Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 122 III 150



122 III 150

31. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. Mai 1996 i.S. Reto
und Christina M. gegen Guido und Frida R. (Berufung) Regeste

    Art. 731 Abs. 3 ZGB; Ersitzung einer Grunddienstbarkeit.

    Gehört ein Grundstück zum unverteilten Nachlass, ist eine Ersitzung
des Alleineigentums durch einen Erben ausgeschlossen. Fällt eine
Eigentumsersitzung ausser Betracht, kann nach Art. 731 Abs. 3 ZGB auch
eine Ersitzung einer Grunddienstbarkeit nicht in Frage kommen. Daran ändert
nichts, dass die Eigentumsersitzung im Grundbuch vollzogen wurde (E. 2).

    Ein Teil eines ungültigen Erbteilungsvertrages kann als
Dienstbarkeitsvertrag selbständigen Bestand haben, wenn dieser Teil
hinsichtlich Form und Inhalt den gesetzlichen Anforderungen an einen
Dienstbarkeitsvertrag entspricht (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Auf den Grundstücken Parzellen Nr. 204 und 205 in Flims-Dorf steht
ein altes Bündner Haus, welches seinerzeit Placidus S. gehörte. Bei seinem
Tod im Jahr 1912 hinterliess Placidus S. vier Töchter. Am 18. Januar 1913
schlossen die vier Töchtern des Placidus S. die folgende Vereinbarung ab:

    "Entelgienscha

    Denter las soras S. ei sentelgiu il savundont.

    1. L'Agnes ha il dretg da cumprar anavos la mezzadat dil
   curtgin della purteglia engiu, per fr. Duamilli sche quei daventa
   enteifer il temps da Diesch onns.

    2. Tiers la part casa dadens sauda.

    a. La stiva cun combra,

    b. la combra sura gronda cun la combra visavi,

    c. la combra sisum davart dadens e la combra da carn,

    d. ils dus tschalèrs della part dadens cun comunabel della
   gudiment veulta (Vorplatz),

    e. il locus (Abtritt) sut,

    f.  igl "Estrich" dadens,

    g. la part pastrin della "fanteuna Gliott"

    h. ils vaus en casa e la veulta vegnen gudi comunablamein
   [ganze Litera durchgestrichen]

    h. il nuel sut,

    i. en clavau la foppa et ils dus ladritschs gronds entadim
   cun ina teuna da paglia oradim clavau davart dadens,

    3. La part dador compeglia
   tut ils locals ch'ein sura buc manai si.

    4. Ils vaus en casa e la veulta, sco era il curtgin e tut posses
   enturn ils bagetgs vegnien gudi comunablamein.

    Quella partgida eis fatgia en preschienscha e cun cuntentienscha dellas
   suttascrittas soras S. entras igl incombensan

    Flem, ils 18 da Schanèr 1913

    (sig. Y.)

    N.B. Per partiala midada e definaziun da quei chei cunteneu sut Ziff.1
   ei fatg ina speziala entelgienscha denter las soras Agnes, Anna e

    Christina, tenor la quala il temps ei fixaus definitiv sin quindisch
onns.

    L'Agnes sa dentont haver il platz mo per seza baghegiar sin quel.

    [Letzter Satz durchgestrichen.]

    Flem, ils 18 da Schanèr 1913

    (sig. Anna S.

    Christina S.

    Maria C.-S.

    Agnes S.)."

    In der Folge wurde der Hausteil West von Christina R.-S. und
der Hausteil Ost von Anna M.-S. übernommen; im seinerzeitigen
Kauf- und Pfandprotokoll der Gemeinde Flims wurde diesbezüglich
nichts verurkundet. Kurz vor Einführung des Liegenschaften- und
Servitutenregisters am 1. Mai 1956 wurden kraft einer Verfügung
des Kreisamtes Trins vom 7. Februar 1955 "im Ersitzungsverfahren"
Christina R.-S. als Eigentümerin der Parzelle 204 (Hausteil West) und
Anna M.-S. als Eigentümerin der Parzelle 205 (Hausteil Ost) im Grundbuch
Flims eingetragen.

    Nach dem Tod von Christina R.-S. ging der Hausteil West im Jahr 1973
durch Erbteilung auf Guido R. über; seit 1980 steht dieser Hausteil infolge
Begründung des Ehegüterstandes der Gütergemeinschaft im gemeinschaftlichen
Eigentum von Guido und Frida R. In bezug auf den Hausteil Ost wurden nach
dem Tod von Anna M.-S. die Geschwister Reto und Christina M. im Jahr 1973
aufgrund eines Erbteilungsvertrages als Miteigentümer eingetragen.

    B.- Im Erdgeschoss des Hauses befinden sich zwei Hauseingänge,
nämlich der Nordeingang im Hausteil Ost und der Westeingang im Hausteil
West. Die beiden Eingänge sind durch einen Korridor verbunden, der auf
der Grenze zwischen den Hausteilen West und Ost durch eine Verbindungstür
unterbrochen wird. Von jenem Teil des Korridors, welcher sich im Hausteil
Ost befindet, führt eine erste Treppe hinunter in die Veulta und eine
zweite Treppe hinauf ins erste Obergeschoss. Eine dritte, sehr schmale
und steile Treppe führt direkt von der Stube des Hausteils West in ein
darüber liegendes Schlafzimmer. Zwischen den Parteien herrscht Streit
darüber, ob die Bewohner des Hausteils West den Korridor im Hausteil
Ost benützen dürfen, um über den Hauseingang im Norden ins Freie und
um über die beiden ersterwähnten Treppen ins erste Obergeschoss bzw. in
die Veulta gelangen zu können; umstritten ist ferner, ob den Bewohnern
des Hausteils West ein Nutzungsrecht an der Veulta zustehe. In bezug auf
die Nutzung der Durchgänge im Haus und der Veulta bestehen im Grundbuch
keine Eintragungen. Die Eheleute Guido und Frida R. machen geltend,
ihnen stünden entsprechende Rechte kraft ausserordentlicher Ersitzung
einer Grunddienstbarkeit zu.

    C.- Mit Urteil vom 14. Dezember 1994 stellte das Bezirksgericht
Imboden fest, dass zugunsten des Grundstückes der Eheleute Guido
und Frida R. und zulasten des Grundstückes der Geschwister Reto und
Christina M. eine Grunddienstbarkeit "in Form eines Durchgangsrechtes
durch die Korridore und die Veulta sowie eines Nutzungsrechtes an der
Veulta" bestehe; das Grundbuchamt Flims/Trin wurde angewiesen, eine
entsprechende Grunddienstbarkeit im Liegenschaften- und Servitutenregister
einzutragen. Eine dagegen von den Geschwistern Reto und Christina
M. erhobene Berufung wurde vom Kantonsgericht von Graubünden mit Urteil
vom 17. Oktober 1995 abgewiesen.

    D.- Mit Berufung vom 31. Januar 1996 beantragen die Geschwister Reto
und Christina M. dem Bundesgericht, das Urteil des Kantonsgerichtes von
Graubünden vom 17. Oktober 1995 aufzuheben und die Klage auf Feststellung
des Bestehens und auf Eintragung einer Dienstbarkeit zulasten ihres
Grundstückes abzuweisen.

    Die Eheleute Guido und Frida R. beantragen dem Bundesgericht die
Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten sei; das Kantonsgericht
hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Das Kantonsgericht geht in seiner Begründung davon aus,
dass die Mutter des Klägers 1 - Christina R.S. - die Parzelle Nr. 204
(Hausteil West) durch Ersitzung erworben habe. Während der Dauer der
Eigentumsersitzung habe Christina R.-S. auch den Korridor und die Veulta im
Hausteil Ost unangefochten und ununterbrochen als Dienstbarkeitsberechtigte
benutzt. Gestützt auf Art. 731 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 662 Abs. 1
ZGB schliesst das Kantonsgericht daraus, dass Christina R.-S. nicht nur
das Eigentum am Grundstück Nr. 204 mit dem darauf stehenden Hausteil West,
sondern auch die Dienstbarkeit zur Nutzung der genannten Gebäudeteile
des Hausteils Ost vor dem 1. Mai 1956 ersessen habe. Die Beklagten
halten die Auffassung des Kantonsgerichtes in verschiedener Hinsicht für
bundesrechtswidrig. Sie wenden im wesentlichen ein, die Ersitzung einer
Dienstbarkeit scheitere bereits daran, dass während der angeblichen
Ersitzungsdauer nur ein Grundstück und nicht deren zwei - nämlich ein
belastetes und ein berechtigtes - bestanden hätten. Abgesehen davon sei
das (altrechtliche) Kauf- und Pfandprotokoll mit negativer Rechtskraft
ausgestattet, weshalb Grunddienstbarkeiten nur durch Registereintrag und
nicht auch durch (ausserordentliche) Ersitzung rechtsgültig entstehen
könnten.

    a) Gemäss Art. 731 Abs. 3 ZGB ist die Ersitzung einer Dienstbarkeit nur
zu Lasten von Grundstücken möglich, an denen das Eigentum ersessen werden
kann. Für die hier zu beurteilende Frage der Ersitzung einer Dienstbarkeit
ist daher vorweg zu prüfen, ob die Ersitzung des Eigentums durch Christina
R.-S. und Anna M.-S. an den jeweiligen Hausteilen möglich war.

    Gehört ein Grundstück zum unverteilten Nachlass, ist eine
Ersitzung des Alleineigentums durch einen Erben ausgeschlossen, da der
Erbteilungsanspruch einer Ersitzung zum vornherein entgegensteht (BGE
116 II 267 mit weiteren Hinweisen). In bezug auf das seinerzeit Placidus
S. gehörende Grundstück fand keine rechtsgültige Teilung statt. Einerseits
kann die anscheinend nach der Vereinbarung vom 18. Januar 1913 erfolgte
Übertragung der beiden Haushälften in den Eigenbesitz von Christina
R.-S. und Anna M.-S. nicht als Realteilung qualifiziert werden. Für
den rechtsgeschäftlichen Erwerb von Grundeigentum gilt das absolute
Eintragungsprinzip, weshalb ein Erbe durch blosse Besitzübertragung kein
Alleineigentum erwerben kann (BGE 102 II 197 E.3 S. 203 ff.). Andererseits
kann die von den damaligen Erbinnen am 18. Januar 1913 unterzeichnete
Vereinbarung, die zwar als Erbteilung konzipiert war - sie wird
ausdrücklich als das bezeichnet ("partgida") -, nicht als gültiger
Teilungsvertrag im Sinne von Art. 634 ZGB qualifiziert werden, da ihr
nicht zu entnehmen ist, welchen der vier Erbinnen die beiden Hausteile
zuzuweisen sind. Damit entbehrt sie eines unabdingbaren Elementes (BGE 100
Ib 121 E. 2 S. 124 mit Hinweis). Daher stand das Grundstück des Placidus
S. (bzw. standen im Falle einer vorgängigen Parzellierung die beiden
Grundstücke Nr. 204 und 205) bis zur kreisamtlichen Ersitzungsverfügung
im Gesamteigentum der vier Töchter des Placidus S. (Art. 602 Abs. 1
ZGB). Weder aus dem angefochtenen Urteil noch aus den Akten ergibt sich,
ob vor der kreisamtlichen Ersitzungsverfügung - und gegebenenfalls wann -
das Grundstück in die beiden Parzellen 204 und 205 aufgeteilt wurde. Ist
aber ein Grundstück der Ersitzung nicht zugänglich, folgt aus Art. 731
Abs. 3 ZGB ohne weiteres, dass auch die Ersitzung einer Dienstbarkeit
zulasten eines solchen Grundstückes nicht möglich ist. Die Ersitzung der
in Frage stehenden Dienstbarkeit war daher nicht möglich.

    b) Daran ändert auch der Hinweis des Kantonsgerichtes nichts,
das der Grundbucheintrag gemäss Art. 9 ZGB den Nachweis für die
Eigentumsersitzung erbringe. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann
dieser Bestimmung keineswegs entnommen werden, dass mit der Verurkundung
der Ersitzung des Eigentums die Frage der ausserordentlichen Ersitzung
von Grunddienstbarkeiten präjudiziert werde. Art. 9 ZGB bezieht sich
nur auf den Beweis von Tatsachen, während sich die Rechtswirkungen des
Grundbucheintrages nicht aus Art. 9 ZGB, sondern aus den Art. 972 ff. ZGB
ergeben; diesen Bestimmungen kann für die mit der Anwendung von Art. 731
Abs. 3 ZGB verbundene Fragestellung nichts entnommen werden. Im übrigen
handelt es sich bei der im Auskündungsverfahren gemäss Art. 662 Abs. 3
ZGB ergangenen Verfügung des Kreisamts Trins vom 7. Februar 1955, Anna
M.-S. und Christina R.-S. als Eigentümerinnen der beiden Grundstücke
204 und 205 im Grundbuch einzutragen, nicht um einen Entscheid, der
bei der Anwendung von Art. 731 Abs. 3 ZGB zu berücksichtigen ist. Das
Auskündungsverfahren ist ein nichtstreitiges Verfahren, in welchem die
Voraussetzungen der Ersitzung nicht geprüft werden, sondern nur allfällige
Mängel am Ersitzungstatbestand mangels Einsprache geheilt werden (HEINZ
REY, Die Grundlagen des Sachenrechts und das Eigentum, Band I, Bern 1991,
N. 1634 ff.; PETER LIVER, Das Eigentum, Schweizerisches Privatrecht V/1,
Basel 1977, S. 155). Wenn die Behörde aber keine Kognition zur Prüfung der
materiellen Rechtsfragen hat, kann ihr Entscheid auch keine Bindungswirkung
in einem späteren Verfahren haben, in dem der Richter über volle Kognition
verfügt (OSKAR VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechtes, 4. Auflage,
Zürich 1995, 8. Kapitel, Rz. 75). Der kreisamtlichen Ersitzungsverfügung
kommt somit keine präjudizielle Wirkung zu.

    c) Der Vollständigkeit halber ist schliesslich festzuhalten, dass
eine Ersitzung der Grunddienstbarkeit auch für den Zeitraum nach Erlass
der kreisamtlichen Ersitzungsverfügung ausser Betracht fällt. Erkennt
ein Kanton bis zur Einführung des eidgenössischen Grundbuches einzelne
Wirkungen auch den kantonalen Publizitätseinrichtungen zu (Art. 48 SchlT
ZGB), so kommt dem provisorischen Grundbuch für die Zeit nach Inkrafttreten
desselben - trotz fehlender Bereinigung der altrechtlichen Verhältnisse -
die negative Grundbuchwirkung zu (BGE 114 II 318 E.4 S. 322 ff.). Zwar
versagt das Kantonsgericht Graubünden in ständiger Praxis den in bezug
auf Bestand oder Nichtbestand von Dienstbarkeiten unzuverlässigen Kauf-
und Pfandprotokollen die negative Grundbuchwirkung. Hingegen erkennt es den
Liegenschafts- und Servitutenregistern hinsichtlich der Dienstbarkeiten die
negative Rechtskraft zu, weil diese Register bereits wie das eidgenössische
Grundbuch nach dem Realfolienprinzip aufgebaut sind und ihrer Einführung
ein umfassendes Bereinigungs- und Einspracheverfahren vorausgegangen ist
(PKG 1991, Nr. 16; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts vom 6. November
1992, publiziert in ZGBR 75/1994, S. 80 ff.). Das Liegenschafts- und
Servitutenregisters trat für die Gemeinde Flims am 1. Mai 1956 in Kraft.

Erwägung 3

    3.- Ist die Ersitzung der beanspruchten Grunddienstbarkeiten
ausgeschlossen, stellt sich die Frage, ob deren Eintragung nicht direkt
gestützt auf die von den Töchtern des Placidus S. getroffene Vereinbarung
vom 18. Januar 1913 verlangt werden kann. Dabei steht namentlich dessen
Ziff. 4 im Vordergrund. Darin wurde vereinbart, die Durchgänge im Haus
und die Veulta gemeinsam zu benutzen. Zu prüfen ist dabei einerseits,
ob Ziff. 4 als selbständiger Teil der Vereinbarung vom 18. Januar 1913
Bestand haben kann; anderseits ist zu beurteilen, ob sie den Anforderungen
an Form und Inhalt eines Dienstbarkeitsvertrages genüge. Zu diesen Fragen
hat sich die Vorinstanz zwar nicht geäussert; doch wendet das Bundesgericht
das Bundesrecht von Amtes wegen an und hat insoweit die Befugnis, den
verbindlich festgestellten Sachverhalt im Rahmen von Art. 43 OG frei zu
würdigen (Art. 63 Abs. 3 OG).

    a) Der von den Töchtern des Placidus S. am 18. Januar 1913 schriftlich
geschlossene Vertrag war als Erbteilungsvertrag konzipiert; als solcher
war er indessen nicht gültig, weil ihm nicht zu entnehmen ist, wem die
beiden Hausteile zu Alleineigentum zuzuweisen sind (siehe E. 2a). Es stellt
sich die Frage, ob die Vereinbarung einer gemeinsamen Nutzung bestimmter
Teile des Hauses - für sich allein genommen - Bestand haben kann, war
sie doch mit der gleichzeitig vorgesehenen erbrechtlichen Teilung des
ursprünglichen Grundstückes und der Zuweisung der zu bildenden Parzellen
zu Alleineigentum verbunden.

    Es kann nicht zweifelhaft sein, dass die Erbinnen und
Gesamteigentümerinnen mit der in Ziff. 4 der Vereinbarung getroffenen
Regelung im Hinblick auf die Teilung ("partgida") und Parzellierung der
Liegenschaft die gemeinsame Nutzung ("gudi comunablamein") bestimmter
Teile des Hauses durch deren Alleineigentümer ordnen wollten. Die
Zuweisung der beiden Hausteile bzw. der Parzellen, auf der diese stehen,
zu Alleineigentum erfolgte zwar nicht aufgrund der Vereinbarung vom
18. Januar 1913, sondern durch Verfügung im amtlichen Auskündungsverfahren.
Der Umstand allein, dass keine Erbteilung zustande gekommen ist und in der
Folge die Zuweisung der beiden Hausteile zu Alleineigentum schliesslich
unter einem andern Titel als von den Vertragsparteien ursprünglich
vorgesehen erfolgte, kann der Verbindlichkeit der 1913 vereinbarten
Nutzungsordnung nicht entgegenstehen. Es gibt keine Anhaltspunkte, die
Vereinbarung so auszulegen, dass sie dann nicht gelten sollte, wenn die
Eigentumszuweisung nicht wie vorgesehen aufgrund des Erbteilungsvertrages,
sondern eines anderen Titels erfolgen würde. Für die Vereinbarung der
in Frage stehenden Nutzungsordnung konnte daher nur entscheidend sein,
dass die aufzuteilende Liegenschaft ins Alleineigentum übergehen würde,
nicht aber, kraft welchen Titels dies geschehen würde. Im Ergebnis
wurde mit der Eigentumseinweisung im amtlichen Auskündungsverfahren denn
auch keine andere Rechtslage - nämlich Zuweisung der beiden Hausteile
zu Alleineigentum - bewirkt als jene, für welche die Vertragsparteien
seinerzeit die gemeinsame Nutzungsordnung für bestimmte Teile des Hauses
vereinbart hatten. Ziff. 4 der Vereinbarung vom 18. Januar 1913 hat somit
als selbständiger Vertrag Bestand.

    b) Zu prüfen ist des weiteren, ob die Vereinbarung den
gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich Form und Inhalt eines
Dienstbarkeitsvertrages entspricht. Ziff. 4 entspricht ohne
weiteres der gesetzlichen Formvorschrift gemäss Art. 732 ZGB, da die
Vereinbarung schriftlich abgefasst ist und die Unterschrift aller
durch sie verpflichteten Gesamteigentümerinnen trägt. In bezug auf
den Inhalt des Dienstbarkeitsvertrages ist zunächst festzuhalten,
dass Grunddienstbarkeiten zwei Grundstücke - ein berechtigtes und
ein belastetes - voraussetzen. Freilich ist nicht erforderlich, dass
diese bereits bei Abschluss des Vertrages bestehen; vielmehr kann ein
Grunddienstbarkeitsvertrag auch im Hinblick auf erst noch zu bildende
Grundstücke vereinbart werden; vorausgesetzt ist allerdings, dass aufgrund
des Vertrages das belastete und das berechtigte Grundstück bestimmt oder
bestimmbar sind (BGE 44 II 394 S. 397; PETER LIVER, Zürcher Kommentar,
N. 17 zu Art. 732 ZGB). Weiter müssen dem Dienstbarkeitsvertrag der
Inhalt und der Umfang der Dienstbarkeit zu entnehmen sein, wobei
an die Umschreibung des Inhalts keine allzu hohen Anforderungen zu
stellen sind (BGE 87 I 311 E. 1 S. 313 f.; P. LIVER, N. 25 zu Art. 732
ZGB). Schliesslich muss der Dienstbarkeitsvertrag auch eine Willenseinigung
über die dingliche Natur des zu begründenden Rechts enthalten (P. LIVER,
N. 32 zu Art. 732 ZGB).

    Die zwischen den Töchtern des Placidus S. am 18. Januar 1913
abgeschlossene Vereinbarung genügt den Anforderungen an den Inhalt eines
Grunddienstbarkeitsvertrages. Die beteiligten Grundstücke sind zumindest
bestimmbar, da der Hausteil West genau bezeichnet wird und die übrigen
Räume dem Hausteil Ost zugewiesen werden. Es bestehen keine Anhaltspunkte,
dass die den beiden Schwestern im Auskündungsverfahren zu Eigentum
zugewiesenen Grundstücke, soweit das Wohnhaus betreffend, anders gebildet
wurden als gemäss der in der Vereinbarung vom 18. Januar 1913 vorgesehenen
räumlichen Ausscheidung. Auch der Inhalt der Dienstbarkeit lässt sich der
Vereinbarung genügend klar entnehmen. Dabei ist auch zu berücksichtigen,
wie die Nutzung seit der im Anschluss an die Übertragung zu Eigenbesitz
der Hausteile West und Ost auf die beiden Schwestern Christina R.-S. und
Anna M.-S. seit 1913 tatsächlich erfolgte; den vom Kantonsgericht
im Zusammenhang mit der Behandlung der Ersitzungsfrage getroffenen
verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen ist zu entnehmen, dass der
Nordeingang, der Korridor und die Veulta von den Bewohnern des Hausteils
West im Bewusstsein genutzt wurden, dass ihnen diese Nutzung dauernd und
ohne Einschränkung zustehe. Schliesslich ist der Vereinbarung auch eine
Willenseinigung über die dingliche Natur des zu begründenden Rechts zu
entnehmen. Es wurde nicht etwa bloss ein gegenseitiges Benutzungsrecht
zugunsten bestimmter Personen vereinbart; vielmehr einigten sich die
Parteien im Hinblick auf die Teilung des Hauses unter Zuweisung der
dabei zu bildenden Teile zu Alleineigentum - mithin im Bewusstsein,
dass die beiden Hausteile verschiedenen Eigentümern gehören würden -
auf die gemeinsame Nutzung der Durchgänge im Haus und der Veulta.

    c) Dies kann nichts anderes heissen, als dass der jeweilige Eigentümer
des Hauses West - heute auf Parzelle 204 - berechtigt ist, das Haus Ost -
heute auf Parzelle 205 - zu betreten bzw. dass ihm eine Grunddienstbarkeit
nach Massgabe der Ziff. 1 des Dispositivs des Urteils des Bezirksgerichtes
Imboden vom 14. Dezember 1994 eingeräumt wurde. Gestützt auf die Ziff. 4
der Vereinbarung vom 18. Januar 1913 können die Kläger daher die Eintragung
der Grunddienstbarkeit verlangen. Das angefochtene Urteil erweist sich
somit im Ergebnis als richtig. Die Berufung wird deshalb abgewiesen,
soweit darauf eingetreten wird.