Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 V 264



121 V 264

42. Auszug aus dem Urteil vom 18. Dezember 1995 i.S. Bundesamt für
Sozialversicherung gegen R. und Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV
für die im Ausland wohnenden Personen Regeste

    Art. 28 Abs. 1, 28 Abs. 1ter, 29 Abs. 1 lit. b IVG, Art. 88a Abs. 2
IVV.

    - Art. 28 Abs. 1ter IVG beinhaltet nicht eine blosse
Auszahlungsvorschrift, sondern eine Anspruchsvoraussetzung, weshalb
die Annahme eines fiktiven Anspruchs auf die Viertelsrente (bei einer
Invalidität von mindestens 40% aber weniger als 50%) mit anschliessender
Festsetzung des Rentenbeginns nach Art. 88a Abs. 2 IVV ausgeschlossen ist.

    - Bei Versicherten, die ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt
nicht in der Schweiz haben, entsteht der Rentenanspruch nach Art. 29
Abs. 1 lit. b IVG erst, wenn sie während eines Jahres durchschnittlich
mindestens zu 50% arbeitsunfähig gewesen sind und der Invaliditätsgrad
nach Ablauf der Wartezeit mindestens 50% beträgt.

Sachverhalt

    A.- Der 1931 geborene deutsche Staatsangehörige R. war in den Jahren
1954 bis 1961 in der Schweiz erwerbstätig gewesen und hatte Beiträge an
die schweizerische AHV und Invalidenversicherung entrichtet. In der Folge
arbeitete er als Bautechniker in der Bundesrepublik Deutschland, zuletzt
als Kläranlagenspezialist bei der Stadtverwaltung L. Das Arbeitsverhältnis
endete am 1. November 1989, nachdem er ab 8. Januar 1988 wiederholt
vorübergehend und ab 2. August 1989 dauernd arbeitsunfähig gewesen war.

    Im August 1989 meldete sich R. über die Bundesversicherungsanstalt
für Angestellte (BfA) zum Bezug einer Rente der schweizerischen
Invalidenversicherung an. Die Invalidenversicherungs-Kommission
für Versicherte im Ausland nahm Abklärungen vor und eröffnete dem
Leistungsansprecher am 28. November 1990, dass keine anspruchsbegründende
Invalidität vorliege. Nach Erhalt eines Rentenbescheids der BfA vom 11.
Dezember 1990, mit welchem R. eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1.
September 1989 zugesprochen worden war, nahm sie ergänzende Erhebungen vor
und setzte den Invaliditätsgrad auf 72% und den Beginn des Rentenanspruchs
auf den 2. August 1990 fest. Mit Verfügung vom 24. Mai 1991 sprach die
Schweizerische Ausgleichskasse R. ab 1. August 1990 eine ganze einfache
Invalidenrente nebst Zusatzrente für die Ehefrau zu.

    B.- R. beschwerte sich gegen diese Verfügung und verlangte unter
Hinweis auf den Rentenbescheid der BfA die Zusprechung einer Rente ab
1. September 1989.

    Gestützt auf eine neue Stellungnahme des Arztes der
Invalidenversicherungs-Kommission, wonach eine Arbeitsunfähigkeit in der
früheren Tätigkeit von 25% ab 8. Januar 1988 und von 70% ab 2. August
1989 anzunehmen sei, beantragte die Schweizerische Ausgleichskasse die
Zusprechung einer halben Rente ab 1. Februar 1990 und einer ganzen Rente
ab 1. Mai 1990.

    Mit Entscheid vom 24. März 1993 hiess die Eidg. Rekurskommission der
AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen die Beschwerde teilweise
gut und sprach R. ab 1. März 1990 eine ganze Invalidenrente nebst
Zusatzrente für die Ehefrau zu. Dabei ging sie davon aus, dass bei einer
Arbeitsunfähigkeit von 25% ab 8. Januar 1988 und 70% ab 2. August
1989 der Versicherungsfall für den Anspruch auf eine Viertelsrente
(durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit von mindestens 40% während eines
Jahres) am 1. Dezember 1989 eingetreten sei. Ein Anspruch auf Viertelsrente
bestehe jedoch nicht, weil der Beschwerdeführer Wohnsitz im Ausland
habe. Obschon bei Eintritt des Versicherungsfalls am 1. Dezember 1989
die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit zwei Drittel überstiegen habe,
bestehe ab diesem Zeitpunkt kein Rentenanspruch, weil die durchschnittliche
Arbeitsunfähigkeit während der Wartezeit noch unter 50% gelegen habe. Die
Zunahme der Beeinträchtigung sei jedoch als anspruchsbeeinflussende
Änderung im Sinne von Art. 88a Abs. 2 IVV zu berücksichtigen und dem
Beschwerdeführer eine ganze Invalidenrente ab 1. März 1990 zuzusprechen.

    C.- Das Bundesamt für Sozialversicherung erhebt
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheids sei dem Versicherten eine halbe Rente ab
1. Dezember 1989 und eine ganze Rente ab 1. März 1990 zuzusprechen. Zur
Begründung wird sinngemäss vorgebracht, nach Art. 4 Abs. 2 in Verbindung
mit Art. 28 Abs. 1ter IVG entstehe bei Personen mit Wohnsitz im Ausland
der Rentenanspruch erst bei einer Invalidität von 50%. Die Annahme eines
fiktiven Anspruchs auf die Viertelsrente sei mit Art. 28 Abs. 1ter
IVG nicht vereinbar, weshalb es nicht angehe, den Rentenanspruch in
Anlehnung an die Vorschriften über die Rentenrevision gemäss Art. 41 IVG
und Art. 88a Abs. 2 IVV zu beurteilen. Werde davon ausgegangen, dass der
Beschwerdegegner vor dem 2. August 1989 zu 25% arbeitsunfähig gewesen sei,
so folge daraus, dass er ab 1. Dezember 1989 Anspruch auf eine halbe Rente
habe (durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit von mindestens 50% während
eines Jahres). Da er in jenem Zeitpunkt bereits nicht mehr erwerbsfähig
gewesen sei, sei der Anspruch auf die ganze Rente gemäss Art. 41 IVG und
Art. 88a Abs. 2 IVV drei Monate später, somit am 1. März 1990 entstanden.

    R. hat sich zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht vernehmen lassen.

    Die Schweizerische Ausgleichskasse schliesst sich im Grundsätzlichen
der Auffassung des Bundesamtes für Sozialversicherung an, hält jedoch
daran fest, dass ab 1. Februar 1990 Anspruch auf eine halbe und ab 1. Mai
1990 auf eine ganze Rente bestehe.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die
versicherungsmässigen Voraussetzungen zum Bezug einer Rente der
schweizerischen Invalidenversicherung erfüllt sind. Des weitern steht fest,
dass der Beschwerdegegner invalid im Sinne des Gesetzes (Art. 4 Abs. 1 IVG)
ist und die materiellen Voraussetzungen des Rentenanspruchs (Art. 28 IVG)
erfüllt. Streitig ist der Zeitpunkt des Rentenbeginns und derjenige einer
allfälligen Rentenerhöhung, wobei der Rentenbeginn unbestrittenermassen
nach lit. b von Art. 29 Abs. 1 IVG (langdauernde Krankheit) festzusetzen
ist. Während die Vorinstanz dem Beschwerdegegner eine ganze Rente ab März
1990 zugesprochen hat, beantragt das beschwerdeführende Bundesamt für
Sozialversicherung die Zusprechung einer halben Rente ab Dezember 1989
und einer ganzen Rente ab März 1990. Die Schweizerische Ausgleichskasse
erneuert den im vorinstanzlichen Beschwerdeverfahren gestellten Antrag
auf Zusprechung einer halben Rente ab Februar 1990 und einer ganzen Rente
ab Mai 1990, nachdem sie dem Beschwerdegegner verfügungsweise eine ganze
Rente ab August 1990 zugesprochen hatte.

    b) Die Vorinstanz ist von der mit der Vernehmlassung der
Schweizerischen Ausgleichskasse im Beschwerdeverfahren eingereichten
Stellungnahme des Arztes der Invalidenversicherungs-Kommission,
Dr. med. S., vom 15. Oktober 1991 ausgegangen, wonach der Beschwerdegegner
ab 8. Januar 1988 zu 25% und ab 2. August 1989 zu 70% arbeitsunfähig
war. Das Bundesamt für Sozialversicherung weist demgegenüber darauf hin,
dass der Arbeitgeberbericht vom 24. September 1990 für die Zeit vom
1. Februar bis 1. August 1989 keine krankheitsbedingten Abwesenheiten
ausweise. Daraus liesse sich allenfalls ein für den Anspruchsbeginn nach
Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG wesentlicher Unterbruch der Arbeitsunfähigkeit
ableiten (Art. 29ter IVV). Das Bundesamt für Sozialversicherung
zieht diesen Schluss jedoch nicht, sondern erachtet die Annahme als
vertretbar, dass der Beschwerdegegner auch in dieser Zeit zu einem
Viertel arbeitsunfähig war. Dieser Auffassung ist aufgrund der auf einer
eingehenden Würdigung der medizinischen Unterlagen beruhenden Stellungnahme
des Arztes der Invalidenversicherungs-Kommission beizupflichten. Es ist
somit davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner ab 8. Januar 1988 zu 25%
(was für die Eröffnung der Wartezeit genügt: BGE 104 V 191 Erw. a) und
ab 1. August 1989 zu 70% arbeitsunfähig war. Des weitern steht aufgrund
des durchgeführten Einkommensvergleichs fest, dass ab August 1989 eine
Erwerbsunfähigkeit von mehr als zwei Dritteln bestanden hat.

Erwägung 4

    4.- a) Die Vorinstanz hat den Rentenbeginn in der Weise festgesetzt,
dass sie im Rahmen von Art. 28 Abs. 1ter IVG von einem fiktiven Anspruch
des im Ausland wohnhaften Beschwerdegegners auf die Viertelsrente ab
1. Dezember 1989 ausgegangen ist, den Rentenanspruch für die Folgezeit
revisionsweise überprüft und dem Beschwerdegegner in Anwendung von Art. 88a
Abs. 2 IVV ab 1. März 1990 eine ganze Rente zugesprochen hat.

    b) Das Bundesamt für Sozialversicherung hält dem entgegen, dass bei
Personen mit Wohnsitz im Ausland bei einer Invalidität von 40% kein
Rentenanspruch entstehe, weil nach Art. 28 Abs. 1ter IVG Renten, die
einem Invaliditätsgrad von weniger als 50% entsprechen, nicht ins Ausland
ausgerichtet werden. Nach Art. 4 Abs. 2 IVG gelte die Invalidität erst dann
als eingetreten, wenn sie die für die jeweilige Leistung erforderliche
Art und Schwere erreicht habe. Bei einer Person mit Wohnsitz im Ausland
entstehe der Rentenanspruch somit erst dann, wenn sie während eines
Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens zu 50%
arbeitsunfähig gewesen sei. In diesem Sinne sei Art. 4 Abs. 2 IVG als
Grundsatz anzusehen, welcher Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG vorgehe.

    Im weiteren erachtet das Bundesamt die Annahme eines fiktiven
Anspruchs auf die Viertelsrente bei Personen mit Wohnsitz im Ausland als
unzulässig, da Art. 28 Abs. 1ter IVG der Entstehung eines Rentenanspruchs
im Wege stehe. Folglich sei es nicht möglich, in Anlehnung an Art. 41 IVG
bzw. Art. 88a Abs. 2 IVV die einjährige Wartezeit bezüglich des Anspruchs
auf eine ganze Rente zu verkürzen.

Erwägung 5

    5.- Zu prüfen ist zunächst die Frage, ob bei Personen mit Wohnsitz im
Ausland im Hinblick auf Art. 28 Abs. 1ter IVG ein fiktiver Anspruch auf
die Viertelsrente entstehen kann, der gegebenenfalls revisionsweise auf
eine halbe oder ganze Rente zu erhöhen ist mit der Folge, dass ab diesem
Zeitpunkt ein effektiver Anspruch auf eine Rente entsteht.

    a) Die Vorinstanz bejaht diese Frage, indem sie zwischen dem Zeitpunkt
des Eintritts des Versicherungsfalls und demjenigen des Beginns des
Rentenanspruchs unterscheidet. Sie geht damit sinngemäss davon aus,
dass Art. 28 Abs. 1ter IVG, wonach Renten, die einem Invaliditätsgrad von
weniger als 50% entsprechen, nur an Versicherte ausgerichtet werden, die
ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz haben, bloss
eine Auszahlungsvorschrift darstellt. Bundesamt für Sozialversicherung
und Schweizerische Ausgleichskasse vertreten demgegenüber die Auffassung,
dass es sich bei der genannten Bestimmung um eine Anspruchsvoraussetzung
handelt, dass ohne Wohnsitz oder Aufenthalt somit kein Anspruch auf
Viertelsrente entsteht.

    b) Für die Auffassung der Vorinstanz spricht der Wortlaut von Art. 28
Abs. 1ter IVG, indem - anders als in Abs. 1 und 1bis der Bestimmung -
nicht vom Rentenanspruch, sondern von der Ausrichtung der Rente die Rede
ist. Auch ergibt sich aus den Materialien, dass mit der Einführung dieser
Bestimmung der "Export" von Viertelsrenten, d.h. deren Auszahlung ins
Ausland ausgeschlossen werden sollte (Botschaft über die zweite Revision
der Invalidenversicherung vom 21. November 1984, S. 17 f.; BBl 1985 I 35
f.). Auf eine blosse Auszahlungsvorschrift deutet ferner, dass nach Satz
2 der Bestimmung die Wohnsitzklausel nicht nur vom Versicherten selbst,
sondern auch von den Angehörigen zu erfüllen ist, für die eine Leistung
beansprucht wird.

    Gegen die vorinstanzliche Betrachtungsweise sprechen indessen
die Gesetzessystematik und der Sinn, welcher Art. 28 Abs. 1ter IVG im
Kontext zukommt. Bundesamt für Sozialversicherung und Schweizerische
Ausgleichskasse weisen in diesem Zusammenhang zu Recht auf Art. 4 Abs. 2
IVG hin, wonach die Invalidität als eingetreten gilt, sobald sie die für
die Begründung des Anspruchs auf die jeweilige Leistung erforderliche
Art und Schwere erreicht hat. Daraus folgt zum einen, dass der
Versicherungsfall und die Anspruchsbegründung zeitlich zusammenfallen; zum
andern ergibt sich hieraus, dass sich der Zeitpunkt des Versicherungsfalls
und der Anspruchsbegründung nach den entsprechenden leistungsrechtlichen
Normen bestimmt (MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. II
S. 190).

    Bezüglich der Invalidenrente wird die für den Anspruch erforderliche
Art und Schwere der Invalidität in Art. 28 IVG umschrieben (vgl. den Titel
zu Art. 28 IVG "Massgebende Invalidität"). Während Abs. 1 den Grundsatz
aufstellt und den Rentenanspruch nach Massgabe des Invaliditätsgrades
abstuft, regeln die beiden folgenden Absätze die Abweichungen von diesem
Grundsatz, indem Abs. 1bis den Anspruch auf die halbe Rente in Härtefällen
bereits bei einer Invalidität von mindestens 40% vorsieht und Abs. 1ter
bei Versicherten mit Wohnsitz im Ausland einen Rentenanspruch erst bei
einer Invalidität von mindestens 50% einräumt. Beide Bestimmungen stellen
spezifische Anspruchsvoraussetzungen (Härtefall bzw. kein Wohnsitz oder
gewöhnlicher Aufenthalt in der Schweiz) auf, ohne die ein Rentenanspruch
nicht entsteht. Das gleiche ergibt sich aus Art. 29 IVG, welcher den
Zeitpunkt bestimmt, in dem die massgebende Invalidität nach Art. 28 IVG
den Anspruch auf eine Rente begründet. Dass dessen Abs. 1 ganz allgemein
auf den "Rentenanspruch nach Art. 28" verweist, macht deutlich, dass der
Anspruch erst entsteht, wenn die Anspruchsvoraussetzungen des Art. 28 IVG
(wozu auch diejenigen nach Abs. 1bis und 1ter gehören) erfüllt sind. Erst
wenn eine im Sinne dieser Bestimmung massgebende Invalidität vorliegt,
tritt auch der Versicherungsfall ein (MAURER, aaO, Bd. II S. 190).

    Gegen die Auffassung, Art. 28 Abs. 1ter IVG bloss als
Auszahlungsvorschrift zu betrachten und die Ausrichtung der Rente von
der Anspruchsentstehung zu trennen, spricht sodann Art. 29 Abs. 2 Satz
1 IVG, welcher die Ausrichtung der Rente an die Anspruchsentstehung
knüpft. Hätte der Gesetzgeber die Bestimmung von Art. 28 Abs. 1ter IVG
als blosse Auszahlungsvorschrift betrachtet, hätte er sie als Ausnahme zum
Grundsatz von Art. 29 Abs. 2 IVG regeln müssen. Indem er die Bestimmung in
Art. 28 IVG eingefügt hat, welcher die für den Rentenanspruch massgebende
Invalidität umschreibt, hat er klar zum Ausdruck gebracht, dass es sich
bei dem für die Ausrichtung der Viertelsrente vorausgesetzten Wohnsitz
und gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz um eine Anspruchsvoraussetzung
handelt.

    c) Abgesehen von diesen rechtlichen Überlegungen sprechen auch
praktische Gründe gegen die Annahme einer blossen Auszahlungsvorschrift
im Sinne des vorinstanzlichen Entscheids.

    Wie die Schweizerische Ausgleichskasse in der Vernehmlassung zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde darlegt, könnte sich die Verwaltung bei
einem im Ausland wohnenden Versicherten mit einem Invaliditätsgrad
von mindestens 40% aber weniger als 50% nicht mehr damit begnügen, den
entsprechenden Invaliditätsgrad festzustellen, den Versicherten anzuhören
und die Rente wegen Nichterreichens einer Invalidität von mindestens
50% verfügungsweise zu verweigern. Vielmehr müsste in einem solchen
Fall in der Folge eventuell über Jahre hinweg der Verlauf dieser noch
nicht rentenbegründenden Invalidität periodisch revisionsweise überprüft
werden. Denn nur so liesse sich bei späterem Anstieg der Invalidität auf
50% oder mehr feststellen, ob in der Zwischenzeit der fiktive Anspruch
untergegangen und später allenfalls ein neuer Versicherungsfall eingetreten
ist. Gegebenenfalls könnte auch das fiktive Wiederaufleben eines vorgängig
untergegangenen fiktiven Anspruchs in Frage kommen (Art. 29bis IVV). Ebenso
müsste, wenn eine halbe Rente wegen eines unter 50% gefallenen, aber noch
mindestens 40% betragenden Invaliditätsgrades revisionsweise aufgehoben
wird, der weitere Verlauf überwacht werden, um bei einem Wiederanstieg
der Invalidität feststellen zu können, ob in der Zwischenzeit der fiktive
Anspruch untergegangen und ein neuer Versicherungsfall eingetreten ist oder
ob ein Rentenanspruch aufgrund des früheren Versicherungsfalls besteht.

    Den Vorbringen der Verwaltung ist um so grössere Bedeutung beizumessen,
als es gerade administrative Überlegungen (Schwierigkeiten bei der
Abklärung und Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen im Ausland,
Frage der Verhältnismässigkeit des administrativen Aufwands bei in der
Regel geringen Renten) waren, die den Gesetzgeber zum Erlass von Art. 28
Abs. 1ter IVG bewogen haben (vgl. Botschaft vom 21. November 1984, S. 17;
BBl 1985 I 36). Die vorinstanzliche Auslegung des Gesetzes würde dieser
Zielsetzung klar zuwiderlaufen und hätte einen erheblichen administrativen
Mehraufwand zur Folge. Es ist daher auch unter diesem Aspekt zu folgern,
dass bei Versicherten, die ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt
nicht in der Schweiz haben, der Versicherungsfall erst eintritt und der
Rentenanspruch erst entsteht, wenn die nach Art. 28 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 29 Abs. 1 IVG für den Anspruch auf die halbe Rente massgebenden
Voraussetzungen erfüllt sind.

Erwägung 6

    6.- Zu prüfen bleibt, ob der Anspruch auf eine halbe Rente
von Versicherten mit Wohnsitz im Ausland voraussetzt, dass während
der Wartezeit von Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG eine durchschnittlich
mindestens hälftige Arbeitsunfähigkeit bestanden hat, oder ob schon eine
Arbeitsunfähigkeit von durchschnittlich mindestens 40% genügt, sofern
bei Ablauf der Wartezeit eine Invalidität von mindestens 50% besteht.

    a) In BGE 105 V 160 f. Erw. 2c hat das Eidg. Versicherungsgericht
zu Art. 29 Abs. 1 IVG in der bis Ende 1987 gültig gewesenen Fassung der
Bestimmung festgestellt, dass in allen Fällen von Variante II (heute
Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG) die Rente sowohl vom Ausmass der nach Ablauf
der Wartezeit weiterhin bestehenden Erwerbsunfähigkeit als auch von
einem entsprechend hohen Grad der durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeit
während der vorangegangenen 360 Tage abhängig ist. Demzufolge konnte
eine ganze Rente nur zugesprochen werden, wenn die durchschnittliche
Arbeitsunfähigkeit während der Wartezeit und die nachfolgende
Erwerbsunfähigkeit mindestens zwei Drittel betrugen. Anderseits setzte der
Anspruch auf die Härtefallrente nach Variante II nicht voraus, dass eine
durchschnittlich mindestens hälftige Arbeitsunfähigkeit während 360 Tagen
vorlag; vielmehr genügte es, wenn der Versicherte während der Wartezeit
durchschnittlich mindestens zu einem Drittel arbeitsunfähig und weiterhin
mindestens im gleichen Umfang erwerbsunfähig war.

    In Ergänzung dieser Rechtsprechung hat das Gericht in BGE 109 V 126
f. Erw. 4a entschieden, dass bei der gleichzeitigen Zusprechung einer
halben und der diese ablösenden ganzen Rente sich der Zeitpunkt des
Wechsels von der halben zur ganzen Rente ausschliesslich nach Art. 88a
Abs. 2 IVV und nicht nach Art. 29 Abs. 1 IVG richtet. Daraus folgt, dass
der Wechsel von der halben zur ganzen Rente eine relevante Verschlechterung
der Erwerbsfähigkeit von lediglich drei Monaten, nicht aber eine
durchschnittlich mindestens zwei Drittel betragende Arbeitsunfähigkeit
während 360 Tagen voraussetzt (wie es vor Inkrafttreten von Art. 88a IVV
der Fall war; vgl. BGE 105 V 264 Erw. 3a sowie ZAK 1977 S. 23).

    b) Es besteht kein Grund, diese Praxis nicht auch im Rahmen des mit
der Gesetzesänderung vom 9. Oktober 1986 auf den 1. Januar 1988 in Kraft
getretenen neuen Rechts als anwendbar zu erachten.

    aa) Nach Art. 29 Abs. 1 Satz 1 IVG in der bis Ende 1987 gültig
gewesenen Fassung entstand der Rentenanspruch, "sobald der Versicherte
mindestens zur Hälfte bleibend erwerbsunfähig geworden ist oder während
360 Tagen ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich zur Hälfte
arbeitsunfähig war und weiterhin mindestens zur Hälfte erwerbsunfähig
ist". Der seit 1. Januar 1988 gültige Wortlaut von Art. 29 Abs. 1 IVG
unterscheidet sich von der früheren Fassung der Bestimmung im wesentlichen
nur dadurch, dass die rentenbegründende Arbeits- bzw. Erwerbsunfähigkeit in
Übereinstimmung mit dem geänderten Art. 28 Abs. 1 IVG auf 40% herabgesetzt,
die Wartezeit auf ein Jahr (bisher 360 Tage) erstreckt und in lit. b
der zweite Satzteil der früheren Variante II ("und weiterhin mindestens
... erwerbsunfähig ist") weggelassen wurde.

    bb) Mit Ausnahme des für den Rentenanspruch erforderlichen
Invaliditätsgrades entspricht die geltende Fassung von Art. 29 Abs. 1
IVG dem vom Bundesrat mit Entwurf vom 21. November 1984 zur Änderung
des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (zweite IV-Revision)
vorgeschlagenen Gesetzeswortlaut (BBl 1985 I 92). In der Botschaft
äusserte sich der Bundesrat zu den Gründen, die zu einer Neufestsetzung der
Wartezeit Anlass gaben, und stellte fest, die vorgeschlagene Neufassung
von Art. 29 IVG enthalte im übrigen nur redaktionelle Änderungen ohne
materielle Auswirkungen; da es bei dieser Bestimmung lediglich um die
Regelung des Rentenbeginns gehe, sei auf eine Wiederholung der in Art.
28 IVG enthaltenen Anspruchsumschreibung verzichtet worden (BBl 1985
I 37). Abgesehen vom rentenbegründenden Invaliditätsgrad gab der Entwurf
des Bundesrates zu Art. 29 Abs. 1 IVG zu keinen Diskussionen Anlass und
wurde von den Eidg. Räten unverändert angenommen (Amtl. Bull. 1985 S 755,
1986 N 763).

    Aus der Entstehungsgeschichte ergibt sich somit, dass der Gesetzgeber
mit der Weglassung des zweiten Teils des bis Ende 1987 gültig gewesenen
Art. 29 Abs. 1 Satz 1 IVG ("und weiterhin mindestens ... erwerbsunfähig
ist") keine materielle Änderung der Anspruchsvoraussetzungen
beabsichtigte, sondern die Voraussetzung einer Erwerbsunfähigkeit in
der gesetzlichen Mindesthöhe im Zeitpunkt des Rentenbeginns als in der
Regelung der massgebenden Invalidität von Art. 28 Abs. 1 IVG mitenthalten
erachtete. Der neue Wortlaut von Art. 29 Abs. 1 IVG steht einer Anwendung
der in BGE 105 V 156 ff. zum alten Recht ergangenen Praxis auf das mit
der Gesetzesänderung vom 9. Oktober 1986 auf den 1. Januar 1988 in Kraft
getretene neue Recht folglich nicht entgegen.

    cc) Nichts anderes ergibt sich aus der Gesetzessystematik. Wie schon
in der früheren Fassung des Gesetzes umschreibt Art. 28 Abs. 1 IVG die
einzelnen Rentenabstufungen nach Massgabe des Invaliditätsgrades, wogegen
Art. 29 Abs. 1 IVG bezüglich des Anspruchsbeginns lediglich die minimale
Anforderung an den "Rentenanspruch nach Artikel 28" zum Gegenstand
hat. Es ist denn auch selbstverständlich, dass die in lit. a erwähnte
mindestens 40%ige bleibende Erwerbsunfähigkeit nur für eine Viertelsrente
genügt, wogegen eine halbe oder ganze Rente einen entsprechend höheren
Invaliditätsgrad nach Art. 28 Abs. 1 IVG voraussetzt. Gleich verhält es
sich bei lit. b von Art. 29 Abs. 1 IVG. Auch hier sind nur die minimalen
Anforderungen an die unterste Rentenstufe (Viertelsrente) umschrieben,
während sich der Umfang des Rentenanspruchs aus Art. 28 Abs. 1 IVG
ergibt. Dabei ist (bei Erwerbstätigen) im Gegensatz zur Entstehung
des Rentenanspruchs nicht auf die Arbeitsunfähigkeit im bisherigen
Beruf, sondern auf die Erwerbsunfähigkeit auf dem gesamten in Betracht
fallenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt abzustellen. Auch ist der Umfang des
Rentenanspruches im Zeitpunkt seiner Entstehung nicht von einer bestimmten
Dauer der Erwerbsunfähigkeit abhängig.

    Trotzdem somit bei Vorliegen eines labilen pathologischen
Geschehens im Sinne von Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG für die Entstehung des
Rentenanspruchs einerseits und für dessen Umfang und Bemessungsgrundlage
anderseits unterschiedliche Voraussetzungen gelten, besteht eine
gegenseitige Abhängigkeit. Denn eine mindestens 40%ige, auf ein labiles
Krankheitsgeschehen zurückzuführende Erwerbsunfähigkeit führt ohne
vorausgegangene Arbeitsunfähigkeit in mindestens gleichem Ausmass während
eines Jahres nicht zur Entstehung eines Rentenanspruchs; umgekehrt vermag
eine Arbeitsunfähigkeit von mindestens 40% während eines Jahres allein
keinen Rentenanspruch zu begründen, sondern nur, wenn sich daran eine
Erwerbsunfähigkeit in mindestens gleicher Höhe anschliesst. Dies gilt
in gleicher Weise für alle drei gesetzlichen Rentenabstufungen (Art. 28
Abs. 1 IVG). Die durchschnittliche Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit
während eines Jahres und die nach Ablauf der Wartezeit bestehende
Erwerbsunfähigkeit müssen somit kumulativ und in der für die einzelnen
Rentenabstufungen erforderlichen Mindesthöhe gegeben sein, damit eine
Rente im entsprechenden Umfang zugesprochen werden kann.

    dd) Teilweise anders geregelt ist die revisionsweise Neufestsetzung
des Rentenanspruchs gemäss Art. 41 IVG. Nach Art. 88a Abs. 2 IVV ist bei
einer Verschlechterung der Erwerbsfähigkeit die anspruchsbeeinflussende
Änderung zu berücksichtigen, sobald sie ohne wesentliche Unterbrechung drei
Monate angedauert hat. Daraus folgt, dass die Erhöhung des Rentenanspruchs
eine relevante Verschlechterung der Erwerbsfähigkeit von lediglich
drei Monaten, nicht aber eine durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit des
gleichen Umfangs während der gesetzlichen Wartezeit voraussetzt (wie es vor
Inkrafttreten von Art. 88a IVV am 1. Januar 1977 der Fall war; vgl. BGE
105 V 264 Erw. 3a sowie ZAK 1977 S. 23). Dies gilt nicht nur bei der
revisionsweisen Neufestsetzung einer laufenden Rente, sondern auch dann,
wenn gleichzeitig rückwirkend eine halbe und eine diese ablösende ganze
Rente zugesprochen wird (BGE 109 V 125 ff.). Nachdem Art. 88a Abs. 2 IVV
unverändert geblieben ist, besteht kein Grund, diese Praxis nicht auch
unter dem auf den 1. Januar 1988 in Kraft getretenen neuen Art. 29 Abs. 1
IVG als anwendbar zu erachten.

    c) Weil Art. 28 Abs. 1ter IVG, wie dargelegt, keine blosse
Auszahlungsvorschrift, sondern eine besondere Anspruchsvoraussetzung
darstellt, ergibt sich hieraus, dass bei Versicherten mit Wohnsitz im
Ausland der Rentenanspruch nach Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG erst entsteht,
wenn sie während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich
mindestens zu 50% arbeitsunfähig gewesen sind und der Invaliditätsgrad
nach Ablauf der Wartezeit mindestens 50% beträgt. Soweit das Gericht in
den Urteilen S. vom 16. Dezember 1994 und G. vom 16. August 1995 etwas
anderes gesagt hat, kann daran nicht festgehalten werden.

Erwägung 7

    7.- Ist nach dem Gesagten die Annahme eines fiktiven Rentenanspruchs
im Sinne des vorinstanzlichen Entscheids zu verwerfen und setzt der
Anspruch auf eine halbe Rente voraus, dass während eines Jahres eine
durchschnittlich mindestens hälftige Arbeitsunfähigkeit bestanden hat,
so ergibt sich für den vorliegenden Fall folgendes:

    Der Beschwerdegegner war ab 8. Januar 1988 zu 25% und ab 2. August
1989 zu 70% arbeitsunfähig. Die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit
während eines Jahres von 50% wurde überschritten nach 5 Monaten zu 25%
und 7 Monaten zu 70% (5 x 25% = 125%; 7 x 70% = 490%; 125 + 490 =
615%, geteilt durch 12 = 51,25%). Nachdem eine Arbeitsunfähigkeit
von 70% ab 2. August 1989 bestanden hat, wurde die durchschnittliche
Arbeitsunfähigkeit von mindestens 50% 7 Monate später, somit anfangs
Februar 1990 überschritten. Dem Beschwerdegegner steht somit ab 1. Februar
1990 eine halbe Invalidenrente zu. In Anwendung von Art. 88a Abs. 2
IVV ist die halbe Rente mit Wirkung ab 1. Mai 1990 auf eine ganze Rente
zu erhöhen.

    Demzufolge ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Sinne des von
der Schweizerischen Ausgleichskasse im kantonalen Beschwerdeverfahren
gestellten und vor dem Eidg. Versicherungsgericht wiederholten Antrages
gutzuheissen. Mit seinem abweichenden Begehren übersieht das Bundesamt
für Sozialversicherung, dass der Beschwerdegegner ab 2. August 1989 nicht
zu 100%, sondern lediglich zu 70% arbeitsunfähig war.