Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 V 336



121 V 336

50. Urteil vom 28. Dezember 1995 i.S. R. gegen Arbeitslosenkasse
der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI und Rekurskommission für die
Arbeitslosenversicherung des Kantons Zürich Regeste

    Art. 8 Abs. 1, Art. 10 Abs. 2, Art. 11 Abs. 1, Art. 13 AVIG.
Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung bei gewünschter Erweiterung einer
Teilzeitbeschäftigung.

    Art. 14 Abs. 1 und 2 AVIG. Befreiung von der Erfüllung der
Beitragszeit verneint, mangels eines Kausalzusammenhangs zwischen dem
Befreiungsgrund und der Notwendigkeit der Erweiterung einer unselbständigen
Erwerbstätigkeit.

Sachverhalt

    A.- Die 1939 geborene R. arbeitet seit 1. Januar 1981 halbtags
als kaufmännische Angestellte in der X AG. Nach der Scheidung im Jahre
1989 besuchte sie Weiterbildungskurse der Schule Y, welche sie im März
1992 mit dem Handelsdiplom abschloss. Seit Juli 1992 sucht sie eine
Vollzeitbeschäftigung im kaufmännischen Bereich.

    Ab 22. April 1993 unterzog sich R. der Stempelkontrolle und beantragte
die Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung. Mit Verfügung vom 9. Juni
1993 lehnte die Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI das
Begehren mit der Begründung ab, die Versicherte habe keinen anrechenbaren
Verdienstausfall erlitten, nachdem sie nach wie vor im Rahmen von 50%
einer Vollzeitbeschäftigung erwerbstätig sei.

    B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies die Rekurskommission für die
Arbeitslosenversicherung des Kantons Zürich mit Entscheid vom 22. September
1994 ab.

    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt R., es seien ihr ab
22. April 1993 für den Arbeitsausfall von 50% Arbeitslosentaggelder
zuzusprechen; zudem ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen
Verbeiständung.

    Die Arbeitslosenkasse und das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und
Arbeit verzichten auf eine Vernehmlassung.

Auszug aus den Erwägungen:

      Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Art. 8 Abs. 1 AVIG zählt die für die Arbeitslosenentschädigung
massgeblichen Anspruchsvoraussetzungen auf. Danach ist unter anderem
erforderlich, dass der Versicherte ganz oder teilweise arbeitslos ist
(lit. a). Als ganz arbeitslos gilt, wer in keinem Arbeitsverhältnis
steht und eine Vollzeitbeschäftigung sucht (Art. 10 Abs. 1 AVIG). Als
teilweise arbeitslos gilt nach Art. 10 Abs. 2 AVIG, wer in keinem
Arbeitsverhältnis steht und lediglich eine Teilzeitbeschäftigung sucht
(lit. a) oder eine Teilzeitbeschäftigung hat und eine Vollzeit- oder eine
weitere Teilzeitbeschäftigung sucht (lit. b).

    Zu den gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen gehört ferner, dass
der Versicherte einen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitten hat (Art. 8
Abs. 1 lit. b AVIG). Nach Art. 11 Abs. 1 AVIG ist der Arbeitsausfall
anrechenbar, wenn er einen Verdienstausfall zur Folge hat und mindestens
zwei aufeinanderfolgende volle Arbeitstage dauert. Als voller Arbeitstag
gilt der fünfte Teil der wöchentlichen Arbeitszeit, die der Versicherte
normalerweise während seines letzten Arbeitsverhältnisses geleistet hat
(Art. 4 Abs. 1 AVIV). Der Arbeitsausfall von teilweise Arbeitslosen ist
anrechenbar, wenn er innerhalb von zwei Wochen mindestens zwei volle
Arbeitstage ausmacht (Art. 5 AVIV).

    Im weitern muss der Versicherte die Beitragszeit erfüllen oder
von der Erfüllung der Beitragszeit befreit sein (Art. 8 Abs. 1 lit. e
AVIG). Nach Art. 13 Abs. 1 AVIG erfüllt die Beitragszeit, wer innerhalb
der Rahmenfrist (Art. 9 Abs. 3 AVIG) während mindestens sechs Monaten eine
beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat. Die Rahmenfrist für die
Beitragszeit beginnt zwei Jahre vor dem Tag, an welchem der Versicherte
erstmals sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt (Art. 9 Abs. 3 in
Verbindung mit Abs. 2 AVIG). Von der Erfüllung der Beitragspflicht befreit
ist gemäss Art. 14 Abs. 1 AVIG u.a., wer innerhalb der Rahmenfrist
während insgesamt mehr als zwölf Monaten wegen Schulausbildung,
Umschulung oder Weiterbildung (lit. a) oder infolge Krankheit, Unfall
oder Mutterschaft (lit. b) nicht in einem Arbeitsverhältnis stand und
deshalb die Beitragszeit nicht erfüllen konnte. Ebenfalls befreit sind
Personen, die wegen Trennung oder Scheidung ihrer Ehe, wegen Invalidität
oder Todes des Ehegatten oder aus ähnlichen Gründen oder wegen Wegfalls
einer Invalidenrente gezwungen sind, eine unselbständige Erwerbstätigkeit
aufzunehmen oder zu erweitern; indessen darf das betreffende Ereignis
nicht mehr als ein Jahr zurückliegen (Art. 14 Abs. 2 AVIG).

Erwägung 2

    2.- Gemäss Arbeitgeberbescheinigung vom 30. April 1993 ist die
Beschwerdeführerin in der X AG während 21 1/4 Wochenstunden erwerbstätig,
wogegen die normale betriebliche Arbeitszeit 41 1/4 Stunden pro Woche
beträgt. Im Antrag auf Arbeitslosenentschädigung gab die Versicherte an,
sie sei bereit und in der Lage, eine Vollzeitbeschäftigung anzunehmen.

    a) Die Rekurskommission hat eine (Teil-)Arbeitslosigkeit
verneint. Unter Hinweis auf das Urteil H. des Eidg. Versicherungsgerichts
vom 31. Mai 1994 (auszugsweise veröffentlicht in SVR 1994 ALV Nr. 22 S. 51)
hat sie erwogen, die Rechtsprechung, wonach es für die Qualifizierung
einer Tätigkeit als Zwischenverdienst nicht mehr auf das Kriterium
des Übergangscharakters ankomme, führe dazu, dass sämtliche Formen
unselbständiger Erwerbstätigkeit innerhalb einer Kontrollperiode unter
Art. 24 AVIG zu subsumieren seien. Da demnach die Entschädigung nach dem
Verdienst- und nicht nach dem Arbeitsausfall zu erfolgen habe, müsse
nicht mehr geprüft werden, ob ein Arbeitsverhältnis den gewünschten
Beschäftigungsumfang abdeckt. Die Annahme von zumutbarer Arbeit führe
zwingend zum Austritt aus der Arbeitslosigkeit. Für die Feststellung
eines zusätzlichen Arbeitsausfalls bestehe daher ebensowenig Raum wie
für eine darauf gründende Entschädigung. Art. 10 Abs. 2 lit. b AVIG,
welcher die teilweise Arbeitslosigkeit für den Fall vorsehe, wo ein
Teilzeitbeschäftigter eine Vollzeit- oder eine weitere Teilzeitstelle
sucht, sei damit grundsätzlich nicht mehr anwendbar. Der versicherte
Verdienst werde sich in der Regel nach dem bisherigen Einkommen bemessen,
welches indessen nach wie vor erzielt werde.

    b) Zu unterscheiden ist zunächst zwischen den Anspruchsnormen
(Art. 8-17 AVIG) und den Bestimmungen über die Bemessung der
Arbeitslosenentschädigung (Art. 18-29 AVIG). Danach ist die am 1. Januar
1992 in Kraft getretene neuumschriebene Zwischenverdienstregelung
(Art. 24 AVIG) aufgrund ihrer systematischen Einordnung im Gesetz eine
Entschädigungs- oder, genauer gesagt, eine Entschädigungsbemessungsnorm
(BGE 120 V 242 Erw. 2b; in SVR 1994 ALV Nr. 22 S. 51 nicht publizierte
Erwägung 3b). Ob ein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung in einer
bestimmten Kontrollperiode besteht, beurteilt sich primär nach
Art. 8 Abs. 1 lit. a-g in Verbindung mit Art. 9 ff. AVIG. Sind
diese Anspruchsvoraussetzungen gegeben, kommt es zur Zusprechung
einer Arbeitslosenentschädigung, die in betraglicher Hinsicht nach
den Art. 18 ff. AVIG festgelegt wird (vgl. GERHARDS, Kommentar zum
Arbeitslosenversicherungsgesetz, Bd. III, N. 10 zu Art. 24; GEHRHARDS,
Arbeitslosenversicherung:"Stempelferien", Zwischenverdienst und
Kurzarbeitsentschädigung für öffentliche Betriebe und Verwaltungen -
Drei Streitfragen, in SZS 1994 S. 348). Das ist auch im Falle, da der
Versicherte in der fraglichen Kontrollperiode einen Zwischenverdienst
erzielt, grundsätzlich nicht anders (unveröffentlichtes Urteil F. vom
1. Juni 1994). Eine Sonderregelung besteht indes für den Fall, dass der
Versicherte zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit für wenigstens eine ganze
Kontrollperiode eine Vollzeitbeschäftigung annimmt und ihn dabei ein
Verdienstausfall trifft, ohne dass er einen erheblichen Arbeitsausfall
erleidet. Für diesen speziellen Tatbestand gewährt Art. 24 Abs. 4 AVIG,
beschränkt auf die ersten sechs Monate einer solchen Beschäftigung,
die Befreiung vom gesetzlichen Anspruchserfordernis des anrechenbaren
Arbeitsausfalles im Sinne von Art. 11 Abs. 1 AVIG.

    c) Zu einer anderen Betrachtungsweise besteht auch unter dem
Gesichtswinkel des Urteils H. vom 31. Mai 1994 kein Anlass. Wenn
das Eidg. Versicherungsgericht in BGE 120 V 249 f. Erw. 5b (worauf
Erwägung 6a des Urteils H. verweist) festhielt, sämtliche Formen
unselbständiger Erwerbstätigkeit, welche bisher unter die verschiedenen
Bemessungsnormen oder -grundsätze der Teilzeitarbeit (Art. 18 Abs. 1
in Verbindung mit Art. 22 f. AVIG), des Zwischenverdienstes (alt
Art. 24 AVIG) und der Ersatzarbeit (alt Art. 25 AVIG) subsumiert wurden,
bildeten nunmehr Gegenstand des revidierten Art. 24 AVIG, kann daraus
nicht abgeleitet werden, in Fällen wie dem vorliegenden bestehe gar
keine Arbeitslosigkeit und Art. 10 Abs. 2 lit. b AVIG sei gar nicht
anwendbar. Werden die Darlegungen des Eidg. Versicherungsgerichts
nämlich nicht isoliert, sondern im Gesamtzusammenhang betrachtet,
zeigt sich ganz klar, dass sie sich auf die Entschädigungsbemessung
und nicht auf die Anspruchsvoraussetzungen beziehen (vgl. BGE 120 V 248
ff. Erw. 5a und b). Konkret ging es in jenem Fall um die Auswirkungen
der am 1. Januar 1992 in Kraft getretenen neuen Zwischenverdienstregelung
auf die Festsetzung der Arbeitslosenentschädigung. Dabei hat das Gericht
erwogen, mit der Gesetzesnovelle sei beabsichtigt worden, die Berechnung
der Arbeitslosenentschädigung zu vereinheitlichen. Dieser gesetzgeberische
Wille habe in Art. 24 AVIG seinen Niederschlag gefunden, mit der Folge,
dass nunmehr sämtliche während einer oder mehrerer Kontrollperioden
erzielten Verdienste nach dem Prinzip des Verdienstausfalls und
nicht mehr nach jenem des Arbeitsausfalls einheitlich über den Weg
von Art. 24 AVIG zu entschädigen seien (BGE 120 V 248 f. Erw. 5b). Am
Grundsatz, wonach die Zwischenverdienstregelung eine abrechnungstechnische
Einkommens-Behandlungsbestimmung und nicht eine Tätigkeitsförderungsnorm
ist (GERHARDS, Arbeitslosenversicherung: "Stempelferien", Zwischenverdienst
und Kurzarbeitsentschädigung für öffentliche Betriebe und Verwaltungen -
Drei Streitfragen, in SZS 1994 S. 348), ändern die Urteile R. vom 31. Mai
1994 (BGE 120 V 233) und H. vom gleichen Tag nichts. Die Anwendung dieser
Regelung setzt nach wie vor die vorgängige Feststellung der Erfüllung
der Anspruchsvoraussetzungen der Grundregel von Art. 8 AVIG voraus.

    d) Die vorinstanzlichen Darlegungen vermögen auch deshalb nicht zu
überzeugen, weil sie dazu führen, dass Art. 14 Abs. 2 AVIG - insoweit er
den Fall der Erweiterung einer bisherigen Tätigkeit regelt - schlechthin
aus den Angeln gehoben würde. Für eine Versicherte, welche zufolge
Scheidung die bisherige Halbtagesstelle erweitern möchte, würde dies
bedeuten, dass ihr Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung in Ermangelung
der ersten Voraussetzung des in Art. 8 Abs. 1 AVIG aufgeführten Katalogs
verneint werden müsste und es ihr nichts nützen würde, dass sie aufgrund
von Art. 14 Abs. 2 AVIG - mit Bezug auf die gesuchte zusätzliche Tätigkeit
- an sich von der Erfüllung der Beitragszeit befreit wäre. Die in Art. 14
Abs. 2 AVIG bewusst kodifizierte Erweiterung einer Tätigkeit (vgl. ARV
1987 Nr. 5 S. 69 Erw. 2c) wäre damit obsolet.

    e) Zusammenfassend ergibt sich, dass die Anspruchsvoraussetzungen
von Art. 8 ff. AVIG von der seit 1. Januar 1992 in Kraft stehenden
Zwischenverdienstregelung nicht berührt werden. Im Sinne einer
systematischen Gesetzesanwendung ist demnach zunächst gemäss Art. 8
Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 10 AVIG zu prüfen, ob überhaupt
Arbeitslosigkeit im Sinne dieser Bestimmungen besteht.

    Im vorliegend zu beurteilenden Fall führt dies dazu, dass die
Beschwerdeführerin, welche unbestrittenermassen eine Teilzeitbeschäftigung
ausübt und eine Vollzeitbeschäftigung sucht, vom Zeitpunkt, ab welchem sie
sich beim Arbeitsamt zur Vermittlung gemeldet hat (Art. 10 Abs. 3 AVIG),
d.h. ab 22. April 1993, als teilarbeitslos zu betrachten ist.

Erwägung 3

    3.- Als weitere - kumulativ - zu erfüllende Anspruchsvoraussetzung
muss nach Art. 8 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 11 Abs. 1
AVIG ein anrechenbarer Arbeitsausfall vorliegen. Ob dies zutrifft,
beurteilt sich bei Versicherten, die zwar eine Teilzeitbeschäftigung
ausüben, aber eine Ganztagesstelle suchen, nicht an den Verhältnissen
der Vergangenheit, sondern prospektiv im Hinblick auf die von ihnen
angestrebte Beschäftigung (vgl. BGE 112 V 229; GERHARDS, Kommentar zum
Arbeitslosenversicherungsgesetz, Bd. I, N. 14 zu Art. 11). Entgegen der
von der Arbeitslosenkasse in der Verfügung vom 9. Juni 1993 vertretenen
Auffassung liegt - in Übereinstimmung mit der vom Kantonalen Amt für
Industrie, Gewerbe und Arbeit in der Vernehmlassung an die Vorinstanz
vom 10. Juni 1994 geäusserten Meinung - mit Bezug auf die gewünschte
Erweiterung der Erwerbstätigkeit ein anrechenbarer Arbeitsausfall vor
(SVR 1994 ALV Nr. 11 S. 28 Erw. 2b). Der geforderte Mindestausfall von
zwei vollen Tagen innerhalb zweier Wochen (Art. 5 AVIV) ist ebenfalls
gegeben (vgl. GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz,
Bd. I, N. 30 und N. 31 zu Art. 11).

Erwägung 4

    4.- Zu prüfen ist des weitern, ob die Beschwerdeführerin bezüglich
jenes Teils der Zeit, für die sie einen Arbeitsausfall geltend macht, die
Beitragszeit erfüllt bzw. ob dafür ein Befreiungsgrund vorliegt (Art. 8
Abs. 1 lit. e AVIG; BGE 112 V 240 f. Erw. 2c; SVR 1994 ALV Nr. 11 S. 28
Erw. 3 u. 4).

    Zu unterscheiden ist zwischen der Tätigkeit, die der Beitragspflicht
unterliegt, und der anderen Beschäftigung. Aus Art. 14 Abs. 2 AVIG folgt,
dass Versicherte, welche ihre Tätigkeit erweitern wollen, bezüglich
der gewünschten Ausdehnung ihrer Tätigkeit die Voraussetzungen der
Beitragszeit nicht erfüllen, obwohl sie während mindestens sechs Monaten
eine beitragspflichtige Teilzeitbeschäftigung ausgeübt haben. Des weiteren
können Personen, die nie erwerbstätig waren und daher keine Beiträge
an die Arbeitslosenversicherung entrichtet haben, (unter Vorbehalt von
Befreiungsgründen) keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung geltend
machen, wenn sie eine Anstellung suchen; genausowenig kann somit derjenige,
der bisher lediglich auf der Basis einer Teilzeitbeschäftigung Beiträge
entrichtet hat, Leistungen für den Verdienstausfall einer Vollzeitstelle
beanspruchen (SVR 1994 ALV Nr. 11 S. 28 Erw. 3).

    Die Beschwerdeführerin kann innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist
für die Beitragszeit (Art. 9 Abs. 1 und 3 AVIG) nur auf einem Teilpensum
von 21 1/4 Wochenstunden Beiträge ausweisen. Damit genügt sie bezüglich
der gewünschten Ausdehnung der Beschäftigung den Anforderungen des Art. 8
Abs. 1 lit. e AVIG nicht, insoweit dort die Erfüllung der Beitragszeit
nach Art. 13 AVIG verlangt wird.

Erwägung 5

    5.- a) Somit fragt sich des weitern, ob allenfalls ein
Befreiungstatbestand im Sinne von Art. 14 AVIG vorliegt. Diesbezüglich
bringt die Beschwerdeführerin vor, im Zeitpunkt der Scheidung im November
1989 sei ihr eine zeitlich abgestufte Rente zugesprochen worden, in der
Annahme, sie werde ihr Arbeitspensum in den nachfolgenden drei bis fünf
Jahren auf 100% aufstocken können. Im Hinblick auf die Ausweitung der
Erwerbstätigkeit habe sie zunächst von März 1990 bis März 1992 an der
Schule Y einen berufsbegleitenden Weiterbildungskurs besucht. Während
dieser Zeit sei es ihr somit nicht möglich gewesen, ganztägig eine
unselbständige Tätigkeit auszuüben. Vom 2. Dezember 1992 bis 31. Januar
1993 sei sie zudem aus gesundheitlichen Gründen zu 100% arbeitsunfähig
gewesen.

    b) Nach dem Wortlaut von Art. 14 Abs. 1 AVIG beziehen sich diese
Bestimmungen auf Versicherte, die nicht in einem Arbeitsverhältnis
standen und deshalb durch die dort genannten Gründe an der Ausübung einer
beitragspflichtigen Beschäftigung gehindert worden sind. Es muss somit
ein Kausalzusammenhang zwischen der Nichterfüllung der Beitragszeit
und der Krankheit (ARV 1986 Nr. 3 S. 14 Erw. 2 mit Hinweisen)
bzw. der Schulausbildung, Umschulung oder Weiterbildung vorliegen
(ARV 1991 Nr. 8 S. 86 Erw. 3a mit Hinweisen). Um wirklich kausal für
die fehlende Beitragszeit zu sein, muss das Hindernis zudem während
mehr als zwölf Monaten bestanden haben. Denn bei kürzerer Verhinderung
bleibt dem Versicherten während der zweijährigen Rahmenfrist genügend
Zeit, um eine ausreichende beitragspflichtige Beschäftigung auszuüben
(GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, Bd. I, N. 10
zu Art. 14). Da eine Teilzeitbeschäftigung mit Bezug auf die Erfüllung
der Beitragszeit einer Vollzeitbeschäftigung gleichgestellt ist (Art. 11
Abs. 4 Satz 1 AVIV), liegt die erforderliche Kausalität für das Fehlen
einer beitragspflichtigen Beschäftigung zudem nur vor, wenn es dem
Versicherten aus einem der in Art. 14 Abs. 1 lit. a-c AVIG genannten
Gründen auch nicht möglich und zumutbar ist, ein Teilzeitarbeitsverhältnis
einzugehen. Denn bei genügender Beitragszeit, d.h. wenn der Versicherte
innerhalb der Rahmenfrist während mindestens sechs Monaten eine
beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat (Art. 13 Abs. 1 AVIG), kommt
die Befreiungsregelung nicht zum Zuge (unveröffentlichtes Urteil H. vom 9.
Januar 1995; GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz,
Bd. I, N. 8 zu Art. 14). Entgegen der von der Versicherten vertretenen
Auffassung kommt Art. 14 Abs. 1 AVIG somit nicht zur Anwendung, wenn ein
Versicherter seine bisher ausgeübte unselbständige Teilzeitbeschäftigung
erweitern will.

    Die Beschwerdeführerin steht unbestrittenermassen seit 1981
ununterbrochen in einem Arbeitsverhältnis, welches auch während der rund
zweimonatigen Krankheit fortbestand. Des weitern besuchte sie den Kurs an
der Schule Y zugegebenermassen neben dieser Teilzeitbeschäftigung. Die
Voraussetzungen für eine Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit
aufgrund von Art. 14 Abs. 1 AVIG sind somit nicht erfüllt.

    c) Die Versicherte beruft sich des weitern darauf, dass ihr
geschiedener Ehemann nicht mehr in der Lage sei, ihr die Unterhaltsbeiträge
zu bezahlen. Es stellt sich somit die Frage, ob sie aus den in Art. 14
Abs. 2 AVIG erwähnten "ähnlichen Gründen" einen Befreiungstatbestand
verwirklicht.

    aa) Die Formel "aus ähnlichen Gründen" stellt einen unbestimmten
Rechtsbegriff dar, welcher vom Gesetzgeber bewusst nicht näher umschrieben
wurde, um die Vorschrift entsprechend der Vielfalt des Lebens flexibel
handhaben zu können (Botschaft des Bundesrates zum AVIG vom 2. Juli 1980,
BBl 1980 III 565). Entscheidend ist, dass der unmittelbar Betroffene oder
dessen Ehepartner durch ein bestimmtes Ereignis in eine wirtschaftliche
Zwangslage gerät (BGE 119 V 54 Erw. 3a mit Hinweis).

    bb) Eine Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit nach Art. 14
Abs. 2 AVIG ist indessen nur möglich, wenn zwischen dem geltend
gemachten Grund und der Notwendigkeit einer Aufnahme oder Erweiterung
einer unselbständigen Erwerbstätigkeit ein Kausalzusammenhang gegeben
ist. Dabei ist kein strikter Kausalitätsnachweis im naturwissenschaftlichen
Sinne zu verlangen. Ein solcher könnte kaum je erbracht werden, sind doch
die in diesem Zusammenhang bedeutsamen inneren Beweggründe einer Person
für die Suche nach einer Arbeitnehmertätigkeit einer Beurteilung durch
Drittpersonen weitgehend entzogen. Vernünftigerweise ist deshalb der
erforderliche Kausalzusammenhang bereits zu bejahen, wenn es glaubwürdig
und nachvollziehbar erscheint, dass der Entschluss des Versicherten, eine
unselbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen, in dem als Befreiungsgrund
in Frage kommenden Ereignis mitbegründet liegt (BGE 119 V 55 Erw. 3b
mit Hinweis).

    Anderseits gilt es zu beachten, dass das Gesetz die enumerierten
oder ähnlichen Befreiungsgründe im Rahmen der Generalklausel nicht mehr
zulässt, wenn das betreffende Ereignis mehr als ein Jahr zurückliegt
(Art. 14 Abs. 2 Satz 2 AVIG). Dies ist Ausdruck der gesetzgeberischen
Entscheidung, ein solches Ereignis nicht mehr als kausal für die über
ein Jahr später versuchte Arbeitsaufnahme zu betrachten.

    cc) Wie dem Schreiben der Beschwerdeführerin an ihren
geschiedenen Ehemann vom 16. Februar 1993 zu entnehmen ist,
kam dieser seiner Unterhaltspflicht bis Ende Januar 1993 stets
pünktlich nach. Erst ab Februar 1993 konnte er die Zahlungen
infolge finanzieller Schwierigkeiten nicht mehr leisten. Gemäss
den Darlegungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hatte sich die
Versicherte indessen bereits seit Mitte 1992 um eine Vollzeitstelle
bemüht. Im vorinstanzlichen Verfahren hat sie dies zudem mit zahlreichen
Unterlagen dokumentiert. Daraus folgt, dass sie bereits vor dem Wegfall
der Unterhaltsbeiträge einer ganztägigen Beschäftigung nachgehen
wollte. Es waren somit nicht erst die fehlenden Beiträge, welche die
Beschwerdeführerin dazu zwangen, die Erwerbstätigkeit auszudehnen. Zwischen
dem Ausbleiben der Zahlungen ihres Ex-Mannes und dem Wunsch nach einer
Vollzeitstelle besteht somit kein Kausalzusammenhang (vgl. ARV 1987 Nr. 5
S. 70 Erw. 2d). Weitere Befreiungsgründe, welche innerhalb der Jahresfrist
nach Art. 14 Abs. 2 in fine AVIG liegen, werden keine geltend gemacht
und ergeben sich auch nicht aufgrund der Akten. Insbesondere fällt die in
Art. 14 Abs. 2 AVIG angeführte Ehescheidung im vorliegenden Fall ausser
Betracht, wie die Beschwerdeführerin im übrigen selber einräumt.

    Da somit die Voraussetzungen von Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG nicht
erfüllt sind, lassen sich die Verfügung vom 9. Juni 1993 und der
vorinstanzliche Entscheid im Ergebnis insofern nicht beanstanden, als
der Leistungsanspruch zu verneinen ist.

Erwägung 6

    6.- (Unentgeltliche Verbeiständung)