sein erstes Wiedereinsetzungsgesuch sei am 10. Mai 1993 abschlägig
behandelt worden; diesem Entscheid sei auch aus heutiger Sicht nichts
beizufügen.

    Nachdem das Eidg. Finanzdepartement diese Auffassung nach einer Eingabe
von R. vom 4. Februar 1996 am 21. Februar 1996 bestätigt hatte, gelangte
dieser am 27. Februar 1996 erneut an das Departement mit dem Ersuchen,
ihm die zuständige Beschwerdeinstanz mitzuteilen.

    Da das Eidg. Finanzdepartement auf diese und eine weitere Eingabe
vom 30. März 1996 nicht reagierte, wandte sich R. mit Beschwerden vom
18., 19. und 21. April 1996 an das "Oberlandesgericht CH 3003 Bern",
an das "Bezirksgericht 3003 Bern" und an das Eidg. Finanzdepartement.

    Die beiden nicht an das Departement adressierten Beschwerden wurden
durch das Obergericht des Kantons Bern und das Untersuchungsrichteramt
Bern, wo sie eingegangen sind, an dieses weitergeleitet.

    C.- In Anwendung von Art. 8 VwVG überwies die Chefin des Rechtsdienstes
des Eidg. Finanzdepartementes die drei bei ihm eingegangenen Beschwerden
von R. am 13. Mai 1996 zuständigkeitshalber der Anklagekammer des
Bundesgerichts, denn diese entscheide gemäss Art. 25 VStrR über die ihr
nach diesem Gesetz zugewiesenen Beschwerden und Anstände.

    Mit Schreiben vom 20. Mai 1996 forderte der Präsident der
Anklagekammer gestützt auf Art. 29 Abs. 4 OG R. auf, in der Schweiz ein
Zustellungsdomizil zu verzeichnen. Mit Schreiben vom 22. Mai 1996 macht
R. geltend, die Strafhaft daure noch an. Sinngemäss beantragt er, ihm
allenfalls einen Pflichtverteidiger zu bestellen.

    In ihrer Vernehmlassung vom 1. Juli 1996 beantragt die Chefin des
Rechtsdienstes des Eidg. Finanzdepartementes, die Beschwerden abzuweisen.

    In seiner Stellungnahme vom 8. November 1996 zur Vernehmlassung
des Eidg. Finanzdepartementes hält der Beschwerdeführer sinngemäss an
seinen Beschwerden fest; er hält ergänzend fest, er hätte aufgrund seiner
Haft auf dem Wege der Rechtshilfe einvernommen werden können.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Das Eidg. Finanzdepartement verurteilte den Beschwerdeführer
mit Strafbescheid vom 8. Mai 1991 im Abwesenheitsverfahren gemäss Art. 103
Abs. 1 VStrR; der Strafbescheid wurde ihm wegen unbekannten Aufenthaltes
in Anwendung von Art. 64 Abs. 3 VStrR durch Publikation im Bundesblatt
eröffnet.

    b) In den vorliegenden Eingaben macht der Beschwerdeführer
insbesondere geltend, das Abwesenheitsurteil sei, ohne ihn vorgehend
darüber zu orientieren und ihn anzuhören, gefällt worden, obwohl
seine Anschrift - Justizvollzugsanstalt Berlin - dem Rechtsdienst des
Eidg. Finanzdepartementes über das Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen
in Berlin bekannt gewesen sei. Er macht damit geltend, dass die
Voraussetzungen für die Durchführung eines Abwesenheitsverfahrens gegen
ihn nicht erfüllt gewesen seien.

Erwägung 3

    3.- a) Nach Ablauf der für die ordentlichen Rechtsmittel geltenden
Fristen wird das Abwesenheitsurteil lediglich auflösend bedingt
rechtskräftig (ROBERT HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen
Strafprozessrechts, S. 262; ARTHUR HAEFLIGER, Kommentar zur
Militärstrafgerichtsordnung, Bern 1959, Art. 166 MStGO N. 12; CLAUDIA
BÜHLER, Das Abwesenheitsverfahren im zürcherischen Strafprozess,
Diss. Zürich 1992, S. 93). Denn gemäss Art. 103 Abs. 2 VStrR kann der
Beschuldigte, wenn er sich stellt oder ergriffen wird, innert 30 Tagen,
seit er vom Strafbescheid Kenntnis erhalten hat, bei der Behörde, die
zuletzt gesprochen hat, die Wiedereinsetzung verlangen. Wird das Gesuch
rechtzeitig gestellt, so ist das ordentliche Verfahren durchzuführen
(Art. 103 Abs. 3 VStrR). Eine solche Regelung ist dadurch charakterisiert,
dass der Beschuldigte voraussetzungslos die Wiedereinsetzung verlangen
kann (vgl. zur entsprechenden Regelung in Art. 156 MStP: BBl 1977 II 90
und 93; vgl. auch NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts,
Bern 1994, S. 466; HAUSER, aaO, S. 262).

    b) Dem Gesuch des Vertreters des Beschwerdeführers vom 5. Januar 1993
um Wiedereinsetzung gemäss Art. 103 Abs. 2 VStrR entsprach das Eidg.
Finanzdepartement (mit Schreiben vom 10. Mai 1993) nicht; dies mit der
Begründung, er erfülle die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in
keiner Weise; weder sei er ergriffen worden, noch habe er sich gestellt,
noch sei nachgewiesen, dass das Gesuch rechtzeitig eingereicht worden
sei; der Strafbescheid sei daher rechtskräftig und vollziehbar. Am
27. Mai 1993 ergänzte das Eidg. Finanzdepartement sein Schreiben vom
10. Mai 1993 dahingehend, dass auf das Begehren auch infolge Ablaufs der
Wiedereinsetzungsfrist von 30 Tagen nicht eingetreten werden könne.

    Dagegen wandte sich der Vertreter des Beschwerdeführers am
21. Juni 1993 erneut an das Eidg. Finanzdepartement mit dem Begehren um
Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist und dem
Begehren um Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist;
gleichzeitig legte er vorsorglich das zulässige Rechtsmittel gegen den
Strafbescheid ein.

    c) Mit dem Schreiben vom 10. Mai 1993 hat das Eidg. Finanzdepartement
das Gesuch des Verurteilten um Aufhebung des Abwesenheitsurteils und
um Durchführung des ordentlichen Verfahrens abgewiesen. Obwohl das
Eidg. Finanzdepartement dieses nicht als Entscheid bzw. als Verfügung
bezeichnete, handelt es sich zumindest inhaltlich um einen Entscheid,
denn darin wird festgestellt, dass die Resolutivbedingung der Rechtskraft
des Abwesenheitsurteils nicht mehr bestehe und dass dieses demnach als
endgültig rechtskräftig zu betrachten sei (vgl. MKGE 5 Nr. 53). Ein solcher
Entscheid muss aber - sofern dagegen ein Rechtsmittel gegeben ist - wie
der Strafbescheid selber, um den es im vorliegenden Fall der Sache nach
geht, eine Rechtsmittelbelehrung enthalten (Art. 64 Abs. 1 VStrR). Eine
solche fehlte im vorliegenden Fall.

Erwägung 4

    4.- a) Art. 103 VStrR regelt die Frage nicht, ob gegen einen Entscheid,
mit welchem die zuständige Behörde auf ein Gesuch um Wiedereinsetzung nicht
eingetreten ist oder dieses abgewiesen hat, ein Rechtsmittel gegeben sei;
auch in Art. 148 Abs. 3 BStP fehlt eine solche Regelung. Es ist daher zu
prüfen, ob sich durch Auslegung ein Rechtsmittel gegen solche Entscheide
der Verwaltung ergibt.

    b) Das Eidg. Finanzdepartement geht davon aus, dass die Weigerung
seines Rechtsdienstes, das gegen den Beschwerdeführer geführte
Verwaltungsstrafverfahren wieder aufzunehmen, trotz Fehlens einer
gesetzlichen Regelung der Rechtsmittel im Wiederaufnahmeverfahren gestützt
auf Art. 25 Abs. 1 VStrR und in Analogie zum Revisionsverfahren (Art. 88
Abs. 4 VStrR) der Beschwerde an die Anklagekammer unterliege.

    c) Die in verschiedenen schweizerischen Strafprozessgesetzen
bestehenden Bestimmungen über die Regelung des Abwesenheitsverfahrens
sind stets auch auf ihre Vereinbarkeit mit der EMRK und den aus der
Bundesverfassung abgeleiteten Grundsätzen zu prüfen und im Lichte
der sich daraus für ein rechtsstaatliches Strafverfahren ergebenden
Mindestanforderungen auszulegen und anzuwenden; dazu ist insbesondere
auch die Resolution DH (75) 11 des Ministerkomitees des Europarates vom
21. Mai 1975 über die Grundsätze bei der Durchführung von Strafverfahren in
Abwesenheit des Angeklagten (VPB 1984 Nr. 107, im folgenden: Resolution)
heranzuziehen; denn letztere ist zwar nicht verbindlich, doch gelten ihre
Grundsätze als Mindestanforderungen zur Auslegung und Konkretisierung des
Landesrechts (Art. 4 und 58 BV) und der durch die Schweiz ratifizierten
europäischen Übereinkommen (insb. Art. 6 EMRK; vgl. BGE 111 Ia 341 E. 3a;
VPB 1984 Nr. 108; statt vieler: NIKLAUS SCHMID, Zum zürcherischen
Abwesenheitsverfahren nach Abschaffung des ordentlichen Verfahrens
gemäss StPO § 197, in: Strafrecht und Öffentlichkeit, Festschrift für
Jörg Rehberg, Zürich 1996, S. 286). Ziffer I.8 der Resolution verlangt,
dass der in Abwesenheit Verurteilte, der nicht ordnungsgemäss vorgeladen
wurde, über ein Rechtsmittel verfügen muss, um die Nichtigkeit des
Abwesenheitsurteils feststellen zu lassen.

    d) Der Militärstrafprozess kennt eine entsprechende Regelung: Gemäss
Art. 184 Abs. 1 lit. c MStP (SR 322.1) kann gegen Abwesenheitsurteile
der Divisionsgerichte Kassationsbeschwerde erhoben werden; subsidiär
unterliegt die Verweigerung der Wiederaufnahme des Verfahrens dem Rekurs
an das Militärkassationsgericht (Art. 195 lit. d MStP; vgl. dazu auch
MICHEL MAILLEFER, Le jugement contumacial en procédure pénale militaire,
in: ZStrR 104 [1987] S. 191 und 194 f.).

    Auch in den meisten Kantonen, die ein Abwesenheitsverfahren
kennen, ist die Möglichkeit der Anfechtung der Abweisung eines
Wiedereinsetzungsgesuches, wenn nicht explizit in der jeweiligen
Strafprozessordnung (vgl. etwa Art. 420 lit. d CPP/VD; Art. 345 Abs. 1
StrV/BE), so doch in der Lehre und Rechtsprechung anerkannt (vgl. etwa
JÜRG AESCHLIMANN, Das bernische Strafverfahren, C-Besonderer Teil II, Bern
1993, N. C430; SCHMID, aaO, S. 300; HEINZ AEMISEGGER, Die Rechtsbehelfe
der Schaffhauser Strafprozessordnung, Diss. Zürich 1976, S. 47).

    e) Es ist daher davon auszugehen, dass auch gegen Entscheide der
Verwaltung über Wiedereinsetzungsgesuche gemäss Art. 103 VStrR ein
Rechtsmittel zur Verfügung stehen muss, mit welchem der Beschuldigte
geltend machen kann, auf das Gesuch sei zu Unrecht nicht eingetreten oder
dieses sei zu Unrecht abgewiesen worden.

    Da sich das Gesuch um Wiedereinsetzung wie die Revision unmittelbar
gegen Urteile wendet, die bereits - beim Abwesenheitsurteil auflösend
bedingt (siehe E. 3a oben) - in Rechtskraft erwachsen sind, und
bezweckt, ein neues Verfahren einzuleiten und durchzuführen, wird die
Wiedereinsetzung in der Lehre - ohne indessen die erheblichen Unterschiede
zu verkennen - etwa auch als Spezialfall der Revision bezeichnet; deshalb
können die Bestimmungen über die Revision grundsätzlich auch für die
Auslegung der meist nur sehr knappen und unvollständigen Regelungen der
Wiedereinsetzung herangezogen werden (vgl. AEMISEGGER, aaO, S. 37 mit
Hinweis auf PFENNINGER).

    Gemäss Art. 88 Abs. 4 VStrR kann der Gesuchsteller gegen den die
Revision abweisenden Entscheid der Verwaltung innert 30 Tagen seit der
Eröffnung bei der Anklagekammer des Bundesgerichts Beschwerde im Sinne
von Art. 25 Abs. 1 VStrR führen, wobei die Verfahrensvorschriften von
Art. 28 Abs. 2-5 VStrR sinngemäss gelten. Diese Regelung ist bei der
Anfechtung eines Entscheides der Verwaltung, mit welchem diese auf ein
Gesuch um Wiedereinsetzung nicht eintritt oder dieses abweist, analog
anzuwenden. Denn nur eine solche Auslegung entspricht der Absicht des
Gesetzgebers, die Anklagekammer des Bundesgerichts im Strafverfahren vor
der Verwaltung ganz allgemein als Beschwerdeinstanz einzusetzen (vgl. BBl
1971 I 1009) und damit einen umfassenden richterlichen Rechtsschutz zu
gewährleisten (vgl. BBl 1971 I 1002).

    f) Da im vorliegenden Fall eine Rechtsmittelbelehrung fehlte und
sich das zur Verfügung stehende Rechtsmittel nicht ohne weiteres aus
dem Gesetz ergibt, geniesst der Beschwerdeführer den Vertrauensschutz
(RENÉ RHINOW/BEAT KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung,
Ergänzungsband, Basel 1990, Nr. 86 B III), zumal er und sein Anwalt nicht
Schweizer sind und beide im Ausland wohnen. Man könnte sich zwar fragen, ob
es nicht Sache des Anwalts gewesen wäre, sich nach möglichen Rechtsmitteln
zu erkundigen. Das Eidg. Finanzdepartement bezeichnete indessen seine
verschiedenen Schreiben nie förmlich als Verfügungen - obwohl es sich, wie
bereits ausgeführt, zumindest beim Schreiben vom 10. Mai 1993 inhaltlich
um eine solche handelte -, ansonsten hätte sich der Betroffene oder
sein Anwalt möglicherweise nach Rechtsmitteln erkundigt. Unter diesen
Umständen kann auch nicht angenommen werden, der Beschwerdeführer habe,
indem er zwischen dem Schreiben des Eidg. Finanzdepartementes vom 23. Juli
1993 bis zur nächsten Eingabe vom 27. Januar 1996 rund zweieinhalb Jahre
verstreichen liess, sein Beschwerderecht verwirkt. Hier kommt hinzu, dass
man sich im gegenteiligen Fall fragen müsste, ob seine diversen Schreiben
(bzw. jene seines Anwalts) an die Verwaltung - namentlich seine Antwort
vom 19. Mai 1993 auf das Schreiben des Eidg. Finanzdepartementes vom
10. Mai 1993 - nicht dem Sinne nach hätten als Beschwerden betrachtet
und gemäss Art. 28 Abs. 4 VStrR an die Rechtsmittelinstanz, d.h. an die
Anklagekammer des Bundesgerichts, weitergeleitet werden müssen.

    Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.

Erwägung 5

    5.- a) Das Eidg. Finanzdepartement geht in seiner Vernehmlassung
zunächst davon aus, die vom Beschwerdeführer beantragte Wiedereinsetzung
sei schon deshalb nicht mehr möglich, weil inzwischen sowohl die
Verfolgungs- als auch die Vollstreckungsverjährung eingetreten sei.

    b) Nach überwiegender Lehre und Rechtsprechung hört mit der (auflösend
bedingten) Rechtskraft des Abwesenheitsurteils die Verfolgungsverjährung zu
laufen auf; gleichzeitig beginnt die meist längere Vollstreckungsverjährung
(vgl. BBl 1977 II 93; Zusammenstellung bei RIKLIN, ZStrR 113 [1995] 161,
mit zahlreichen Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung; BÜHLER, aaO,
S. 22 und 95; MAILLEFER, aaO, S. 197; AEMISEGGER, aaO, S. 49; HAUSER,
aaO, S. 263; PFENNINGER, ZStrR 70 [1955], S. 57).

    aa) Die Vorinstanz stützt ihre Auffassung betreffend die
Verfolgungsverjährung zu Unrecht auf Art. 51 Abs. 3 BankG, denn
diese Bestimmung gilt ausdrücklich nur für Übertretungen. Die dem
Beschwerdeführer zur Last gelegte vorsätzliche Widerhandlung im Sinne
von Art. 46 Abs. 1 lit. a BankG wird hingegen mit Gefängnis bis zu
sechs Monaten oder mit Busse bis zu Fr. 50'000.-- bestraft. Es handelt
sich somit um ein Vergehen, für welches gemäss Art. 51 Abs. 2 BankG die
allgemeinen Bestimmungen des VStrR gelten. Gemäss Art. 2 VStrR gelten die
allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches, soweit das VStrR nichts
anderes bestimmt; dies ist in bezug auf die Verjährung von Vergehen
nicht der Fall. Gemäss Art. 70 StGB verjährt das dem Beschwerdeführer
zur Last gelegte Vergehen in fünf Jahren. Art. 11 Abs. 3 VStrR bestimmt,
dass die Verfolgungsverjährung bei Übertretungen und Vergehen ruht,
solange der Täter im Ausland eine Freiheitsstrafe verbüsst (vgl. auch
Art. 72 Ziff. 1 StGB). Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten
Widerhandlungen soll dieser bis Anfang 1988 begangen haben. Er verbüsst
seit Ende 1988 eine Freiheitsstrafe in Berlin. Entgegen der Auffassung
des Eidg. Finanzdepartements ist die Verfolgungsverjährung deshalb
noch nicht eingetreten. Da sie bereits aus dem angeführten Grund ruht,
stellt sich die umstrittene Frage des Ruhens der Verfolgungsverjährung
ab der (resolutiv bedingten) Rechtskraft des Abwesenheitsurteils nicht
(vgl. dazu FRANZ RIKLIN, Zur Frage der Verjährung im Abwesenheitsverfahren,
in: ZStrR 113 [1995], S. 162 mit Hinweisen).

    bb) Hingegen trifft es zu, dass inzwischen die Vollstreckungsverjährung
eingetreten ist: Gemäss Art. 51 Abs. 2 BankG in Verbindung mit Art. 2 VStrR
und Art. 73 StGB verjährt die Strafe des hier in Frage stehenden Vergehens
nach fünf Jahren. Der im Abwesenheitsverfahren erlassene Strafbescheid
datiert vom 8. Mai 1991, so dass die fünfjährige Vollstreckungsfrist
inzwischen abgelaufen ist.

    c) Die Auffassung der Vorinstanz, der Eintritt der
Vollstreckungsverjährung stehe einem Wiedereinsetzungsgesuch entgegen,
beruht auf dem Vorbild des französischen Code d'instruction criminelle
(H.F. PFENNINGER, Die Verjährung im Kontumazialverfahren, ZStrR 70 [1955]
S. 55 und 63f.; HAUSER, aaO, S. 263; FELIX STRÄULI, Das Verfahren gegen
den Abwesenden im schweizerischen Militärstrafprozess, Diss. Zürich 1955,
S. 47) und hat einzig in einigen welschen Strafprozessordnungen sowie
in derjenigen des Kantons Tessin Niederschlag gefunden (vgl. Art. 403
CPP/VD, Art. 216 Abs. 2 CPP/NE, Art. 53 Ziff. 4 StPO/FR; Art. 316 Abs. 1
CPP/TI; Art. 156 Abs. 1 MStP). Soweit diese Meinung neben RENATE SCHWOB
(Verwaltungsstrafrecht des Bundes, SJK 1290, S. 20) und GÉRARD PIQUEREZ
(Précis de Procédure Pénale Suisse, Lausanne 1994, N. 2238) vertreten wird,
stützt sie sich auf die frühere Praxis des Militärkassationsgerichts zu
Art. 167 MStGO (EMKG 6 Nr. 72; AEMISEGGER, aaO, S. 46 und 52; STRÄULI,
aaO, S. 52 f.). Auch der Bundesgesetzgeber hat - allerdings ohne nähere
Begründung - anlässlich der parlamentarischen Beratung im Jahre 1978
im neuen Militärstrafprozess eine entsprechende zeitliche Beschränkung
eingeführt (vgl. Sten.Bull. 1978 NR 644).

    d) Eine solche Einschränkung fehlt sowohl im Bundesstrafprozess als
auch im Verwaltungsstrafverfahren sowie in den deutschschweizerischen
Strafprozessgesetzen; sie ergibt sich auch nicht aus der Natur der
Verjährungsbestimmungen (HAUSER, aaO, S. 263). Nach heute herrschender
Auffassung soll der Beschuldigte zeitlich unbeschränkt - sofern
keine ausdrückliche entgegengesetzte gesetzliche Bestimmung besteht -,
d.h. auch nach Eintritt der Vollstreckungsverjährung noch die Aufhebung
des Abwesenheitsurteils und die Durchführung des ordentlichen Verfahrens
verlangen können. Der im Abwesenheitsverfahren Verurteilte hat trotz
Eintretens der Vollstreckungsverjährung ein legitimes Interesse an der
Klärung der Schuldfrage in einem ordentlichen Gerichtsverfahren. Aus
demselben Grund ist auch die Revision zu Gunsten des Beschuldigten
jederzeit zulässig (Art. 84 Abs. 2 VStrR). Schliesslich bleibt auch der
Nachteil des Strafregistereintrages bestehen. Das Interesse des Staates an
der Bestrafung des Täters geht zwar durch Zeitablauf verloren, nicht aber
jenes an der Richtigstellung eines fehlerhaften richterlichen Erkenntnisses
(statt vieler: SCHMID, Strafprozessrecht, N. 865; HAUSER, aaO, S. 263).

    Die Vollstreckungsverjährung steht daher der Wiedereinsetzung nicht
entgegen.

Erwägung 6

    6.- a) Das Eidg. Finanzdepartement hat die Wiedereinsetzung sodann
abgelehnt, weil sich der Beschwerdeführer im Sinne von Art. 103 Abs. 2
VStrR weder gestellt habe noch ergriffen worden sei.

    b) Diese Frage stellt sich hier indessen noch nicht oder ist jedenfalls
noch nicht endgültig zu beantworten. Gegen den Beschwerdeführer wurde der
Strafbescheid im Abwesenheitsverfahren ausgefällt, weil er unbekannten
Aufenthaltes war. Nachdem er rechtzeitig (dazu noch näher E. 7 hiernach)
ein Wiedereinsetzungsgesuch gestellt hat, genügt es deshalb zunächst
(vgl. auch oben E. 3a), dass sein Aufenthalt nun bekannt ist, um dem
Wiedereinsetzungsgesuch in der Weise stattzugeben, dass das ordentliche
Verfahren gegen ihn dort wiederaufgenommen und neu durchgeführt wird,
wo dies wegen seines unbekannten Aufenthaltes nicht möglich war. Das
Abwesenheitsurteil kann aber erst durch einen im ordentlichen Verfahren
ergangenen Entscheid ersetzt werden, wenn die Voraussetzungen hiefür
im Urteilszeitpunkt (immer noch) erfüllt sind. Ist dies der Fall, wird
grundsätzlich davon auszugehen sein, der Beschwerdeführer habe sich
gestellt. Trifft dies nicht zu, entfällt eine weitere Durchführung des
ordentlichen Verfahrens und wird der im Abwesenheitsverfahren erlassene
Strafbescheid endgültig rechtskräftig (vgl. dazu HAUSER, aaO, S. 262 oben,
mit Hinweisen); darauf wird der Beschwerdeführer hiermit ausdrücklich
aufmerksam gemacht.

Erwägung 7

    7.- a) Das Eidg. Finanzdepartement begründete seinen Entscheid vom
10. Mai 1993 schliesslich damit, dass das Gesuch um Wiedereinsetzung
nicht rechtzeitig gestellt worden sei.

    b) Aus den der Anklagekammer vorliegenden Akten ergibt sich,
dass sich der Beschwerdeführer seit dem 2. November 1988 in der
Justizvollzugsanstalt Hakenfelde in Berlin in Haft befindet. Es
ist mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, er habe von
dem hier in Frage stehenden Abwesenheitsurteil erst durch eine
Mitteilung des Generalbundesanwalts vom 1. Dezember 1992 Kenntnis
erhalten, mit welcher ihn dieser darüber informierte, dieses sei im
(deutschen) Bundeszentralregister eingetragen worden. Mit Schreiben
des Bundesministeriums für Justiz in Bonn vom 9. Juni 1993 an das Eidg.
Finanzdepartement (in Beantwortung von dessen Anfrage vom 31. März 1993)
hält dieses fest, die Mitteilung des Generalbundesanwalts an R. vom
1. Dezember 1992 betreffend den Strafbescheid vom 8. Mai 1991 sei am
7. Dezember 1992 als normale Briefsendung zur Post gegeben worden; wann
sie dem Betroffenen in der Justizvollzugsanstalt übergeben wurde, konnte
nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer kann die Mitteilung somit
frühestens am nächsten Tag, d.h. am 8. Dezember 1992 erhalten haben. Die
Frist von 30 Tagen für das Begehren um Wiedereinsetzung endete somit
am 7. Januar 1993. Das am 5. Januar 1993 der deutschen Post übergebene
und gemäss Eingangsstempel der Eidg. Finanzverwaltung am 7. Januar 1993
bei dieser eingetroffene Gesuch um Wiedereinsetzung - mit welchem der am
16. Dezember 1992 durch den Beschwerdeführer bevollmächtigte Rechtsanwalt
Z. vorsorglich die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand verlangte und
"gegen die Entscheidung das zulässige Rechtsmittel" einlegte - ist somit
fristgerecht gestellt worden.

Erwägung 8

    8.- Die Vorinstanz hätte nach dem Gesagten daher auf das durch
den Verteidiger des Beschwerdeführers von Deutschland aus gestellte
Wiedereinsetzungsbegehren eintreten und diesem stattgeben müssen. Die
Beschwerde ist daher gutzuheissen und der Entscheid des Eidg.
Finanzdepartements vom 10. Mai 1993 aufzuheben. Die Sache ist zur
Durchführung des ordentlichen Verfahrens im Sinne von Art. 103 Abs. 3
VStrR an die Vorinstanz zurückzuweisen.