Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 122 III 361



122 III 361

67. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. September 1996
i.S. X. AG gegen Bank (Berufung) Regeste

    Art. 401 OR, Art. 165 OR.

    Ein Auftrag liegt nur vor und Art. 401 OR ist nur anwendbar, wenn
fremde Geschäfte besorgt werden (E. 3).

    Der Parteiwille ist auch bei formbedürftigen Rechtsgeschäften
nach den allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln. Ob der so festgestellte
Parteiwille formell hinreichend zum Ausdruck kommt, beurteilt sich nach
dem Zweck der Form. Die Schriftform der Zession dient der Klarstellung
und Verkehrssicherheit (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Die Bank gewährte der X. AG im September 1983 einen Rahmenkredit
von maximal 1,5 Millionen Franken, der in den folgenden Jahren mehrmals
erhöht wurde und im November 1989 20 Millionen Franken betrug. Mit dem
eingeräumten Darlehen gewährte die X. AG ihrerseits Kredite an Drittfirmen
zur Finanzierung von Leasinggeschäften; ab Juni 1985 gehörte zu ihren
Kreditnehmern auch die Y. AG, die im Leasing- und Kleinkreditgeschäft
tätig war. Zur Sicherung des von der Bank gewährten Kredits an die X. AG
vereinbarten die Parteien die Abtretung von Forderungen, wozu auch die von
der Y. AG an die X. AG zedierten Forderungen gegenüber den Leasingnehmern
gehörten und womit sich die Y. AG einverstanden erklärte. Ausserdem
räumte die Y. AG der Bank ein Pfandrecht an den jeweiligen Guthaben auf
dem gemeinsamen Konto der X. AG und der Y. AG bei der Bank ein.

    Ende Mai 1991 informierte die Y. AG ihre Gläubiger über
Liquiditätsprobleme. Um einen drohenden Konkurs abzuwenden, vereinbarten
die betroffenen Finanzinstitute - unter denen sich auch die X. AG
befand - ein privates Nachlassverfahren und eine stille Liquidation der
Y. AG. Sie setzten die Z. AG bzw. deren Verwaltungsratspräsidenten D. als
Sachwalter ein, dem sie unter anderem die Erstellung eines Status der
"Bankenforderungen" per 30. Juni 1991 auftrugen. In einem Konsortialvertrag
vereinbarten die Gläubigerbanken der Y. AG die Erstellung eines Status
der Instanzen per 30. Juni 1991 und die Überweisung der für den laufenden
Betrieb der Y. AG nicht erforderlichen freien Mittel auf ein neu zu
eröffnendes Konto bei der S-Bank, das ihnen zu gesamter Hand zustehen und
von dem der Sachwalter monatliche Abschlagszahlungen an die einzelnen
Gläubiger leisten sollte. Im August 1991 bezifferte die X. AG ihre
Forderung gegenüber der Y. AG auf insgesamt gerundete 19,205 Millionen
Franken, und zwar 5,058 Millionen Franken für Kleinkreditgeschäfte und
14,16 Millionen Franken für Leasinggeschäfte. Der Sachwalter leistete
rund vierzig Abschlagszahlungen. Für die X. AG wurden insgesamt 12,3
Millionen Franken Abschlagszahlungen ausgeschieden.

    Die X. AG geriet selbst in finanzielle Schwierigkeiten und am 13. April
1992 wurde ihr die Nachlassstundung gewährt. Die Bank machte in diesem
Nachlassverfahren Forderungen von insgesamt Fr. 13'933'918.25 geltend.

    Die Bank klagte beim Handelsgericht des Kantons Bern gegen die X. AG.

    Mit einem Feststellungsbegehren (Ziffer 1) verlangte die  Klägerin,
dass 73,681 % des auf die Beklagte entfallenden Anteils im privaten
Nachlass der Y. AG zu ihren Gunsten aus dem Nachlass der Beklagten
ausgesondert werden. In Ziffer 2 forderte sie die Bezahlung ihres
behaupteten Anteils an einzelnen Abschlagszahlungen, welche auf Konti der
Beklagten bei Drittbanken gelangt waren, die keine eigenen Forderungen
gegenüber der Beklagten hatten. Die Beklagte beantragte hauptsächlich
die vollumfängliche Abweisung der Klage. In der Widerklage verlangte sie
einerseits die Rücküberweisung der im Juni 1992 versehentlich auf ihr
Konto bei der Klägerin überwiesenen zehnten Abschlagszahlung, anderseits
die Zahlung von Beträgen aus Betreibungen gegen Leasingnehmer der Y. AG,
welchen noch das Konto bei der Klägerin als Zahlstelle angegeben worden
sei.

    Am 23. August 1995 fällte das Handelsgericht des Kantons Bern
folgendes Urteil:

    "1. In Gutheissung von Rechtsbegehren 1 der Klage wird festgestellt,
dass
   die Klägerin bezüglich des im aussergerichtlichen Nachlass der Y. AG,

    Speicher, gemäss Ziffer 4 des Konsortialvertrags vom Juli 1991
   (Klagebeilage 11) an die Banken zu verteilenden Liquidationserlöses
   einen

    Anspruch auf Auszahlung der Dividende besitzt, die auf die von der

    Beklagten angemeldete Forderung aus der Refinanzierung von

    Leasinggeschäften entfällt.

    Auf diese Dividende sind bereits an die Klägerin ergangene Zahlungen,
   insbesondere die von der Beklagten widerklageweise geltend gemachten

    Beträge von Fr. 29'541.90 (Rechtsbegehren A der Widerklage) und

    Fr. 453'328.-- (Rechtsbegehren B der Widerklage) sowie der der
Klägerin zu
   bezahlende Betrag gemäss Ziffer 2 hiernach anzurechnen.

    2. In Gutheissung von Rechtsbegehren 2 der Klage wird die Beklagte
   verurteilt, der Klägerin Fr. 926'298.-- nebst Zins zu 6 % seit 5. August

    1992 zu bezahlen.

    3. Die Widerklage wird abgewiesen..."

    Gegen das handelsgerichtliche Urteil erhebt die Beklagte eidgenössische
Berufung und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Klage vollumfänglich abzuweisen, eventuell die Ansprüche der Klägerin
mit ihren Gegenansprüchen aus Auftragsentschädigung und laut Widerklage
gemäss gerichtlicher Bestimmung zu verrechnen. Im weiteren verlangt sie
mit der Widerklage, die Klägerin habe insgesamt Fr. 29'541.90 zuzüglich
Zins ab unterschiedlichen Zeitpunkten und Fr. 453'328.-- zuzüglich Zins
seit dem 24. Juni 1992 zu zahlen. Die Klägerin schliesst auf Abweisung
der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Urteils.

    Das Bundesgericht hat die Berufung gutgeheissen, soweit darauf
eingetreten werden konnte, das angefochtene Urteil aufgehoben und die
Sache zur weiteren Abklärung und neuen Entscheidung hinsichtlich der
Widerklagebegehren an die Vorinstanz zurückgewiesen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Die Klägerin stützt ihr Begehren um Aussonderung von 73,681
% der auf die Beklagte im privaten Nachlass der Y. AG entfallenden
Dividende auf Art. 401 OR. Die Vorinstanz hat die Klage unter anderem
mit der Begründung geschützt, es bestehe ein Auftragsverhältnis zwischen
den Parteien und die Beklagte habe die Forderungen im privaten Nachlass
der Y. AG für Rechnung der Klägerin erworben. Die Beklagte bestreitet,
dass sie im Auftrag und auf Rechnung der Klägerin handelte, als sie im
privaten Nachlass der Y. AG mitwirkte und dabei - sei es gegenüber der
S-Bank, sei es gegen die Gemeinschaft der Gläubiger-Banken - Forderungen
auf die jeweiligen Abschlagszahlungen erwarb.

    a) Hat der Beauftragte für Rechnung des Auftraggebers in eigenem Namen
Forderungsrechte gegen Dritte erworben, so gehen sie gemäss Art. 401
Abs. 1 OR auf den Auftraggeber über, sobald dieser seinerseits allen
Verbindlichkeiten aus dem Auftragsverhältnis nachgekommen ist. Dies gilt
nach Art. 401 Abs. 2 OR auch gegenüber der Masse, wenn der Beauftragte
in Konkurs gefallen ist. Dem Konkurs ist die Nachlassliquidation
gleichzusetzen (BGE 99 II 393 E. 5 S. 396). Diese Gesetzesbestimmung
ist auf alle Arten des Auftrags anwendbar, wenn die darin genannten
Voraussetzungen erfüllt sind (BGE 115 II 468 E. 2b). Die Legalzession und
das Aussonderungsrecht an Forderungen und beweglichen Sachen finden jedoch
nur Anwendung, wenn ein Auftragsverhältnis vorliegt, in dessen Rahmen
der Beauftragte Vermögenswerte zwar in eigenem Namen, aber auf Rechnung
des Auftraggebers von Dritten erworben hat (BGE 112 II 444 E. 2 S. 447 f.).

    b) Die Arbeitsleistung, zu der sich der Beauftragte nach Art. 394
OR verpflichtet, kann unterschiedlicher Art sein (FELLMANN, Berner
Kommentar, N. 21 zu Art. 394 OR); sie muss aber in jedem Fall die
Geschäfte des Auftraggebers betreffen, die Wahrung fremder Interessen
zum Ziel haben (TERCIER, Les contrats spéciaux, 2. Aufl., 1995, N. 3935;
WEBER, in: Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I,
N. 2 zu Art. 394 OR; FRANZ WERRO, Le mandat et ses effets, S. 55 N. 154;
HOFSTETTER, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/2, S. 5 f.). Die
Einziehung eigener Forderungen dient primär dem Interesse des Gläubigers
und ist daher grundsätzlich nicht Gegenstand eines Auftrags. Sie wird
es auch nicht dadurch, dass ein Dritter aus einem anderen Vertrag an der
Solvenz des Gläubigers und damit wirtschaftlich an der Erfüllung dieser
Forderungen mitinteressiert ist. Von einem Auftragsverhältnis könnte
diesfalls nur gesprochen werden, wenn die Einziehung der Forderungen in
indirekter Stellvertretung auf Rechnung des Dritten erfolgt.

    Als Gläubigerin der Y. AG bemühte sich die Beklagte, einen möglichst
grossen Anteil ihrer Guthaben erhältlich zu machen, um ihre eigenen
Verbindlichkeiten erfüllen zu können. Damit handelte sie jedoch nicht
schon im Auftrag der Klägerin. Soweit die Beklagte mit ihrer Tätigkeit im
Rahmen der Liquidation der Y. AG überhaupt das Interesse der Klägerin an
der Rückzahlung des eingeräumten Kredits wahrgenommen hat, kann lediglich
von einem mitübernommenen Interesse gesprochen werden; denn in erster
Linie besorgte sie ihre eigenen Geschäfte, was die Annahme eines Auftrags
ausschliesst.

    c) Die Vorinstanz hat den Gegenstand des von ihr angenommenen
Auftragsverhältnisses der Parteien nicht im einzelnen festgestellt. Sie
hat sich mit der Feststellung begnügt, dass die Beklagte mit ihrer
Tätigkeit im Rahmen der Liquidation der Y. AG die Interessen der
Klägerin wahren wollte und sich die Klägerin damit einverstanden erklärt
hatte. Ob diese Feststellungen im angefochtenen Urteil den Schluss auf ein
Auftragsverhältnis erlauben, erscheint fraglich, zumal die Vorinstanz in
diesem Zusammenhang den Willen der Beklagten hervorhebt, unabhängig von der
Gültigkeit der Abtretung von Leasingforderungen ihren Kreditverpflichtungen
der Klägerin gegenüber nachzukommen. Die Frage kann jedoch offen bleiben,
wenn sich weisen sollte, dass der Klägerin im Zeitpunkt der privaten
Liquidation der Y. AG keine Forderungen (mehr) zediert waren, mit deren
Inkasso sie die Beklagte hätte beauftragen können. Denn ein anderer
Gegenstand des Auftrags, in dessen Rahmen die Beklagte für Rechnung der
Klägerin hätte Forderungen gegen die Y. AG bzw. deren Gläubigergesamtheit
erwerben können, ist nicht ersichtlich. Auch die Klägerin geht in ihrer
Berufungsantwort zutreffend davon aus, dass ein Auftragsverhältnis nur
vorliegen kann, wenn sie im Rahmen der privaten Liquidation der Y. AG
als Zessionarin eigene Forderungen geltend machen konnte. Den Inhalt
dieses Auftrags umschreibt sie als allgemeine Interessenwahrung mit dem
Ziel, ihr die ausstehenden Leasingraten als Sicherheit zu erhalten, oder
als Inkasso der Abschlagszahlungen, die nach dem Willen der Beklagten
anstelle der ihr möglicherweise entgehenden Leasingraten anteilmässig zur
Rückführung des Refinanzierungskredits bestimmt waren. Der Klägerin könnte
aber kaum gefolgt werden, wenn sie nicht für massgebend hält, in welchem
Umfang abgetretene Forderungen am 30. Juni 1991 noch vorhanden waren;
die Beklagte konnte zum vornherein nur im Rahmen des Auftrags Geschäfte
der Klägerin besorgen und für deren Rechnung Forderungen erwerben.

Erwägung 4

    4.- Die Abtretung bedarf gemäss Art. 165 Abs. 1 OR zu ihrer
Gültigkeit der schriftlichen Form. Die Verpflichtung zum Abschluss eines
Abtretungsvertrags kann formlos begründet werden (Art. 165 Abs. 2 OR).
Formbedürftige Rechtsgeschäfte sind nach den allgemeinen Grundsätzen
auszulegen, das heisst es ist nach den gesamten Umständen zu ermitteln,
was die Parteien tatsächlich gewollt haben oder wie ihre Erklärungen
nach Treu und Glauben zu verstehen sind (KRAMER, Berner Kommentar, N. 59
und 93 zu Art. 18 OR; GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht,
Allgemeiner Teil, 6. Aufl., 1995, Rz. 1243; SPIRIG, Zürcher Kommentar,
N. 21 in Vorbemerkungen zu Art. 164-174 OR). In einem weiteren Schritt ist
anschliessend zu beurteilen, ob der nach den allgemeinen Auslegungsmethoden
ermittelte Vertragsinhalt in der gesetzlich vorgeschriebenen Form
hinreichend zum Ausdruck gebracht worden ist (GAUCH/SCHLUEP, aaO,
Rz. 1247).

    a) Die Klägerin beruft sich auf die Vereinbarung vom 25./28. Juni
1985. Darin erhöhten die Parteien den Kredit der Beklagten, der nunmehr
auch zur Refinanzierung von Leasinggeschäften für die Y. AG dienen
sollte. Die Klägerin verlangte als Sicherheit unter anderem

    "c. Abtretung der Ansprüche gegenüber der Y. AG, Wettingen, inkl.

    Retrozession (recte: Weiterzession) aller Ansprüche und Nebenrechte
(wie

    Eigentumsvorbehalt) der Y. AG gegenüber ihren Leasingnehmern. Die Y. AG
   hat der Abtretung schriftlich zuzustimmen."

    Das Abtretungsformular vom 28. Juni 1985, auf welches die Vorinstanz
im angefochtenen Urteil verweist, enthält folgende maschinenschriftliche
Bestimmung:

    "Abgetreten werden sämtliche Ansprüche, welche die Zedentin gegenüber
   der Y. AG, Wettingen, besitzt, eingeschlossen Retrozession (recte:

    Weiterzession) der Forderungen an die Leasingnehmer und
Eigentumsvorbehalt
   an den verleasten Gegenständen."

    In einer weiteren Vereinbarung vom September 1986 bestimmten die
Parteien im Zusammenhang mit der Umstellung bisheriger Einzahlungsscheine
unter anderem:

    "Die O. AG und die Y. AG treten hiermit der Bank die Guthaben ab,
welche
   bei der PTT und der S-Bank aufgrund von Leasingverträgen einbezahlt
   werden, die der X. AG zediert und der Bank weiterzediert sind."

    Es ist unbestritten, dass im Rahmen späterer Krediterhöhungen keine
neuen Abtretungen erfolgten. Die Klägerin beruft sich ausdrücklich darauf,
dass später die bestehenden Vereinbarungen in Kraft blieben.

    b) Die Beklagte bestreitet die Darstellung der Klägerin nicht, -
jedenfalls nicht in einer den formellen Anforderungen genügenden Weise -
dass die Parteien einen sogenannten revolvierenden Kredit vereinbart haben:
Die gewährten Geldmittel sollten durch die Eingänge aus den bezahlten
Leasingraten zurückgeführt werden, wodurch im Rahmen der Kreditlimite
wiederum zusätzliche Mittel zur Finanzierung weiterer Leasingverträge frei
wurden. Die umstrittene Weiterabtretung der Forderungen der Y. AG gegen
ihre Leasingnehmer diente der Sicherung des revolvierenden Kredits,
den die Klägerin der Beklagten zur Refinanzierung der Leasinggeschäfte
gewährt hatte. In diesem Vertragszusammenhang kann die Abtretung
ihre Sicherungsfunktion nur erfüllen, wenn sie auch für künftige
Leasinggeschäfte gilt, für welche der eingeräumte Kredit neuerdings
beansprucht wird. Bei Berücksichtigung der Umstände des Vertragsschlusses
und des Vertragszweckes kann der Wille der Parteien in guten Treuen
nur darauf gerichtet gewesen sein, auch künftige Leasingforderungen
(weiter-)abzutreten. Anders wäre übrigens auch nicht zu erklären,
weshalb die Parteien bei späteren Krediterhöhung jeweils eine Neuregelung
der Sicherheiten nicht für erforderlich erachteten, wie die Klägerin
richtig bemerkt. Die Vorinstanz hat die Zession im Verhältnis unter den
Parteien zutreffend ausgelegt, wenn sie annahm, nach dem mutmasslichen
Parteiwillen habe die Abtretung auch künftige Forderungen der Y. AG gegen
die Leasingnehmer betroffen. Zu prüfen bleibt, ob dieser Parteiwille von
der Schriftform gedeckt ist.

    c) Die Formvorschrift des Art. 165 OR dient der Rechts- und
Verkehrssicherheit bzw. der Klarstellung; die Gläubiger des Zedenten
und des Erwerbers sollen ebenso wie der Schuldner der zedierten Forderung
feststellen können, wem die Forderung in einem bestimmten Zeitpunkt zusteht
(BGE 105 II 83 E. 2, 82 II 48 E. 1; SPIRIG, Zürcher Kommentar, N. 4 zu
Art. 165 OR; vgl. zum Zweck einer Formvorschrift im allgemeinen: Merz,
Vertrag und Vertragsschluss, 2. Aufl., 1992, S. 183; SCHMIDLIN, Berner
Kommentar, N. 11 zu Art. 11 OR). Diesem Zweck entsprechend müssen von
der Schriftform sämtliche Merkmale erfasst sein, welche die abgetretene
Forderung für die betroffenen Dritten hinreichend individualisieren (von
TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts,
Bd. I, 3. Aufl., 1979, S. 286 f.). Es genügt zwar, dass die Forderung
bestimmbar ist (SPIRIG, Zürcher Kommentar, N. 27 zu Art. 165 OR), es muss
aber immerhin für einen unbeteiligten Dritten ohne Kenntnis der Umstände
der Abtretung aus der Urkunde selbst ersichtlich sein, wem die Forderung
zusteht; insbesondere muss auch bei einer Mehrzahl zedierter Forderungen
hinreichend klar erkennbar sein, ob eine bestimmte Forderung zu den
abgetretenen gehört oder nicht. Dies ist vorliegend für jene Forderungen
nicht der Fall, welche nach dem 28. Juni 1985 bzw. nach September 1986
entstanden sind. Nach dem Wortlaut der im Juni 1985 unterschriebenen und
datierten Zession wie auch gemäss der im September 1986 unterzeichneten
Abtretung werden sämtliche Ansprüche abgetreten, welche die Zedentin
gegenüber der Y. AG "besitzt", eingeschlossen die Forderungen an die
Leasingnehmer, die weiterzediert sind. Dass nach dem Willen der Parteien
auch künftig erst entstehende Forderungen von der Abtretung erfasst sein
sollen, kommt für Dritte - die von der Art der Kreditbeziehung der Parteien
keine Kenntnis haben - nicht zum Ausdruck. Daran ändert auch nichts, dass
nach Ziffer 1 des vorformulierten Abtretungsformulars die Zession erfolgt
"zur Sicherstellung aller Ansprüche, welche sie (sc. die Klägerin) an ihn
(sc. Zedenten) zur Zeit bereits besitzt oder in Zukunft erhalten wird,
auf was immer für einem rechtlichen Grund diese beruhen mögen". Die Art
der (revolvierenden) Kreditbeziehung unter den Parteien, aus welcher
nach Treu und Glauben auf die Abtretung auch künftig erst entstehender
Leasingforderungen geschlossen werden kann, ergibt sich daraus gerade
nicht. Die Abtretung der später entstandenen Forderungen ist von der
schriftlichen Form nicht erfasst, die Zession dieser Forderungen daher
nicht gültig erfolgt (SPIRIG, Zürcher Kommentar, N. 15 zu Art. 165 OR).

    d) Nach den Feststellungen des Handelsgerichts, das unwidersprochen
eine entsprechende Aussage des Sachwalters der Y. AG zitiert, waren
im Zeitpunkt der Vereinbarung über die Liquidation der Y. AG alle zur
Zeit der beiden Abtretungen vom 28. Juni 1985 und vom September 1986
laufenden Leasingverträge nicht mehr in Kraft. Damit steht fest, dass vom
privaten Nachlass der Y. AG keine Forderungen betroffen sein konnten,
welche der Klägerin abgetreten waren. Die Klägerin hatte somit keine
eigenen Interessen in diesem Liquidationsverfahren, mit deren Wahrung
sie die Beklagte hätte beauftragen können. Ihr Interesse am Ergebnis der
Liquidation der Y. AG beschränkte sich darauf, dass der Beklagten Mittel
zur Erfüllung des Darlehensvertrags zuflossen; dieses rein wirtschaftliche
Interesse begründet kein Auftragsverhältnis zwischen den Parteien,
in dessen Rahmen die Beklagte für Rechnung der Klägerin Forderungen
gegenüber der Liquidationsgemeinschaft Y. AG hätte erwerben können.

    e) Da im Rahmen der privaten Liquidation der Y. AG objektiv keine
eigenen Interessen der Klägerin betroffen waren, entfällt erst recht eine
Geschäftsführung ohne Auftrag durch die Beklagte, weshalb offen bleiben
kann, inwieweit Art. 401 OR hier Anwendung finden könnte (vgl. dazu etwa:
HOFSTETTER, aaO, S. 193; JÖRG SCHMID, Die Geschäftsführung ohne Auftrag,
S. 188).