Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 122 IV 299



122 IV 299

46. Urteil des Kassationshofes vom 26. September 1996 i.S. W. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 63 StGB; Strafzumessung, Bedeutung des Reinheitsgrades von Drogen.

    Der Reinheitsgrad von Betäubungsmitteln kann für das Verschulden
von Bedeutung sein. Handelt der Täter wissentlich mit ausgesprochen
reinen Drogen, ist das Verschulden schwerer, handelt er wissentlich mit
besonders stark gestreckten Drogen, ist es leichter (E. 2c; Klarstellung
der Rechtsprechung).

    Art. 59 Ziff. 2 Abs. 2 StGB, Art. 58 Abs. 4 aStGB; ganzes oder
teilweises Absehen von einer Ersatzforderung.

    Nach dem neuen Einziehungsrecht ist entsprechend der Praxis zum
alten Recht zu prüfen, ob sich eine Herabsetzung oder ein Verzicht auf
die Ersatzforderung rechtfertigt, weil sie die soziale Integration des
Täters gefährden würde (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Am 7. Februar 1996 verurteilte das Obergericht des Kantons
Solothurn W. zweitinstanzlich wegen qualifizierter Widerhandlung
gegen das Betäubungsmittelgesetz, mehrfacher Übertretung des
Betäubungsmittelgesetzes, Gewalt und Drohung gegen Beamte sowie
Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der
Ausländer zu 5 1/2 Jahren Zuchthaus und zu 12 Jahren Landesverweisung. Es
verpflichtete W., dem Staat Solothurn einen beim Drogenhandel unrechtmässig
erworbenen Vermögensvorteil von Fr. 200'000.-- zu bezahlen, abzüglich
zwei sichergestellte Beträge von Fr. 1'770.-- und Fr. 1'700.--.

    W. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen,
ihn milder zu bestrafen und auf eine Ersatzforderung zu verzichten.

    Das Obergericht beantragt unter Verzicht auf Gegenbemerkungen Abweisung
der Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft hat auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde, soweit es darauf eintritt,
in Anwendung von Art. 277 BStP teilweise gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- (Eintreten).

Erwägung 2

    2.- a) Der Richter misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters
zu; er berücksichtigt die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen
Verhältnisse des Schuldigen (Art. 63 StGB). Dem Sachrichter steht bei der
Gewichtung der im Rahmen der Strafzumessung zu beachtenden Komponenten ein
erheblicher Spielraum des Ermessens zu. Das Bundesgericht greift in diesen
auf Nichtigkeitsbeschwerde hin, mit der ausschliesslich eine Verletzung von
Bundesrecht geltend gemacht werden kann (Art. 269 BStP), nur ein, wenn der
kantonale Richter den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten
hat, wenn er von rechtlich nicht massgebenden Gesichtspunkten ausgegangen
ist oder wenn er wesentliche Gesichtspunkte ausser acht gelassen bzw. in
Überschreitung oder Missbrauch seines Ermessens falsch gewichtet hat
(vgl. BGE 121 IV 193 E. 2a mit Hinweisen).

    b) Nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz
(Art. 277bis Abs. 1 BStP) hat der Beschwerdeführer mit 731 Gramm reinem
Kokain und 592 Gramm reinem Heroin Handel getrieben bzw. einen Teil davon
unberechtigt besessen. Die Vorinstanz führt aus, zwar werde die grosse
Menge schon durch die Qualifizierung als schwerer Fall nach Art. 19
Ziff. 2 lit. a BetmG (SR 812.121) erfasst und mit der entsprechenden
Strafdrohung versehen. Anderseits habe der Beschwerdeführer den von
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung für den schweren Fall gesetzten
Grenzwert von 12 Gramm reinem Heroin und 18 Gramm reinem Kokain um ein
Vielfaches überschritten. Obwohl der Drogenmenge bei der Strafzumessung
keine vorrangige Bedeutung zukomme, dürfe und müsse der Richter im Rahmen
von Art. 63 StGB eine erhebliche Überschreitung des Grenzwertes innerhalb
des qualifizierten Strafrahmens straferhöhend berücksichtigen. Da Drogen
praktisch nie rein gehandelt würden, sei dabei davon auszugehen, dass
sich der Vorsatz des Beschwerdeführers auf die Gesamtmenge der von ihm in
Umlauf gebrachten bzw. besessenen Drogen, also auf eine Menge von 1'828
Gramm Kokain und 1'793 Gramm Heroin, erstreckt habe. Der Reinheitsgrad
spiele bei der Strafzumessung keine Rolle, da hiefür die Grösse des
Verschuldens massgebend sei. Der Beschwerdeführer habe mit den genannten
Mengen die Gesundheit vieler Menschen in hohem Mass aufs Spiel gesetzt. Er
habe die Drogen in einem Zeitraum von lediglich sieben Wochen umgesetzt
und sei dabei äusserst kaltblütig und skrupellos vorgegangen. Er sei
selber nicht drogenabhängig. Trotz 10jähriger Einreisesperre sei er
in die Schweiz eingereist, um hier mit Drogenhandel das grosse Geld zu
machen. Straferhöhend sei die einschlägige Vorstrafe aus dem Jahr 1992 (21
Tage Gefängnis bedingt) zu berücksichtigen. Die brutale Verhaltensweise
des Beschwerdeführers zeige sich auch im vorzeitigen Strafvollzug. Zu
seinen Gunsten seien demgegenüber seine guten Arbeitsleistungen in der
Strafanstalt zu gewichten. Der Beschwerdeführer habe im vorinstanzlichen
Verfahren erstmals zugegeben, mit Drogen gehandelt zu haben. Das lasse
auf Einsicht schliessen, was strafmindernd zu berücksichtigen sei. Ebenso
spreche die gezeigte Reue zugunsten des Beschwerdeführers. Die Vorinstanz
erachtet das Verschulden als ausserordentlich schwer. In Berücksichtigung
aller Umstände sei eine Zuchthausstrafe von 5 1/2 Jahren angemessen.

    c) Diese Erwägungen sind jedenfalls im Ergebnis bundesrechtlich nicht
zu beanstanden. Die Vorinstanz hat ihr Ermessen nicht überschritten
und keine unhaltbar harte Strafe ausgesprochen. Zwar ist die Aussage,
der Reinheitsgrad spiele bei der Strafzumessung keine Rolle, in dieser
allgemeinen Form nicht zutreffend. Wie in BGE 121 IV 193 ausgeführt wurde,
spielt der genaue Reinheitsgrad für die Gewichtung des Verschuldens
und bei der Strafzumessung dann keine Rolle, wenn nicht feststeht,
dass der Beschuldigte ein ausgesprochen reines oder ein besonders stark
gestrecktes Betäubungsmittel liefern wollte (S. 196 unten). Sonst aber
kann der Reinheitsgrad für das Verschulden von Bedeutung sein. Handelt
der Täter wissentlich mit ausgesprochen reinen Drogen, ist das Verschulden
schwerer, handelt er wissentlich mit besonders stark gestreckten Drogen,
ist es leichter.

    Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich nicht, dass der
Beschwerdeführer mit besonders reinem oder stark gestrecktem Stoff
gehandelt hätte. Der Reinheitsgrad ist im hier zu beurteilenden Fall für
die Strafzumessung deshalb belanglos; die Vorinstanz hat im Ergebnis kein
Bundesrecht verletzt.

Erwägung 3

    3.- Nach den Darlegungen der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer
mit dem Drogenhandel einen Gewinn von insgesamt Fr. 210'000.--
erwirtschaftet. Da der Beschwerdeführer keine finanziellen Verpflichtungen
habe, sei eine Ersatzforderung von Fr. 200'000.-- angemessen.

    a) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, der errechnete
Gewinn von Fr. 210'000.-- beruhe lediglich auf einer hypothetischen
Hochrechnung, ist er nicht zu hören. Damit stellt er die tatsächlichen
Feststellungen im angefochtenen Entscheid in Frage. Das ist im Verfahren
der Nichtigkeitsbeschwerde unzulässig (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP).

    b) Der Beschwerdeführer bringt vor, er sei von Beruf Kellner und
habe kein Vermögen. Wegen der Landesverweisung dürfe er in der Schweiz
nicht mehr arbeiten. Zudem habe er eine längere Freiheitsstrafe zu
verbüssen. Deshalb sei Art. 59 Ziff. 2 Abs. 2 StGB verletzt.

    Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr
vorhanden, so erkennt der Richter auf eine Ersatzforderung des Staates in
gleicher Höhe (Art. 59 Ziff. 2 Abs. 1 StGB). Der Richter kann von einer
Ersatzforderung ganz oder teilweise absehen, wenn diese voraussichtlich
uneinbringlich wäre oder die Wiedereingliederung des Betroffenen ernstlich
behindern würde (Art. 59 Ziff. 2 Abs. 2 StGB). Diese Möglichkeit des
ganzen oder teilweisen Absehens von einer Ersatzforderung entspricht
der bundesgerichtlichen Praxis zum früheren Recht (Art. 58 Abs. 4 aStGB;
vgl. Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und
des Militärstrafgesetzes vom 30. Juni 1993, BBl 1993 III S. 312). Danach
ist zu prüfen, ob sich eine Herabsetzung oder sogar ein Verzicht auf
die Ersatzforderung rechtfertigt, weil sie die soziale Integration des
Täters gefährden würde; diese Prüfung setzt eine umfassende Beurteilung
der finanziellen Lage des Betroffenen voraus (BGE 119 IV 17 E. 3).

    Auf diesen Gesichtspunkt geht die Vorinstanz nicht ein. Das
angefochtene Urteil ist insoweit deshalb in Anwendung von Art. 277 BStP
aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägung 4

    4.- (Kostenfolgen).