Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 122 IV 185



122 IV 185

27. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 13. Juni 1996 i.S. A. gegen
Schweizerische Bundesanwaltschaft Regeste

    Art. 91 ff., 99, 105bis Abs. 2, Art. 214 Abs. 1 BStP.  Ernennung von
Sachverständigen.

    Beim Beizug von buchhalterischen Sachverständigen durch die
Bundesanwaltschaft zur Sichtung und Auswertung umfangreicher Akten im
gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren handelt es sich nicht um
die Bestellung gerichtlicher Sachverständiger nach Art. 91 ff. BStP
(E. 3). Dagegen ist weder die Beschwerde an die Anklagekammer gemäss
Art. 105bis Abs. 2 noch jene gemäss Art. 214 ff. BStP zulässig. Ob
letztere ausnahmsweise zur Verfügung steht, wenn die gerichtliche
Polizei unaufschiebbare Untersuchungshandlungen vornimmt (Art. 102 BStP),
offengelassen (E. 2).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Die angefochtene Verfügung verweist in der Rechtsmittelbelehrung
auf die Möglichkeit der Beschwerde an die Anklagekammer des
Bundesgerichts gemäss Art. 214 ff. BStP. Die Bundesanwaltschaft führt zur
Begründung an, die Ernennung von Sachverständigen sei in der Regel dem
Untersuchungsrichter vorbehalten und unterliege als solche der Beschwerde
gemäss Art. 214 ff. BStP an die Anklagekammer des Bundesgerichts, weshalb
davon auszugehen sei, dass auch gegen die Ernennung von Sachverständigen
durch die Bundesanwaltschaft dieses Rechtsmittel zulässig sei.

    b) Gemäss Art. 214 Abs. 1 BStP kann nur gegen Amtshandlungen und wegen
Säumnis des Untersuchungsrichters Beschwerde bei der Anklagekammer des
Bundesgerichts geführt werden; diese Beschwerdemöglichkeit steht gegen
Amtshandlungen des Bundesanwalts grundsätzlich nicht zur Verfügung. Wie
es sich in jenem Fall verhält, wo im gerichtspolizeilichen
Ermittlungsverfahren dem Untersuchungsrichter vorbehaltene
Untersuchungshandlungen, die keinen Aufschub ertragen, nach Art. 102
2. Satz BStP - ausnahmsweise - von der gerichtlichen Polizei vorgenommen
werden, kann offenbleiben, da es sich hier, wie noch zu zeigen sein wird
(E. 3), nicht um einen solchen Fall handelt. Die Bundesanwaltschaft
untersteht auch nicht der Aufsicht der Anklagekammer, sondern jener
des Bundesrates (Art. 14 Abs. 1 BStP). Infolgedessen unterliegen deren
Amtshandlungen grundsätzlich der Aufsichtsbeschwerde an das Eidg. Justiz-
und Polizeidepartement oder den Bundesrat (vgl. BGE 120 IV 342 E. 1b mit
Hinweisen). Im übrigen unterliegen Amtshandlungen des Bundesanwaltes nur
in gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmefällen der richterlichen
Überprüfung, so bei der Ablehnung von Haftentlassungsgesuchen (Art. 52
Abs. 2 BStP), der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Art. 66bis
BStP) und der Durchsuchung von Papieren (Art. 69 Abs. 3 BStP). Seit
der im Zusammenhang mit dem Datenschutzgesetz erfolgten Teilrevision
des Bundesstrafprozesses vom 19. Juni 1992 kann auch gegen die übrigen
durch den Bundesanwalt angeordneten oder bestätigten Zwangsmassnahmen und
damit zusammenhängende Amtshandlungen Beschwerde bei der Anklagekammer des
Bundesgerichts geführt werden (Art. 105bis Abs. 2 BStP; BBl 1990 III 1226,
1235; vgl. dazu BGE 120 IV 260 E. 3).

    Da es sich beim angefochtenen Entscheid weder um eine
untersuchungsrichterliche Amtshandlung noch um eine Zwangsmassnahme
bzw. eine mit dieser zusammenhängende Amtshandlung handelt, steht weder
die Beschwerde nach Art. 214 ff. BStP noch jene nach Art. 105bis Abs. 2
BStP zur Verfügung.

Erwägung 3

    3.- a) Bei den von der Bundesanwaltschaft bestellten Sachverständigen
handelt es sich entgegen den Ausführungen im angefochtenen Entscheid
nicht um gerichtliche Sachverständige im Sinne von Art. 91 ff. BStP,
deren Bestellung dem Richter vorbehalten ist (Art. 92 Abs. 1 BStP; vgl.
STÄMPFLI, Die Reform der Voruntersuchung, insbesondere nach dem bernischen
und eidgenössischen Strafprozessentwurf, in: ZBJV 1927, S. 62). Wenn die
Bundesanwaltschaft im gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren wie
hier zahlreiche Akten zu sichten hat, deren Auswertung - im Hinblick
auf die Frage, ob die gerichtspolizeilichen Ermittlungen einzustellen
oder eine Voruntersuchung zu beantragen sei - buchhalterische bzw.
finanzwissenschaftliche Spezialkenntnisse und damit den Beizug von
Büchersachverständigen voraussetzt, so kann sie entweder im Rahmen der
Amtshilfe (Art. 27 BStP schliesst diese ein) an eine andere Bundesbehörde
gelangen mit dem Ersuchen, ihr diese spezialisierten Beamten für die
Klärung des Sachverhaltes zur Verfügung zu stellen, oder im Rahmen von
Art. 101bis BStP ausnahmsweise auch ausserhalb der Bundesverwaltung
stehende Sachverständige als Hilfspersonen der gerichtlichen Polizei
beiziehen. Dass die beigezogenen Büchersachverständigen im Rahmen ihrer
Mitarbeit durch die Bundesanwaltschaft auch angewiesen werden können,
über ihre Feststellungen einen schriftlichen Bericht bzw. ein Gutachten
zu erstellen, bedarf keiner weiteren Ausführungen.

    Die Rüge der Beschwerdeführer, die Bundesanwältin sei zur Ernennung
von gerichtlichen Sachverständigen nicht zuständig, geht daher an der
Sache vorbei.

    b) Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, gegen die drei
Inspektoren der Steuerverwaltung als Sachverständige bestünden
Ausstandsgründe, ist auf die entsprechenden Begehren nicht einzutreten,
da die betreffenden Beamten keine gerichtlichen Sachverständigen im Sinne
der Art. 91 ff. BStP sind, und die Ausschliessungs- und Ablehnungsgründe
im Sinne von Art. 99 Abs. 2 BStP in Verbindung mit Art. 22 ff. OG nur
für diese gelten.

    c) Nicht einzutreten ist nach dem oben Ausgeführten auch auf das
Subeventualbegehren des Beschwerdeführers C., mit welchem die Streichung
von Rechtsfragen, die den Sachverständigen gestellt werden, verlangt wird.