Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 122 II 160



122 II 160

23. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
28. Juni 1996 i.S. Erben des Jakob Ebneter sel. und Jakob Ebneter
gegen Ernst Brandes, Politische Gemeinde Wittenbach, Regierung sowie
Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste

    Art. 16, 22 und 24 RPG; Zonenkonformität der Pensionspferdehaltung
in der Landwirtschaftszone.

    Die Haltung von vier Pensionspferden auf einem Landwirtschaftsbetrieb
in der Landwirtschaftszone ist zonenkonform, wenn das auf dem Betrieb
bodenabhängig produzierte Futter für die Ernährung der landwirtschaftlichen
Nutztiere und der zusätzlichen Pensionspferde ausreicht (E. 3c).

Sachverhalt

    A.- Ernst Brandes führt einen Landwirtschaftsbetrieb in Gommenschwil,
Politische Gemeinde Wittenbach. Er bewirtschaftet ca. 23,6 ha Land,
wovon rund die Hälfte Pachtland, und er ist Eigentümer des Grundstücks
Nr. 100, das mit seinem Wohnhaus und weiteren landwirtschaftlichen Gebäuden
überbaut ist. In einer im Jahre 1991 bewilligten und erstellten Scheune
hält er rund 40 Kühe und zehn Kälber. Der Betrieb ist samt den umliegenden
Grundstücken nach dem Zonenplan der Gemeinde Wittenbach vom 27. Januar
1977 der Landwirtschaftszone zugewiesen.

    Am 22. März 1993 stellte Ernst Brandes auf Veranlassung des Bauamts der
Gemeinde Wittenbach ein nachträgliches Baugesuch für vier Pferdeboxen,
die ohne Baubewilligung in einer alten Scheune auf Parzelle Nr. 100
eingerichtet worden waren. Das Gesuch wurde im Januar 1994 durch ein
abgeändertes Baugesuch für eine "Nutzungsänderung/Stallumbau für vier
Pensionspferdeboxen" ersetzt. Nach dem Gesuch wurden im südwestlichen
Teil der alten Scheune vier Pferdeboxen mit je 3,7 x 3,7 m Grundfläche
eingerichtet sowie acht bestehende Fensteröffnungen vergrössert. In 2,55
m Höhe wurde zudem neu eine auf Eisenpfeilern und -trägern abgestützte
Decke eingezogen.

    Das Baugesuch wurde im Mitteilungsblatt der Gemeinde Wittenbach
öffentlich bekannt gemacht und lag vom 21. Januar bis 3. Februar 1994
beim kommunalen Bauamt auf. Gegen das Baugesuch erhob Jakob Ebneter als
Mitglied der Erbengemeinschaft Jakob Ebneter-Sutter sel., Eigentümerin
der rund 10 m westlich des Pferdestalls gelegenen Parzelle Nr. 106,
Einsprache. Aufgrund einer zustimmenden Stellungnahme des kantonalen
Amtes für Umweltschutz vom 29. März 1994 beurteilte der Gemeinderat
Wittenbach das Vorhaben als in der Landwirtschaftszone zonenkonform. Er
erteilte mit Verfügung vom 19. April 1994 die Baubewilligung für die vier
Pensionspferdeboxen und wies gleichzeitig die Einsprache ab.

    Einen gegen diese Baubewilligung von Jakob Ebneter erhobenen Rekurs
wies die Regierung des Kantons St. Gallen am 7. Februar 1995 ab, soweit
sie auf das Rechtsmittel eintrat. Eine gegen diesen Entscheid der Regierung
gerichtete Beschwerde der Erbengemeinschaft Jakob Ebneter-Sutter wurde vom
Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen mit Urteil vom 6. November 1995
abgewiesen. In der Begründung seines Urteils führt das Verwaltungsgericht
unter anderem aus, die Pensionspferdehaltung sei im hier zur Diskussion
stehenden Umfang zonenkonform, da der betroffene Landwirtschaftsbetrieb
über eine hinreichende Futtergrundlage für die Ernährung der vier
untergebrachten Pferde aus eigener landwirtschaftlicher Produktion verfüge.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde und mit staatsrechtlicher Beschwerde
vom 11. Dezember 1995 beantragen Jakob Ebneter sowie die Erbengemeinschaft
Jakob Ebneter-Sutter, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 6. November
1995 sei aufzuheben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführer machen geltend, das Verwaltungsgericht
habe die vier Pferdeboxen zu Unrecht als in der Landwirtschaftszone
zonenkonform anerkannt.

    a) Art. 16 RPG (SR 700) umschreibt Zweck und Inhalt der
Landwirtschaftszonen: Diese umfassen Land, das sich für die
landwirtschaftliche Nutzung oder den Gartenbau eignet oder im
Gesamtinteresse landwirtschaftlich genutzt werden soll (Art. 16 Abs. 1
lit. a und b RPG). In der vorliegenden Angelegenheit ist unbestritten,
dass der Beschwerdegegner auf seinem rund 23,6 ha Land umfassenden
Betrieb in der Landwirtschaftszone eine traditionelle, bodenabhängige
landwirtschaftliche Nutzung im Sinne von Art. 16 RPG ausübt.

    Bauten und Anlagen in diesen Gebieten müssen nach Art. 22 Abs. 2
lit. a RPG dem Zweck der Landwirtschaftszone entsprechen. Gebäude
sind in der Landwirtschaftszone nach Art. 16 RPG zonenkonform, wenn
sie hinsichtlich Standort und Ausgestaltung in einer unmittelbaren
funktionellen Beziehung zum Landwirtschafts- bzw. Gartenbaubetrieb
stehen und im Hinblick auf die bodenabhängige Nutzung des Landes als
unentbehrlich erscheinen. Bei Landwirtschaftsbetrieben stimmt der Begriff
der Zonenkonformität im Sinne von Art. 16 Abs. 1 RPG im wesentlichen mit
demjenigen der Standortgebundenheit gemäss Art. 24 Abs. 1 RPG überein. In
einer Landwirtschaftszone im Sinne von Art. 16 RPG sind nur solche Gebäude
zonenkonform, die in ihrer konkreten Ausgestaltung für eine zweckmässige
Bewirtschaftung des Bodens am vorgesehenen Standort notwendig und nicht
überdimensioniert sind. Ausserdem dürfen gegen ihre Errichtung keine
überwiegenden öffentlichen Interessen sprechen (vgl. BGE 121 II 307 E. 3b;
118 Ib 335 E. 2b, je mit Hinweisen).

    b) Das Bundesgericht hat die Zonenkonformität bzw. Standortgebundenheit
von Ställen, Reithallen und dergleichen in bezug auf die hobby- oder
gewerbsmässige Pferdehaltung durch Nichtlandwirte bereits verschiedentlich
verneint (BGE 111 Ib 213 E. 3 S. 216 ff., Urteil vom 15. Oktober 1993
in ZBl 95/1994 S. 81 ff., nicht veröffentlichte Urteile vom 27. Februar
1989 i.S. Th., vom 15. September 1987 i.S. EJPD/A. und vom 16. Dezember
1986 i.S. P.). In einem in ZBl 96/1995 S. 178 ff. publizierten Urteil
vom 28. März 1994 hat das Bundesgericht entschieden, dass auf einem
Landwirtschaftsbetrieb ein neuer Pferdestall für ein Reitpferd und
ein Trainpferd, das nach vier Jahren zu Zuchtzwecken verwendet werden
soll, als zonenkonform bzw. standortgebunden bezeichnet werden könne,
sofern das Reitpferd für den persönlichen Gebrauch des Betriebsinhabers
bzw. seines auf dem Hof wohnenden und im Betrieb arbeitenden Sohnes
bestimmt sei. Anders verhielte es sich - so das Bundesgericht in
E. 3d des erwähnten Urteils -, wenn der Stall fremden Tierhaltern zur
Verfügung gestellt würde (Pferdepension) oder wenn auf dem Hof eine Art
Reitsportzentrum geplant wäre.

    Mit diesen Ausführungen des Bundesgerichts setzt sich das
Verwaltungsgericht im hier angefochtenen Entscheid nicht auseinander,
sondern führt aus, es sei nicht zu beanstanden, wenn die zuständigen
Behörden in der Praxis nicht darauf abstellten, ob ein Landwirt eigene
Pferde halte, die gelegentlich von Dritten ausgeritten würden, oder
ob er Pferde von Dritten in Pension nehme. Vielmehr ist nach Ansicht
des Verwaltungsgerichts die Zulassung von höchstens vier Pferden auf
einem Landwirtschaftsbetrieb mit genügender Futterbasis für diese Tiere
als Abgrenzung zu einem in der Landwirtschaftszone zonenfremden reinen
Pferdepensions- oder Reitsportbetrieb mit Art. 16 RPG vereinbar.

    c) Diese Argumentation ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Im
vorliegenden Fall steht ein Gesuch eines Landwirts zur Diskussion,
der im bestehenden, für die übrige landwirtschaftliche Nutzung nicht
mehr benötigten Stall vier Pferde unterbringen will. Zur Ernährung
der Tiere werden nach den für das Bundesgericht verbindlichen Angaben
der Vorinstanz überwiegend auf dem eigenen Landwirtschaftsbetrieb
bodenabhängig produzierte Futtermittel verwendet, weshalb - wie das
Verwaltungsgericht zutreffend ausführt - Unterhalt und Fütterung
der Pferde im Bereich der bodenabhängigen Tätigkeit anzusiedeln sind
(vgl. SCHÜRMANN/HÄNNI, Planungs-, Bau- und besonderes Umweltschutzrecht, 3.
Aufl., Bern 1995, S. 145 Fn. 367; EJPD/BRP, Erläuterungen zum RPG, N. 23
zu Art. 16). Auch sprengt es den Rahmen herkömmlicher Bewirtschaftung von
landwirtschaftlichem Boden nicht, wenn ein Landwirt neben eigenem Vieh
noch einige fremde Tiere mit selbst produziertem Futter auf dem eigenen
Hof unterhält. Die Haltung von vier Pensionspferden kann deshalb in der
Landwirtschaftszone als zonenkonform anerkannt werden, wenn aufgrund
eines Betriebskonzepts bzw. eines hinreichend abgeklärten Sachverhalts
feststeht, dass die Futtergrundlage des Landwirtschaftsbetriebs für
die Ernährung der eigenen und der fremden Tiere ausreicht. Diese
Voraussetzungen sind in der vorliegenden Angelegenheit erfüllt. An
dieser Beurteilung vermögen auch die Rügen der Beschwerdeführer nichts zu
ändern. Entgegen ihrer Auffassung handelt es sich hier nicht um einen mit
der Landwirtschaftszone im Sinne von Art. 16 RPG nicht zu vereinbarenden
gewerblichen Pferdepensions- oder Reitsportbetrieb, sondern um eine
Pferdehaltung mit ausreichender Futterbasis auf einem traditionellen
Landwirtschaftsbetrieb. Allfälligen Abgrenzungsschwierigkeiten trägt
die kantonale Praxis dadurch Rechnung, dass in der Landwirtschaftszone
bei einem Betrieb mit ausreichender Futterproduktion die Haltung von
höchstens vier Pferden als zonenkonform anerkannt wird. Diese Praxis ist
mit Bezug auf den Betrieb des Beschwerdegegners nicht zu beanstanden. Im
übrigen stehen der Einrichtung der hier umstrittenen vier Pferdeboxen
keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegen.

    d) Es ergibt sich somit, dass das Verwaltungsgericht Bundesrecht
nicht verletzt hat, als es die hier umstrittene Pferdehaltung in
der Landwirtschaftszone als zonenkonform anerkannt hat. Es ist deshalb
entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer nicht weiter zu prüfen, ob und
inwieweit die Pferdehaltung als Hobby (vgl. ZBl 96/1995 S. 178 ff. E. 3c,
d) oder als "innere Aufstockung" (Zusatzeinkommen aus Pensionsverträgen und
Vermietung von Pferden an Dritte; vgl. ferner BGE 117 Ib 270 ff.) bewilligt
werden könnte.