Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 122 III 369



122 III 369

68. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 24. September 1996 i.S.
SMP Management Programm St. Gallen AG gegen MZSG Management Zentrum
St. Gallen (Berufung) Regeste

    Art. 951 Abs. 2 OR. Unterscheidbarkeit der Firmen von
Aktiengesellschaften.

    Geringer Schutzumfang von Firmen, die dem Gemeingut angenähert sind
und keine erhöhte Verkehrsgeltung geniessen (E. 1 und 2a).

    Gegenüber einer älteren Firma, die gleiche Sachbezeichnungen wie die
jüngere aufweist, können bereits verhältnismässig kennzeichnungsschwache
Zusätze genügend Abstand schaffen (E. 1 und 2b).

Sachverhalt

    A.- Die Aktiengesellschaft MZSG Management Zentrum St. Gallen wurde
am 26. Juli 1984 gegründet. Sie hat ihren Sitz in St. Gallen und bezweckt
die Schulung und Beratung von Führungskräften aller Stufen in Wirtschaft
und Staat. Neben der Managementberatung bietet sie insbesondere Seminare
zu Themen wie Unternehmensführung, Führungsverhalten und -methodik,
Marketing, Weiterbildung, Finanz- und Rechnungswesen an.

    Die SMP Management Programm St. Gallen AG wurde am 10. Mai
1991 gegründet. Sie hat ihren Sitz ebenfalls in St. Gallen. Ihr
statutarischer Zweck besteht in der Managementausbildung und im Training
von Führungskräften in allen Managementfragen auf der Basis der in
St. Gallen entwickelten Konzepte der ganzheitlichen Managementlehre. Sie
führt Seminare insbesondere über Management, Juniormanagement, Marketing,
Human Resources Management und finanzielle Führung durch.

    B.- Am 8. Juli 1994 reichte die MZSG Management Zentrum St. Gallen
beim Handelsgericht des Kantons St. Gallen Klage gegen die SMP Management
Programm St. Gallen AG ein. Sie stellte die Begehren, der Beklagten sei
- gestützt auf Art. 956 OR, allenfalls gestützt auf Art. 3 lit. d UWG
(SR 241) - unter Strafandrohung zu untersagen, die Firma "SMP Management
Programm St. Gallen" zu führen; eventuell sei die Beklagte zu verpflichten,
ihre Firma in der Weise abzuändern, dass sie mit derjenigen der Klägerin
nicht mehr verwechselbar sei; im weiteren sei das Urteil auf Kosten der
Beklagten gehörig zu publizieren.

    Mit Urteil vom 24. Mai 1995 hiess das Handelsgericht die Klage im
wesentlichen gut. Es untersagte der Beklagten, die Firma "SMP Management
Programm St. Gallen" zu führen, und verpflichtete sie, diese Firma innert
drei Monaten ab Rechtskraft des Urteils im Handelsregister löschen zu
lassen. Den Antrag auf Urteilsveröffentlichung wies das Handelsgericht
hingegen ab.

    C.- Auf Berufung der Beklagten hebt das Bundesgericht das
handelsgerichtliche Urteil auf und weist die Klage ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Firma einer Aktiengesellschaft muss sich von jeder
in der Schweiz bereits eingetragenen Firma deutlich unterscheiden
(Art. 951 Abs. 2 OR), ansonst der Inhaber der älteren Firma wegen
Verwechslungsgefahr auf Unterlassung des Gebrauchs der jüngeren Firma
klagen kann (Art. 956 Abs. 2 OR). Da Aktiengesellschaften ihre Firma frei
wählen können, stellt die Rechtsprechung an deren Unterscheidungskraft
im allgemeinen strenge Anforderungen. Ob zwei Firmen sich hinreichend
deutlich unterscheiden, ist aufgrund des Gesamteindrucks zu prüfen,
den sie beim Publikum hinterlassen. Die Firmen müssen nicht nur bei
gleichzeitigem, aufmerksamem Vergleich unterscheidbar sein, sondern auch
in der Erinnerung auseinandergehalten werden können. Im Gedächtnis bleiben
namentlich Firmenbestandteile haften, die durch ihren Klang oder ihren
Sinn hervorstechen; solchen Bestandteilen kommt daher für die Beurteilung
des Gesamteindrucks einer Firma erhöhte Bedeutung zu (BGE 118 II 322 E. 1
S. 323, mit Hinweisen).

    Nach der Rechtsprechung ist die Unterscheidbarkeit je nachdem, ob
eine Firma aus Personen-, Sach- oder Phantasiebezeichnungen gebildet
ist, differenziert zu beurteilen. Besonders strenge Massstäbe sind
bei reinen Phantasiebezeichnungen anzulegen, die in der Regel stark
prägende Kraft besitzen. Umgekehrt verhält es sich bei Firmen,
die gemeinfreie Sachbezeichnungen als wesentliche Bestandteile
enthalten. Grundsätzlich stehen zwar auch solche Firmen unter dem Schutz
des Ausschliesslichkeitsanspruchs gemäss Art. 951 Abs. 2 und Art. 956
OR. Wer dieselben Sachbezeichnungen ebenfalls als Firmenbestandteile
verwendet, hat deshalb für eine hinreichend deutliche Abhebung von der
älteren Firma zu sorgen, indem er sie mit individualisierenden zusätzlichen
Elementen ergänzt (aaO, S. 324 f.; siehe ferner auch BGE 114 II 432
E. 2a S. 433 und 100 II 224 E. 4 S. 227 f.). Die Anforderungen an die
Kennzeichnungskraft solcher Zusätze dürfen aber nicht überspannt werden
(vgl. Urteil des Bundesgerichtes vom 15. Dezember 1992, publiziert in
SMI 1994, S. 53, E. 3). Da das Publikum Sachbezeichnungen in erster Linie
als blosse Hinweise auf Art und Tätigkeit des Unternehmens auffasst und
ihnen daher für dessen Kennzeichnung nur geringe Bedeutung beimisst,
pflegt es den übrigen Firmenbestandteilen erhöhte Aufmerksamkeit zu
schenken. Bereits ein verhältnismässig kennzeichnungsschwacher Zusatz kann
deshalb ausreichen, um genügend Abstand zu einer älteren Firma zu schaffen,
welche gleiche Sachbezeichnungen wie die jüngere aufweist (vgl. KRAMER,
"Starke" und "schwache" Firmenbestandteile, in: Festschrift Pedrazzini
1990, S. 605 ff.).

    Wie im Markenrecht rechtfertigt es sich schliesslich auch im
Firmenrecht, Zeichen, die insgesamt als kennzeichnungsschwach erscheinen,
nicht den gleichen geschützten Ähnlichkeitsbereich zuzubilligen, wie er
starken Zeichen zukommt. Wer sich mit seiner Firma dem Gemeingut annähert,
nimmt eine geringe Unterscheidungskraft in Kauf, solange er seiner Firma
nicht mit entsprechenden Werbeanstrengungen erhöhte Verkehrsgeltung
verschafft hat. Starke Firmen sind das Ergebnis einer schöpferischen
Leistung oder langer Aufbauarbeit; sie verdienen deshalb einen weiteren
Schutz. Schwache Firmen sollen demgegenüber den verbleibenden Raum für
die Firmenbildung nicht im gleichen Masse einengen dürfen (vgl. VON
BÜREN, Kommentar zum Wettbewerbsgesetz, S. 140 ff. N. 97 ff.; SCHLUEP,
Das Markenrecht als subjektives Recht, S. 19 und 23; siehe ferner auch
CHRISTIAN HILTI, Firmenrecht, in: Schweizerisches Immaterialgüter- und
Wettbewerbsrecht, Bd. III, S. 312 f.).

Erwägung 2

    2.- a) Die klägerische Firma "MZSG Management Zentrum St.
Gallen" setzt sich aus einem Kürzel, zwei Sachbegriffen und einer
Ortsbezeichnung zusammen. Die Wörter "Management" und "St. Gallen" sollen
offenbar einen assoziativen Bezug zur an der Hochschule St. Gallen
entwickelten Managementlehre schaffen und damit auf die Ausrichtung
des Ausbildungsangebots der Klägerin hinweisen. Das Kürzel "MZSG"
und das Wort "Zentrum" sagen wenig aus. Der Phantasiegehalt der Firma
ist insgesamt gering. Dass die Firma eine gesteigerte Verkehrsgeltung
erlangt hätte, wird im angefochtenen Urteil nicht festgestellt und auch
in der Berufungsantwort nicht behauptet. Es ist deshalb davon auszugehen,
dass es sich um ein schwaches Zeichen handelt, das nach dem Gesagten nur
einen geringen Schutzumfang beanspruchen kann.

    b) Die Firma der Beklagten stimmt mit jener der Klägerin zunächst
in den Elementen "Management" und "St. Gallen" überein. Die Verbindung
dieser beiden Wörter hat jedoch im Zusammenhang mit Managementausbildung
als Hinweis auf deren Ausrichtung beschreibenden Charakter. Das Publikum
wird deshalb seine Aufmerksamkeit auch auf die übrigen Firmenbestandteile
lenken. Diese aber heben sich deutlich von den entsprechenden Bestandteilen
der klägerischen Firma ab. Das gilt sowohl für das Wort "Programm"
im Vergleich zu "Zentrum", als insbesondere auch für das Akronym "SMP"
im Vergleich zu "MZSG". In diesem Zusammenhang ist im übrigen darauf
hinzuweisen, dass Akronyme im Geschäftsverkehr allgemein selten verwechselt
zu werden scheinen, weil sich das Publikum daran gewöhnt hat, bei ihrer
Zuordnung Vorsicht walten zu lassen und allfällige Unklarheiten durch
rechtzeitige Rückfragen zu beheben (LUCAS DAVID, Das Akronym im Firmen-
und Markenrecht, SMI 1991, S. 334 f.).

    Dem Handelsgericht ist zwar darin beizustimmen, dass sich die
genannten Unterschiede auf Firmenbestandteile beziehen, die sowohl
von ihrem Klang als auch von ihrem Aussagegehalt her im Hinblick
auf den Gesamteindruck der Firmen als wenig prägend erscheinen. Im
Erinnerungsbild der Firmenadressaten dürften sich bei beiden Firmen in
erster Linie die Kombination von "Management" und "St. Gallen" und die
dadurch hervorgerufene Gedankenverbindung zur St. Galler Managementlehre
einprägen. Angesichts des geringen Schutzumfangs, welcher der klägerischen
Firma zusteht, reichen die Unterschiede in den Zusätzen aber dennoch
aus, um der Firma der Beklagten zu genügend Abstand zu verhelfen. Daran
vermag auch nichts zu ändern, dass die Firmen einander in bezug auf die
Wortreihenfolge entsprechen, indem sie beide mit einem Akronym beginnen,
an das sich der Begriff "Management", ein wenig aussagekräftiger weiterer
Begriff und die Ortsbezeichnung "St. Gallen" anschliessen. Denn auch diese
Übereinstimmung fällt gegenüber der deutlichen Unterscheidbarkeit der
Akronyme "SMP" und "MZSG" sowie der Wörter "Programm" und "Zentrum" zuwenig
ins Gewicht. Entgegen der Auffassung des Handelsgerichts unterscheidet
sich die Firma der Beklagten demnach insgesamt genügend von der älteren
Firma der Klägerin.

    c) Dagegen ist auch mit dem Argument nicht aufzukommen, dass es nach
den Feststellungen der Vorinstanz anscheinend tatsächlich zu einigen
Verwechslungen gekommen ist. Das tatsächliche Auftreten von Verwechslungen
kann zwar unter Umständen ein Indiz für eine Verwechslungsgefahr sein
(vgl. BGE 118 II 322 E. 3 S. 326). Auf der anderen Seite reichen
aber einige festgestellte Verwechslungen für sich allein nicht aus,
um die mangelnde Unterscheidbarkeit zweier Firmen zu belegen, zumal
der Firmenschutz nicht jegliche entfernte Verwechslungsmöglichkeit
ausschliessen will, sondern nur Verwechslungen verhindern soll, denen der
durchschnittliche Firmenadressat mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit
unterliegt (vgl. BGE 119 II 473 E. 2d S. 476).