Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 122 III 436



122 III 436

80. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 3.
Dezember 1996 i.S. C. Ltd. (Rekurs) Regeste

    Art. 242 SchKG; Fristansetzung zur Anhebung der Aussonderungsklage.

    Nur wenn sich die von einem Dritten angesprochene Sache im
ausschliesslichen Gewahrsam der Konkursmasse befindet, ist die
Konkursverwaltung berechtigt, dem Drittansprecher nach Art. 242 Abs. 2
SchKG eine Frist von zehn Tagen zur Anhebung der Aussonderungsklage
anzusetzen (E. 2a).

    Hat die Konkursverwaltung die von einem Dritten angesprochenen
Vermögenswerte im Verlauf des Konkursverfahrens veräussert und dadurch den
Gewahrsam an der Sache verloren, gelangt als Surrogat der veräusserten
Gegenstände der Erlös - als für den Drittansprecher auszuscheidender
Vermögenswert - in den Gewahrsam der Konkursmasse (E. 2c).

Sachverhalt

    Im Konkurs der R. AG soll die ausseramtliche Konkursverwaltung
im Verlauf des Verfahrens angeblich einen Grossteil der Aktiven der
Gemeinschuldnerin - inklusive die Rechte an drei Patenten - an die
A. AG verkauft haben. Mit Kollokationsverfügung vom 13. August 1996
wies die Konkursverwaltung u.a. den von der C. Ltd. geltend gemachte
Aussonderungsanspruch für drei Patente ab und setzte der C. Ltd. eine
Frist von zehn Tagen zur Anhebung der Aussonderungsklage nach Art. 242
Abs. 2 SchKG an. Eine von der C. Ltd. gegen diese Fristansetzung erhobene
Beschwerde wies die Rekurskommission des Obergerichtes des Kantons Thurgau
mit Beschluss vom 2. September 1996 ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Nach Art. 242 Abs. 1 SchKG verfügt die Konkursverwaltung
über die Herausgabe von Sachen, welche von einem Dritten als Eigentum
angesprochen werden; hält sie den Anspruch für unbegründet, so setzt
sie dem Dritten nach Art. 242 Abs. 2 SchKG eine Frist von zehn Tagen
zur Anhebung der Klage an. Um über die Herausgabe beweglicher Sachen
zu verfügen und Dritten, deren Eigentumsansprache für unbegründet
gehalten wird, Frist anzusetzen, muss sich die betreffende Sache im
ausschliesslichen Gewahrsam der Masse befinden (BGE 93 III 96 E. 3
S. 102 f.). Andernfalls obliegt es der Masse oder gegebenenfalls den
Abtretungsgläubigern nach Art. 260 SchKG, gegen den Dritten, der Gewahrsam
an den Vermögenswerten hat, auf Herausgabe der Sache zu klagen (BGE
110 III 87 E. 2a S. 90 mit Hinweis). Für die Bestimmung des Gewahrsams
kommt es im Konkursverfahren auf den Zeitpunkt der Konkurseröffnung an,
in welchem Zeitpunkt der Gemeinschuldner die Verfügungsgewalt über sein
Vermögen verliert (Art. 197 SchKG); damit verhält es sich im Konkurs analog
zum Widerspruchsverfahren nach Art. 106 bis 109 SchKG, wo auf den Zeitpunkt
abgestellt wird, in dem der Betriebene seine tatsächliche Verfügungsgewalt
durch Pfändung (Art. 96 SchKG) oder Arrestierung (Art. 275 SchKG) verliert
(vgl. BGE 110 III 87 E. 2c S. 92 f. mit Hinweisen).

    b) Die Rekurrentin hält dafür, dass der vorliegende Sachverhalt
nicht unter diese Rechtsprechung falle; vielmehr sei für die Frage, ob
eine Frist nach Art. 242 Abs. 2 SchKG anzusetzen sei und sie demnach
Aussonderungsklage erheben müsse, BGE 24 I 719 ff. massgebend. In
diesem Urteil hat das Bundesgericht entschieden, dass für die Frage der
Parteirollenverteilung der Zeitpunkt, in dem der Streit angehoben werde,
und nicht jener der Konkurseröffnung oder der Inventaraufnahme massgebend
sei; in diesem Fall hatte die Masse zwar mit der Konkurseröffnung den
Gewahrsam über die Sache erlangt, sich dieser aber danach begeben, weshalb
die dem Gläubiger gegenüber verfügte Fristansetzung nach Art. 242 Abs. 2
SchKG aufgehoben wurde (E. 2 S. 723 f.). Damit wurde dem Umstand Rechnung
getragen, dass sich die faktischen Verhältnisse zwischen Konkurseröffnung
und Einleitung des Aussonderungsprozesses verändert hatten.

    c) Die Frage, ob BGE 110 III 97 ff. einer eigentlichen Praxisänderung
gleichkomme und insoweit der dem BGE 24 I 273 ff. zugrundeliegende
Sachverhalt heute anders beurteilt werden müsste - wie dies die
Vorinstanz geltend macht und von der Rekurrentin bestritten wird
-, kann im vorliegenden Fall indessen offenbleiben. Einerseits ist
unbestritten, dass die Masse mit der Konkurseröffnung den Gewahrsam an
den Patenten erlangt hatte. Anderseits unterscheidet sich der hier zu
beurteilende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt von dem von den
Parteien angerufenen Entscheid. Während in dem vom Bundesgericht in BGE
24 I 723 ff. entschiedenen Fall die Konkursverwaltung die umstrittenen
Sachen dem Eigentumsansprecher zur freien Verfügung herausgegeben und
dieser dadurch die faktische Verfügungsgewalt darüber erlangt hatte,
verkaufte die Konkursverwaltung die Sachen im vorliegenden Fall an
eine Drittperson. Hat aber die Konkursverwaltung Gegenstände in ihrem
Vermögen einem Dritten veräussert, wird die Forderung auf den an Stelle
der Sache getretenen Erlös nicht zu einer einfachen Massaforderung,
die erst nach Deckung der Kosten Anspruch auf Befriedigung hätte;
vielmehr ist die eingezogene - eventuell das Recht auf die noch
ausstehende - Gegenleistung vor der Befriedigung der Massagläubiger aus
der Konkursmasse auszuscheiden (JAEGER, Schuldbetreibung und Konkurs,
Band II, Zürich 1911, N. 3.A. zu Art. 242 a.E.; GILLIÉRON, Poursuite
pour dettes, faillite et concordat, 3. Auflage, Lausanne 1993, S. 332,
§ 2 III). Als Surrogat der vom Dritten angesprochenen, zwischenzeitlich
aber veräusserten Gegenstände fällt die entsprechende Gegenleistung des
Dritterwerbers als für den Ansprecher auszuscheidende Vermögenswerte
in die Konkursmasse, so dass sich diese Gegenleistung im Gewahrsam der
Konkursverwaltung befindet. Der Rekurrentin ist zwar beizupflichten,
dass die Konkursverwaltung den Gewahrsam nach der Konkurseröffnung
freiwillig aufgegeben hat, doch übersieht sie, dass der Konkursverwaltung
im Gegenzug der Gewahrsam an der Gegenleistung zugefallen ist. Aus diesem
Grund ist auf jeden Fall das Verfahren nach Art. 242 SchKG durchzuführen;
es trifft somit nicht zu, dass die Fristansetzung nach Art. 242 Abs. 2
SchKG zur Anhebung der Aussonderungsklage keinen Sinn mehr mache, da
sich der Aussonderungsanspruch nunmehr gegen die eingezogene bzw. noch
ausstehende Gegenleistung richtet. Es ist daher in verfahrensrechtlicher
Hinsicht nicht zu beanstanden, dass die Konkursverwaltung eine Verfügung
über den Anspruch getroffen und der Beschwerdeführerin Frist zur Klage
angesetzt hat. Die Beschwerde erweist sich deshalb als unbegründet.