Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 122 III 382



122 III 382

70. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. Oktober 1996 i.S.
Asta Medica Aktiengesellschaft gegen Robugen GmbH (Berufung) Regeste

    Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG. Verwechselbarkeit von Marken.

    Erscheinungsformen der Verwechslungsgefahr (E. 1).

    Erweiterter Schutzumfang starker und bekannter Marken (E. 2).

    Erhöhte Verwechslungsgefahr bei Marken für identische Kategorien von
Massenartikeln (E. 3).

    Massgebende Gesichtspunkte für den Zeichenvergleich bei Marken,
die vor allem in gemeinfreien Bestandteilen übereinstimmen (E. 5).

Sachverhalt

    A.- Die Asta Medica Aktiengesellschaft (nachstehend: Asta AG) stellt
pharmazeutische und kosmetische Produkte her. Sie ist unter anderem
Inhaberin der seit 1923 international registrierten Marke "Kamillosan",
die sie in der Schweiz für Salbe, Creme, Gel, Liquidum, Puder, Mundwasser
und Rachenspray nutzt. Diese Produkte werden in Apotheken und Drogerien
direkt an die Endabnehmer verkauft.

    Auch die Robugen GmbH, Pharmazeutische Fabrik, (nachstehend: Robugen
GmbH) tritt mit pharmazeutischen und kosmetischen Produkten am Markt
auf. Im Bereich Kamille ist sie seit 1933 mit der Marke "PERKAMILLON"
vertreten, die seit 1961 auch international registriert ist. Seit 1980
hat sie ihre Aktivitäten in der Schweiz stark ausgebaut, wo sie heute
Marktführerin auf dem Kamillenbad-Sektor ist. Am 23. Dezember 1993 hat
sie beim Bundesamt für geistiges Eigentum die Marken "KAMILLAN" und
"KAMILLON" hinterlegt.

    Mit Schreiben vom 20. Januar und vom 21. Februar 1994 forderte die
Asta AG die Robugen GmbH auf, die Marken "KAMILLAN" und "KAMILLON" wegen
Verwechselbarkeit mit ihrer eigenen Marke "Kamillosan" im Register löschen
zu lassen. Die Robugen GmbH kam indessen dieser Aufforderung nicht nach.

    B.- Am 21. Februar 1995 klagte die Asta AG beim Handelsgericht
des Kantons Bern gegen die Robugen GmbH auf Feststellung, dass die
Markeneintragungen "KAMILLAN" und "KAMILLON" nichtig seien, was dem
Bundesamt für geistiges Eigentum im Hinblick auf ihre Löschung mitzuteilen
sei. Das Handelsgericht hiess mit Urteil vom 28. November 1995 die Klage
teilweise gut und stellte die Nichtigkeit der Markeneintragung "KAMILLAN"
fest; in bezug auf die Markeneintragung "KAMILLON" wies es jedoch die
Klage ab.

    C.- Gegen das handelsgerichtliche Urteil hat die Klägerin Berufung
und die Beklagte Anschlussberufung eingelegt. Das Bundesgericht heisst
die Berufung gut und weist die Anschlussberufung ab. Es ändert das Urteil
des Handelsgerichts dahin ab, dass es sowohl die Eintragung der Marke
"KAMILLAN" als auch jene der Marke "KAMILLON" für nichtig erklärt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG (SR 232.11) versagt einem Zeichen
den Markenschutz, wenn es einer älteren Marke ähnlich und für gleiche
oder gleichartige Waren bestimmt ist, so dass sich daraus eine
Verwechslungsgefahr ergibt. Ob eine solche Gefahr besteht, prüft das
Bundesgericht im Berufungsverfahren als Rechtsfrage (BGE 119 II 473
E. 2c S. 475).

    Zweck der Marke ist es, die gekennzeichneten Waren zu individualisieren
und von anderen Waren zu unterscheiden, um die Verbraucher in die Lage
zu versetzen, ein einmal geschätztes Produkt in der Menge des Angebots
wiederzufinden (BGE 119 II 473 E. 2c S. 475, mit Hinweisen). Von
dieser Kernaufgabe der Marke ist auszugehen, wenn geprüft werden soll,
ob zwei Zeichen verwechselbar sind. Eine Verwechslungsgefahr im Sinne
von Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG ist demnach dann anzunehmen, wenn das
jüngere Zeichen die ältere Marke in ihrer Unterscheidungsfunktion
beeinträchtigt. Eine solche Beeinträchtigung ist gegeben, sobald zu
befürchten ist, dass die massgeblichen Verkehrskreise sich durch die
Ähnlichkeit der Marken irreführen lassen und Waren, die das eine oder
das andere Zeichen tragen, dem falschen Markeninhaber zurechnen (MARBACH,
Markenrecht, in: Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht,
Basel, Bd. III, S. 111; JACQUES BAUMGARTNER, Le risque de confusion en
matière de marques, Diss. Lausanne 1970, S. 57 ff.; vgl. auch BGE 116 II
365 E. 4a S. 370). Eine bloss entfernte Möglichkeit von Fehlzurechnungen
genügt dabei allerdings nicht. Erforderlich ist, dass der durchschnittliche
Verbraucher die Marken mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit verwechselt
(BGE 119 II 473 E. 2d S. 476, mit Hinweis).

    Die Rechtsprechung nimmt eine Verwechslungsgefahr aber auch dann
an, wenn das Publikum die Marken zwar durchaus auseinanderzuhalten
vermag, aufgrund ihrer Ähnlichkeit aber falsche Zusammenhänge vermutet,
insbesondere an Serienmarken denkt, die verschiedene Produktelinien des
gleichen Unternehmens oder von wirtschaftlich miteinander verbundenen
Unternehmen kennzeichnen (BGE 102 II 122 E. 2 S. 126; 96 II 243 E. 2
S. 248 f., mit Hinweisen; vgl. ferner auch 87 II 35 E. 2c S. 38). Eine
Verwechslungsgefahr kann sich sodann ebenfalls daraus ergeben, dass das
jüngere Zeichen unmissverständlich eine Botschaft des Inhalts "Ersatz für"
oder "gleich gut wie" vermittelt. Denn auch durch derartige Anlehnungen
an die Kennzeichnungs- und Werbekraft der älteren Marke kann deren
Unterscheidungsfunktion gestört werden, selbst wenn Fehlzurechnungen im
eigentlichen Sinn unwahrscheinlich sind (MARBACH, aaO, S. 112; vgl. auch
Jean Jene, Warenmarke und Warenausstattung unter dem Gesichtspunkt
der Bezugnahme und Annäherung, Diss. Basel 1978, S. 140 f.; anders für
das deutsche Recht BAUMBACH/HEFERMEHL, Warenzeichenrecht, 12. Aufl.,
München 1985, N. 100 zu § 31 WZG). Insbesondere besteht die Gefahr,
dass die Konsumenten die mit den beiden Marken gekennzeichneten Waren
für austauschbar halten und daher, wenn sie in der Masse des Angebots
das einmal geschätzte Produkt wiederzufinden suchen, nicht mehr darauf
achten, ob sie Waren der einen oder der anderen Marke einkaufen. Das aber
kann die Unterscheidungsfunktion der älteren Marke ebenso empfindlich
beeinträchtigen wie die Gefahr eigentlicher Fehlzurechnungen.

    Ob zwei Marken sich hinreichend deutlich unterscheiden oder im
Gegenteil - im engeren oder im weiteren Sinne - verwechselbar sind, ist
nicht aufgrund eines abstrakten Zeichenvergleichs, sondern stets vor dem
Hintergrund der gesamten Umstände zu beurteilen (DAVID, Kommentar zum
Schweizerischen Privatrecht, Basel, N. 14 zu Art. 3 MSchG; vgl. auch BGE
121 II 377 E. 2a S. 378; 84 II 441 E. 1c S. 444, je mit Hinweisen). Der
Massstab, der an die Unterscheidbarkeit anzulegen ist, hängt einerseits vom
Umfang des Ähnlichkeitsbereichs ab, dessen Schutz der Inhaber der älteren
Marke beanspruchen kann (E. 2 hienach). Anderseits ist zu berücksichtigen,
für welche Warengattungen die sich gegenüberstehenden Marken hinterlegt
sind (E. 3 hienach).

Erwägung 2

    2.- a) Der Schutzumfang einer Marke bestimmt sich nach ihrer
Kennzeichnungskraft. Für schwache Marken ist der geschützte
Ähnlichkeitsbereich kleiner als für starke. Bei schwachen Marken
genügen daher schon bescheidenere Abweichungen, um eine hinreichende
Unterscheidbarkeit zu schaffen. Als schwach gelten insbesondere Marken,
deren wesentliche Bestandteile sich eng an Sachbegriffe des allgemeinen
Sprachgebrauchs anlehnen. Stark sind demgegenüber Marken, die entweder
aufgrund ihres phantasiehaften Gehalts auffallen oder aber sich im
Verkehr durchgesetzt haben (MARBACH, aaO, S. 113; DAVID, aaO, N.
13 zu Art. 3 MSchG; BAUMGARTNER, aaO, S. 79 ff.; MARCO HAUSER, Die
Inzidenz der Publikumsinteressen auf Wesen und Umfang des Markenrechts,
Diss. Zürich 1966, S. 121 ff., insbes. 124; SCHLUEP, Das Markenrecht
als subjektives Recht, S. 17 ff., insbes. 19 ff.; VON BÜREN, Kommentar
zum Wettbewerbsgesetz, S. 140 ff. N. 97 ff.; ähnlich auch TROLLER,
Immaterialgüterrecht, Bd. I, 3. Aufl. 1983, S. 238 f.; vgl. ferner BGE
79 II 98 E. 1b S. 99 f.; ebenso schliesslich die Praxis des BAGE: PMMBl
1994 I 53 E. 14 S. 54; zurückhaltend dagegen MATTER, Komm. MSchG, S. 104
ff.; kritisch BRUNNER/HUNZIKER, Die Verwechslungsgefahr von Marken und
das erhöhte Rechtsschutzbedürfnis des Markeninhabers im Marketing, in:
Marke und Marketing, 1990, S. 334 f. und 343 ff., sowie ADRIAN ZIMMERLI,
Der markenrechtlich erforderliche Zeichen- und Warenabstand, Diss. Zürich
1975, S. 137 ff.).

    Die Abhängigkeit des Schutzumfangs von der Kennzeichnungskraft
findet ihre Rechtfertigung vor allem darin, dass schwache Marken weniger
schutzwürdig sind als starke. Wer sich mit seiner Marke dem Gemeingut
annähert, nimmt eine geringe Unterscheidungskraft in Kauf, solange er
seine Marke dem Publikum nicht durch Werbeanstrengungen in besonderem
Masse als Kennzeichen seiner Waren eingeprägt hat. Starke Marken sind
das Ergebnis einer schöpferischen Leistung oder langer Aufbauarbeit; sie
verdienen deshalb einen weiteren Ähnlichkeitsbereich. Schwache Zeichen
sollen demgegenüber nicht die gleiche Sperrwirkung entfalten können und
den verbleibenden Raum für die Markenbildung nicht im gleichen Masse
einengen dürfen (VON BÜREN, aaO, S. 143 f. N. 104; SCHLUEP, aaO, S. 19
und 23; ähnlich auch BAUMGARTNER, aaO, S. 81 und 86). Im weiteren
ist zu beachten, dass starke Zeichen des Schutzes auch in erhöhtem
Masse bedürfen, weil sie Annäherungsversuchen besonders ausgesetzt
sind, zeigt doch die Erfahrung, dass "jedes wirklich eigenartige und
erfolgreiche Zeichen eine Herde von Schmarotzern aufscheucht, die am
Erfolg irgendwie teilhaben wollen" (BAUMBACH/HEFERMEHL, aaO, N. 127 zu §
31 WZG). Schliesslich ist zu berücksichtigen, dass kennzeichnungskräftige
Zeichen starke Erinnerungsvorstellungen hinterlassen. Das aber begünstigt
unzutreffende Assoziationen: Bei der Wahrnehmung eines anderen Zeichens
genügt eine blosse Teilidentität, um im Bewusstsein des Konsumenten
die Gedankenverbindung zum bekannten Zeichen hervorzurufen (MARBACH,
aaO, S. 113 f.; SCHLUEP, aaO, S. 20 f.; ebenso für das deutsche Recht
BAUMBACH/HEFERMEHL, aaO, N. 128 zu § 31 WZG).

    Verschiedene Autoren weisen allerdings darauf hin, dass starke und
bekannte Marken nicht nur eher, sondern auch präziser in der Erinnerung
der Konsumenten haften bleiben, so dass Abweichungen eher wahrgenommen
werden (DAVID, aaO, N. 13 zu Art. 3 MSchG; BRUNNER/HUNZIKER, aaO, S. 344
f.; TROLLER, aaO, S. 238; ZIMMERLI, aaO, S. 140 f.; VON BÜREN, aaO,
S. 142 f. N. 101). Daraus lässt sich indessen nicht ableiten, dass mit
zunehmender Stärke und Bekanntheit einer Marke geringere Anforderungen
an die Unterscheidbarkeit von jüngeren Marken zu stellen wären (so aber
ZIMMERLI, aaO, S. 139 ff.). Denn die grosse

    Kennzeichnungskraft und der hohe Bekanntheitsgrad einer Marke mögen
zwar beim Publikum ein präziseres Erinnerungsbild schaffen und damit die
Wahrscheinlichkeit eigentlicher Fehlzurechnungen vermindern. Gleichzeitig
erhöht die Ausstrahlung der starken Marke jedoch die Wahrscheinlichkeit
von Assoziationen und damit die Gefahr, dass die Konsumenten ähnliche
Drittmarken als Serienzeichen missdeuten (VON BÜREN, aaO, S. 143 N. 102;
BAUMBACH/HEFERMEHL, aaO, N. 128 zu § 31 WZG; a.M. ZIMMERLI, aaO,
S. 142 ff.) oder aber als Kennzeichen gleichwertiger, austauschbarer
Ersatzprodukte auffassen (vgl. E. 1 hievor; siehe zum Ganzen ferner auch
HAUSER, aaO, S. 117 und 122 f.).

    b) Der Phantasiegehalt der klägerischen Marke "Kamillosan"
ist gering. Der Wortstamm "KAMILL-" weist darauf hin, dass das
gekennzeichnete Präparat Kamille enthält. Die Endsilbe "-SAN" leitet
sich aus dem lateinischen "sanus" bzw. dem italienischen "sano" ab und
steht für "gesund". Daraus schliesst das Handelsgericht, die klägerische
Marke sei wenig kennzeichnungskräftig, was grundsätzlich für einen engen
Schutzbereich spreche; dies umso mehr, als eine ganze Reihe von weiteren
etablierten Zeichen die Bestandteile "KAMILL" oder "SAN" enthielten. Auf
der anderen Seite stellt die Vorinstanz in tatsächlicher Hinsicht
fest, dass sich die Marke im Verkehr durchgesetzt und einen erheblichen
Bekanntheitsgrad erlangt hat. Die Bekanntheit der Marke rechtfertigt jedoch
nach Auffassung des Handelsgerichts keine Erweiterung des Schutzbereichs,
sondern vermindert im Gegenteil die Gefahr von Verwechslungen, weil sich
das seit langem vertraute "Kamillosan" im Erinnerungsvermögen der Abnehmer
eingeprägt habe und aus ähnlichen Produkten auf Kamillenbasis eher erkannt
werde als eine weniger bekannte Marke.

    Dieser Argumentation kann nach dem Gesagten nicht gefolgt werden. Zwar
trifft es zu, dass die klägerische Marke aus Sachbegriffen zusammengesetzt
ist und daher ursprünglich kennzeichnungsschwach war. Infolge der
offensichtlichen Verkehrsdurchsetzung, von der das Bundesgericht aufgrund
der tatsächlichen Feststellungen des Handelsgericht auszugehen hat
(Art. 63 Abs. 2 OG), ist sie jedoch im Laufe der Jahre zu einem starken
Zeichen geworden, dem angesichts seiner Bekanntheit eine erhebliche
Individualisierungskraft eignet. Dadurch aber erweitert sich der geschützte
Ähnlichkeitsbereich, auch wenn die Wahrscheinlichkeit eigentlicher
Fehlzurechnungen geringer sein sollte. Entgegen der Auffassung des
Handelsgerichts sind daher an die Unterscheidbarkeit der beiden jüngeren
Zeichen der Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Schutzbereichs der
klägerischen Marke hohe Anforderungen zu stellen.

Erwägung 3

    3.- a) Je näher sich die Waren sind, für welche die Marken
registriert sind, desto grösser wird das Risiko von Verwechslungen
und desto stärker muss sich das jüngere Zeichen vom älteren abheben,
um die Verwechslungsgefahr zu bannen. Ein besonders strenger Massstab
ist anzulegen, wenn beide Marken für identische Warengattungen bestimmt
sind (BGE 121 II 377 E. 2a S. 379, mit Hinweisen). Im weiteren ist von
Bedeutung, an welche Abnehmerkreise sich die Waren richten und unter
welchen Umständen sie gehandelt zu werden pflegen (aaO, S. 378). Bei
Massenartikeln des täglichen Bedarfs, wie sie Kosmetika darstellen
(BGE 96 II 400 E. 2 S. 400), ist mit einer geringeren Aufmerksamkeit
und einem geringeren Unterscheidungsvermögen der Konsumenten zu rechnen
als bei Spezialprodukten, deren Absatzmarkt auf einen mehr oder weniger
geschlossenen Kreis von Berufsleuten beschränkt bleibt (BGE 84 II 441
E. 2 S. 445 f.).

    b) Nach den Feststellungen der Vorinstanz sind die Marken der
Klägerin und der Beklagten für identische Waren im Markenregister
eingetragen. Es handelt sich zudem nicht um Arzneimittel, die nur von
spezialisiertem medizinischem Personal verschrieben oder abgegeben würden,
sondern um für jedermann ohne Rezept erhältliche "Volksheilmittel" und
Körperpflegeprodukte. Massgebend sind deshalb die Aufmerksamkeit und
das Unterscheidungsvermögen des gewöhnlichen, nicht über eine spezielle
Ausbildung verfügenden Konsumenten. All das legt ebenfalls einen strengen
Massstab an die Unterscheidbarkeit der beklagtischen Marken nahe.

Erwägung 5

    5.- a) Der Gesamteindruck von Wortmarken wird zunächst durch den
Klang und durch das Schriftbild bestimmt; gegebenenfalls kann jedoch auch
ihr Sinngehalt von entscheidender Bedeutung sein (BGE 121 III 377 E. 2b
S. 379, mit Hinweisen). Den Klang prägen insbesondere das Silbenmass,
die Aussprachekadenz und die Aufeinanderfolge der Vokale, während das
Schriftbild vor allem durch die Wortlänge und durch die Eigenheiten der
verwendeten Buchstaben gekennzeichnet wird (BGE 119 II 473 E. 2c S. 475
f., mit Hinweisen; vgl. ferner auch 121 III 377 E. 3b S. 380). Je nach
der Ausgestaltung einer Marke ziehen ihre verschiedenen Bestandteile
die Aufmerksamkeit der Markenadressaten in unterschiedlichem Ausmass an
und beeinflussen sie deshalb auch den in der Erinnerung verbleibenden
Gesamteindruck unterschiedlich stark. So finden der Wortanfang
bzw. der Wortstamm sowie die Endung, insbesondere wenn sie bei der
Aussprache betont wird, in der Regel grössere Beachtung als dazwischen
geschobene, unbetonte weitere Silben (vgl. ZR 55/1956 Nr. 58, S. 109,
sowie DAVID, aaO, N. 19 f. und 22 zu Art. 3 MSchG; MARBACH, aaO, S. 119;
BAUMBACH/HEFERMEHL, aaO, N. 45 und 49 zu § 31 WZG). Im weiteren misst das
Publikum Markenbestandteilen, die es von ihrem Sinngehalt her sogleich
als beschreibend erkennt, für die Kennzeichnung der Waren in der Regel
unwillkürlich weniger Gewicht zu als originellen Markenbestandteilen
(vgl. MATTER, aaO, S. 100 f.; BRUNNER/HUNZIKER, aaO, S. 335 f.). Zu
berücksichtigen ist schliesslich, dass längere Wörter sich dem Gedächtnis
weniger gut einprägen als Kurzwörter, so dass Unterschiede leichter
überhört und überlesen werden (vgl. BGE 121 III 377 E. 2b S. 379,
mit Hinweisen).

    b) Die klägerische Marke "Kamillosan" wird in ihrem Gesamteindruck
vor allem durch den Stamm "KAMILL-" und durch die betont und langgezogen
ausgesprochene Endung "-AN" geprägt. Die dazwischen stehenden Laute "o"
und "s" treten akustisch und optisch weniger stark hervor. Der Bestandteil
"KAMILL-" bildet den Wortanfang und bestimmt sowohl den Klang als auch
das Schriftbild wesentlich. Es handelt sich jedoch um einen Ausdruck
mit leicht erkennbarem beschreibendem Charakter. Dem durchschnittlichen
schweizerischen Markenadressaten wird sogleich klar sein, dass die
Marke auf Produkte hinweisen soll, die Kamille enthalten. Beschreibend
ist im weiteren auch die Schlussilbe "-SAN" (vgl. E. 2b hievor). Der
Sinngehalt ist hier indessen blasser. Er drängt sich dem Bewusstsein
des Markenadressaten nicht unwillkürlich auf und hinterlässt in seinem
Gedächtnis kaum besonders tiefe Spuren (vgl. auch E. c hienach). In
der Erinnerung der Konsumenten bleiben daher vor allem die Vorstellung
"Kamillenpräparat" und das Klangbild mit dem Stamm "KAMILL-" und der
betonten, langgezogenen Endung "-AN" haften. Dieses Erinnerungsbild deckt
sich nun aber exakt mit der beklagtischen Marke "KAMILLAN".

    Die Beklagte wendet allerdings ein, dass der Stamm "KAMILL-" eine
gemeinfreie Sachbezeichnung ist, welche die Klägerin nicht monopolisieren
kann. Das trifft durchaus zu. Die Klägerin weist denn auch selbst darauf
hin, dass im Markenregister zahlreiche andere Marken mit dem Bestandteil
"KAMILL" eingetragen sind. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die
Markenadressaten diesem Markenbestandteil bei der Identifizierung der Ware,
die sie in der Masse des Angebots wiederfinden möchten, weniger Gewicht
beimessen und ihre Aufmerksamkeit auch auf die übrigen Markenbestandteile
richten werden. Das bedeutet jedoch umgekehrt nicht, dass der gemeinfreie
Ausdruck "KAMILL" bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr einfach
ausgeklammert werden dürfte. Denn auch gemeinfreie Bestandteile
können den Gesamteindruck von Marken mitbeeinflussen (MARBACH, aaO,
S. 114; BAUMBACH/HEFERMEHL, aaO, N. 73 zu § 31 WZG; vgl. ferner auch
BRUNNER/HUNZIKER, aaO, S. 336; TROLLER, aaO, S. 220; MATTER, aaO, S. 100;
vgl. auch BGE 56 II 222 E. 1 S. 227; 36 II 255 E. 7 S. 260 f.). Die
Marken "Kamillosan" und "KAMILLAN" stimmen zunächst darin überein, dass
der gemeinfreie Bestandteil "KAMILL" jeweils am Wortanfang steht. Vor
allem aber enthalten sowohl die klägerische als auch die beklagtische
Marke neben dem Stamm "KAMILL-" die Endung "-AN", auf der zudem in beiden
Marken die Betonung liegt und die ihnen denselben langgezogenen Ausklang
verleiht. Das Zeichen "KAMILLAN" ist deshalb dem Zeichen "Kamillosan"
erheblich stärker angenähert als andere Marken mit dem Bestandteil
"KAMILL" wie etwa "KAMILLEX", "KAMILLIND", "KAMILLOFORS", "KAMILLAMED",
"ARNIKAMILL" oder "PERKAMILLON". Davon, dass sich die Übereinstimmung auf
schutzunfähige Elemente beschränken würde (DAVID, aaO, N. 29 zu Art. 3
MSchG), kann unter diesen Umständen keine Rede sein. Der vorliegende Fall
liegt ähnlich wie jener der Marke "Solis", für die das Bundesgericht
eine Verwechselbarkeit mit "Sollux" zwar verneint (BGE 79 II 98 ff.),
mit "Solaris" (ZR 55/1956 Nr. 58, S. 108 ff.) und auch mit "Sularis"
(aaO, S. 114 f.) hingegen bejaht hat.

    Das Handelsgericht hat somit die Marken "Kamillosan" und "KAMILLAN"
zu Recht für verwechselbar erachtet. Die Unterschiede zwischen den
beiden Zeichen, wie sie die Beklagte hervorhebt, vermögen dieses Ergebnis
nicht zu erschüttern. Dass der unbetonte Vokal "o" in der klägerischen
Marke "Kamillosan" keinen unterschiedlichen Gesamteindruck begründet,
sieht offenbar auch die Beklagte ein. Sie macht jedoch geltend, der
"unüberhörbare Zischlaut" "s" schaffe im Vergleich zum beklagtischen
Zeichen "KAMILLAN" akustisch und visuell ein "signifikant anderes
Markenbild". Davon kann aber keine Rede sein, zumal es sich bei den
streitigen Marken um längere Wörter handelt, weshalb nicht davon
ausgegangen werden kann, dass sie im Gedächtnis der Markenadressaten
in allen Einzelheiten haften bleiben. Vielmehr ist anzunehmen, dass die
Abweichung im Rahmen dessen liegt, was bei den normalen Verschiebungen,
die als Folge der Unvollkommenheit der Erinnerung eintreten, untergehen
kann. Entsprechendes gilt für die unterschiedliche Silbenzahl: Sie
fällt im Verhältnis zur Gesamtlänge der Marken zuwenig ins Gewicht, um
der beklagtischen Marke "KAMILLAN" einen Gesamteindruck zu verleihen,
der wesentlich von jenem der klägerischen Marke abweichen würde.

    Im übrigen ist zu beachten, dass die klägerische Marke "Kamillosan"
wegen ihres hohen Bekanntheitsgrades einen weiten Schutzumfang
beanspruchen kann. Die Klägerin ist dabei insbesondere auch davor zu
schützen, dass sich Drittzeichen in einer Weise an ihre Marke anlehnen,
die geeignet ist, dem Konsumenten die Vorstellung von gleichwertigen
Ersatzprodukten nahezulegen (E. 1 und 2a hievor). Dass bei der Marke
"KAMILLAN" derartige Gedankenverbindungen zur klägerischen Marke
"Kamillosan" zu befürchten sind, ist angesichts der Übereinstimmung im
Wortstamm "KAMILL-" und insbesondere in der charakteristischen Endung
"-AN" offensichtlich. Diese Gefahr aber vermag weder das Fehlen des
Zischlautes "s" in der beklagtischen Marke noch die unterschiedliche
Silbenzahl zu bannen. Die Marke "KAMILLAN" verletzt daher den geschützten
Ähnlichkeitsbereich der Marke "Kamillosan" selbst dann, wenn das Publikum
die Unterschiede zwischen den beiden Zeichen tatsächlich nicht überhören
und übersehen, mithin keinen eigentlichen Fehlzurechnungen unterliegen
sollte.

    c) Angesichts des strengen Massstabs, der aufgrund der Umstände des
vorliegenden Falls an die Unterscheidbarkeit anzulegen ist (E. 2 und 3
hievor), kann entgegen der Auffassung des Handelsgerichts die Beurteilung
auch in bezug auf die beklagtische Marke "KAMILLON" nicht wesentlich anders
ausfallen. Hier lauten die Endungen der beiden sich gegenüberstehenden
Zeichen zwar nicht gleich, aber doch immerhin ähnlich. Die Laute
"a" und "o" liegen sich - namentlich bei nachlässiger Aussprache
(vgl. BAUMBACH/HEFERMEHL, aaO, N. 49 zu § 31 WZG, mit Hinweis auf BPatG
Mitt 71, 24) - nicht sehr fern. Beides sind dunkle Vokale. Zusammen
mit dem Konsonanten "n" ergibt sich für beide Endungen eine ähnliche
Klangwirkung. Diese Ähnlichkeit wird zudem dadurch unterstrichen, dass
die Endungen in beiden Marken langgezogen und betont ausgesprochen werden.
Schliesslich klingt die Endung "-ON" auch an die zusätzliche Mittelsilbe
in der Marke "Kamillosan" an.

    Entgegen der Ansicht der Vorinstanz kann auch nicht ausschlaggebend
sein, dass die Silbe "SAN" in der klägerischen Marke einen
eigenen Sinngehalt aufweist, der sich im Zeichen "KAMILLON" nicht
wiederfindet. Denn die Wortbedeutung "gesund" ist im Zusammenhang mit
Volksheilmitteln und Körperpflegeprodukten wenig originell und vermag
daher den Gesamteindruck nicht entscheidend zu prägen. Im übrigen bleibt
der Sinngehalt der Silbe "SAN" in der Erinnerung auch deshalb kaum haften,
weil er im Schatten der sogleich erkennbaren Bedeutung des Bestandteils
"KAMILL" steht, zumal die Markenadressaten vom allgemeinen Sprachgebrauch
her gewohnt sind, den Bedeutungsschwerpunkt von Wörtern in deren Stamm
und nicht in der Endung zu suchen.