Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 122 IV 103



122 IV 103

17. Auszug aus dem Urteil des Bundesstrafgerichts vom 1. Februar 1996 i.S.
Schweizerische Bundesanwaltschaft gegen F., G., M. und P. Regeste

    Widerhandlungen gegen das Kriegsmaterialgesetz; Lieferungen der Firma
Von Roll an den Irak.

    1. Verfahren.

    a) Art. 125 ff. und 154 Abs. 1 BStP; vorfrageweise Überprüfung der
Anklagezulassung? (E. I/1).
   b) Art. 85 Abs. 4, 162 und 181 BStP; Grundsätze für das Protokoll
   (E. I/3).

    c) Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Verletzung des Beschleunigungsgebotes durch
systembedingte Mängel (E. I/4).

    d) Art. 160 und 164 Abs. 2 BStP; Berücksichtigung von Zeugenaussagen,
die vor der Hauptverhandlung gemacht wurden (E. I/6).

    2. Widerhandlungen gegen das KMG.
   a) Art. 1 KMG, Art. 1 Abs. 2 VKM; Kriegsmaterial (E. III).  b)
   Art. 19 Abs. 2 KMG; fahrlässige Tat (E. IV/2).  c) Art. 19 Abs. 1 KMG;
   vorsätzliche Tat (E. IV/3).  d) Art. 19 KMG.

    Ein Unternehmen, das in der Stahlproduktion tätig ist und Bestandteile
für Kriegsmaterial herstellt, ist verpflichtet, Sicherheitsvorkehren zu
treffen, die nach Möglichkeit von vornherein Widerhandlungen gegen das
KMG im Betrieb ausschliessen (E. VI/2 a/bb).

    Delegation (E. VI/2 a/dd).

    Pflichten des Konzernchefs (E. VI/2 c).

    Kausalität der Pflichtverletzung (E. VI/2 d).
   e) Art. 63 StGB; Strafzumessung (E. VII).  f) Art. 20 KMG; Einziehung
   (E. VIII).

Sachverhalt

    A.- a) Der kanadische Ballistikexperte Dr. Gerald V. Bull
experimentierte während Jahren mit grosskalibrigen Geschützen, obwohl
die Raketentechnologie zunehmend an Bedeutung gewann. Seine ehrgeizigen
Projekte scheiterten im Laufe der Zeit am ersterbenden Interesse der
Auftraggeber (vgl. z.B. G.V. Bull/C.H. Murphy, Paris Kanonen - The Paris
Guns (Wilhelmsgeschütze) and Project HARP, Bonn 1988). In den achtziger
Jahren war Gerald Bull der Kopf der Speace Research Corporation (SRC) mit
Sitz in Brüssel. Ende der achtziger Jahre war ihr das Advanced Technology
Institute (ATI) angegliedert.

    Im Jahre 1980 begann der Krieg zwischen dem Irak und dem Iran, der
bis August 1988 dauerte. Im Verlaufe dieses Krieges kam es zu Kontakten
Gerald Bulls und seiner Mitarbeiter mit den irakischen Machthabern. Einer
der Mitarbeiter Bulls war der Metallurge Dr. Chris Cowley. Die irakischen
Machthaber entschlossen sich, Gerald Bull mit der Konstruktion eines
ballistischen Systems zu beauftragen, das ein Kaliber von einem Meter
und eine Länge von über 150 Metern aufweisen sollte. Das System wurde
später unter dem Namen "Supergun" bekannt und trägt die Bezeichnung
"S 1000 L-150 Launcher".

    Daneben wurde ein massstabgetreues kleineres Modell der "Supergun"
als Versuchssystem entwickelt. Es diente gewissen ballistischen Tests
und konnte nur horizontal abgefeuert werden. Das Kaliber betrug 350
Millimeter und die Länge etwa 52 Meter. Es wird als "S 350 L-150 HL
(Horizontal Launcher)" oder auch als "Babygun" bezeichnet.

    Schliesslich wurde zu einem späteren Zeitpunkt eine weitere Anlage
geplant. Diese sollte schwenk- und elevierbar sein und ein Kaliber
von 350 Millimetern und eine Länge von etwa 30 Metern aufweisen. Ihre
Bezeichnung ist "S 350 L-86 ET (Elevating/Traversing Launcher)".

    b) Nachdem die irakischen Machthaber Gerald Bull mit der Konstruktion
der "Supergun" beauftragt hatten, knüpften dessen Mitarbeiter Kontakte zu
verschiedenen europäischen Gesellschaften. Eine ihrer Kontaktadressen war
die Eric Uldry SA in Vevey, eine Handelsfirma, die im militärischen und
im zivilen Sektor mit Spezialstählen handelte und Aufträge vermittelte. Zu
einem nicht genau bekannten Zeitpunkt im Frühling oder Sommer 1988 trafen
sich Chris Cowley und P., der in der Eric Uldry SA im kaufmännischen
Bereich tätig war. Chris Cowley beauftragte die Eric Uldry SA, Firmen zu
suchen, die in der Lage wären, grosse Schmiedestücke herzustellen. P. nahm
daraufhin Kontakt mit der Von Roll AG Gerlafingen auf.

    c) Die Von Roll AG Gerlafingen gehört zu den führenden schweizerischen
Industrieunternehmen. Sie ist unter anderem in der Stahl- und
Gussproduktion tätig. Die "Neue Führungsorganisation der Von Roll" vom
19. Mai 1987 weist die Geschäftseinheit "Maschinen und Fördertechnik" als
"besonders wichtiges Profitzentrum" aus. Ihr ist gemäss dem Organigramm
der Geschäftseinheit unter anderem das Werk Bern unterstellt. Dazu gehört
das Departement "Allgemeiner Maschinenbau Lohnfertigung".

    Vorsitzender der Konzernleitung der Von Roll AG war Ende der achtziger
Jahre F.. Ihm unterstanden auch die Geschäftseinheit "Maschinen und
Fördertechnik" und das Werk Bern. Zusätzlich betreute er unter anderem
den Konzernstab "Recht und Information".

    M. leitete zu dieser Zeit die Stabsstelle "Kommerzielle Dienste"
der Geschäftseinheit "Maschinen und Fördertechnik", und G. war Leiter
des Departements "Allgemeiner Maschinenbau Lohnfertigung" im Werk Bern.

    d) In der Folge kam es zu verschiedenen Kontakten im In- und Ausland
zwischen G., M. und P. einerseits und Chris Cowley und dem irakischen
Staatsangehörigen A. andererseits. Unter anderem hielten sich M., G. und
P. im November 1988 einige Tage in Bagdad auf, wo am 13. November 1988
ein Vertrag zwischen dem "Ministry of Industries Iraq, Baghdad; Project:
PC2" und der "Von Roll Ltd.; Machinery and Handling System Division"
abgeschlossen wurde. Gemäss vertraglicher Definition umschrieb die
Abkürzung "PC2" ein "Petrochemicals Project". Der Vertrag betraf die
Herstellung und Lieferung von acht "Hydraulic Cylinder Assemblies" und von
vier "Throttling Rods", also von Hydraulikzylindern und Kolbenstangen im
Vertragswert von insgesamt Fr. 5'513'000.--. Angeblich waren die Objekte
für die petrochemische Industrie bestimmt. Der Vertrag wurde durch M. und
A. unterschrieben.

    Ein weiterer Vertrag wurde am 30. Mai 1989 abgeschlossen. Partner der
Von Roll war das "Ministry of Industries, PC 2, Project 839 Baghdad". Der
Vertrag betraf die Herstellung und Lieferung von je acht "End caps"
und "Brackets", d.h. von Endstücken und Konsolen im Vertragswert von
insgesamt Fr. 1'750'000.--. Auch diese Objekte waren angeblich für
die petrochemische Industrie bestimmt. Der Vertrag wurde durch M. und
G. einerseits und durch A. andererseits in Frankfurt unterschrieben.

    Schliesslich wurde am 13. November 1989 ein dritter Vertrag
unterzeichnet. Partner der Von Roll war erneut das "Ministry
of Industry Iraq, Baghdad; Project: PC2 No. 839". Der Vertrag
betraf zwei "Housing Assemblies", vier "Hydraulic Cylinders",
zwei "Housing Slides", zwei "Bearing Housing" und zwei "Pivot Drum
Housing Assemblies", also Hydraulikzylinder, Gleitlager-Gehäuse,
Lager-Gehäuse und Pivot-Trommel-Gehäuse im Vertragswert von insgesamt
Fr. 1'640'000.--. Bestimmungsort war auch hier angeblich die petrochemische
Industrie. Auch dieser Vertrag wurde durch M. und G. einerseits und durch
A. andererseits in Bern unterschrieben.

    e) Die Von Roll AG stellte einen Grossteil der vereinbarten Teile
her, und ab Dezember 1989 wurde die Ware in mehreren Lieferungen zum
Transport in den Irak aufgegeben. Bis April 1990 erreichten unter anderem
vier "Brackets" und vier "End caps", vier "Cylinders", zwei "Bearing
Housing", ein "Housing Slide" und ein "Pivot Drum Housing Assembly"
ihren Bestimmungsort.

    f) Im Mai 1990 erfuhr die Schweizerische Bundesanwaltschaft, dass
auf dem Flughafen Frankfurt mehrere von der Von Roll AG versandte Kisten
mit Gütern, die für den Irak bestimmt waren, zurückbehalten wurden. Es
handelte sich dabei - nebst der hier nicht interessierenden Lieferung
Nr. 19 über eine Schraubenspannvorrichtung - um die Lieferung Nr. 20,
die zwei "Hydraulic Cylinders", ein "Pivot Drum Housing Assembly" und ein
"Housing Slide" enthielt.

    Wenig später hielt der Zoll im Güterbahnhof Bern am 10. Mai 1990
ebenfalls eine von der Von Roll AG Bern aufgegebene Sendung zurück. Dabei
handelte es sich um die Lieferung Nr. 21, die unter anderem mehrere
Hydraulikzylinder, vier "Brackets" und vier "End caps" umfasste.

    M. und G. gaben an, dass es sich bei den im Bahnhof Bern
zurückbehaltenen Gegenständen um Bestandteile von Schmiedepressen handle,
wie sie auch beim Zoll deklariert waren.

    Aufgrund eines von der Gruppe für Rüstungsdienste des Eidgenössischen
Militärdepartementes (EMD) erstellten Berichts vom 14. Mai 1990 konnte
jedoch die Verwendung der Hydraulikzylinder als Rohrrücklaufbremsen einer
sehr grosskalibrigen Kanone nicht ausgeschlossen werden.

    Das im Güterbahnhof Bern auf drei Eisenbahnwagen geladene Material
wurde mit Verfügung der Bundesanwaltschaft vom 15. Mai 1990 vorläufig
beschlagnahmt. Das im Flughafen Frankfurt angehaltene Material wurde
später ebenfalls beschlagnahmt, in die Schweiz zurückgeführt und zusammen
mit den im Werk Bern vorhandenen, noch nicht fertiggestellten Stücken
sichergestellt und in die Waffenfabrik Bern überführt. Heute befinden
sich alle Gegenstände in Thun.

    B.- a) Am 15. Mai 1990 bzw. am 28. Juni 1990 eröffnete die
Bundesanwaltschaft gegen die Verantwortlichen der Firma Von Roll AG Bern
und gegen den Direktor der Eric Uldry SA, P., ein gerichtspolizeiliches
Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Widerhandlung gegen Art. 17 des
Bundesgesetzes über das Kriegsmaterial vom 30. Juni 1972 (KMG; SR 514.51).

    b) Aufgrund eines Antrags des Justizdepartementes beschloss der
Bundesrat gestützt auf die Art. 105 und 110 Abs. 2 des Bundesgesetzes
über die Bundesstrafrechtspflege vom 15. Juni 1934 (BStP; SR 312.0) am
18. März 1991, die Ermächtigung zur Durchführung eines Strafverfahrens
gegen G., M. und P. sowie allfällige weitere verantwortliche Personen
der Firmen Von Roll AG und Eric Uldry SA wegen Widerhandlung gegen
das Kriegsmaterialgesetz zu erteilen. Der Bundesrat ordnete an, dass
das Verfahren auf eidgenössischer Ebene zu führen sei, und beauftragte
in Anwendung von Art. 108 BStP den Bundesanwalt, beim eidgenössischen
Untersuchungsrichter die Eröffnung der Voruntersuchung zu beantragen.

    c) Gestützt auf den Beschluss des Bundesrates vom 18. März 1991
eröffnete die Stellvertreterin des eidgenössischen Untersuchungsrichters
für die deutsche Schweiz mit Verfügung vom 15. Mai 1991 eine
Voruntersuchung gegen G., M. und P. Mit Verfügung vom 31. März 1992
dehnte sie die Voruntersuchung auf F. aus.

    C.- a) Am 14. Februar 1995 erhob der Vertreter des Bundesanwaltes
Anklage gegen F., G., M. und P.. Er machte geltend,

    - F. habe sich schuldig gemacht der mehrfachen, vollendeten und
versuchten, vorsätzlichen und fahrlässigen Widerhandlung gegen das KMG
im Sinne von dessen Art. 17 Abs. 1 lit. a, Art. 17 Abs. 2 sowie Art. 19
Abs. 1 und 3,

    - G. habe sich schuldig gemacht der mehrfachen, vollendeten und
versuchten, vorsätzlichen, ev. fahrlässigen Widerhandlung gegen das KMG im
Sinne von dessen Art. 17 Abs. 1 lit. a, ev. Art. 17 Abs. 2 sowie Art. 19
Abs. 1,

    - M. habe sich schuldig gemacht der mehrfachen, vollendeten und
versuchten, vorsätzlichen, ev. fahrlässigen Widerhandlung gegen das KMG im
Sinne von dessen Art. 17 Abs. 1 lit. a, ev. Art. 17 Abs. 2 sowie Art. 19
Abs. 1

    - und P. habe sich schuldig gemacht der mehrfachen, vollendeten und
versuchten, ev. fahrlässigen Widerhandlung gegen das KMG im Sinne von
dessen Art. 17 Abs. 1 lit. a und e, ev. Art. 17 Abs. 2 sowie Art. 19
Abs. 1.

    b) In Anwendung der Art. 128 und 132 BStP, Art. 17 Abs. 1 lit. a und e
sowie Abs. 2, Art. 19 und 20 KMG liess die Anklagekammer des Bundesgerichts
mit Beschluss vom 27. Juni 1995 die Anklage zu.

    Die Hauptverhandlung vor dem Bundesstrafgericht fand vom 15. Januar
bis 1. Februar 1996 statt.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesstrafgericht hat erwogen:
I.

Erwägung 1

    I.1.- a) aa) Liegen gegen den Beschuldigten hinreichende
Verdachtsgründe vor, so erhebt der Bundesanwalt Anklage (Art. 125
BStP). Die Anklageschrift bezeichnet den Angeklagten, das Vergehen,
dessen er beschuldigt wird, nach seinen tatsächlichen und gesetzlichen
Merkmalen, die Bestimmungen des Strafgesetzes, die anzuwenden sind,
die Beweismittel für die Hauptverhandlung und das zuständige Gericht
(Art. 126 BStP). Der Bundesanwalt sendet die Anklageschrift mit den Akten
und einem erläuternden Bericht an die Anklagekammer (Art. 127 Abs. 1 Satz 1
BStP). Diese prüft, ob die Ergebnisse der Voruntersuchung die Erhebung der
Anklage rechtfertigen und ob das in der Anklageschrift bezeichnete Gericht
zuständig ist (Art. 128 BStP). Lässt die Anklagekammer die Anklage zu, so
übermittelt sie die Akten an das zuständige Gericht, wobei der Beschluss
über die Zulassung nicht begründet wird (Art. 132 BStP).

    Zu Beginn der Hauptverhandlung gibt der Präsident des
Bundesstrafgerichts den Parteien Gelegenheit, Einwendungen gegen die
Zuständigkeit oder die Besetzung des Gerichtes geltend zu machen oder
andere Vorfragen aufzuwerfen (Art. 154 Abs. 1 BStP).

    bb) Die Anklagekammer beschloss in Anwendung von Art. 128
und 132 BStP am 27. Juni 1995, die wegen Widerhandlung gegen das
Kriegsmaterialgesetz erhobene Anklage vom 14. Februar 1995 gegen F., G.,
M. und P. werde zugelassen. Die Anklagekammer stellte fest, sie habe die
in den Verteidigungsschriften gestellten Anträge, die Anklage sei nicht
zuzulassen und ihr sei keine Folge zu geben, geprüft. Sie habe jedoch
"festgestellt und in Erwägung gezogen, dass die Anklageschrift den
sich aus den gesetzlichen Bestimmungen (insbesondere Art. 126 BStP)
und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ergebenden Anforderungen
genügt, dass die Ergebnisse der Voruntersuchung die Erhebung der Anklage
gegen alle Angeklagten rechtfertigen und keiner Ergänzung bedürfen"
und "dass sich die den Angeklagten zur Last gelegten Tatbestände der
Widerhandlungen gegen das Kriegsmaterialgesetz sowohl hinsichtlich des
Sachverhaltes als auch der gesetzlichen Merkmale aus der Anklageschrift
hinlänglich ergeben". Abschliessend wies die Anklagekammer darauf hin,
"dass der Beschluss über die Zulassung der Anklage gemäss Art. 132 Abs. 2
BStP nicht begründet wird".

    b) Zu Beginn der Hauptverhandlung wiederholte der Verteidiger des
Angeklagten F. den im Anklagezulassungsverfahren gestellten Antrag, es sei
die Anklageschrift des Vertreters des Bundesanwaltes vom 14. Februar 1995
nicht zuzulassen, da sie die dem Angeklagten vorgeworfenen Unterlassungen
nicht hinreichend umschreibe und versucht werde, "eine Ergänzung der
Voruntersuchung durch das Bundesstrafgericht zu bewirken". Die Verteidiger
der drei anderen Angeklagten stellten zwar keinen ausdrücklichen Antrag,
schlossen sich jedoch sinngemäss dem Verteidiger des Angeklagten F. an.

    Dem BStP ist nicht mit Sicherheit zu entnehmen, ob die Anklagekammer
mit ihrem Beschluss über die Zulassung der Anklage endgültig entscheidet
oder ob es sich bei der Frage nach der Zulassung der Anklage um eine
"andere Vorfrage" im Sinne von Art. 154 Abs. 1 BStP handelt, die auch
dem Bundesstrafgericht unterbreitet werden kann. Die Materialien
äussern sich dazu ebenfalls nicht (vgl. Botschaft des Bundesrates
an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die
Bundesstrafrechtspflege vom 10. September 1929, BBl 1929 II S. 617 und 619
f.). In BGE 116 IV 56 E. I/1 hat das Bundesstrafgericht geprüft, ob die
Anklageschrift den gesetzlichen Anforderungen entspricht, ohne die Frage
der Zulässigkeit dieser Prüfung aufzuwerfen. Vieles spricht dafür, dass
das Bundesstrafgericht nur ausnahmsweise auf die Zulassungsentscheidung
der Anklagekammer zurückkommen kann, etwa in bezug auf neue Tatsachen
betreffend die Prozessvoraussetzungen (Tod eines Angeklagten, inzwischen
eingetretene Verjährung). Die Frage kann jedoch offenbleiben, da die
Anklageschrift die gegen die Angeklagten erhobenen Vorwürfe vielleicht
teilweise etwas summarisch, aber doch hinreichend umschreibt. Aus ihr
konnten die Angeklagten klar erkennen, was ihnen zur Last gelegt wird. Der
Antrag, die Anklage sei nicht zuzulassen, wird somit abgewiesen, soweit
darauf eingetreten werden kann.

Erwägung 3

    I.3.- Der Verteidiger des Angeklagten M. beantragte, es sei mindestens
bei den Zeugeneinvernahmen ein wörtliches Protokoll zu erstellen.

    Die BStP sieht dies nicht vor. Sie stellt es ins Ermessen des
Gerichts, ob und inwieweit die Aussagen der Zeugen und Sachverständigen zu
protokollieren sind (Art. 162 BStP), wobei die Zeugenaussagen im übrigen
gegebenenfalls nach ihrem wesentlichen Inhalt protokolliert würden (Art. 85
Abs. 4 BStP). Gemäss Art. 181 Abs. 1 BStP ist ein Protokoll über die
Hauptverhandlung zu erstellen, das Ort und Zeit der Verhandlung, die Namen
der Richter, des Vertreters der Bundesanwaltschaft, des Gerichtsschreibers,
des Angeklagten und seines Verteidigers, des Geschädigten und seines
Rechtsbeistandes oder Vertreters sowie das in der Anklage bezeichnete
Vergehen angibt und den Gang der Hauptverhandlung sowie die Beobachtung der
Formen, die Anträge der Parteien, die darüber gefällten Entscheidungen und
den Urteilsspruch feststellt. Der Präsident kann ausnahmsweise anordnen,
dass noch anderes in das Protokoll aufgenommen werden soll (Art. 181
Abs. 2 BStP). Eine solche Anordnung erging im vorliegenden Verfahren nicht.

Erwägung 4

    I.4.- Während der Verhandlung bemängelte die Verteidigung mehrfach
die Untersuchung und insbesondere deren Dauer.

    Der vorliegende Fall ist recht komplex und bot den
Untersuchungsbehörden aus diesem Grund einige Schwierigkeiten. Es ist mehr
als fraglich, ob die Organisation der Bundesstrafrechtspflege auf solche
Fälle zugeschnitten ist und sie immer in befriedigender Weise bewältigen
kann. Ob sich hier Änderungen aufdrängen, betrifft allerdings eine Frage,
die vom Gesetzgeber zu beantworten ist.

    Immerhin ist für den vorliegenden Fall festzuhalten, dass die
Untersuchung sehr lange gedauert hat. Zu beurteilen sind heute Geschehnisse
aus den Jahren 1988 bis 1990. Auch fällt auf, dass zwischen dem Bericht des
Zeugen B. vom August 1990 und der Eröffnung der Voruntersuchung im Mai 1991
offenbar praktisch keine untersuchungsrelevanten Handlungen vorgenommen
worden sind. Ebenso wie man den Stahl schmieden sollte, solange er
heiss ist, sollte man Spuren nachgehen, solange sie heiss sind. Gerade
der Bericht B. hätte die Grundlage für eine unverzügliche intensive
Abklärung verschiedener Fragen geben können. Das Bundesstrafgericht kommt
deshalb gesamthaft gesehen zum Schluss, dass das Beschleunigungsgebot
von Art. 6 Ziff. 1 EMRK verletzt worden ist, zumal davon ausgegangen
werden muss, dass das Strafverfahren für die Angeklagten zu einer
besonderen Belastung geführt hat (vgl. BGE 119 IV 107 E. 1c). Dies
ist im vorliegenden Urteil ausdrücklich festzuhalten und im Falle eines
Schuldspruchs bei der Strafzumessung zu berücksichtigen (vgl. BGE 117
IV 124 E. 3 und 4). Die Verletzung des Beschleunigungsgebotes ist,
soweit dies das Bundesstrafgericht beurteilen kann, auf systembedingte
Mängel der Untersuchung zurückzuführen; sie haben dazu geführt, dass
nach den ersten Abklärungen während mehrerer Monate keine effiziente
Untersuchung geführt wurde. Im übrigen ist es nicht mehr zeitgemäss,
derartige Untersuchungen durch eine eidgenössische Untersuchungsrichterin
im Nebenamt führen zu lassen.

Erwägung 6

    I.6.- Der Verteidiger des Angeklagten G. stellte im Plädoyer den
Antrag, es seien "diejenigen Zeugenaussagen nicht zu berücksichtigen,
in welchen ein Zeuge lediglich seine Aussagen in der Voruntersuchung
bestätigte, sofern an der entsprechenden Einvernahme in der Voruntersuchung
kein Verteidiger anwesend war". Und der Verteidiger des Angeklagten
M. beantragte, "es seien diejenigen Zeugenaussagen nicht zu verwenden,
bei denen die Verteidigung nicht anwesend war und die sich in irgendeiner
Weise zu Lasten der Angeklagten auswirken können".

    Wegen der besonderen Umstände der Untersuchung und insbesondere der
langen Dauer des Verfahrens (s. oben E. 4) hat das Bundesstrafgericht
ein gewisses Verständnis für das Anliegen der Verteidigung und legt
sich deshalb bei der Verwendung von in der Untersuchung angefertigten
Protokollen Zurückhaltung auf. In bezug auf Botschafter C., der nur in der
Voruntersuchung einvernommen wurde und sich zur Zeit der Hauptverhandlung
im Ausland befand, wurde den Verteidigern zudem Gelegenheit geboten, die
gewünschten Zusatzfragen dem Gericht anzugeben. Diese Fragen beziehen
sich nicht auf den einzigen Punkt, in dem sich das Bundesstrafgericht
auf die Aussagen von Botschafter C. stützt (s. unten E. IV/1/b).

    Nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung ist es im übrigen
grundsätzlich zulässig, auf frühere Aussagen abzustellen. Erinnert
sich ein Zeuge nicht mehr genau an eine Wahrnehmung, über die er früher
berichtet hat, oder besteht ein Widerspruch mit seiner früheren Aussage,
so darf diese in Anwendung von Art. 160 BStP insoweit vorgelesen werden;
und Art. 164 BStP bestimmt, dass eine frühere Aussage unter anderem
dann verlesen werden darf, wenn ein Zeuge, ein Sachverständiger oder ein
Angeklagter gestorben ist oder aus einem andern zwingenden Grund in der
Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann. Die Anträge der Verteidigung
sind deshalb abzuweisen. II.

Erwägung 1

    II.1.- Als Kriegsmaterial im Sinne des KMG gelten Waffen, Munition,
Sprengmittel, weitere Erzeugnisse und deren Bestandteile, die als
Kampfmittel verwendet werden können (Art. 1 Abs. 1 KMG). Unter den Begriff
Kriegsmaterial fallen das fertige Material sowie Gegenstände, roh, ganz
oder teilweise bearbeitet oder fertiggestellt, die ausschliesslich als
Bestandteile von Kriegsmaterial hergestellt werden und in der gleichen
Ausführung keine zivile Verwendung finden (Art. 1 Abs. 2 der Verordnung des
Bundesrates über das Kriegsmaterial vom 10. Januar 1973 [VKM; SR 514.511]).

    Ohne Grundbewilligung des Bundes ist es untersagt, (a) Kriegsmaterial
herzustellen, (b) Kriegsmaterial zu beschaffen, (c) Kriegsmaterial zu
vertreiben und (d) die Beschaffung oder den Vertrieb von Kriegsmaterial
zu vermitteln (Art. 4 Abs. 1 KMG). Ausser der nach Art. 4 erforderlichen
Grundbewilligung ist für jeden einzelnen Fall der Herstellung von
Kriegsmaterial vorher bei der vom Bundesrat bezeichneten Amtsstelle
eine Fabrikationsbewilligung einzuholen (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 KMG). Ohne
Bewilligung des Bundes sind die Einfuhr, die Ausfuhr und die Durchfuhr
von Kriegsmaterial untersagt (Art. 9 Abs. 1 KMG).

    Wer vorsätzlich ohne entsprechende Bewilligung Kriegsmaterial
herstellt, beschafft oder vertreibt, die Beschaffung und den Vertrieb von
Kriegsmaterial vermittelt oder Kriegsmaterial einführt, ausführt oder
durchführt, wird mit Gefängnis oder mit Busse bis zu 500'000 Franken
bestraft. In schweren Fällen kann auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren,
verbunden mit der Verweigerung der Erteilung neuer Bewilligungen auf
die Dauer von zwei bis fünf Jahren, erkannt werden (Art. 17 Abs. 1
lit. a KMG). Derselben Strafdrohung unterliegt, wer bei der finanziellen
Abwicklung eines illegalen Kriegsmaterialgeschäfts mitwirkt oder dessen
Finanzierung vermittelt (Art. 17 Abs. 1 lit. e KMG). Handelt der Täter
fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Busse
(Art. 17 Abs. 2 KMG).

    Wird eine Widerhandlung beim Besorgen der Angelegenheiten einer
juristischen Person oder sonst in Ausübung geschäftlicher oder dienstlicher
Verrichtungen für einen anderen begangen, so finden die Strafbestimmungen
auf diejenigen natürlichen Personen Anwendung, welche die Tat verübt haben
(Art. 19 Abs. 1 KMG). Der Geschäftsherr oder Arbeitgeber, Auftraggeber
oder Vertretene, der es vorsätzlich oder fahrlässig in Verletzung
einer Rechtspflicht unterlässt, eine Widerhandlung des Untergebenen,
Beauftragten oder Vertreters abzuwenden oder in ihren Wirkungen aufzuheben,
untersteht den Strafbestimmungen, die für den entsprechend handelnden
Täter gelten (Art. 19 Abs. 2 KMG). Ist der Geschäftsherr oder Arbeitgeber,
Auftraggeber oder Vertretene eine juristische Person, so findet Abs. 2 auf
die schuldigen Organe, Organmitglieder, geschäftsführenden Gesellschafter
oder tatsächlich leitenden Personen Anwendung (Art. 19 Abs. 3 KMG).

    Die allgemeinen Bestimmungen des StGB finden insoweit Anwendung,
als das KMG nicht selbst Bestimmungen aufstellt (Art. 22 Abs. 1 KMG).

Erwägung 2

    II.2.- Es ist unbestritten, dass die oben erwähnten Verträge vom
13. November 1988, 30. Mai 1989 und 13. November 1989 abgeschlossen und
von den Angeklagten G. und M. unterzeichnet wurden. Ebenfalls unbestritten
ist, dass die entsprechenden Objekte bei der Von Roll Bern hergestellt
sowie im oben umschriebenen Umfang in den Irak geliefert und teilweise
in Frankfurt oder in Bern angehalten worden sind. Schliesslich ist
unbestritten, dass für die Irakgeschäfte der Von Roll weder Fabrikations-
noch Ausfuhrbewilligungen eingeholt wurden. Die Verteidigung macht
jedoch geltend, es habe sich bei den in Frage stehenden Objekten nicht
um Kriegsmaterial gehandelt (dazu unten E. III). III.

    Zu prüfen ist, ob es sich bei den Gegenstand der Anklage bildenden
Objekten um Kriegsmaterial handelt.

Erwägung 1

    III.1.- a) Die Anklage geht davon aus, die hergestellten Objekte
seien für die Systeme "S 1000 L-150 Launcher" und "S 350 L-86 ET
(Elevating/Traversing Launcher)" bestimmt gewesen. Sie beruft sich in
diesem Punkt auf zwei "Monthly Reports" Nr. 20 und 21 vom Januar und
Februar 1990.

    Die Verteidigung macht geltend, dieser angebliche Bestimmungszweck
der Objekte sei nicht nachgewiesen, zumal es sich bei den beiden
Monatsrapporten um zweifelhafte Beweismittel handle.

    b) Die drei von Von Roll abgeschlossenen Verträge enthalten bei
der Bezeichnung des Vertragspartners die Hinweise auf "PC2" und auf das
"Project 839" bzw. auf "No. 839". Schon daraus folgt, dass zwischen den
von Von Roll hergestellten Objekten und dem irakischen Supergunprojekt ein
unmittelbarer Zusammenhang besteht. Im vom Verteidiger des Angeklagten
G. zu den Akten gegebenen englischen Affidavit des Zeugen Cowley
erklärt dieser, er sei "the Project Manager for the project known as PC2
('Supergun')" gewesen. In der Hauptverhandlung ordnete Cowley auch die
Bezeichnung "839" dem irakischen Projekt zu. Bei dieser Sachlage kann
nicht ernstlich behauptet werden, der Bestimmungszweck der von Von Roll
hergestellten Objekte stehe nicht mit Sicherheit fest.

    c) Die beiden von der Anklage erwähnten "Monthly Reports" tragen
auf dem Titelblatt ebenfalls die Bezeichnung "Project 839". Entgegen
der Ansicht der Verteidigung kann auf diese Rapporte jedenfalls im hier
interessierenden Punkt auch abgestellt werden.

    Die Monatsrapporte waren Bestandteile des Berichtes, den der Zeuge
B. am 20. August 1990/7. September 1990 über seine Abklärungen erstellt
hatte. Gemäss seinen Angaben hat er die Rapporte von den englischen
Untersuchungsbehörden erhalten. Dies trifft zu, denn auch der Zeuge
E. hat in seinem Bericht über die Dienstreisen nach England vom 30. Juli
1990 festgestellt, Kopien dieser Monatsrapporte seien ihnen in Birmingham
überreicht worden. Es ist folglich nicht einzusehen, warum diesen Rapporten
kein Beweiswert zukommen sollte.

    Die Verteidigung hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, die
Rapporte trügen die Unterschrift von zwei Personen, nämlich von "H." und
"I.", deren Identität nicht feststehe. Dies trifft jedenfalls für die
erste der genannten Personen nicht zu. Der Verteidiger des Angeklagten
G. gab Auszüge aus dem Buch über G.V. Bull von William Lowther (Arms &
The Man, London 1991) zu den Akten. Aus diesen Auszügen ist ersichtlich,
dass der Aerodynamiker H. zum "original Project Babylon team" gehörte
(S. 212). Im übrigen wird auf derselben Seite des Buches der "highly
talented graphics man" J. als Mitglied desselben Teams genannt, und es
war dieser "J.", der den Annex 2 ("Project Coordination Liaison Monthly
Status Report") des Monthly Report Nr. 20 verfasst hat. Der Angeklagte
M. hat an der Hauptverhandlung übrigens ausdrücklich darauf hingewiesen,
bei J. handle es sich um den Nachfolger von Cowley. Es kann also nicht
die Rede davon sein, dass über die Autoren der "Monthly Reports" nichts
bekannt wäre.

    Gerade aus dem soeben erwähnten Annex 2, den die Anklage unter
anderen Teilen der Rapporte an der Hauptverhandlung als wesentlich
bezeichnet hat, folgt aber z.B. klar, dass zwischen dem System "S 350
L-86 ET (Elevating/Traversing Launcher)" und den hier in Frage stehenden
Objekten ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. In diesem Punkt sind
keine Zweifel möglich, so dass sich weitere Ausführungen erübrigen.

Erwägung 2

    III.2.- Zweitens ist zu prüfen, ob es sich bei den Systemen "S 1000
L-150 Launcher" und "S 350 L-86 ET (Elevating/Traversing Launcher)"
um Waffen handelt. Dies wird von der Verteidigung bestritten.

    Der Zeuge Cowley behauptet, analog zu den früheren Projekten Bulls,
die dieser für die amerikanische Regierung verfolgt habe, sei es beim
Supergunprojekt nicht um ein Waffensystem, sondern darum gegangen,
kostengünstig Satelliten ins All zu schiessen. Der Zeuge, der ein Buch
über seine Tätigkeit bei G.V. Bull geschrieben hat, bestätigte an der
Hauptverhandlung aber ebenfalls ausdrücklich, "big-gun systems were a
practical low-cost way of investigating the upper atmosphere and space,
as well as delivering payloads over long distances" (Guns, Lies and Spies,
London 1992, S. 47).

    Es ist folglich von vornherein fraglich, ob der Irak tatsächlich
die Absicht verfolgt hat, mit der Supergun zivile Satelliten ins All
zu schiessen. Ausgeschlossen ist dies für das System "S 350 L-86 ET
(Elevating/Traversing Launcher)", denn der Zeuge Cowley hat an der
Hauptverhandlung die in seinem Buch gemachte Äusserung ausdrücklich
bestätigt, bei diesem System "350-ET" handle es sich um "a new offensive
gun system" (S. 245).

    In bezug auf das System "S 1000 L-150 Launcher" räumte der Zeuge
Cowley an der Hauptverhandlung ebenfalls ein, es sei technisch machbar,
damit unterkalibrige Geschosse (z.B. solche mit einem Kaliber von 300 mm)
über eine geringere Reichweite (z.B. von 200 km oder mehr) abzufeuern. Der
Experte K. hat in seinem Bericht über Leistungsgrenzen von Rohrwaffen vom
11. Juni 1990 ebenfalls festgestellt, das Projekt sei zwar "als unsinnige
Fehlinvestition jenseits jeder vernünftigen Denkweise zu qualifizieren",
dürfe aber trotzdem "nicht verharmlost" werden, denn es stelle, "falls
es wider Erwarten tatsächlich zur Funktionstüchtigkeit gebracht würde,
... durchaus eine ('gerichtete') Bedrohung dar". Als ihm dieser Auszug aus
seinem Bericht an der Hauptverhandlung vorgehalten wurde, erklärte der sich
im übrigen eher zurückhaltend äussernde Experte, "wenn jemand unbedingt
wolle, könne er ein solches System als Waffe einsetzen". In seinem Bericht
hatte er denn auch klar darauf hingewiesen, eine militärische Anwendung der
Idee von G.V. Bull stelle insbesondere dann für die anvisierten Zielräume
eine Bedrohung dar, "wenn nukleare Gefechtsköpfe zum Einbau gelangen".

    Das Beweisverfahren hat zwar ergeben, dass - wie der Verteidiger des
Angeklagten G. unter Hinweis auf einen Artikel in der NZZ vom 9. Mai 1990
geltend macht - "ein 160 m langes Geschütz konventioneller Bauweise eine
Absurdität ist". Dies ändert jedoch nichts daran, dass ein Einsatz der
Supergun als Waffe grundsätzlich als möglich erscheint.

    Damit steht nach Auffassung des Bundesstrafgerichts fest, dass die
in Frage stehenden Systeme "S 1000 L-150 Launcher" und "S 350 L-86 ET
(Elevating/Traversing Launcher)" als Kampfmittel hätten verwendet werden
können und somit gemäss Art. 1 Abs. 1 KMG Waffen darstellen.

Erwägung 3

    III.3.- Schliesslich ist zu prüfen, wie es sich mit der
Kriegsmaterialeigenschaft der von Von Roll gelieferten Teile
verhält. Gemäss Art. 1 Abs. 2 VKM stellt sich die Frage, ob die Gegenstände
"ausschliesslich als Bestandteile von Kriegsmaterial hergestellt werden
und in der gleichen Ausführung keine zivile Verwendung finden".

    Der Experte L. stellte in seiner Zusammenfassung der technischen
Abklärungen vom 31. Mai 1990 mit Bestimmtheit fest, "die Von Roll-Zylinder
sind offensichtlich als hydraulische Bremsen und nicht als Arbeitszylinder
konzipiert". An dieser Annahme hielt er an der Hauptverhandlung fest. Auch
aus dem Kurzgutachten über Hydraulikzylinder des Paul Scherrer Institutes
in Villigen vom 12. November 1992 folgt, dass die in Frage stehenden
Zylinder "nicht zur Erzeugung von Kräften, sondern für den Abbau grosser
Kräfte über die gesamte Hublänge verwendet werden". Es ist nach dem
Gesagten davon auszugehen, dass die Von Roll - wie es im oben erwähnten
Annex 2 zum Monthly Report Nr. 20 heisst - mit der Herstellung von "Recoil
Cylinders", also von Rückstossdämpfzylindern für das Supergunprojekt
beschäftigt war.

    Nun hat das Beweisverfahren allerdings ergeben, dass die Annahme
der Untersuchungsbehörden nicht zutrifft, wonach Bremszylinder der
vorliegenden Grösse ausschliesslich für militärische Zwecke verwendet
werden können. Die Zeugen N. und O. haben dargelegt, dass grosse
Dämpfzylinder für verschiedene zivile Aufgaben eingesetzt werden. Ihr
Einsatz ist immer dann möglich, wenn grosse Massen auf einer kurzen
Distanz abgebremst werden müssen. Dies ist zum Beispiel bei Ölplattformen,
Schiffsschleusen und dergleichen der Fall.

    Ob Dämpfzylinder ganz allgemein auch zivile Verwendung finden können,
ist jedoch nicht entscheidend, denn es kommt nach dem klaren Wortlaut
der VKM darauf an, ob die konkret in Frage stehenden Gegenstände "in der
gleichen Ausführung" eine zivile Verwendung finden können oder nicht. Dies
ist zu verneinen. Es ist unbestritten, dass die Objekte bei Von Roll
"nach Mass", d.h. nach genauen und detaillierten Plänen hergestellt
worden sind. Dies ist, wie das Beweisverfahren ergeben hat, ja geradezu
ein Wesensmerkmal der sogenannten "Lohnfertigung". Der Zeuge N. sprach denn
auch bei den von ihm angegebenen Beispielen von "Sonderzylindern". Die von
Von Roll hergestellten Gegenstände waren genau auf die irakischen Projekte
zugeschnitten und konnten "in der gleichen Ausführung" ausschliesslich dort
eingebaut werden. Eine zivile Verwendungsmöglichkeit ist demgegenüber von
vornherein nicht denkbar. Dafür spricht auch das spätere Verhalten des
irakischen Bestellers; hätte er das beschlagnahmte Material tatsächlich
für zivile Zwecke verwenden wollen, so ist nicht einzusehen, warum er
sich nicht um dessen Freigabe bemüht hat, zumal die Ware ja grösstenteils
schon bezahlt war.

    Die Gegenstände wurden folglich im Sinne von Art. 1 Abs. 1 VKM
"ausschliesslich als Bestandteile von Kriegsmaterial hergestellt". IV.

    In bezug auf die Angeklagten G. und M. ist im folgenden von drei
Phasen des Geschehens auszugehen.

Erwägung 1

    IV.1.- a) Das Beweisverfahren hat zunächst nicht ergeben, dass die
Angeklagten durch Cowley, A. oder jemand anderen über den wahren Zweck des
Materials orientiert worden wären. Zwar hat der Zeuge B. in seinem Bericht
über die Abklärungen vom 20. August 1990/7 September 1990 behauptet, es
sei insbesondere an den Vertragsverhandlungen in Bagdad "im Klartext über
die Geschütz-Projekte gesprochen worden". An der Hauptverhandlung musste
er jedoch einräumen, damit nur seine subjektive Meinung wiedergegeben
zu haben. Der Zeuge Cowley hat im Gegenteil glaubhaft ausgesagt, es
sei Bulls Idee gewesen, die Zulieferer über den wahren Verwendungszweck
zu täuschen und ihnen gegenüber zu behaupten, es gehe um petrochemische
Projekte. In allen drei von Von Roll abgeschlossenen Verträgen wird dieser
Verwendungszweck denn auch ausdrücklich genannt.

    b) Bis zum Abschluss des ersten Vertrages in Bagdad am 13. November
1988 lässt sich den beiden Angeklagten auch noch nicht vorwerfen, sie
hätten fahrlässig gehandelt.

    Allerdings war ihr Vertragspartner ein irakisches Ministerium, und
der Irak befand sich bis August 1988 im Krieg mit dem Iran. Der Partner
hätte folglich gewisse Bedenken wecken und insbesondere einige begründete
Zweifel über die Endbestimmung der bestellten Teile hervorrufen sollen.

    Die Angeklagten haben im übrigen beim Abschluss des ersten Vertrages
in Bagdad keinen Kontakt zur schweizerischen Botschaft aufgenommen, obwohl
dies gemäss der Aussage des Zeugen Q. allgemein üblich war. Botschafter
C., dem die Angeklagten in diesem Zusammenhang keine Zusatzfragen stellen
wollten (vgl. oben E. I/6), bezeichnete einen solchen Besuch sogar als
"normal". Zwar besteht keine generelle Pflicht zu derartigen Kontakten. Es
stellt sich aber doch die Frage, ob es unter den gegebenen Umständen
sachgerecht war, darauf und insbesondere auf eine Erkundigung über den
Vertragspartner und gegebenenfalls auf weitere Hintergrundinformationen
zu verzichten.

    Es kann jedoch noch nicht gesagt werden, dass die Angeklagten bis
zum Abschluss des ersten Vertrages die Folgen ihres Verhaltens "aus
pflichtwidriger Unvorsichtigkeit" im Sinne von Art. 18 Abs. 3 StGB nicht
bedacht hätten.

Erwägung 2

    IV.2.- a) Die zweite Phase dauerte vom Abschluss des ersten Vertrages
bis zur Anhaltung der Lieferungen Nr. 19 und 20 in Frankfurt. Der
Angeklagte G. war in dieser Zeit direkt mit der Produktion befasst und trug
dafür die Verantwortung. Er hat eine Berufslehre als Maschinenschlosser
absolviert, war nachher mehrere Jahre in der Fertigung und Montage im
Werk Bern und als Chefmonteur im In- und Ausland tätig. 1972 absolvierte
er die Werkmeisterschule in Winterthur. In der Folge leitete er unter
anderem die Werkmontage und seit Ende 1988 den allgemeinen Maschinenbau
in Bern. Wenn das Beweisverfahren auch nicht ergeben hat, dass er den
tatsächlichen Verwendungszweck der hergestellten Teile erkannte, ist doch
davon auszugehen, dass er - im Gegensatz zum Angeklagten M. (s. unten E. b)
- über technische Kenntnisse verfügt. Jedenfalls in der Produktionsphase
hätte er sich als technischer Projektleiter intensivere Gedanken über
den angeblichen Verwendungszweck der bestellten Teile machen müssen.

    Entscheidend ist dabei, dass es für den verantwortlichen
Produktionsleiter G. "neu" war, "Komponenten zu Schmiedepressen"
herzustellen. Er hatte auf diesem Gebiet keine Erfahrung. Wenn man auf
seine eigenen Angaben abstellt, verliess er sich ohne weiteres auf Cowley
und A., die ihm beide nicht näher bekannt waren. Er konnte jedoch nicht
mit Bestimmtheit wissen, was sein Betrieb für das irakische Ministerium
eigentlich herstellt und wofür die Objekte bestimmt waren. Er nahm nur an,
dass es sich um "Komponenten zu Schmiedepressen" handle, weil ihm dies
von Cowley und A. so gesagt worden war. Dies hinterfragte er nach seiner
eigenen Zugabe nicht, obwohl gewisse Auffälligkeiten bestanden.

    Wie oben bereits gesagt, hätte schon der Vertragspartner, das
Ministerium eines bis kurz zuvor Krieg führenden arabischen Landes, gewisse
Zweifel über die Endbestimmung der bestellten Teile hervorrufen sollen.

    Die Bundesanwaltschaft geht überdies davon aus, Dr. Cowley habe
"darüber orientiert ... , dass Bull verschiedene Rüstungssachen in Arbeit
habe". Der Zeuge Cowley hatte vor der Untersuchungsrichterin denn auch
ausgesagt, er habe gegenüber Von Roll erwähnt, dass Dr. Bull verschiedene
Projekte aus dem Rüstungssektor mit dem Irak in Arbeit hatte. Dies hat
der Zeuge an der Hauptverhandlung bestätigt, wobei er in bezug auf den
Angeklagten G. jedoch einschränkte, er habe diesen "nicht spezifisch"
informiert. Der Zeuge hat jedoch nicht behauptet, dass man sich nicht
"ganz allgemein" über seine Tätigkeit auf dem Rüstungssektor unterhalten
habe. Es erscheint denn auch als ausgeschlossen, dass der Angeklagte
G. überhaupt nichts über die übrige Tätigkeit Cowleys gehört haben könnte
und nicht erfuhr, dass Cowley sich jedenfalls in anderem Zusammenhang
mit Rüstungsprojekten befasst hatte.

    Die Bundesanwaltschaft ist weiter der Auffassung, "mehrfache
Planänderungen" hätten "die Annahme eines Prototyps (und nicht einer
üblichen Schmiedepresse)" nahegelegt. Das Beweisverfahren hat zwar nicht
ergeben, dass auffallend viele Planänderungen vorgekommen wären. Es steht
jedoch fest, dass der Kunde jedenfalls gewisse Änderungswünsche vorbrachte,
die nicht ohne weiteres zu bewerkstelligen waren. Am 31. Januar 1989 sah
sich die Von Roll veranlasst, per Telex an A. eine dringende Mitteilung
("Urgent Message!!!!!") zu senden, in der sie sich eher ungehalten unter
anderem über "new drawings for the cylinder (new configuration)" äusserte,
die erst nach Beginn der Produktion ("after production has been started")
eingetroffen waren. Auch einer Aktennotiz über eine Besprechung vom 7. März
1989 in Brüssel ist zu entnehmen, Von Roll sei "frustrated by continual
design changes". Die Bundesanwaltschaft macht zu Recht geltend, dass es
sich für Von Roll erkennbar um eine "heikle und einzigartige Ausführung"
handelte, und dies hätte beim technischen Leiter der Produktion doch dazu
führen sollen, sich Gedanken über den Auftrag zu machen.

    An der soeben erwähnten Besprechung in Brüssel wurde im übrigen
noch über "the supply and fitting of nimonic liners to the Tubes"
gesprochen. Bis kurz zuvor hatte der Angeklagte nie etwas von diesem
Werkstoff gehört, und er war denn auch entschlossen, den Auftrag, die
Buchsen mit Nimonic auszukleiden, abzulehnen. Immerhin hätte aber auch
dieser für ihn aussergewöhnliche Wunsch der Vertragspartner dazu führen
sollen, dass er sich den Verwendungszweck der herzustellenden Teile
einmal überlegt.

    Trotz verschiedener Umstände, die sowohl in bezug auf den irakischen
Vertragspartner und dessen europäischen Beauftragten Cowley als auch in
bezug auf die herzustellenden Teile jedenfalls etwas auffällig waren,
hielt der Angeklagte G. als verantwortlicher technischer Leiter während
der ganzen Produktionsphase ohne weiteres und unbeirrt daran fest,
dass der irakische Staatsangehörige A. und Dr. Cowley die Wahrheit
über den Verwendungszweck der herzustellenden Teile gesagt hatten. Diese
Vertrauensseligkeit war jedoch auf Grund der Umstände nicht gerechtfertigt
und muss nach Auffassung des Bundesstrafgerichts in bezug auf den für
die Fertigung Verantwortlichen als sorgfaltswidrig bezeichnet werden.

    Am Rande ist denn auch anzumerken, dass der Zeuge R., der bei Von
Roll ebenfalls mit den für den Irak herzustellenden Teilen befasst
war und der an der Hauptverhandlung auf entsprechende Frage bemerkte,
"sicher" habe er im Untersuchungsverfahren die Wahrheit gesagt, in der
Voruntersuchung deutlich zum Ausdruck gebracht hatte, dass unter der
Belegschaft schon während der Produktionsphase eine gewisse Unsicherheit
entstand und ein Monteur sich z.B. fragte, "ob das für Pressen sei oder
ob es nicht Verschlussblöcke wären".

    Der Angeklagte G. will zwar heute noch davon überzeugt sein, dass er
damals in jeder Beziehung korrekt und fehlerfrei gehandelt hat. Dann aber
erstaunt es doch einigermassen, dass er ohne weiteres dazu bereit war, nach
den Anhaltungen in Frankfurt und Bern einen Teil der Konstruktionspläne
der irakischen Botschaft abzuliefern. Zu diesem Zeitpunkt wusste er
genau, dass die Behörden wegen vermuteter Widerhandlung gegen das KMG
ermittelten. Wäre seine Annahme, er habe sich an der Herstellung von
Bestandteilen zu Schmiedepressen beteiligt, richtig gewesen, so hätten
ihn diese Pläne ja gerade entlasten können.

    Das Bundesstrafgericht kommt zum Schluss, dass der Angeklagte
G. verpflichtet gewesen wäre, den wahren Verwendungszweck der unter
seiner technischen Leitung hergestellten Gegenstände intensiver zu
hinterfragen. Er hätte dann mindestens festgestellt, dass die in Frage
stehenden Zylinder nicht zur Erzeugung von Kräften, sondern für den Abbau
grosser Kräfte verwendet werden und Eigenschaften von grossen Stossdämpfern
aufweisen. Dies hätte zu weiteren Fragen über den Verwendungszweck Anlass
gegeben. Da der Angeklagte solche Überlegungen unterlassen hat, ist er
der fahrlässigen Widerhandlung gegen das Kriegsmaterialgesetz schuldig
zu sprechen.

    Nicht erwiesen ist auch für diese Zeit demgegenüber, dass der
Angeklagte G. tatsächlich um den wahren Verwendungszweck der unter
seiner Leitung hergestellten Teile gewusst hat. Insbesondere kann aus
der Tatsache, dass mit der Zeit die Projekt- durch Phantasienamen ersetzt
wurden, nichts hergeleitet werden.

    b) Der Angeklagte M. war beruflich immer kaufmännisch tätig,
und gemäss dem Ergebnis des Beweisverfahrens verfügt er über keine
technischen Kenntnisse. Es sind nicht genügend Umstände ersichtlich,
aus denen sich ergäbe, dass er als an der Produktion Unbeteiligter in
dieser Zeit hätte am angeblichen Verwendungszweck der in seiner Firma
hergestellten Gegenstände zweifeln müssen. Da im übrigen auch nicht
nachgewiesen worden ist, dass er vom wahren Verwendungszweck tatsächlich
Kenntnis erhalten hat, ist er für diese Zeitspanne freizusprechen.

Erwägung 3

    IV.3.- a) Anders verhält es sich in bezug auf den Angeklagten M. für
die letzte Phase des Geschehens.

    Ende April/Anfang Mai 1990 wurden auf dem Flughafen Frankfurt sowohl
die Lieferung Nr. 19 als auch die Lieferung Nr. 20, die zwei "Hydraulic
Cylinders", ein "Pivot Drum Housing Assembly" und ein "Housing Slide"
enthielt, von den Behörden zurückgehalten. Bevor der Angeklagte von
diesem Umstand erfuhr, ging bei Von Roll am 30. April 1990 ein von
A. unterzeichneter Telex ein, der verlangte, der Versand des noch bei
Von Roll befindlichen Materials sei zu stoppen "until we inform because
we find cheaper transporters".

    Der Angeklagte M. bestreitet nicht, am 4. Mai 1990 von
der Anhaltung der Lieferungen in Frankfurt Kenntnis erhalten zu
haben. Unbestrittenermassen wurde ihm an diesem Tag ein Fernschreiben
von S. von der Iraqi Airways übergeben, in welchem es um die Anhaltung
in Frankfurt ging. Das Fernschreiben hat folgenden Wortlaut:

    This is to inform you, that above mentioned shipment is confiscated by
   german customs authorities frankfurt-airport and are not allowed to
   be exported to iraq.

    Reason. Legal offense against - Kriegswaffenkontrollgesetz -
(german war
   materials control law).

    Unallowed transit of war materials through 3rd countries.

    Der Angeklagte M. bestätigte an der Verhandlung, das Fernschreiben
nicht nur erhalten, sondern auch gelesen zu haben. Er behauptet zwar heute,
sich nicht mehr an den Hinweis auf das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz
erinnern zu können. Es ist aber ausgeschlossen, dass er damals diesen
kurzen Telex nicht ganz gelesen und insbesondere übersehen haben könnte,
dass darin von "legal offense against Kriegswaffenkontrollgesetz" und
"unallowed transit of war materials" die Rede war. Es steht somit fest,
dass er ab dem 4. Mai 1990 wusste, dass der Irakauftrag in bezug auf die
Frage, ob es allenfalls um Kriegsmaterial geht, problematisch war.

    Der Zeuge T., der im fraglichen Zeitraum bei der Von Roll als
Speditionsleiter tätig war und der den Telex ebenfalls gelesen hatte,
erklärte denn auch an der Hauptverhandlung, er sei "konsterniert" gewesen,
als er von der Anhaltung erfahren hatte.

    Auch weitere Personen, die ausserhalb der Von Roll standen, waren über
die zollamtliche Anhaltung von Gütern der Von Roll ernstlich besorgt. Der
Zeuge U., seinerzeit Leiter des Beglaubigungsdienstes bei der Berner
Handelskammer, sagte aus, er habe, nachdem er von der Anhaltung erfahren
und entsprechende Bilder im Fernsehen gesehen hatte, seine Mitarbeiter
dahingehend instruiert, allfällige in dieser Sache eingehende Gesuche
müssten ihm vorgelegt werden; er habe seine Unterlagen durchgesehen und
die mit der vorliegenden Angelegenheit in Zusammenhang stehenden Papiere
in den Tresor gelegt. Der Zeuge V. vom Schweizerischen Bankverein vertrat
auf die Frage, welche Auswirkungen eine Beschlagnahme auf die Abwicklung
eines Akkreditives habe, sogar die Auffassung, in einem solchen Fall
sollte man "nach Treu und Glauben" nicht bezahlen, bevor man nicht wisse,
"was los ist".

    Der Zeuge W. von der Transportfirma Danzas schliesslich, der nach
seiner Aussage ebenfalls durch die Iraqi Airways darüber informiert
worden ist, dass die Lieferung in Frankfurt wegen vermuteter Widerhandlung
gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zurückbehalten wurde, sprach an der
Hauptverhandlung von einer "Ausnahmesituation", und ergänzte, ein ähnlicher
Fall habe sich in seiner jahrzehntelangen Tätigkeit im Transportgewerbe nur
noch ein weiteres Mal ereignet. Es steht aufgrund dieser Zeugenaussagen
fest, dass die Anhaltung in Frankfurt derart aussergewöhnlich war, dass
man nicht einfach darüber hinweg und zur Tagesordnung übergehen durfte.

    Nach seinen Aussagen hat der Angeklagte M. nach Erhalt des Telex vom
4. Mai 1990 beim Zoll in Frankfurt telefonisch nachgefragt und erfahren,
dass abgeklärt werden müsse, ob eine "Durchfuhrbewilligung" vorliege. Dies
mag zutreffen, ändert jedoch nichts daran, dass es nach seinem
Kenntnisstand nicht einfach um das Fehlen irgendeiner verhältnismässig
belanglosen "Durchfuhrbewilligung" ging, sondern dass der Verdacht auf
eine Zuwiderhandlung gegen das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz bestand.

    Dem Angeklagten ist zwar zugute zu halten, dass er die Rechtsabteilung
der Von Roll über die Anhaltung in Frankfurt grundsätzlich informiert
hat. Aber er behauptet selber nicht, eindringlich auf den Umstand, dass der
Verdacht auf eine Zuwiderhandlung gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz
bestand, hingewiesen zu haben. Er will nach wie vor der unbeirrten
Überzeugung gewesen sein, es gehe in Wirklichkeit um Schmiedepressen,
und aus diesem Grund habe er die letzte Lieferung abgewickelt, wie wenn
nichts geschehen wäre.

    Nach seiner Angabe an der Hauptverhandlung hatte der Angeklagte
M. bereits vorher davon Kenntnis, dass die Iraker angeordnet hatten,
die noch in Bern befindlichen Gegenstände müssten über eine andere
Route versandt werden, da diese billiger sei und in Jugoslawien ein
Sammeltransport bereit stehe. Zudem bestand der Irak plötzlich auf einem
anderen Adressaten für die noch beim Werk befindliche 21. Sendung. Die
Iraker verlangten, dass die Angabe "Ministry of Industries Iraq, PC2
Project 839, att. Mr. A." durch "The State Trading Company for Cars and
Machines, Ministry of Trade" ersetzt werde. Diese Umstände meldete der
Angeklagte der Rechtsabteilung nicht, weil er sich nach seiner Behauptung
an der Hauptverhandlung darüber keine Gedanken gemacht haben will. Dies
kann ihm nach Auffassung des Bundesstrafgerichts nicht abgenommen werden,
da ihm die irakischen Änderungswünsche auffallen mussten, nachdem ihm
bekannt war, dass der Verdacht auf eine Zuwiderhandlung gegen das deutsche
Kriegswaffenkontrollgesetz bestand.

    Die vom Irak verlangten Änderungen machten für die Vorbereitung der
21. und letzten Lieferung umfangreiche Arbeiten nötig. Die Transportkisten
mussten neu beschriftet und die Dokumente, das heisst die Beglaubigung
der Berner Handelskammer und das Akkreditiv, geändert werden. An diesen
Aktivitäten war der Angeklagte M. zugestandenermassen beteiligt. Noch am
9. Mai 1990, also einen Tag vor der Anhaltung der 21. Lieferung in Bern,
sandte er persönlich an A. einen Telefax mit dem Inhalt: "Top urgent - Top
urgent - Amendmend of May 8, 1990 uncomplete. Please add the following:
- delivery terms ex works Berne instead of FOB Frankfurt airport, -
forwarding agents receipt marked freight payable at destination to be
presented instead of airwaybill. Please amend as soon as possible".

    Dem Angeklagten M. ist nach Auffassung des Bundesstrafgerichts
vorzuwerfen, dass er, nachdem er von der Anhaltung in Frankfurt und dem
Verdacht auf Zuwiderhandlung gegen das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz
erfahren hatte, alles dafür unternahm, dass die 21. Lieferung doch
noch ihren Bestimmungsort erreichte. Seine Aktivitäten hörten erst mit
der Beschlagnahme der 21. Lieferung in Bern auf. Er hat dabei eine
Widerhandlung gegen das Kriegsmaterialgesetz zumindest in Kauf genommen
und damit eventualvorsätzlich gegen das genannte Gesetz verstossen.

    Dem Angeklagten M. ist anzulasten, dass er gemäss Art. 17 Abs. 1 lit. a
KMG ohne entsprechende Bewilligung Kriegsmaterial vertrieben hat. Er ist
folglich wegen vollendeter Tatbegehung schuldig zu sprechen. Ob darin
zugleich ein Versuch der unerlaubten Ausfuhr liegt, ist für die Subsumtion
seines Verhaltens unerheblich.

    b) Demgegenüber hat das Beweisverfahren in bezug auf den Angeklagten
G. nicht ergeben, dass dieser nach dem 4. Mai 1990 für die Abwicklung der
letzten Sendung noch irgend etwas aktiv unternommen hätte. Der Angeklagte
M. hat ausgeführt, er habe den Angeklagten G. über die Anhaltung in
Frankfurt informiert. Dass dieser in der Folge irgendwie tätig geworden
wäre, hat der Angeklagte M. demgegenüber nicht behauptet.

    Ob der Angeklagte G. allenfalls unter dem Gesichtswinkel der
Unterlassung verpflichtet gewesen wäre, der Abwicklung der letzten
Lieferung entgegenzuwirken, muss im übrigen schon deshalb nicht geprüft
werden, weil ihm in der Anklage eine Unterlassung nicht vorgeworfen wird.

    Der Angeklagte G. ist für diese letzte Phase des Geschehens deshalb vom
Vorwurf der Widerhandlung gegen das Kriegsmaterialgesetz freizusprechen.

Erwägung 3

V.
   (Freispruch des Angeschuldigten P.)
VI.

Erwägung 1

    VI.1.- Gemäss Art. 19 Abs. 2 KMG macht sich strafbar, wer
als Geschäftsherr oder Arbeitgeber es vorsätzlich oder fahrlässig
in Verletzung einer Rechtspflicht unterlässt, eine Widerhandlung von
Untergebenen abzuwenden oder in ihren Wirkungen aufzuheben. Ist der
Geschäftsherr oder Arbeitgeber eine juristische Person, so machen sich
nach Art. 19 Abs. 3 KMG strafbar die schuldigen Organe, Organmitglieder,
geschäftsführenden Gesellschafter oder tatsächlich leitenden Personen.

    Auch im Falle des Angeklagten F. lässt sich nicht nachweisen, dass er
um das Irakgeschäft als solches oder gar um den wahren Verwendungszweck
der hergestellten Teile gewusst hätte.

Erwägung 2

    VI.2.- Die Anklage wirft dem Angeklagten F. vor, es seien "keinerlei
organisatorische Bemühungen erkenntlich, Kriegsmateriallieferungen,
z.B. durch das Werk Bern, frühzeitig zu erkennen und zu verhindern". Der
Angeklagte hat anerkannt, dass in der Von Roll keine solchen Vorkehren
getroffen worden sind. Seiner Ansicht nach war dies nicht nötig, da die
Von Roll nicht mit Waffen handelte, und zudem wäre jedenfalls nicht er
als Konzernchef zum Erlass entsprechender Weisungen verpflichtet gewesen.

    a) aa) Es mag zutreffen, dass die Von Roll keine Waffen herstellt. Sie
stellt jedoch Waffenbestandteile für schweizerische Stellen her. Wie aus
einer "Aufstellung über die der Firma Von Roll AG seit 1983 erteilten
Aufträge durch die Eidg. Rüstungsbetriebe" vom 11. Juni 1992 ersichtlich
ist, weisen diese Aufträge einen nicht unerheblichen Umfang auf. Die
Von Roll AG in Gerlafingen ist denn auch Inhaberin der Grundbewilligung
Nr. 2736 vom 20. Juli 1967, wonach sie unter anderem ermächtigt ist,
Bestandteile für Feuerwaffen samt Zubehör, gepanzerte Fahrzeuge und
militärische Spezialfahrzeuge, Panzerungen für militärische Verwendung,
Flugmaterial für militärische Verwendung sowie (aufgrund einer Ergänzung
der Bewilligung vom 18. Juni 1980) Bestandteile für Munition herzustellen.

    bb) Ein Unternehmen, das in der Stahlproduktion tätig ist
und Bestandteile für Kriegsmaterial herstellt, ist verpflichtet,
Sicherheitsvorkehren zu treffen, die nach Möglichkeit von vornherein
Widerhandlungen gegen das KMG im Betrieb ausschliessen. Dies ist aus
Art. 19 Abs. 2 KMG herzuleiten. Vor allem aber besteht für ein solches
Unternehmen die Pflicht, die nötigen organisatorischen Vorkehren zu
treffen, damit bei einem konkreten Verdacht, die Herstellung und die
Ausfuhr von in seinen Betrieben hergestellten Produkten könnte gegen
das KMG verstossen, die Zulässigkeit der Produktion und der Ausfuhr
unverzüglich überprüft und ein bereits in Angriff genommenes Geschäft
nicht einfach abgewickelt wird, wie wenn nichts geschehen wäre.

    cc) Wie dargelegt, wurde spätestens am 4. Mai 1990 im Werk Bern
bekannt, dass eine für den Irak bestimmte Sendung der Firma Von Roll
in Frankfurt angehalten worden war, weil der Verdacht eines Verstosses
gegen das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz bestand. Der Angeklagte
M. hat diese Information unverzüglich an die Rechtsabteilung des Von
Roll-Konzerns in Gerlafingen weitergegeben.

    Spätestens als die Anhaltung der Lieferung in Frankfurt bekannt wurde,
bestand für die Firma Von Roll die Rechtspflicht, die Vereinbarkeit
des Irakgeschäftes mit dem KMG zu überprüfen. Insbesondere war die Firma
verpflichtet zu verhindern, dass bis zur Klärung dieser Frage das Geschäft
fortgeführt und weitere Lieferungen vorgenommen würden. Diese Rechtspflicht
wurde verletzt, indem trotz des eindeutigen Warnsignals der Anhaltung in
Frankfurt nichts unternommen wurde, um die letzte Lieferung zu stoppen.

    Die Anhaltung einer für den Irak bestimmten Lieferung wegen
Verdachts der Verletzung des deutschen Kriegswaffenkontrollgesetzes
stellt nicht irgendeine Bagatelle dar, sondern ist ein Ereignis, in
bezug auf welches sichergestellt sein muss, dass die verantwortlichen
Organe erstens unverzüglich informiert werden und zweitens sofort die
nötigen Dispositionen in bezug auf die Abwicklung laufender Geschäfte
treffen können.

    dd) Ob und inwieweit die Konzernleitung berechtigt ist, die
hier umschriebene Rechtspflicht zu delegieren (dazu GÜNTER HEINE,
Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, Baden-Baden
1995, S. 121 ff.; NIKLAUS SCHMID, Einige Aspekte der strafrechtlichen
Verantwortlichkeit von Gesellschaftsorganen, ZStrR 105/1988, S. 175 ff.),
braucht nicht entschieden zu werden, da die Verantwortlichen der Von Roll
nicht einmal versucht haben, im Rahmen einer sachgerechten Organisation
insoweit eine Delegation vorzunehmen. Deshalb braucht auch nicht weiter
geprüft zu werden, ob und inwieweit auch dann, wenn die Konzernleitung
Pflichten in zulässiger Weise delegiert, sie weiterhin, etwa unter dem
Gesichtspunkt der sorgfältigen Auswahl und Kontrolle, verantwortlich
bleiben kann.

    b) Nach der eigenen Darstellung des Angeklagten und aufgrund des
Beweisergebnisses ist davon auszugehen, dass es im Mai 1990 in der Firma
Von Roll keinerlei organisatorische Vorkehren dafür gab, wie zu verfahren
ist, wenn eine Lieferung wegen des Verdachts eines Verstosses gegen das
deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz angehalten wird. Entsprechend hat auch
der Leiter des Rechtsdienstes, wenn man ihm Glauben schenken darf, auf
die Nachricht der Anhaltung in Frankfurt nicht sachgerecht reagiert. Er
hat niemanden informiert, der nun seinerseits eine Überprüfung des
Irakgeschäftes und im Zusammenhang damit gegebenenfalls einen Verzicht
auf die sofortige Abwicklung der nächsten Lieferung angeordnet hätte. Er
selbst hat in dieser Hinsicht auch nichts unternommen.

    c) Die verantwortlichen Organe haben es also unterlassen, die nötigen
organisatorischen Massnahmen zu treffen, die eine richtige Reaktion auf
die Anhaltung der Lieferung in Frankfurt sichergestellt hätten. Die
Verantwortung dafür tragen die schuldigen Organe, Organmitglieder,
geschäftsführenden Gesellschafter und tatsächlich leitenden Personen im
Sinne von Art. 19 Abs. 3 KMG.

    In einem grösseren Unternehmen wie der Firma Von Roll dürfte die
Verantwortung für eine genügende Organisation mehrere Personen treffen. In
erster Linie dürfte die entsprechende Pflicht beim gesamten Verwaltungsrat
liegen, der sich jedenfalls objektiv seiner Verantwortung nur entschlagen
kann, wenn er das Problem der hinreichenden Organisation im Rahmen der
zulässigen Grenzen an eine andere Stelle delegiert hat. Vorliegend ist
jedoch einzig zu prüfen, ob die Pflicht jedenfalls auch den Angeklagten
F. traf. Diese Frage ist zu bejahen. Er war nicht nur als Konzernchef,
sondern insbesondere auch als derjenige, der in der obersten Leitung für
den Rechtsdienst verantwortlich war, verpflichtet, eine Organisation
durchzusetzen, wie sie hier umschrieben wurde. Diese Pflicht traf
ihn schon lange vor der Anhaltung der Lieferung in Frankfurt. Er hat
gegen diese ihm obliegende Rechtspflicht verstossen und zwar, wie
das Bundesstrafgericht im Zweifel annimmt, fahrlässig, weil er sich
darüber nicht hinreichende Gedanken gemacht hat. Bei dieser Sachlage
kann offenbleiben, ob er aufgrund der Presseberichte von April 1990
(vgl. z.B. NZZ vom 14.4.: "Eine Superkanone für Saddam Hussein?", NZZ vom
17.4.: "Rätselraten über die irakische 'Superkanone'") hätte hellhörig
werden müssen.

    d) Die weitere Frage, ob diese Pflichtverletzung für die Widerhandlung
gegen das KMG kausal war, ist zu bejahen, wenn anzunehmen ist, dass
aufgrund eines hinreichenden Sicherheitsdispositivs die letzte Lieferung
hätte verhindert werden können.

    aa) Hätte der Angeklagte rechtzeitig ein entsprechendes
Sicherheitsdispositiv auf die Beine gestellt, dann hätte noch am 4. Mai
1990 eine verantwortliche Person von der Anhaltung der Lieferung in
Frankfurt und den Umständen der Anhaltung erfahren. Diese verantwortliche
Person hätte noch am 4. Mai, spätestens aber am Montag, den 7. Mai,
die Notbremse ziehen können. Vorausgesetzt, dass der Angeklagte bei der
Auswahl und der Instruktion dieser verantwortlichen Person mit der nötigen
Sorgfalt gehandelt hätte, hätten sich damit die letzte schliesslich in
Bern angehaltene Lieferung und damit auch eine weitere Verletzung des
KMG verhindern lassen. Der Kausalzusammenhang zwischen dem Unterlassen
des Angeklagten und der eingetretenen Gesetzesverletzung ist deshalb
zu bejahen.

    bb) Zu prüfen bleibt, ob die Kausalität auch dann zu bejahen wäre,
wenn davon auszugehen wäre, dass der Angeklagte F. die erforderliche
Organisation nicht alleine hätte anordnen und durchsetzen können,
sondern dass es dazu der Entscheidung eines leitenden Gremiums bedurft
hätte. Wäre hier gegebenenfalls der Kausalzusammenhang zwischen dem
Unterlassen des Angeklagten und dem eingetretenen Erfolg zu verneinen
mit dem Argument, es sei nicht bewiesen, dass der Angeklagte, hätte er
sich für eine hinreichende Organisation eingesetzt, dafür eine Mehrheit
gefunden hätte? Die strafrechtliche Zurechnung ist auch in einer solchen
Konstellation zu bejahen (vgl. ERIC HILGENDORF, Fragen der Kausalität
bei Gremienentscheidungen, NStZ 1994, S. 565 f.; GÜNTHER JAKOBS,
Strafrechtliche Haftung durch Mitwirkung an Abstimmungen, Festschrift
für Koichi Miyazawa, Baden-Baden 1995, S. 419 ff.; LARS RÖH, Die kausale
Erklärung über bedingte Erfolge im Strafrecht, Frankfurt 1995, S. 145
ff.; vgl. auch WINFRIED HASSEMER, Produkteverantwortung im modernen
Strafrecht, Heidelberg 1994, S. 59 ff.). Wenn ein Entscheidungsgremium
für eine hinreichende Organisation verantwortlich ist, dann ist jedes
Mitglied dieses Gremiums, das es unterlässt, sich für die Durchsetzung
dieser Pflicht einzusetzen, kausal für den Erfolg verantwortlich.

    e) Zusammenfassend ergibt sich, dass der Angeklagte F., indem er
als Konzernchef und insbesondere in seiner Funktion als Betreuer des
Konzernstabs Recht der vorliegend zu beurteilenden Problematik keine
Aufmerksamkeit schenkte und sich deshalb nicht für eine hinreichende
Organisation einsetzte, es fahrlässig unterlassen hat, die Verletzung
des Kriegsmaterialgesetzes zu verhindern. VII.

Erwägung 1

    VII.1.- a) Bei der Strafzumessung ist vom gesetzlichen Strafrahmen
auszugehen. Wer - ohne dass ein schwerer Fall vorliegt - vorsätzlich ohne
entsprechende Bewilligung Kriegsmaterial unter anderem herstellt oder
vertreibt, wird mit Gefängnis von drei Tagen bis zu drei Jahren oder mit
Busse bis zu 500'000 Franken bestraft (Art. 17 Abs. 1 lit. a KMG, Art.
36 StGB). Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Gefängnis von
drei Tagen bis zu sechs Monaten oder Busse bis zu 40'000 Franken (Art. 17
Abs. 2 KMG, Art. 36 und 48 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Ist im Gesetz wahlweise
Freiheitsstrafe oder Busse angedroht, so kann der Richter in jedem Falle
die beiden Strafen verbinden (Art. 50 Abs. 2 StGB).

    Derselben Strafdrohung unterliegt unter anderem der Geschäftsherr,
der es vorsätzlich oder fahrlässig in Verletzung einer Rechtspflicht
unterlässt, eine Widerhandlung gegen das KMG abzuwenden oder in ihren
Wirkungen aufzuheben (Art. 19 Abs. 2 KMG).

    Gemäss Art. 63 StGB misst der Richter die Strafe innerhalb des
gesetzlichen Strafrahmens nach dem Verschulden des Täters zu und
berücksichtigt dabei insbesondere die Beweggründe, das Vorleben und die
persönlichen Verhältnisse des Schuldigen. Das Bundesgericht hat sich in den
letzten Jahren mehrfach in grundsätzlicher Weise mit der Strafzumessung
befasst. Auf diese Entscheide kann hier verwiesen werden (vgl. BGE 121
IV 3 E. 1a und 49 E. 2a, 119 IV 10 E. 4b und 330 E. 3, je mit Hinweisen).

    b) Mit der Bundesanwaltschaft ist zunächst davon auszugehen,
dass kein schwerer Fall im Sinne von Art. 17 Abs. 1 letzter Satz KMG
vorliegt. Dennoch ist in Fällen wie dem vorliegenden grundsätzlich auf
eine Freiheitsstrafe zu erkennen.

    Das KMG erfasst die unterschiedlichsten Phänomene. In einem Fall,
mit dem sich der Kassationshof des Bundesgerichts im Dezember 1995 zu
befassen hatte, wurde ein Täter mit vier Monaten Gefängnis bestraft,
der vorsätzlich und ohne Bewilligung 26 Faustfeuerwaffen veräussert und
fünf mit Tränengas ausgerüstete Schlagstöcke in die Schweiz eingeführt
und zwei davon verkauft hatte (vgl. BGE 121 IV 365). Auch der Handel
mit verhältnismässig wenigen und kleineren Waffen kann also das KMG
verletzen. Im vorliegenden Fall geht es demgegenüber um Waffensysteme,
die ein ausserordentliches Gefährdungspotential aufweisen, wenn sie
zum Einsatz gelangen. Schon dies allein rechtfertigt es, auf eine
Freiheitsstrafe zu erkennen.

    c) Die Angeklagten G., M. und F. sind zwar aus verschiedenen Gründen
zu verurteilen. In Berücksichtigung aller Umstände ist ihr Verschulden
jedoch etwa gleich hoch einzustufen.

    Obwohl ihnen aufgrund des Beweisergebnisses nicht vorgeworfen werden
kann, vorsätzlich Verträge über die Herstellung und den Export von
Kriegsmaterial abgeschlossen zu haben, und die Anklage sich nur teilweise
als begründet erwiesen hat, darf das ihnen anzulastende Fehlverhalten nicht
bagatellisiert werden. Sie haben eine Gleichgültigkeit in bezug auf das
Problem der illegalen Kriegsmaterialausfuhr an den Tag gelegt, die nach
Auffassung des Bundesstrafgerichts mehr als bedenklich ist. Dies gilt unter
den vorliegenden Umständen selbst für den Fall, dass es in der sogenannten
"Lohnfertigung" tatsächlich üblich sein sollte, Gegenstände herzustellen,
von denen man nicht weiss, wofür sie eigentlich bestimmt sind.

    Wenn auch dem Angeklagten M. als einzigem vorzuwerfen ist, dass er
vorsätzlich gehandelt hat, so ist ihm doch in erheblichem Umfang zugute zu
halten, dass er nach der Kenntnis der Anhaltung in Frankfurt unverzüglich
den Rechtsdienst in Gerlafingen orientierte, und er kann nicht dafür
verantwortlich gemacht werden, dass der Rechtsdienst daraufhin nichts
unternommen hat; er hat auch das Fehlen eines Sicherheitsdispositivs
nicht zu verantworten. Dem Angeklagten G. ist zwar nur eine fahrlässige
Tatbegehung anzulasten, diese wiegt jedoch schon deshalb recht schwer,
weil er sich als unmittelbar für die Produktion Verantwortlicher über
längere Zeit pflichtwidrig verhalten hat. Schliesslich erscheint auch
das Verschulden des Angeklagten F., der seiner besonderen Verantwortung
als Mitglied des obersten Kaders nur unzureichend nachgekommen ist, als
schwerwiegend, obwohl seine Pflichtwidrigkeit nach dem oben Gesagten nur
für die letzte Lieferung kausal gewesen sein dürfte. Gerade diese Lieferung
war bedeutend; sie umfasste unter anderem mehrere Hydraulikzylinder sowie
je vier "Brackets" und "End caps".

    Bei allen drei Angeklagten ist der Verletzung des
Beschleunigungsgebotes (oben E. I/4) Rechnung zu tragen, und bei
den Angeklagten G. und M. ist zu berücksichtigen, dass seit der Tat
verhältnismässig lange Zeit verstrichen ist und sie sich während dieser
Zeit wohlverhalten haben (Art. 64 Abs. 5 StGB). Das Bundesstrafgericht
erachtet in allen drei Fällen eine Gefängnisstrafe von einem Monat als
angemessen, wobei sie im Falle des Angeklagten F. als Zusatzstrafe zu
einer Verurteilung durch den Amtsgerichtspräsidenten von Thal-Gäu vom
5. April 1995 wegen Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz zu
zwei Wochen Gefängnis und einer Busse von Fr. 7'500.-- auszusprechen ist.

    Zusätzlich sind die Angeklagten zu Geldbussen zu verurteilen. Aufgrund
ihrer guten bis sehr guten wirtschaftlichen Verhältnisse
(vgl. ...) rechtfertigt es sich, die Geldbussen beim Angeklagten F. auf
Fr. 25'000.--, beim Angeklagten G. auf Fr. 10'000.-- und beim Angeklagten
M. auf Fr. 8'000.-- festzusetzen.

Erwägung 2

    VII.2.- Den Angeklagten kann ohne weiteres eine günstige Prognose
gestellt werden. Die Freiheitsstrafen sind deshalb bedingt aufzuschieben,
unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren.

Erwägung 2

VIII.

    Ist eine Widerhandlung gegen das Kriegsmaterialgesetz festgestellt,
so ist, wenn nicht besondere Gründe entgegenstehen, ohne Rücksicht auf
die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung des betreffenden
Kriegsmaterials durch den Richter zu verfügen (Art. 20 Abs. 1 KMG). Das
eingezogene Kriegsmaterial verfällt dem Bunde (Art. 20 Abs. 2 KMG).

    Die Angeklagten haben sich einer Einziehung des im vorliegenden
Verfahren beschlagnahmten Materials nicht widersetzt. Der Irak hat sich
auf entsprechende Anfrage hin nicht vernehmen lassen, und die Von Roll
AG hat ausdrücklich erklärt, dass sie keinerlei Rechte am einzuziehenden
Material geltend mache (zum rechtlichen Gehör von Dritten zur Frage
der Einziehung vgl. BGE 121 IV 365 E. 7c). Besondere Gründe, die einer
Einziehung entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Folglich ist
im Sinne von Art. 20 KMG zu entscheiden.