Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 122 III 398



122 III 398

73. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. September 1996
i.S. F. AG gegen R. AG und Obergericht (2. Zivilkammer) des Kantons Aargau
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Beschwerde einer Gläubigerin gegen die Bestätigung des
Nachlassvertrages (Art. 4 BV; Art. 307 SchKG).

    Die obere Nachlassbehörde handelt nicht willkürlich, wenn sie auf die
Beschwerde einer Gläubigerin gegen die Bestätigung des Nachlassvertrages
nicht eintritt mit der Begründung, die Beschwerdeführerin habe sich vor
der unteren Nachlassbehörde nicht gegen den Vertrag ausgesprochen (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Mit Entscheid vom 11. April 1996 bestätigte das Bezirksgericht
Zofingen in seiner Eigenschaft als untere Nachlassbehörde den ihm von der
R. AG unterbreiteten Nachlassvertrag. Die Gläubiger waren zur Verhandlung
ordnungsgemäss geladen mit dem Hinweis, dass sie Einwendungen gegen den
Vertrag bei diesem Anlass vorbringen könnten. Die Gläubigerin F. AG
war ausgeblieben, führte aber beim Obergericht des Kantons Aargau,
der oberen Nachlassbehörde, Beschwerde gegen die Bestätigung des
Vertrages. Das Obergericht trat darauf nicht ein mit der Begründung,
die Beschwerdeführerin habe ihre Einwendungen nicht schon bei der unteren
Nachlassbehörde erhoben.

    Die F. AG führt staatsrechtliche Beschwerde mit den Begehren, der
Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und dieses sei anzuweisen, auf
die nicht behandelte Beschwerde materiell einzutreten. Das Bundesgericht
weist die Beschwerde ab, unter anderem aus folgender

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägung:

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführerin betrachtet den Nichteintretensentscheid
des Obergerichts als willkürlich. Des Rechts zur Anfechtung eines
Genehmigungsbeschlusses bei der oberen Nachlassbehörde gehe nur derjenige
Gläubiger verlustig, der dem Nachlassvertrag zugestimmt, nicht aber
derjenige, der sich stillschweigend darauf verlassen habe, dass die
Nachlassbehörde die Voraussetzungen für eine Bestätigung des Vertrages
pflichtgemäss von Amtes wegen prüfe.

    Die Legitimation zum Weiterzug des Bestätigungsentscheides an die obere
kantonale Nachlassbehörde wird in Art. 307 SchKG nicht geregelt, diejenige
der Gläubiger, falls sie zu bejahen ist, auch nicht davon abhängig gemacht,
dass sie sich bereits vor der unteren Instanz der Genehmigung des Vertrages
widersetzt hatten. Die Zulassung der Gläubiger mit dieser Einschränkung
scheint indessen der herrschenden Lehre zu entsprechen, die ihrerseits
an BGE 55 I 72 anknüpft. Das Bundesgericht hatte in diesem Entscheid den
Eintritt von Verwirkungsfolgen für die Gläubiger von der ordnungsgemässen
Ladung zur Bestätigungsverhandlung abhängig gemacht, sie also umgekehrt
bei ordnungsgemässer Ladung jedenfalls nicht ausgeschlossen. FRITZSCHE
(Schuldbetreibung, Konkurs und Sanierung) schloss daraus in der vom
Obergericht angeführten ersten Auflage von 1955 (Bd. II S. 322) wie
auch in der zweiten von 1968 (Bd. II S. 335) auf ein Beschwerderecht
für denjenigen Gläubiger, der sich dem Vertrag widersetzt hatte. Die
aktuelle dritte Auflage (FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs
nach schweizerischem Recht, Bd. II Zürich 1993, S. 634 Rz. 22) lässt
es bei einem Hinweis auf die erwähnten Ausführungen des Bundesgerichts
bewenden, ohne die frühere Aussage zu relativieren. Diese hatte im
übrigen der bereits von JAEGER (Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II, 3.
Aufl. Zürich 1911, N. 4 zu Art. 307 SchKG) vertretenen Meinung entsprochen.
BRAND (SJK Nr. 959, 1946, S. 11) verlangt, der beschwerdeführende
Gläubiger müsse an der Bestätigungsverhandlung teilgenommen - und wohl
auch sich entsprechend geäussert - haben. Dass nur derjenige Gläubiger
gegen die Bestätigung des Nachlassvertrages bei der oberen kantonalen
Nachlassbehörde Beschwerde führen könne, der sich vor der unteren gegen
den Vertrag ausgesprochen habe, vertreten ferner auch FLAVIO COMETTA
(La procedura concordataria nel nuovo diritto, in: La revisione della
legge federale sulla esecuzione e sul fallimento, Lugano 1995, S. 150)
und GILLIÉRON (Les conditions d'homologation du concordat dans la pratique
judiciaire vaudoise, in: BlSchK 47/1983, S. 2). BÜCHI (Grundzüge des
schweizerischen Schuldbetreibungsrechts, Bd. 1, 2. Aufl. Zürich 1982,
S. 133) fordert ausdrücklich eine vorgängige "Einsprache". AMONN (Grundriss
des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5. Aufl. Bern 1993, Rz. 61 zu §
54, S. 448) äussert sich nicht zu dieser Frage.

    Das Obergericht ist der Auffassung, dass ein Gläubiger,
der gesetzeskonform (Art. 304 Abs. 2 SchKG) aufgefordert
gewesen war, allfällige Einwendungen gegen den Nachlassvertrag an
der Bestätigungsverhandlung vorzubringen, und dem ferner sogar noch
zugestanden worden wäre, sich gegenüber der Nachlassbehörde in anderer
Form zu äussern, sich nicht ungestraft ausschweigen und sich statt dessen
auf eine nachfolgende Beschwerdeführung verlegen darf. Das ist zumindest
willkürfrei vertretbar. Wer um die zu entscheidenden Fragen weiss und
zur Äusserung aufgerufen ist, kann sich zwar wohl auf die von Amtes
wegen anstehende Prüfung verlassen, hat sich aber auch damit abzufinden,
dass seine Argumentation bei der Entscheidfindung nicht berücksichtigt
wird. Das angefochtene Urteil ist in diesem Punkt nicht zu beanstanden.