Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 122 IV 33



122 IV 33

5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 9. Februar 1996
i.S. A. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern und X. GmbH
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 3 lit. a i.V.m. Art. 23 UWG; unlauterer Wettbewerb, Herabsetzung.

    Herabsetzend ist eine Äusserung dann, wenn sie den anderen,
seine Waren usw. verächtlich macht. Dafür genügt nicht jede negative
Aussage. Diese muss eine gewisse Schwere aufweisen (E. 2c). Herabsetzung
verneint bei einer unrichtigen Äusserung eines Anlageberaters, welche im
Gesamtzusammenhang von untergeordneter Bedeutung war (E. 2d).

Sachverhalt

    A.- A., Anlageberater bei der Bank Y., wurde von F., einem Mitarbeiter
der M. AG, mit der Ausarbeitung eines Anlagevorschlags für diese Firma
beauftragt. Er sollte sich dabei auch zu den X. Fonds äussern.

    Am 23. Februar 1993 unterbreitete A. dem F. schriftlich einen
detaillierten Anlagevorschlag. Das Schreiben umfasst zwei A4-Seiten. Am
Schluss des Schreibens führte A. aus:

    "Aktienanlagen sind stark abhängig von Ihrer Risikopräferenz und dürfen
   nur dann ins Auge gefasst werden, wenn deren Risiken dank einer
   längerfristigen Anlagepolitik durch den höheren erwarteten Ertrag
   aufgefangen werden können. Sofern das Bedürfnis besteht, jederzeit

    Liquidität zu schaffen (z.B. für eine Akquisition), rate ich Ihnen
davon
   ab, v.a. dann, wenn es sich nicht um liquide Fonds (X. in Can$) handelt.

    Die in der Beilage enthaltenen Kurzberichte über die X. Fonds geben
Ihnen
   einen Überblick der entsprechenden Anlagen. Abgesehen davon, dass
   für diese

    Fonds kaum bezahlte Preise zu eruieren sind, rate ich auch ab, in
   kanadischen Rohstoffaktien oder in nordamerikanischen Aktien zu
   investieren. Bei einer Diversifikation in den Aktienbereich, den wir
   bei einer langfristigen Anlagestrategie für sinnvoll erachten, ist auf
   erstklassige Titel mit entsprechenden Gewinnaussichten zu setzen. Die in

    Frage stehenden X.-Fonds sind dazu nicht geeignet! Interessant auch die
   horrenden Kosten, die mit dem Kauf und dem Halten solcher
   Fonds verbunden sind: 10% Ausgabekosten und monatlich 0,2%
   Verwaltungsvergütung. Einen

    Hinweis auf die Verbreitung und gleichzeitig ein Vorbehalt bezüglich

    Diversifikation innerhalb der Fonds geben auch die Fondsvermögen
(8,4 Mio

    Can$ und 9 Mio US$!!)."

    Mit Strafklage vom 9. September 1993 verlangte die X. GmbH die
Bestrafung von A. nach Art. 3 lit. a i.V.m. Art. 23 des Bundesgesetzes
gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG; SR 241).

    Am 27. Oktober 1994 stellte der Amtsstatthalter von Luzern-Stadt das
Verfahren gegen A. ein.

    Das Obergericht des Kantons Luzern, an welches die X. GmbH das
Verfahren weitergezogen hatte, sprach A. am 23. Mai 1995 in bezug auf
zwei Äusserungen vom Vorwurf des unlauteren Wettbewerbs frei. In bezug
auf eine dritte Äusserung erkannte es ihn dagegen schuldig und bestrafte
ihn mit Fr. 2'000.-- Busse.

    A. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das
Urteil des Obergerichts aufzuheben, soweit er nicht freigesprochen worden
sei, und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut

Auszug aus den Erwägungen:

                  aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) aa) Die erste der beiden Äusserungen, bei denen es
vorinstanzlich zu einem Freispruch kam, lautet:

    "Bei einer Diversifikation in den Aktienbereich, den wir bei einer
   langfristigen Anlagestrategie für sinnvoll erachten, ist auf
   erstklassige

    Titel mit entsprechenden Gewinnaussichten zu setzen. Die in Frage
stehenden

    X.-Fonds sind dazu nicht geeignet!"

    Die Vorinstanz kam zum Schluss, die Äusserung sei zwar herabsetzend,
jedoch weder unrichtig noch irreführend noch unnötig verletzend.

    Die zweite Äusserung, bei der ein Freispruch erfolgte, lautet:

    "Sofern das Bedürfnis besteht, jederzeit Liquidität zu schaffen
(z.B. für
   eine Akquisition), rate ich Ihnen davon ab, v.a. dann, wenn es sich
   nicht um liquide Fonds (X. in Can$) handelt."

    Die Vorinstanz erachtete diese Äusserung als nicht herabsetzend.
   bb) Der Schuldspruch bezog sich auf folgende Aussage:

    "Abgesehen davon, dass für diese Fonds kaum bezahlte Preise zu eruieren
   sind (...)."

    Die Vorinstanz führt aus, F. sei aufgrund dieser Äusserung zur
Auffassung gelangt, die X. Fondsanteile würden nicht regelmässig gehandelt
und die erzielten Preise seien kaum in Erfahrung zu bringen. Entscheidend
sei, wie F. die Bemerkung verstanden habe. Aufgrund der Zeugenaussage
des F. müsse die Äusserung als herabsetzend angesehen werden, denn sie
habe bei ihm eine negative Einwirkung auf das Bild der X. Fonds gehabt,
welche im Rahmen des Wettbewerbs relevant sei.

    Die Äusserung des Beschwerdeführers sei unrichtig gewesen. Die
Preise der X. Fonds würden bei Reuters und in verschiedenen Zeitungen
veröffentlicht. Der objektive Tatbestand der Herabsetzung nach Art. 3
lit. a UWG sei deshalb erfüllt.

    Auch der subjektive Tatbestand sei gegeben. Der Beschwerdeführer habe
gewusst, dass die Kurse täglich eruierbar gewesen seien.

    b) Der Beschwerdeführer wendet ein, das Tatbestandsmerkmal der
Herabsetzung sei nicht erfüllt. Art. 3 lit. a UWG beziehe sich auf
negative Äusserungen, die in ihrer Intensität wesentlich weiter gingen
als die Aussage, die bezahlten Preise seien kaum zu eruieren.

Erwägung 2

    2.- a) Gemäss Art. 3 lit. a UWG handelt unlauter, wer andere, ihre
Waren, Werke, Leistungen, deren Preise oder ihre Geschäftsverhältnisse
durch unrichtige, irreführende oder unnötig verletzende Äusserungen
herabsetzt. Wer vorsätzlich unlauteren Wettbewerb nach dieser Bestimmung
begeht, wird auf Antrag mit Gefängnis oder Busse bis zu Fr. 100'000.--
bestraft (Art. 23 UWG).

    b) Im Schrifttum wird darauf hingewiesen, dass die detaillierten
Tatbestände von Art. 3 bis 6 UWG entwickelt worden sind im Hinblick auf
den zivilrechtlichen Rechtsschutz. Es sei fraglich, ob der gesetzliche
Automatismus, wonach jede vorsätzliche Verletzung aller dieser detailliert
umschriebenen Verhaltensweisen strafbar ist, gerechtfertigt sei (MARTIN
SCHUBARTH, Grundfragen des Medienstrafrechts im Lichte der neueren
bundesgerichtlichen Rechtsprechung, ZStrR 113/1995, S. 154). Es wird die
Auffassung vertreten, die strafrechtlichen UWG-Normen widersprächen dem
Legalitätsprinzip. Strafnormen dürften nicht derart unbestimmt sein. Im
UWG seien typische Zivilrechtsnormen in Strafrechtsnormen gekleidet,
was eine Systemwidrigkeit darstelle. Diese Bestimmungen seien deshalb
bei der strafrechtlichen Beurteilung restriktiv auszulegen (FRANZ RIKLIN,
Schweizerisches Presserecht, Bern 1996, § 10 N. 24 und 28; vgl. auch MARIO
M. PEDRAZZINI, Unlauterer Wettbewerb, Bern 1992, S. 238; IVAN CHERPILLOD,
Anwendung des UWG auf Journalisten, plädoyer 1992 Nr. 4, S. 40; SCHUBARTH
aaO; RICHARD BAUR, UWG und Wirtschaftsberichterstattung-Vorschläge
zur Reduktion des Haftungsrisikos, Diss. Zürich 1995, S. 169). In der
kantonalen Rechtsprechung wird ebenfalls eine restriktive Auslegung
befürwortet (SJZ 90/1994, S. 183 [Bezirksgericht Zürich]).

    c) Art. 3 lit. a UWG umschreibt den Tatbestand der Herabsetzung
oder der sog. Anschwärzung (Botschaft zu einem Bundesgesetz gegen
den unlauteren Wettbewerb vom 18. Mai 1983, BBl 1983 II, S. 1061,
Hervorhebung nicht im Original). Entsprechend wird in den romanischen
Gesetzestexten für "herabsetzen" der Ausdruck "dénigrer" bzw. "denigrare"
verwendet. "Dénigrer" bedeutet: S'efforcer de noircir, de faire mépriser
(qqn., qqch.) en attaquant, en niant les qualités (Le Nouveau Petit Robert,
1993, S. 589). Herabsetzend ist eine Äusserung somit dann, wenn sie den
anderen, seine Waren usw. anschwärzt, also verächtlich macht. Dafür
genügt nicht jede negative Aussage. Diese muss eine gewisse Schwere
aufweisen. Verächtlich macht z.B. ein Erzeugnis, wer es als wertlos,
seinen Preis nicht wert, unbrauchbar, fehler- oder schadhaft hinstellt. Es
besteht eine gewisse Analogie zur Ehrverletzung. Bei dieser wird ein
Mensch herabgesetzt, dort seine Waren, Werke usw.

    d) Der Beschwerdeführer führte in seinem Schreiben unter anderem aus,
für die X. Fonds seien kaum bezahlte Preise zu eruieren. Diese Aussage
war nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen
Urteil (Art. 277bis Abs. 1 BStP) unrichtig. Es stellt sich die Frage,
ob sie im dargelegten Sinne herabsetzend war.

    Die Äusserung darf nicht für sich allein betrachtet werden. Sie
ist im Lichte des ganzen Schreibens zu würdigen. Der Beschwerdeführer
unterbreitete darin der M. AG einen detaillierten Anlagevorschlag. Am
Schluss machte er einige Hinweise zu den X. Fonds. Er kam zum Ergebnis,
dass eine Anlage in diese Fonds für die M. AG ungeeignet sei. Dies war
sachlich zutreffend. Die Vorinstanz geht davon aus, dass die Äusserung
"Bei einer Diversifikation in den Aktienbereich ... ist auf erstklassige
Titel mit entsprechenden Gewinnaussichten zu setzen. Die in Frage stehenden
X.-Fonds sind dazu nicht geeignet!" weder unrichtig noch irreführend noch
unnötig verletzend war. Betrachtet man die Passage über die X. Fonds
im Schreiben des Beschwerdeführers als Ganzes, so wird deutlich, dass
eine Anlage in diese Fonds der M. AG unabhängig von der Eruierbarkeit
der Preise nicht empfohlen werden konnte. Die Aussage zur Eruierbarkeit
der Preise war somit von untergeordneter Bedeutung. Im übrigen war sie
abgeschwächt formuliert ("kaum zu eruieren"). Bei dieser Sachlage kann von
einer Herabsetzung im Sinne von Art. 3 lit. a UWG nicht gesprochen werden.

Erwägung 3

    3.- (Kostenfolgen).