Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 I 49



121 I 49

6. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 19.
Januar 1995 i.S. X. u. Mitb. gegen Regierungsrat und Obergericht des
Kantons Schaffhausen (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 4 Abs. 1 BV; gleicher Lohn für gleiche Arbeit (Schaffhauser
Primarlehrer).

    Verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Lohnsystems für
Primarschullehrer, das Gemeindezulagen von maximal 20 Prozent zu den
Ansätzen des kantonalen Besoldungsdekrets ermöglicht (E. 3).

    Pflicht zur Vornahme einer analytischen Arbeitsplatzbewertung? (E. 4b);
objektive Gründe, die eine ungleiche Besoldung von Primarlehrern einerseits
und Orientierungsschullehrern andererseits zu rechtfertigen vermögen
(E. 4c).

Sachverhalt

    A.- Am 28. März 1991 beantragten verschiedene Primarlehrer dem
Regierungsrat des Kantons Schaffhausen, er möge feststellen, dass sie
besoldungsmässig den in der Stadt Schaffhausen tätigen Primarlehrern
gleichzustellen und den dort tätigen Orientierungsschullehrern gleichen
Dienstalters bis auf einen Mehrverdienst von maximal 10 Prozent anzunähern
seien.

    Gegen den Nichteintretensentscheid des Regierungsrats gelangten
die Gesuchsteller an das Obergericht des Kantons Schaffhausen, das
ihre Verwaltungsgerichtsbeschwerde am 18. Februar 1994 abwies. Es
begründete seinen Entscheid damit, dass die unterschiedliche Besoldung der
Primarlehrer auf einer eigenständigen Besoldungskompetenz der verschiedenen
Gemeinden beruhe (§ 79 Abs. 4 des Schaffhauser Schulgesetzes vom 27. April
1981; SchulG) und deshalb Art. 4 BV nicht verletze. Die kantonal ungleiche
Einstufung von Orientierungsschul- und Primarlehrern halte wegen der
objektiven Unterschiede im jeweiligen Anforderungs- und Tätigkeitsprofil
vor dem Bundesverfassungsrecht stand.

    Die betroffenen Primarlehrer haben gegen diesen Entscheid
staatsrechtliche Beschwerde eingereicht, die das Bundesgericht abweist,
soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Für den Fall, dass die Auslegung des einschlägigen Schulrechts
durch das Obergericht nicht willkürlich sei, machen die Beschwerdeführer
geltend, Art. 79 Abs. 4 SchulG, der Gemeindezulagen von maximal 20
Prozent auf den Ansätzen des kantonalen Besoldungsdekrets zulässt,
verstosse als solcher gegen Art. 4 Abs. 1 BV. Sie verlangen eine
vorfrageweise Überprüfung dieser kantonalen Bestimmung auf ihre
Bundesverfassungsmässigkeit, was im Verfahren der staatsrechtlichen
Beschwerde an sich zulässig ist. Eine allfällig in diesem Rahmen
festgestellte Verfassungswidrigkeit führte indessen nicht zur Aufhebung der
beanstandeten Norm, sondern hätte lediglich zur Folge, dass diese auf die
Beschwerdeführer nicht angewandt werden dürfte (BGE 117 Ia 97 E. 1 S. 99
mit Hinweis). Da auch die Beschwerdeführer, die nicht in Schaffhausen
unterrichten, von ihren Unterrichtsgemeinden gewisse Zulagen erhalten,
erscheint zweifelhaft, ob sie ein rechtlich geschütztes Interesse an einer
inzidenten Kontrolle von Art. 79 Abs. 4 SchulG haben; die Frage kann aber
offenbleiben, weil ihre Vorbringen in der Sache selber unbegründet sind.

    b) Der kantonale Gesetzgeber hat im Bereich der Lehrerbesoldung den
schaffhausischen Gemeinden eine eigenständige Entscheidungsbefugnis
eingeräumt, die es ihnen erlaubt, bei der Besoldung den örtlichen
Besonderheiten und der Situation auf dem Arbeitsmarkt Rechnung zu
tragen. Die Bundesverfassung schliesst ein solches System nicht
aus; im Rahmen des dem kantonalen Gesetzgeber in Organisations- und
Besoldungsfragen zustehenden weiten Gestaltungsspielraums stützt es
sich auf ernsthafte sachliche Gründe und ist nicht zum vornherein
sinn- oder zwecklos. Es trifft keine rechtlichen Unterscheidungen,
für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht
ersichtlich wäre. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein
vernünftiger Grund auszumachen ist, kann zu verschiedenen Zeiten je nach
den herrschenden Anschauungen und Zeitverhältnissen zwar unterschiedlich
beantwortet werden (vgl. BGE 118 IV 192 E. 2e S. 195). Wenn der Kanton
Schaffhausen entgegen den Tendenzen in anderen Kantonen indessen keine
einheitliche Besoldungsregelung eingeführt hat und bei einem System
geblieben ist, das sich so oder ähnlich bis in die jüngste Zeit auch
noch in verschiedenen anderen Kantonen gefunden hat (vgl. HERBERT PLOTKE,
Schweizerisches Schulrecht, Bern 1979, S. 411 ff.), verstösst dies weder
gegen das Willkürverbot noch gegen das Gleichbehandlungsgebot. Wie das
Obergericht zu Recht festhält, ist die Frage der Zweckmässigkeit von
Art. 79 Abs. 4 SchulG rechtspolitischer Natur; es liegt am Gesetzgeber,
die ihm besoldungspolitisch richtig erscheinende verfassungsmässige Lösung
zu wählen.

    c) Durfte das Obergericht willkürfrei davon ausgehen, dass
den einzelnen Gemeinden im Rahmen von 20 Prozent der Ansätze des
kantonalen Besoldungsdekrets dienstrechtliche Eigenständigkeit
zukommt, geht der Einwand der rechtsungleichen Anwendung der kantonalen
Besoldungsbestimmungen zum vornherein fehl. Nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung kann von einer rechtsungleichen Behandlung grundsätzlich
nur dann die Rede sein, wenn die gleiche Behörde gleichartige Fälle
unterschiedlich behandelt (vgl. BGE 104 Ia 156 E. 2b S. 158; GEORG
MÜLLER, in Kommentar BV, Art. 4, Rz. 39 mit Hinweisen, ARTHUR HAEFLIGER,
Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 71 f.). Die
Beschwerdeführer werden im Rahmen des kantonalen Besoldungsdekrets
unbestrittenermassen gleich behandelt wie ihre Kollegen, die in der
Stadt Schaffhausen unterrichten (Lohnklasse 14); die besoldungsmässigen
Abweichungen ergeben sich aus einer unterschiedlichen Ausschöpfung der
kommunalen Besoldungskompetenzen. Dass einzelne Beschwerdeführer gegenüber
Kollegen in der gleichen Gemeinde rechtsungleich besoldet würden, wird
nicht behauptet.

Erwägung 4

    4.- a) Die Beschwerdeführer machen auch geltend, sie seien im
Vergleich zu den ebenfalls in der Lohnklasse 14 eingestuften kantonalen
Beamten (Handwerker-Techniker, Revierförster, Polizeigefreite
oder Gefängnisaufseher mit besonderen Aufgaben) angesichts ihrer
beruflichen Anforderungen, Leistungen und Qualifikationen zu tief
besoldet; sie seien eigentlich der Lohnklasse 19 zuzuteilen (technischer
Sachbearbeiter, Ressortleiter, Analytiker-Programmierer, Berufsberater,
Polizei-Feldweibel, Oberpflegepersonal, Lehrer für Spitalberufe sowie
Berufsschullehrer der Kategorie C). Sie würden überdies im Vergleich
zu den Orientierungsschullehrern der Stadt Schaffhausen lohnmässig
unverhältnismässig schlechtergestellt. Diese verdienten im Vergleich
zu ihnen im Besoldungsmaximum bis zu 43,04 (X.), 42,66 (W.), 36,13
(Y.) und 18,36 Prozent (Z.) mehr. Das Obergericht habe zu Unrecht auf
eine in diesem Zusammenhang beantragte analytische Arbeitsplatzbewertung
verzichtet und damit ihren Anspruch auf rechtliches Gehör, wie er sich
aus Art. 4 BV ergebe, verletzt.

    b) Die Argumentation der Beschwerdeführer beruht auf der Annahme,
dass die Primarlehrer wie die anderen in Lohnklasse 14 eingestuften
Beamten ausschliesslich durch den Kanton zu besolden sind; sie trägt
der selbständigen kommunalen Lohnkompetenz, welche die kantonale
Besoldungseinstufung ergänzt, nicht Rechnung und orientiert sich nur an
der besonders günstigen Besoldungsordnung der Stadt Schaffhausen. Wenn es
das Obergericht ablehnte, die Besoldung der Beschwerdeführer mit jener
von anderen in der gleichen Lohnklasse beziehungsweise zwei Lohnklassen
höher eingestuften Bediensteten zu vergleichen, hält dies vor Art. 4
BV stand: Für diese ergibt sich die Besoldung ausschliesslich aus dem
kantonalen Besoldungsdekret selber, und ihre Tätigkeit unterscheidet sich
zudem in objektiven Punkten wesentlich von jener der Primarlehrer. Das
Obergericht durfte in diesem Zusammenhang von der Einholung eines
arbeitswissenschaftlichen Gutachtens absehen: Das Bundesgericht
stellt bei glaubhaft gemachten versteckten Lohndiskriminierungen im
Rahmen von Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV zwar strenge Anforderungen an die
richterliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (vgl. BGE
117 Ia 262 ff. [Basler Kindergärtnerinnen], 118 Ia 35 ff. [Solothurner
Berufsberaterin]); die Beschwerdeführer rügten die bestehenden
Lohnunterschiede aber nicht in diesem Zusammenhang, weshalb ihre Berufung
auf die entsprechende Praxis zum vornherein fehlgeht. Entgegen ihrer
Auffassung ergibt sich aus Art. 4 Abs. 1 BV grundsätzlich keine Pflicht,
bei jeder Lohnstreitigkeit das ganze kantonale Besoldungssystem einer
analytischen Arbeitsplatzbewertung zu unterziehen. Eine solche ist
allenfalls dann anzuordnen, wenn sich dem Richter tatsächliche Fragen
stellen, die wegen der Komplexität des Besoldungssystems nicht ohne
spezifisches Fachwissen beurteilt werden können, was vorliegend nicht der
Fall war (vgl. zu Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV: BGE 117 Ia 262 E. 4c S. 269).

    c) Nach Art. 4 Abs. 1 BV ist im öffentlichen Dienstverhältnis gleiche
Arbeit grundsätzlich gleich zu entlöhnen (BGE 117 Ia 270 E. 2b S. 273,
105 Ia 120 ff., 103 Ia 517 ff.). Beruht jedoch die ungleiche Besoldung
auf objektiven Gründen wie Alter, Dienstalter, familiäre Belastungen,
Qualifikationsgrad, Risiken, Art und Dauer der Ausbildung, Arbeitszeit
oder Aufgabenbereich usw., verstösst sie nicht gegen Art. 4 Abs. 1
BV. Bei der Lehrerbesoldung stellen solch objektive Kriterien etwa
die zur Unterrichtstätigkeit erforderliche Ausbildung, die Schulart,
die Stundenzahl, die Klassengrösse und die mit der Tätigkeit verbundene
Verantwortung dar (PLOTKE, aaO, S. 403 ff.; vgl. auch BGE 117 Ia 270
E. 4 S. 276 f.). Die Orientierungsschullehrer unterrichten gegenüber
den Primarlehrern unbestrittenermassen an einer höheren Schulstufe,
und ihre Ausbildung dauert in der Regel auch zwei Jahre länger. Wenn
das Obergericht gestützt hierauf und in Berücksichtigung, dass der
in der Orientierungsschule zu vermittelnde Stoff etwas komplexer ist
und vom Orientierungsschullehrer oft auch grössere Schwierigkeiten
in disziplinarischer Hinsicht zu meistern sind, davon ausging, die
Arbeit der Primarlehrer sei jener der Orientierungsschullehrer nicht
gleichwertig, hält dies vor Art. 4 Abs. 1 BV stand. Hieran ändern
die Hinweise der Beschwerdeführer auf andere Kantone nichts, wo die
Besoldungsdifferenzen zwischen Primar- und Orientierungsschullehrern
geringer sein sollen. Kann von einem Verstoss gegen das Gleichheitsgebot
keine Rede sein, wenn in verschiedenen Kantonen dieselbe Rechtsfrage
bei gleichem Sachverhalt unterschiedlich beantwortet wird (vgl. BGE
104 Ia 156 E. 2b S. 158 mit Hinweisen), so muss dies um so mehr gelten,
wenn Besoldungsfragen - politisch und systembedingt - kantonal anders
gelöst werden. Dem kantonalen Gesetzgeber kommt bei der Ausgestaltung
des Besoldungssystems mit Blick auf die damit verbundenen Wertungsfragen
ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu (vgl. unveröffentlichtes Urteil
des Bundesgerichts vom 10. Dezember 1993 i.S. E.B., E. 3c u. 5a/aa). Wenn
die Differenz zwischen der Grundbesoldung der Primarlehrer und jener der
Orientierungsschullehrer im Kanton Schaffhausen mit 21,72 Prozent auch
etwas mehr als 10 Prozent über dem gesamtschweizerischen Durchschnitt
liegt, ist dies bundesverfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Dass in Einzelfällen die Differenz krasser ausfallen kann, ist auf
die unterschiedliche Zulagenpraxis der verschiedenen Gemeinden in
ihrem Besoldungsbereich zurückzuführen und nicht auf das kantonale
Besoldungsdekret und die dortige Einstufung der Orientierungsschullehrer.