Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 122 II 1



122 II 1

1. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 18. Januar 1996 i.S. C. gegen Regierung des Kantons Graubünden
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG, Art. 4 und 17 Abs. 2 ANAG, Art.  7, 26 und
28 AsylG und Art. 8 Ziff. 1 und 2 EMRK; Verweigerung der Erteilung einer
Anwesenheitsbewilligung an den ausländischen Ehemann einer Ausländerin,
der in der Schweiz Asyl gewährt worden ist.

    Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, insbesondere unter
dem Gesichtspunkt von Art. 8 EMRK (E. 1).

    Voraussetzungen gemäss Art. 8 Ziff. 2 EMRK, unter denen die
Verweigerung einer Anwesenheitsbewilligung an den Ehegatten einer
Ausländerin mit Flüchtlingseigenschaft zulässig ist (E. 2).

    Prüfung dieser Voraussetzungen, insbesondere Interessenabwägung nach
Art. 8 Ziff. 2 EMRK, im zu beurteilenden Fall (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Die 1974 geborene C., Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina,
deren Vater aus einem serbischen Kriegsgefangenenlager in die Schweiz
gelangte, reiste am 3. März 1993 zusammen mit ihrer Mutter in die
Schweiz ein und stellte am 8. März 1993 ein Asylgesuch. Mit Entscheid
des Bundesamts für Flüchtlinge vom 9. März 1993 wurde ihr in der Schweiz
Asyl gewährt. Aufgrund der anerkannten Flüchtlingseigenschaft erhielt
sie in der Folge im Kanton Graubünden eine Aufenthaltsbewilligung, die
ihr jährlich verlängert wurde. Da C. in der Schweiz nie erwerbstätig war
und auch über kein Vermögen verfügt, wird sie von der Caritas Graubünden
nach den Richtlinien der öffentlichen Fürsorge unterstützt.

    Der 1972 geborene jugoslawische (Kosovo) Staatsangehörige A. reiste
am 21. Dezember 1990 in die Schweiz ein, wo er ebenfalls ein Asylgesuch
einreichte. Mit Entscheid vom 31. Mai 1991 wies das Bundesamt für
Flüchtlinge das Gesuch ab; dieser Entscheid wurde rechtskräftig.

    Am 17. März 1994 heirateten C. und A. Nachdem A. erfolglos versucht
hatte, in die Flüchtlingseigenschaft seiner Ehefrau einbezogen zu werden,
reiste er am 18. Juli 1994 auf Betreiben der Fremdenpolizei des Kantons
Graubünden in die Bundesrepublik Deutschland, kehrte jedoch am 15. August
1994 in die Schweiz zu seiner Ehefrau zurück. Dafür wurden er und seine
Gattin vom Kreisamt X. wegen Widerhandlung gegen das Bundesgesetz vom
26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR
142.20), welche im illegalen Aufenthalt bzw. in der Beherbergung einer
rechtswidrig in der Schweiz anwesenden Person erkannt wurde, zu je einer
Busse von Fr. 200.-- verurteilt.

    Am 4. Juli 1994 reichte C. bei der Fremdenpolizei des Kantons
Graubünden ein Gesuch um Familiennachzug für ihren Ehemann ein, welches
mit Verfügung vom 29. Juli 1994 wegen fehlender finanzieller Mittel
abgelehnt wurde.

    Dagegen erhob C. erfolglos Beschwerde beim Justiz-, Polizei- und
Sanitätsdepartement sowie in zweiter Instanz bei der Regierung des Kantons
Graubünden. Diese führte zur Begründung ihres Entscheides aus, wohl könne
sich C. auf Art. 8 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention,
EMRK; SR 0.101) berufen; indessen überwiege das öffentliche Interesse an
einer Fernhaltung des Ehemannes das private Interesse an einer sofortigen
Verwirklichung der Familiengemeinschaft in der Schweiz.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 25. September 1995 an das
Bundesgericht beantragt C., der Entscheid der Regierung des Kantons
Graubünden vom 15. August 1995 sei aufzuheben und die Fremdenpolizei des
Kantons Graubünden anzuweisen, ihrem Ehemann A. eine Aufenthaltsbewilligung
zu erteilen. Zur Begründung beruft sie sich im wesentlichen auf Art. 8
EMRK.

    In ihrer Vernehmlassung vom 17. Oktober 1995 schliesst die Regierung
des Kantons Graubünden auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
eingetreten werden könne. Das Bundesamt für Ausländerfragen stellt in
seiner Stellungnahme vom 8. November 1995 den Antrag, die Beschwerde
gutzuheissen und die Sache an die kantonalen Behörden zurückzuweisen zu
ergänzender Sachverhaltsfeststellung und zu neuem Entscheid.

    Mit Verfügung vom 24. Oktober 1995 hat der Präsident der II.
öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts die kantonalen Behörden
angewiesen, bis zum Entscheid über die Verwaltungsgerichtsbeschwerde von
aufenthaltsbeendenden Massnahmen gegen A. abzusehen.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut

Auszug aus den Erwägungen:

                   aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG schliesst die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus gegen die Erteilung oder Verweigerung
von fremdenpolizeilichen Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen
Anspruch einräumt.

    Gemäss Art. 4 ANAG entscheidet die zuständige Behörde, im Rahmen der
gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem
Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung. Der
Ausländer bzw. seine allfällig in der Schweiz lebenden Angehörigen
haben damit grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ihm eine
Aufenthaltsbewilligung erteilt wird. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
ist daher ausgeschlossen, soweit nicht eine Norm des Bundesrechts oder
eines Staatsvertrags dem Ausländer oder seinen Angehörigen einen Anspruch
auf eine fremdenpolizeiliche Bewilligung einräumt (BGE 120 Ib 6 E. 1,
16 E. 1 und 257 E. 1a, mit Hinweisen).

    b) Im Fremdenpolizeirecht stellt das Bundesgericht in formeller wie
auch materieller Hinsicht grundsätzlich auf die aktuellen tatsächlichen
und rechtlichen Umstände ab. Eine Ausnahme gilt namentlich, wenn eine
richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden hat, in welchem Fall die
Regelung von Art. 105 Abs. 2 OG greift (BGE 121 II 97 E. 1c; 120 Ib 257
E. 1f; 118 Ib 145 E. 2b). Da der angefochtene Entscheid nicht durch eine
richterliche Behörde erging und auch sonst keine Gründe für eine Ausnahme
vorliegen, ist der Sachverhalt massgeblich, wie er sich im Zeitpunkt des
bundesgerichtlichen Urteils ergibt.

    c) Art. 7 des Asylgesetzes vom 5. Oktober 1979 (SR 142.31) sieht unter
dem Randtitel "Familienvereinigung" vor, dass Ehegatten von Flüchtlingen
und ihren minderjährigen Kindern Asyl gewährt wird, wenn die Familie
durch die Flucht getrennt wurde und sich in der Schweiz vereinigen
will. Dabei handelt es sich jedoch um eine Frage des Asyls und nicht
des fremdenpolizeilich bewilligten Aufenthaltes. Für die Anwendung
der Bestimmung im Einzelfall sind denn auch die Asylbehörden und nicht
die fremdenpolizeilichen Instanzen zuständig. Art. 7 des Asylgesetzes
vermittelt der Beschwerdeführerin somit keinen Anspruch auf Erteilung
einer fremdenpolizeilichen Bewilligung an ihren Mann im Sinne von Art. 100
lit. b Ziff. 3 OG, was diese im übrigen nicht verkennt.

    d) Nach Art. 17 Abs. 2 erster Satz ANAG hat der ausländische Ehegatte
eines niedergelassenen Ausländers Anspruch auf Erteilung und Verlängerung
der Aufenthaltsbewilligung, solange die Ehegatten zusammen wohnen. Nach
dem Wortlaut des Gesetzes gilt dies auch dann, wenn der Zeitpunkt bereits
festgelegt ist, von welchem an frühestens die Niederlassung bewilligt
werden darf. Gemäss Art. 17 Abs. 1 zweiter Satz ANAG legt das Bundesamt
für Ausländerfragen im einzelnen Fall fest, von wann an frühestens die
Niederlassung bewilligt werden darf. Besteht ein gesetzlicher Anspruch
auf die Niederlassungsbewilligung, kann zwar der Anspruch auf Erteilung
der Aufenthaltsbewilligung an den Ehegatten auch dann entstehen, wenn
das Bundesamt für Ausländerfragen den massgeblichen Zeitpunkt noch
nicht festgelegt hat; notwendig ist aber wenigstens, dass die dafür
erforderlichen materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, d.h. namentlich
die vorgeschriebene Anwesenheitsdauer abgelaufen ist.

    Art. 26 des Asylgesetzes bestimmt, dass der Flüchtling mit
Asylgewährung Anspruch auf Regelung seiner Anwesenheit im Kanton hat,
wo er sich ordnungsgemäss aufhält. Nach Art. 28 des Asylgesetzes hat der
Flüchtling, dem die Schweiz Asyl gewährt hat und der sich seit mindestens
fünf Jahren ordnungsgemäss in der Schweiz aufhält, sodann Anspruch auf die
Niederlassungsbewilligung, wenn gegen ihn kein Ausweisungsgrund vorliegt
(vgl. BBl 1977 III 129). Allerdings hat das Bundesamt für Ausländerfragen
im Falle der Beschwerdeführerin den Zeitpunkt noch nicht bestimmt, von
welchem an die Niederlassung bewilligt werden darf. Sodann hält sich
diese erst seit dem 3. März 1993, also seit noch nicht drei Jahren,
in der Schweiz auf, weshalb sie die zeitlichen Anforderungen von Art. 28
des Asylgesetzes nicht erfüllt. Sie hat daher gegenwärtig keinen Anspruch
auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung und damit auch keinen auf
Gesetzesrecht gestützten Anspruch auf Nachzug ihres Ehemannes.

    e) Art. 8 Ziff. 1 EMRK garantiert den Schutz des Familienlebens. Darauf
kann sich der Ausländer berufen, der nahe Verwandte mit einem gefestigten
Anwesenheitsrecht in der Schweiz hat; wird ihm selber die Anwesenheit
in der Schweiz untersagt, kann dies Art. 8 EMRK verletzen. Nach der
Rechtsprechung setzt die Annahme eines gefestigten Anwesenheitsrechts
wenigstens einen festen Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung
voraus (BGE 119 Ib 91 E. 1c; vgl. auch BGE 111 Ib 161 E. 1a). Soweit
im übrigen eine familiäre Beziehung im beschriebenen Sinn tatsächlich
gelebt wird und intakt ist, wird das der zuständigen Behörde durch
Art. 4 ANAG grundsätzlich eingeräumte freie Ermessen eingeschränkt. In
solchen Fällen ist daher die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des um die
fremdenpolizeiliche Bewilligung ersuchenden Ausländers oder seiner hier
anwesenden Angehörigen zulässig (BGE 120 Ib 1 E. 1d, 6 E. 1, 16 E. 3a
und 257 E. 1c, mit Hinweisen).

    Gemäss ausdrücklicher Regelung in Art. 4 des Asylgesetzes schliesst
die Asylgewährung das Recht auf Anwesenheit in der Schweiz ein (vgl. BBl
1977 III 116). Art. 26 des Asylgesetzes bestimmt dementsprechend, dass der
anerkannte Flüchtling Anspruch auf Regelung seiner Anwesenheit, mithin auf
Erteilung einer Bewilligung (BBl 1977 III 128), hat. Die Beschwerdeführerin
hat somit ein gefestigtes Anwesenheitsrecht in der Schweiz im Sinne der
Rechtsprechung. Da die geltend gemachte familiäre Beziehung zum Ehemann
gelebt wird und intakt ist, kann sie sich auf Art. 8 EMRK berufen, womit
sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als zulässig erweist.

Erwägung 2

    2.- Im vorliegenden Zusammenhang bezweckt der Schutz von Art.  8 EMRK,
das Familienleben zu ermöglichen. Nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK ist ein Eingriff
in das von Ziff. 1 dieser Bestimmung geschützte Rechtsgut statthaft,
insoweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Massnahme darstellt, die
in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die
öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die
Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen,
zum Schutze der Gesundheit und Moral sowie der Rechte und Freiheiten
anderer notwendig ist.

    Die Konvention verlangt also eine Abwägung der sich gegenüberstehenden
privaten Interessen am Familiennachzug und öffentlichen Interessen an
dessen Verweigerung, wobei die öffentlichen in dem Sinne überwiegen müssen,
dass sich der Eingriff als notwendig erweist (vgl. BGE 120 Ib 1 E. 3b und
c, 6 E. 4a, 22 E. 4a). Dabei ist unter anderem wesentlich, ob gegen den
Ausländer fremdenpolizeiliche Entfernungs- und Fernhaltegründe sprechen,
insbesondere ob und in welchem Masse er sich massgebliches, straf- oder
fremdenpolizeirechtlich verpöntes Fehlverhalten hat zuschulden kommen
lassen. Nebst den übrigen persönlichen und familiären Verhältnissen ist
der Schwere solcher Vorwürfe und allenfalls den Umständen des Eheschlusses
Rechnung zu tragen. Sodann ist bei der Interessenabwägung zu fragen, ob den
hier anwesenheitsberechtigten Familienangehörigen zugemutet werden kann,
dem Ausländer, der keine Bewilligung erhält, ins Ausland zu folgen. Die
Frage der Zumutbarkeit bewertet sich nicht nach den persönlichen Wünschen
der Betroffenen, sondern ist unter Berücksichtigung ihrer persönlichen
Verhältnisse und aller Umstände objektiv zu beurteilen (BGE 115 Ib 1
E. 3b). Eine allfällige Unzumutbarkeit der Ausreise für die hier lebenden
Angehörigen ist mit abzuwägen, führt aber nicht zwingend für sich allein
zur Unzulässigkeit einer Bewilligungsverweigerung (vgl. BGE 116 Ib 353
E. 3f). Bei einem anerkannten Flüchtling dürften die privaten Interessen
jedoch regelmässig überwiegen, wenn eine Ausreise unzumutbar ist und
keine fremdenpolizeilichen Entfernungs- oder Fernhaltegründe vorliegen
(vgl. auch BGE 120 Ib 1 E. 3c).

Erwägung 3

    3.- a) Die Verweigerung der Anwesenheitsbewilligung an den Ehemann der
Beschwerdeführerin vermag sich auf die gesetzliche Ordnung, namentlich
auf Art. 4 ANAG, zu stützen und verfügt insoweit über eine gesetzliche
Grundlage im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK. Sodann ist im vorliegenden
Zusammenhang eine Zulassungsbeschränkung zu beurteilen, die unter
anderem den Schutz des Landes vor Überfremdung bezweckt, welche also
der Umsetzung einer restriktiven Politik hinsichtlich des Aufenthaltes
von Ausländern dient. Dieses Interesse ist unter dem Gesichtspunkt von
Art. 8 Ziff. 2 EMRK zulässig (vgl. BGE 120 Ib 1 E. 3b, 22 E. 4a; 119
Ib 81 E. 4b; 118 Ib 153 E. 2d), wird jedoch dadurch relativiert, dass
die Schweiz der Beschwerdeführerin Asyl gewährt und damit eine gewisse
Überfremdung im Hinblick auf eine allfällige spätere Familiengründung
in Kauf genommen hat. Der angefochtene Entscheid bezweckt aber auch,
die öffentliche Fürsorge vor dem Risiko einer zusätzlichen Belastung
zu bewahren. Dieses Interesse könnte indessen höchstens dann, wenn
es als sehr schwerwiegend gewichtet werden müsste, dazu beitragen,
eine massive Erschwerung oder gar Verunmöglichung des Familienlebens zu
rechtfertigen; zumal im vorliegenden Fall die Schweiz auch diesbezüglich
gewisse Konsequenzen aus der Asylgewährung zu tragen hat.

    b) Der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten lässt sich kein
schwerwiegendes Fehlverhalten vorwerfen. Der illegale Aufenthalt
des Ehemannes wird weitgehend durch Art. 23 ANAG bzw. die darauf
gestützte strafrechtliche Verurteilung sanktioniert. Im Hinblick
auf die Bewilligungserteilung ergibt sich kein Vorteil danach, ob der
nachzuziehende Ausländer noch im Ausland weilt oder sich bereits in der
Schweiz aufhält. Daraus kann somit entgegen der Auffassung der Vorinstanz,
abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann strafrechtlich
verurteilt worden sind, nichts Wesentliches zu ihren Ungunsten abgeleitet
werden.

    Die Straftat ihrerseits fällt angesichts der persönlichen und
familiären Umstände nicht sehr ins Gewicht; namentlich kann das Verschulden
nicht als erheblich bezeichnet werden. Im Strafmandat vom 1. März 1995
wird die Tat lediglich als leichter Fall gewertet; dem entspricht die
Bestrafung mit einer geringfügigen Busse (vgl. Art. 23 Abs. 1 ANAG). Die
Vorinstanz beruft sich sodann zu Recht nicht darauf, dass der Ehemann
der Beschwerdeführerin durch sein strafbares Verhalten im Sinne von
Art. 9 Abs. 2 lit. b ANAG zu schweren Klagen Anlass gegeben habe oder
sich geradezu eine Ausweisung der Beschwerdeführerin bzw. ihres Gatten
gemäss Art. 10 ANAG rechtfertigen würde. Eine solche Folgerung hielte
vor dem Gesetz auch nicht stand (vgl. insbesondere Art. 11 Abs. 3 ANAG).

    Aus fremdenpolizeilicher Sicht ist im übrigen die Widerrechtlichkeit
des Aufenthalts des Ehemannes der Beschwerdeführerin zu relativieren. Als
Asylbewerber konnte er seine Anwesenheit in der Schweiz bis zum
Entscheid der Asylrekurskommission auf Art. 19 Abs. 1 des Asylgesetzes
stützen. Seine weiteren Aufenthalte waren zwar nicht formell bewilligt;
hatte er aber gestützt auf Art. 8 EMRK einen Anspruch auf Anwesenheit,
war diese seit der Heirat mit der Beschwerdeführerin jedenfalls materiell
nicht widerrechtlich. Das scheitert auch nicht an Art. 12f Abs. 1 des
Asylgesetzes, ist doch die Einleitung eines fremdenpolizeilichen Verfahrens
bei hängigem Asylgesuch nur dann ausgeschlossen, wenn kein Anspruch auf
fremdenpolizeiliche Bewilligung besteht.

    c) Die Vorinstanz macht geltend, die Beschwerdeführerin sei von der
öffentlichen Fürsorge abhängig. Nach Art. 44 Abs. 1 des Asylgesetzes
darf allerdings ein Flüchtling, dem die Schweiz Asyl gewährt hat, nur
ausgewiesen werden, wenn er die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz
gefährdet oder die öffentliche Ordnung in schwerwiegender Weise verletzt
hat; die Ausweisung bzw. Heimschaffung wegen Fürsorgebedürftigkeit ist
beim anerkannten Flüchtling somit ausgeschlossen, weshalb es auf seine
finanzielle Situation nicht unmittelbar ankommen kann. Bringt der Nachzug
eines Familienangehörigen hingegen die Gefahr von Fürsorgeabhängigkeit
der nachzuziehenden Personen mit sich, kann es sich gestützt auf das
nationale Recht rechtfertigen, von der Erteilung der entsprechenden
Anwesenheitsbewilligungen an diese abzusehen, denn sie könnten aus
finanziellen Gründen auch wieder ausgewiesen werden (vgl. Art. 10 Abs. 1
lit. d und 11 Abs. 3 ANAG sowie BGE 119 Ib 81 E. 2d).

    Für die Zulässigkeit der Verweigerung eines auf Art. 17 Abs. 2
ANAG gestützten Familiennachzugs aus finanziellen Gründen verlangt das
Bundesgericht konkret die Gefahr einer fortgesetzten und erheblichen
Fürsorgeabhängigkeit im Sinne von Art. 10 Abs. 1 lit. d ANAG. Dabei
ist von den aktuellen Verhältnissen auszugehen, die wahrscheinliche
finanzielle Entwicklung aber auf längere Sicht abzuwägen (vgl. BGE
119 Ib 1 E. 3b, 81 E. 2e). Weiter darf auch nicht einzig auf das
Einkommen des hier anwesenden Familienangehörigen abgestellt werden,
sondern es sind - dem Gesetzeszweck der Vereinigung der Gesamtfamilie
entsprechend - die finanziellen Möglichkeiten aller Familienmitglieder
über eine längere Sicht abzuwägen. Ergänzend hat das Bundesgericht
auf die gesetzliche Unterstützungspflicht nach Art. 328 ZGB verwiesen
(vgl. BGE 119 Ib 1 E. 3c S. 7, 81 E. 2e S. 88). Mit Blick auf die
gegenseitige Unterhaltspflicht gemäss Art. 163 ZGB muss dies erst
recht unter Ehegatten gelten. Das Einkommen des Angehörigen, der an die
Lebenshaltungskosten der Familie beitragen soll, ist daran zu messen, ob
und in welchem Umfang es tatsächlich realisierbar ist. In diesem Sinne
müssen die Erwerbsmöglichkeit und das damit verbundene Zusatzeinkommen
konkret belegt und mit gewisser Wahrscheinlichkeit sowie, soweit möglich,
auf mehr als nur kurze Frist erhärtet sein, um Berücksichtigung zu finden
(unveröffentlichtes Urteil vom 24. August 1995 i.S. G.).

    Wie es sich bei einem auf Art. 8 EMRK gestützten
Familiennachzug verhält, hat das Bundesgericht bisher nie ausdrücklich
entschieden. Grundsätzlich muss aber Vergleichbares gelten. Die Vorinstanz
ist allerdings der Auffassung, die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung
ziehe nicht ohne weiteres auch die Zulassung zur Erwerbstätigkeit nach
sich, da kein Anspruch auf Erwerbstätigkeit bestehe und eine Bewilligung
derselben von der marktwirtschaftlichen Lage abhänge. Dieser Argumentation
liegt indessen das nationale Recht zugrunde. Besteht ein Anwesenheitsrecht
gestützt auf Art. 8 EMRK, kann dagegen nicht eingewendet werden, dieser
Anspruch lasse sich nicht verwirklichen, weil das nationale Recht eine
Erwerbstätigkeit verbiete, was zu Fürsorgeabhängigkeit führe.

    Die Beschwerdeführerin hat kein Einkommen und wird von der sie
vertretenden Hilfsorganisation unterstützt. Da sie an einer Hand leicht
behindert ist und keine eigentliche Berufsausbildung absolviert hat, dürfte
ihr die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auch künftig erschwert sein. Gemäss
einer Berechnung nach den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für
öffentliche Fürsorge soll der Finanzbedarf für den Zweipersonen-Haushalt
der Beschwerdeführerin unter Einschluss der Mietkosten insgesamt rund
Fr. 3'600.-- betragen. Auf diese Berechnung kann es allerdings nicht
allein ankommen (vgl. BGE 119 Ib 81 E. 2e S. 88). So wäre insbesondere
mitzuberücksichtigen, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin - gemäss
einem in den Akten liegenden Arbeitsvertrag vom 24. Juni 1994 - seit dem
18. Juli 1994 eine Arbeitsstelle gehabt hätte, die er bisher allerdings
mangels Bewilligung nicht antreten konnte. Auch wenn die monatliche
Verdienstmöglichkeit nicht frankenmässig genau ausgewiesen ist, müsste
die zu erwartende Entlastung der öffentlichen Fürsorge, die sich daraus
ergibt, zugunsten der Beschwerdeführerin gewertet werden. Angesichts der
übrigen Umstände des vorliegenden Falles kann indessen offenbleiben,
in welchen finanziellen Verhältnissen sich die Beschwerdeführerin und
ihr Ehemann heute tatsächlich befinden.

    d) Von der Beschwerdeführerin, die von der Schweiz als
Flüchtling anerkannt worden ist, kann nicht verlangt werden, in ihr
Heimatland Bosnien-Herzegowina zurückzukehren, solange das gewährte
Asyl aufrechterhalten bleibt. Abgesehen davon wäre andernfalls zu
prüfen, ob auch ihrem Gatten eine Ausreise dorthin zumutbar wäre. Die
Vorinstanz hält allerdings dafür, die Ausreise in die Heimat des Mannes,
d.h. in die jugoslawische Provinz Kosovo, sei zumutbar. Insbesondere
vermöge die Beschwerdeführerin nicht darzutun, inwieweit sie dort wegen
ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten
sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen konkreten und
ernsthaften Nachteilen ausgesetzt wäre. Sodann müsse den Beteiligten bei
der Eheschliessung bewusst gewesen sein, dass sie ihre Ehe nicht ohne
weiteres in der Schweiz leben könnten. Die Vorinstanz anerkennt immerhin,
dass eine Ausreise in den Kosovo mit gewichtigen Nachteilen verbunden
wäre. Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, sie habe letztlich
Asyl erhalten, weil sie und ihre Familie in Bosnien-Herzegowina unter
serbischen Übergriffen gelitten hätten. Zwischen dem Regime in den
serbisch kontrollierten Gebieten Bosnien-Herzegowinas und demjenigen
Restjugoslawiens bestünden noch heute enge politische Bande. Als
Mohammedanerin sei sie im Kosovo letztlich wieder denselben serbischen
Übergriffen ausgeliefert, vor denen sie im Jahre 1993 geflüchtet sei.

    Die Vorinstanz scheint für die Beurteilung der Zumutbarkeit einer
Ausreise dieselben Kriterien anzuwenden, die für die Anerkennung als
Flüchtling gelten (vgl. Art. 3 des Asylgesetzes). Es trifft zwar zu, dass
sich die Unzumutbarkeit aus vergleichbaren Zusammenhängen ergeben kann,
sie kann aber auch in anderen Umständen wie kulturellen Unvereinbarkeiten
oder persönlichen oder familiären Randbedingungen begründet sein. Der
Beurteilungsmassstab der Vorinstanz greift insofern zu kurz.

    Die Beschwerdeführerin hat bereits durch den Umstand, dass ihr hier
Asyl gewährt wurde, ein enges Verhältnis zur Schweiz. Sie musste daher
auch nicht ohne weiteres damit rechnen, ihre Ehe nicht in der Schweiz
leben zu können. Im übrigen gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür,
dass die Heirat auf fremdenpolizeilichen Überlegungen beruhte. Die
Beschwerdeführerin hat, abgesehen von der Herkunft ihres Ehemannes,
keine Beziehungen zum Kosovo. Dass sie sich nach den Erfahrungen ihrer
Familie, die letztlich ja zur Asylgewährung in der Schweiz führten,
vor der Ausreise in ein von Serben regiertes Land fürchtet, ist auch aus
objektiver Sicht selbst dann verständlich, wenn die Verfolgungssituation
in Bosnien-Herzegowina und in Restjugoslawien nicht ohne weiteres
miteinander vergleichbar wäre. Sodann ist es der Beschwerdeführerin und
ihrem Ehemann als abgewiesenem Asylbewerber gegenwärtig kaum möglich,
die Ehe im Kosovo zu leben, nachdem die Behörden Restjugoslawiens
abgewiesenen Asylbewerbern bisher die Rückkehr erheblich erschweren,
wenn nicht gar verweigern. Ist eine Ausreise für die Beschwerdeführerin
schon aus diesem Grund unzumutbar, erübrigen sich weitere Abklärungen zur
persönlichen und familiären Situation im Kosovo genauso wie ein Beizug
der Akten des Asylverfahrens, wie das Bundesamt für Ausländerfragen in
seiner Stellungnahme an das Bundesgericht beantragt.

    e) Zusammenfassend ergibt sich, dass gegen die Beschwerdeführerin und
ihren Mann keine entscheidwesentlichen Entfernungs- bzw. Fernhaltegründe
vorliegen. Massgeblich ist höchstens eine gewisse mit dem Nachzug des
Ehemannes verbundene Gefahr der zusätzlichen Belastung der öffentlichen
Fürsorge, welche aber durch die erhöhte Chance, dass der Ehemann ein
Erwerbseinkommen erzielen und damit die bestehende Fürsorgeabhängigkeit der
Beschwerdeführerin sogar vermindern könnte, weitgehend wieder ausgeglichen
wird. Den Ausschlag gibt, dass es für die Beschwerdeführerin und ihren
Gatten nicht möglich bzw. zumutbar ist, ihre Ehe in der Heimat des Mannes
zu leben. Unter diesen Umständen überwiegt das private Interesse der
Beschwerdeführerin, ihr Familienleben in der Schweiz führen zu können,
die von der Vorinstanz angerufenen öffentlichen Interessen, namentlich
den Schutz des Landes vor Überfremdung sowie die allfällige Gefahr der
Inanspruchnahme der öffentlichen Fürsorge. Der angefochtene Entscheid
verstösst somit gegen Art. 8 EMRK.