Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 122 III 36



122 III 36

7. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 22.
Januar 1996 i.S. S. SA (Rekurs) Regeste

    Provisorische Pfändung (Art. 83 Abs. 1 SchKG).

    Die provisorische Pfändung kann nicht verlangt werden, bevor über
ein Rechtsmittel, womit die Bewilligung der provisorische Rechtsöffnung
weitergezogen worden ist und dem rechtskrafthemmende Wirkung zukommt,
in zweiter Instanz rechtskräftig entschieden worden ist (Änderung der
Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- Das Betreibungsamt Binningen erliess am 16. November 1995
auf Begehren der S. AG, Birsfelden, in der Betreibung Nr. ... eine
Pfändungsankündigung gegen V., womit die Pfändung auf den 23. November
1995 angesetzt wurde.

    Über diese Pfändungsankündigung beschwerte sich der Schuldner
bei der Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs des
Kantons Basel-Landschaft. Er machte insbesondere geltend, dass er
gegen den Rechtsöffnungsentscheid des Bezirksgerichtspräsidenten von
Arlesheim vom 2. November 1995, womit in der erwähnten Betreibung
die provisorische Rechtsöffnung bewilligt worden war, Appellation
erklärt habe. Im Jahr 1982 (BJM 1982, S. 86 ff.) habe die kantonale
Aufsichtsbehörde festgehalten, dass Art. 83 Abs. 1 SchKG keine
ausdrückliche Grundlage für eine provisorische Pfändung vor Eintritt
der Rechtskraft des Rechtsöffnungsentscheides enthalte und dass die
Zulassung einer provisorischen Pfändung vor Eintritt der Rechtskraft
eines Rechtsöffnungsurteils einem unzulässigen Eingriff in das kantonale
Prozessrecht gleichkomme.

    B.- Mit Entscheid vom 12. Dezember 1995 hiess die Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Basel-Landschaft die Beschwerde
des Schuldners gut und hob die Pfändungsankündigung des Betreibungsamtes
Binningen in der Betreibung Nr. ... auf.

    C.- Die Gläubigerin S. AG zog den Entscheid der kantonalen
Aufsichtsbehörde mit Rekurs gemäss Art. 19 SchKG an die Schuldbetreibungs-
und Konkurskammer des Bundesgerichts weiter. Diese wies den Rekurs ab

Auszug aus den Erwägungen:

                   aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 83 Abs. 1 SchKG kann der Gläubiger, welchem
die provisorische Rechtsöffnung erteilt worden ist, nach Ablauf der
Zahlungsfrist die provisorische Pfändung verlangen, wenn der Schuldner
der Betreibung auf Pfändung unterliegt.

    a) Die gesetzliche Regelung gibt keine Antwort auf die sich im
vorliegenden Fall stellende Frage, ob die provisorische Pfändung auch schon
verlangt werden kann, wenn ein Kanton, wie zum Beispiel Basel-Landschaft,
gegen den erstinstanzlichen Rechtsöffnungsentscheid ein Rechtsmittel zur
Verfügung stellt, dem - wie dies bei ordentlichen Rechtsmitteln die Regel
ist - von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukommt und das Rechtsmittel
vom Schuldner ergriffen worden ist.

    b) Die Lehre gibt zumeist nur die gesetzliche Regelung wieder,
wonach die provisorische Rechtsöffnung dem Gläubiger die Möglichkeit
eröffnet, die provisorische Pfändung zu verlangen (AMONN, Grundriss
des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5. Auflage Bern 1993, §
19 N. 58; ferner FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach
schweizerischem Recht, Band I, Zürich 1984, § 20 Rz. 17; GILLIÉRON,
Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 3. Auflage Lausanne
1993, S. 153, Ziff. 2 lit. a; BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen
Schuldbetreibungsrechtes, Bern 1911, S. 307). Sie nimmt jedoch nicht zu
der hier aufgeworfenen Frage Stellung, wie es sich beim Weiterzug des
erstinstanzlichen Rechtsöffnungsentscheides verhält. Nur JAEGER (N. 2
zu Art. 83 SchKG) gibt der Meinung Ausdruck, der Gläubiger sei da, wo das
kantonale Recht eine Appellation für Rechtsöffnungsentscheide vorsieht, zur
Stellung des Begehrens um provisorische Pfändung (oder um Aufnahme eines
Güterverzeichnisses bei der Fortsetzung der Betreibung auf dem Wege des
Konkurses) schon aufgrund des erstinstanzlichen Rechtsöffnungsentscheides
berechtigt.

    c) Das Bundesgericht hat in einer weit zurückliegenden Rechtsprechung
erkannt, dass die provisorische Pfändung - als eine rein vorsorgliche
Massnahme - selbst dann verlangt werden könne, wenn der Schuldner gegen den
die provisorische Rechtsöffnung erteilenden erstinstanzlichen Entscheid
ein ordentliches Rechtsmittel ergriffen hat (BGE 55 III 173 E. 2; 47 III
67, S. 68; 23 I 947, S. 955f.). Die Begründungen zu dieser Auffassung
sind aber knapp gehalten, werden eher obiter dictum ausgesprochen und
erscheinen bei näherer Betrachtung nicht zwingend.

    d) Der Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons
Basel-Landschaft ist die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichts
bekannt. Sie hält jedoch im angefochtenen Entscheid an ihrer eigenen
Rechtsprechung fest, wonach die provisorische Pfändung erst nach
Eintritt der Rechtskraft des provisorischen Rechtsöffnungsentscheides -
und somit gegebenenfalls erst in dem Augenblick, wo über den Weiterzug
des erstinstanzlichen Rechtsöffnungsentscheides durch ein ordentliches
Rechtsmittel rechtskräftig entschieden worden ist - vorgenommen werden darf
(BJM 1982, S. 86 ff.).

Erwägung 2

    2.- Der Auffassung der kantonalen Aufsichtsbehörde ist beizupflichten.

    Die Bewilligung der Rechtsöffnung ist Voraussetzung dafür, dass der
Gläubiger gegenüber dem der Betreibung auf Pfandverwertung unterliegenden
Schuldner die provisorische Pfändung oder gegenüber dem der Betreibung auf
Konkurs unterliegenden Schuldner die Aufnahme eines Güterverzeichnisses
verlangen kann (Art. 83 Abs. 1 SchKG), und sie ist auch Voraussetzung für
die Aberkennungsklage des Schuldners beim Gericht des Betreibungsortes
(Art. 83 Abs. 2 SchKG). Bewilligt aber ist die provisorische Rechtsöffnung
nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen erst, wenn ein formell
rechtskräftiges Urteil vorliegt.

    Was nach dem Wortlaut von Art. 83 SchKG und den prozessualen
Grundsätzen Regel bildet, deckt sich mit Sinn und Zweck der provisorischen
Pfändung und der Systematik des Gesetzes: Da die provisorische
Rechtsöffnung den Rechtsvorschlag nur bedingt beseitigt, soll dem Gläubiger
für die Dauer des Schwebezustandes, das heisst, während des Fristenlaufs
für die Aberkennungsklage und bis zur - auch hier rechtskräftigen -
Erledigung des Aberkennungsprozesses, ein Mittel in die Hand gegeben
werden, womit er seinen Vollstreckungsanspruch sichern kann (JAEGER, N. 6
zu Art. 82 SchKG; GILLIÉRON, JdT 1984 II, Note S. 14). Aus diesem Grund
gibt es keine provisorische Pfändung, nachdem definitive Rechtsöffnung
erteilt worden ist, welche die hemmende Wirkung des Rechtsvorschlages
ein für allemal beseitigt und, im Falle der Betreibung auf Pfändung,
den Weg für die Verwertung freigibt. Wollte man bei der provisorischen
Rechtsöffnung die provisorische Pfändung bereits für die Dauer eines
Rechtsmittelverfahrens mit aufschiebender Wirkung zulassen, so wäre nicht
einzusehen, weshalb sie nicht auch in jenen Fällen möglich sein sollte,
wo der Rechtsöffnungsrichter definitive Rechtsöffnung bewilligt hat, sein
Entscheid aber mit einem Rechtsmittel, dem rechtskrafthemmende Wirkung
zukommt, weitergezogen worden ist. Die Auffassung, dass provisorische
Pfändung nicht verlangt werden kann, bevor über ein Rechtsmittel, womit die
Bewilligung der provisorischen Rechtsöffnung weitergezogen worden ist und
dem rechtskrafthemmende Wirkung zukommt, in zweiter Instanz rechtskräftig
entschieden worden ist, entspricht dem Wortlaut von Art. 83 Abs. 1 und
2 SchKG wie auch Sinn, Zweck und Systematik des Gesetzes.

Erwägung 3

    3.- Die Appellation des Prozessrechtes von Basel-Landschaft ist ein
ordentliches Rechtsmittel, welchem rechtskrafthemmende Wirkung zukommt
(STAEHELIN/SUTTER, Zivilprozessrecht nach den Gesetzen der Kantone
Basel-Stadt und Basel-Landschaft unter Einbezug des Bundesrechts,
Zürich 1992, § 21 Rz. 1 und 37; WEIBEL/RUTZ, Gerichtspraxis zur
basellandschaftlichen Zivilprozessordnung, 4. Auflage 1986, S. 255). Es ist
nach dem Gesagten daher bundesrechtskonform, wenn die Aufsichtsbehörde
über Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Basel-Landschaft im
Hinblick darauf, dass der Schuldner gegen den Rechtsöffnungsentscheid
des erstinstanzlichen Richters Appellation erklärt hat und diese - wie
auch aus den Ausführungen der Rekurrentin hervorgeht - noch hängig ist,
die provisorische Pfändung als unzulässig bezeichnet hat.

    Der Rekurs erweist sich als unbegründet.