Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 122 IV 279



122 IV 279

42. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 26. September 1996 i.S.
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen C. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 159 Abs. 1 aStGB; Art. 71 Abs. 1 BVG; Art. 50, Art. 57 Abs. 2
und 4, Art. 59 Abs. 1 und 3 BVV 2; ungetreue Geschäftsführung zum Nachteil
einer Personalvorsorgestiftung, Gewährung erheblich gefährdeter Darlehen
an den Arbeitgeber; Vermögensschaden, Vorsatz.

    Eine Vermögensgefährdung stellt einen Vermögensschaden dar, wenn der
Gefährdung im Rahmen einer sorgfältigen Bilanzierung durch Wertberichtigung
oder Rückstellung Rechnung getragen werden muss (E. 2a). Wer als
Vorsitzender einer Personalvorsorgestiftung Arbeitgeberfirmen erheblich
gefährdete Darlehen gewährt, schädigt damit die Stiftung am Vermögen
(E. 2c). Weiss er um diese Gefährdung oder nimmt er sie zumindest in Kauf,
ist er wegen ungetreuer Geschäftsführung strafbar (E. 2d). Ansprüche
der Vorsorgeeinrichtung gegenüber dem Arbeitgeber sind zu marktüblichen
Ansätzen zu verzinsen (E. 2e).

Sachverhalt

    A.- C. beherrschte eine Gruppe von Firmen, mit deren Aufbau er im
Jahr 1979 begonnen hatte. Er war zugleich Vorsitzender des Stiftungsrates
von zwei Personalvorsorgestiftungen, welche für die Mitarbeiter der
Firmen eingerichtet worden waren. Im März 1991 fiel die Firmengruppe
in Konkurs. Die beiden Stiftungen, die den Firmen Darlehen gewährt
hatten, gingen im Konkurs leer aus und erlitten einen Verlust von
Fr. 1'148'200.--. C. wurde vorgeworfen, als Präsident des Stiftungsrates
zwischen anfangs 1989 und März 1991 einzelnen seiner Firmen in Missachtung
der gesetzlichen Vorschriften ungesicherte Darlehen von erheblich mehr
als 20 Prozent des Stiftungsvermögens gewährt zu haben.

    Am 7. Februar 1995 verurteilte ihn das Bezirksgericht Zürich wegen
ungetreuer Geschäftsführung zu 7 Monaten und 10 Tagen Gefängnis als
Zusatzstrafe zu einem Urteil des Appellationsgerichtes Basel-Stadt. Es
schob den Vollzug der Strafe auf bei einer Probezeit von 2 Jahren.

    Auf Berufung hin sprach ihn das Obergericht des Kantons Zürich am
17. Oktober 1995 frei.

    Die Staatsanwaltschaft führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde
mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur
neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Das Bezirksgericht nahm an, anwendbar sei hier der Tatbestand
der ungetreuen Geschäftsführung nach Art. 159 Abs. 1 aStGB. Es bejahte
die Geschäftsführereigenschaft des Beschwerdegegners. Ungesicherte
Anlagen beim Arbeitgeber dürften 20 Prozent des Vermögens der
Vorsorgeeinrichtung nicht übersteigen und seien nur dann zulässig, wenn
sie den Sicherheitsanforderungen genügten. Im zu beurteilenden Fall sei
der Grenzwert von 20 Prozent unter allen Umständen erheblich überschritten
worden. Der Beschwerdegegner habe dies gewusst. Er habe einen Schaden der
Vorsorgeeinrichtungen in Kauf genommen. Die Darlehen seien angesichts der
schlechten finanziellen Lage der Firmengruppe von vornherein mit einem
erheblichen Risiko belastet gewesen.

    Die Vorinstanz erachtet den objektiven Tatbestand ebenfalls
als gegeben. Sie verneint dagegen den Vorsatz. Entscheidend sei,
ob der Beschwerdegegner ernsthaft mit dem Konkurs der Firmengruppe
gerechnet habe. Dies könne ihm nicht nachgewiesen werden. Deshalb sei
er freizusprechen.
   b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Freispruch verletze
   Bundesrecht.

Erwägung 2

    2.- a) Gemäss Art. 159 Abs. 1 aStGB wird wegen ungetreuer
Geschäftsführung bestraft, wer jemanden am Vermögen schädigt, für
das er infolge einer gesetzlichen oder einer vertraglich übernommenen
Pflicht sorgen soll. Der am 1. Januar 1995 in Kraft getretene Tatbestand
der ungetreuen Geschäftsbesorgung nach Art. 158 Ziff. 1 nStGB ist nicht
milder. Die kantonalen Behörden sind deshalb zu Recht von der Anwendbarkeit
von Art. 159 aStGB ausgegangen (Art. 2 Abs. 2 StGB).

    Bei der ungetreuen Geschäftsführung handelt es sich um ein
Verletzungs-, nicht um ein Gefährdungsdelikt. Der Tatbestand setzt einen
Vermögensschaden voraus. Dieser ist gegeben bei tatsächlicher Schädigung
durch Verminderung der Aktiven, Vermehrung der Passiven, Nichtverminderung
der Passiven oder Nichtvermehrung der Aktiven sowie dann, wenn das Vermögen
in einem Masse gefährdet wird, dass es in seinem wirtschaftlichen Wert
vermindert ist (BGE 121 IV 104 E. 2c mit Hinweisen). Unter wirtschaftlichen
Gesichtspunkten vermindert ist das Vermögen, wenn der Gefährdung im Rahmen
einer sorgfältigen Bilanzierung durch Wertberichtigung oder Rückstellung
Rechnung getragen werden muss (MARTIN SCHUBARTH, Vermögensschaden
durch Vermögensgefährdung, Festschrift für Jean Gauthier, Bern 1996,
S. 79). Vergibt ein Geschäftsführer klar ungenügend gesicherte Kredite,
so steht nicht fest, ob daraus tatsächlich ein Schaden resultieren
wird. Trotzdem wird das betreffende Darlehen in der Bilanz nicht mehr
zum Nennwert eingesetzt (vgl. Art. 669 Abs. 1 OR), sondern der Betrag
wird teilweise abgeschrieben. In diesem Sinne bedeutet die erhebliche
Unsicherheit betreffend die Einbringlichkeit des gewährten Darlehens nicht
nur eine Gefährdung des Vermögens in der Höhe des Darlehensbetrages,
sondern gleichzeitig auch einen Schaden in der Höhe eines Teilbetrages
desselben (ANDREAS DONATSCH, Aspekte der ungetreuen Geschäftsbesorgung
nach Art. 158 StGB, ZStrR 114/1996, S. 217 mit Hinweisen).

    Der Tatbestand der ungetreuen Geschäftsführung setzt Vorsatz voraus.
Eventualvorsatz genügt. Dieser ist gegeben, wenn der Täter mit dem Schaden
rechnet, aber gleichwohl handelt, weil er sich damit abfindet für den Fall,
dass er eintreten sollte (BGE 120 IV 190 E. 2b mit Hinweisen).

    b) Gemäss Art. 71 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die berufliche
Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; SR 831.40) verwalten
die Vorsorgeeinrichtungen ihr Vermögen so, dass Sicherheit und genügender
Ertrag der Anlagen, eine angemessene Verteilung der Risiken sowie die
Deckung des voraussehbaren Bedarfes an flüssigen Mitteln gewährleistet
sind. Nach Art. 50 der Verordnung über die berufliche Alters-,
Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2; SR 831.441.1) steht bei
der Anlage des Vermögens einer Vorsorgeeinrichtung die Sicherheit im
Vordergrund (Abs. 1). Die Vorsorgeeinrichtung muss ihre Vermögensanlagen
sorgfältig auswählen (Abs. 2). Sie muss ihre Mittel auf die verschiedenen
Anlagekategorien, auf bonitätsmässig einwandfreie Schuldner sowie auf
verschiedene Regionen und Wirtschaftszweige verteilen (Abs. 3). Nach
Art. 57 Abs. 2 BVV 2 dürfen ungesicherte Anlagen beim Arbeitgeber
20 Prozent des Vermögens der Vorsorgeeinrichtung nicht übersteigen.
Solche Anlagen sind aber auch in diesem Rahmen nur dann zulässig, wenn
sie den allgemeinen Sicherheitsanforderungen genügen (HANS MICHAEL RIEMER,
Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, Bern 1985, S. 79). Der
Stiftungsrat ist dafür verantwortlich, dass ein Darlehensvertrag mit
der Arbeitgeberfirma rechtzeitig gekündigt wird, wenn die Sicherheit
des Darlehens nicht mehr gegeben ist (TSCHUDIN/UMBRICHT-MAURER, Das neue
Pensionskassengesetz, Teil 6, Kapitel 2.5, S. 4/5). Gemäss Art. 59 BVV 2
darf die Vorsorgeeinrichtung im Einzelfall von Art. 57 nur abweichen,
wenn besondere Verhältnisse dies rechtfertigen und die Erfüllung
des Vorsorgezweckes nicht gefährdet ist (Abs. 1). Übersteigen die
ungesicherten Anlagen beim Arbeitgeber die Grenze nach Art. 57 Abs. 2,
so muss die Vorsorgeeinrichtung dem Bericht an die Aufsichtsbehörde einen
Bonitätsausweis beilegen (Abs. 3).

    Die BVV 2 gilt für die registrierten, d.h. der Durchführung des
Obligatoriums dienenden Vorsorgeeinrichtungen. Für die nicht registrierten
Personalvorsorgestiftungen, wozu eine der beiden Stiftungen hier gehört,
können die Kantone weiterhin Vorschriften erlassen. Nach einem Entscheid
des Amts für berufliche Vorsorge des Kantons Zürich gelten für nicht
registrierte Personalvorsorgestiftungen grundsätzlich ebenfalls die
Anlagevorschriften der BVV 2.

    c) Nach den Darlegungen des Bezirksgerichts verfügten die vom
Beschwerdegegner gegründeten Firmen nur über ein geringes Eigenkapital. Das
Fremdkapital bestand hauptsächlich aus Bankkrediten. Der Beschwerdegegner
musste um diese Kredite nach eigenen Angaben immer kämpfen, konnte also
nicht fest damit rechnen. Die Kredite waren zudem kündbar. Ursache für
den Konkurs war denn auch die Kreditkündigung durch die Hausbank Ende
Januar 1991. Bereits im Jahr 1990 traten finanzielle Schwierigkeiten
in der Firmengruppe auf. Ein enger Mitarbeiter des Beschwerdegegners
verfasste im Mai 1990 einen Bericht, in dem er die finanzielle Lage
als sehr angespannt bezeichnete. Er schlug eine Wende um 180 Grad, eine
Reduktion der ständigen Aufwendungen und die Stillegung einiger Firmen
vor, damit die Gruppe überhaupt überleben könne. Dass sich die Firmen
in finanziellen Schwierigkeiten befanden, geht auch aus dem Verhalten
des Beschwerdegegners hervor. Nachdem er von den Banken aufgefordert
worden war, "wieder einmal etwas Eigenes dazuzugeben", veranlasste er im
Sommer 1990 seine Lebenspartnerin, eine Liegenschaft zu verkaufen und den
Erlös von 1 Million DM in die Firmengruppe - nicht in die Stiftungen -
einzubringen. Wären die Firmen finanziell gesund dagestanden, wäre das
nicht nötig gewesen. Ausserdem verfasste der Beschwerdegegner im Oktober
1990 ein Papier, in welchem er seine Mitarbeiter darauf hinwies, dass die
wirtschaftliche und finanzielle Situation die Unternehmensgruppe zwinge,
eine Konsolidierungsphase (Optimierung der Gewinne und Verbesserung der
Finanzstruktur) einzuleiten. Im weiteren suchte er vor dem Zusammenbruch
der Firmengruppe erfolglos nach einem Geldgeber. Schliesslich überwies
er 1990 auf den Jahresabschluss hin erhebliche Beträge von den Firmen-
auf die Stiftungskonten, stellte die Beträge den Firmen im Januar 1991
aber sogleich wieder zur Verfügung (sog. "window dressing"). Zu einer
tatsächlichen Rückzahlung der Darlehen waren die Firmen offensichtlich
nicht in der Lage.

    Aufgrund dieser Tatsachen, die von der Vorinstanz als solche
nicht in Frage gestellt werden, nimmt das Bezirksgericht zu Recht an,
dass die von den Stiftungen gewährten Darlehen von vornherein erheblich
gefährdet waren. Damit ist im Lichte der angeführten Rechtsprechung ein
Vermögensschaden zu bejahen, und zwar unabhängig von der Nichtbeachtung
der Grenze von 20 Prozent. Die Stiftungen waren also nicht erst aufgrund
des Konkurses der Firmengruppe geschädigt, sondern bereits aufgrund der
Gewährung der in hohem Masse gefährdeten Darlehen.

    d) Entsprechend stellt sich die Vorsatzfrage unter einem anderen
Blickwinkel. Der Beschwerdegegner kann nicht freigesprochen werden mit
der Begründung, es fehle am Nachweis, dass er ernsthaft mit dem Konkurs
der Firmengruppe gerechnet habe. Entscheidend ist, ob er um die erhebliche
Gefährdung der Darlehen gewusst oder diese mindestens in Kauf genommen hat.
Dazu trifft die Vorinstanz keine klaren Feststellungen. Das angefochtene
Urteil wird deshalb aufgehoben und die Sache zur neuen Prüfung der
Vorsatzfrage an die Vorinstanz zurückgewiesen.

    e) Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz hätte in jedem
Fall die Frage der marktüblichen Verzinsung prüfen und gegebenenfalls
einen Schaden mangels einer solchen Verzinsung annehmen müssen. Das
angefochtene Urteil enthalte dazu keine tatsächlichen Feststellungen,
weshalb es insoweit aufzuheben sei (Art. 277 BStP).

    Der Einwand ist begründet, falls der Vorwurf der mangelnden Verzinsung
Gegenstand der Anklage bildet. Dazu wird die Vorinstanz zunächst Stellung
nehmen. Der Sache nach ist zu verweisen auf Art. 57 Abs. 4 BVV 2. Danach
sind die Ansprüche der Vorsorgeeinrichtung gegenüber dem Arbeitgeber zu
marktüblichen Ansätzen zu verzinsen.

Erwägung 3

    3.- (Kostenfolgen).