Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 I 297



121 I 297

41. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 1.
November 1995 i.S. Z. gegen Staatsanwaltschaft und Obergericht (III.
Strafkammer) des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 5 Ziff. 4 EMRK; Anspruch auf gerichtliche Überprüfung der
Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.

    Erfolgt der Freiheitsentzug am Ende eines gerichtlichen Verfahrens,
d.h. als Ergebnis einer strafrechtlichen Verurteilung im Sinne von Art. 5
Ziff. 1 lit. a EMRK, so ist die von Art. 5 Ziff. 4 EMRK verlangte Kontrolle
in der Regel für die gesamte Dauer des Freiheitsentzugs im Strafurteil des
Gerichts mit enthalten. Keine Abweichung von dieser Regel in einem Fall,
in welchem die Verwaltungsbehörde eine Verfügung betreffend die Übertragung
des Vollzugs eines schweizerischen Strafurteils an die Behörden eines
ausländischen Staates widerrufen und die Fortsetzung des Strafvollzugs
in der Schweiz angeordnet hatte.

Sachverhalt

    A.- Der israelische Staatsangehörige Z. wurde am 27. November
1987 vom Obergericht des Kantons Zürich wegen Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz zu 16 Jahren Zuchthaus, abzüglich 519 Tage
Untersuchungshaft, verurteilt. Er hatte die Strafe am 4. Mai 1987
vorzeitig angetreten. Nach mehrmaligem Anstaltswechsel trat er am
8. Dezember 1988 in die Strafanstalt Regensdorf ein. Am 9. August 1991
verfügte der stellvertretende Generalsekretär der Direktion der Justiz
des Kantons Zürich, Z. werde zur Fortsetzung des Vollzugs der gegen ihn
vom Obergericht des Kantons Zürich ausgesprochenen Strafe am 14. August
1991 in Tel Aviv den Behörden des Staates Israel übergeben. Z. wurde
am 14. August 1991 nach Israel überführt. Da er gegenüber den beiden
Polizeibeamten, die ihn im Flugzeug nach Israel begleiteten, erklärt
hatte, diese Freilassung habe ihn eine bestimmte Geldsumme gekostet,
und da er in Israel das Flughafengebäude als freier Mann hatte verlassen
können, wurde im November 1991 gegen den Beamten der Justizdirektion,
welcher die Verfügung vom 9. August 1991 erlassen hatte, ein Strafverfahren
eingeleitet. Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte den Beamten am
29. November 1993 wegen Amtsmissbrauchs und Begünstigung zu drei Monaten
Gefängnis, unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs. Am 18. Februar
1994 wurde Z. international zur Verhaftung ausgeschrieben. Er wurde
am 15. März 1994 in Rom verhaftet und am 29. Juli 1994 an die Schweiz
ausgeliefert. Das Amt für Straf- und Massnahmenvollzug des Kantons Zürich
(ASMV) widerrief am 30. August 1994 die Verfügung der Justizdirektion vom
9. August 1991 und ordnete die Fortsetzung des Vollzugs der Freiheitsstrafe
in der Schweiz mit Wirkung ab 29. Juli 1994 an. Den dagegen eingelegten
Rekurs wies die Justizdirektion am 18. April 1995 ab. Das Obergericht
trat am 30. Mai 1995 auf den Rekurs, den Z. gegen diesen Entscheid der
Justizdirektion erhoben hatte, nicht ein.

    Die staatsrechtliche Beschwerde, welche Z. am 20. Juni 1995 gegen
den Entscheid des Obergerichts vom 30. Mai 1995 einreichte, heisst das
Bundesgericht teilweise gut und hebt den angefochtenen Entscheid mit
Bezug auf die Kostenregelung auf. Im übrigen weist es die Beschwerde
ab, soweit es darauf eintritt. Die Rüge, das Obergericht habe mit dem
Nichteintretensentscheid den Anspruch auf eine gerichtliche Haftprüfung
verletzt, hält das Bundesgericht für unbegründet,

Auszug aus den Erwägungen:

                  aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Die Justizdirektion hatte am 9. August 1991 verfügt, der
Beschwerdeführer werde zur Fortsetzung des Vollzugs der gegen ihn
vom Obergericht am 27. November 1987 ausgesprochenen Zuchthausstrafe
am 14. August 1991 den Behörden des Staates Israel übergeben. Das
ASMV widerrief diese Verfügung am 30. August 1994 und ordnete die
Fortsetzung des Vollzugs der Freiheitsstrafe in der Schweiz mit Wirkung
ab 29. Juli 1994 an. Der Beschwerdeführer erhob dagegen Rekurs, den die
Justizdirektion mit Verfügung vom 18. April 1995 abwies. Obgleich ihm
die Justizdirektion mündlich mitgeteilt hatte, dass ihr Rekursentscheid
kantonal letztinstanzlich sei, focht der Beschwerdeführer diesen
Entscheid mit einem Rekurs beim Obergericht an. Er vertrat die Ansicht,
die Zuständigkeit des Obergerichts ergebe sich direkt aus Art. 5
Ziff. 4 EMRK. Der Beschwerdeführer machte geltend, mit dem Entscheid der
Justizdirektion sei im Sinne dieser Vorschrift in seine Freiheitsrechte
eingegriffen worden. Da die Rechtmässigkeit des Eingriffs von tatsächlichen
und rechtlichen Umständen abhänge, die erst nach der Verurteilung im Jahre
1987 eingetreten seien, sei die gerichtliche Kontrolle des Entscheids
der Justizdirektion "zwingendes Gebot". Dabei gehe es nicht darum, das
Urteil des Obergerichts vom 27. November 1987 zu überprüfen, sondern
einzig um die Frage, ob es zulässig sei, ihn nach seiner Entlassung aus
dem schweizerischen Strafvollzug erneut in Haft zu nehmen. Mit Beschluss
vom 30. Mai 1995 trat das Obergericht auf den Rekurs nicht ein, da im
vorliegenden Fall kein Anspruch auf eine richterliche Haftprüfung im
Sinne von Art. 5 Ziff. 4 EMRK bestehe.

    b) Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, es habe mit seinem
Nichteintretensentscheid den in Art. 5 Ziff. 4 EMRK gewährleisteten
Anspruch auf gerichtliche Haftprüfung, das verfassungsmässige Recht der
persönlichen Freiheit und Art. 4 BV (Verbot formeller Rechtsverweigerung;
Grundsatz von Treu und Glauben) verletzt.

    aa) Nach Art. 5 Ziff. 4 EMRK hat jedermann, dem seine Freiheit durch
Festnahme oder Haft entzogen wird, das Recht, ein Verfahren zu beantragen,
in dem von einem Gericht so rasch als möglich über die Rechtmässigkeit
der Haft entschieden und im Falle der Widerrechtlichkeit seine Entlassung
angeordnet wird. Das Obergericht hielt im angefochtenen Beschluss fest,
nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
(EGMR) sei die von Art. 5 Ziff. 4 EMRK verlangte Haftprüfung in der
gerichtlichen Entscheidung enthalten, mit der jemandem nach Abschluss
des Strafverfahrens die Freiheit entzogen werde. Soweit lediglich eine
ausgefällte Strafe weiterverbüsst werde, bedürfe es daher in der Regel
keines weiteren Verfahrens, um die Überprüfung der Rechtmässigkeit
der Haft zu ermöglichen. Ein Recht auf anschliessende Prüfung der
Rechtmässigkeit der Haft (in vernünftigen zeitlichen Abständen) könne
jedoch dann gegeben sein, "wenn diese von persönlichen Eigenschaften
oder sonstigen veränderlichen Umständen" abhängig sei. Das Obergericht
ging in der Folge näher auf zwei solche Ausnahmefälle ein, in welchen
der EGMR von der erwähnten Regel abgewichen sei (Urteile vom 24. Juni
1982 i.S. Van Droogenbroeck, Serie A, Band 50 = EuGRZ 1984, S. 6 ff.,
und vom 2. März 1987 i.S. Weeks, Serie A, Band 114 = EuGRZ 1988, S. 316
ff.). Es betonte, dass in diesen Fällen die Dauer der Vollstreckung
der Strafhaft in das Ermessen der Strafvollstreckungsbehörde bzw. einer
Verwaltungsbehörde gestellt worden sei und deren Entscheid nach Art. 5
Ziff. 4 EMRK einer gerichtlichen Überprüfung habe zugänglich sein
müssen. Im weiteren führte das Obergericht aus, der Beschwerdeführer
verweise auf MARK E. VILLIGEr (Handbuch der EMRK, Zürich 1993, S. 216,
N. 364), der die Rechtsprechung des EGMR zusammenfasse und festhalte,
ein Anspruch auf Haftprüfung entstehe bei Fortdauer der Haft immer
dann und dann immer wieder (selbst wenn eine gerichtliche Kontrolle
vorangegangen sei), wenn neue Umstände die Rechtmässigkeit der Haft
nachträglich in Frage zu stellen vermöchten. Dabei könne es auch aufgrund
der von VILLIGER angeführten Beispiele "keinem Zweifel unterliegen",
dass der EGMR die "neuen Umstände" in seiner bisherigen Rechtsprechung
eng begrenzt habe und darunter jedenfalls nicht beliebige neue Umstände
verstanden werden könnten. Das Obergericht legte sodann dar, weshalb nach
der erwähnten Rechtsprechung des EGMR im vorliegenden Fall kein Anspruch
auf eine richterliche Haftprüfung im Sinne von Art. 5 Ziff. 4 EMRK
bestehe. Es führte aus, der Beschwerdeführer sei vom Obergericht am 27.
November 1987 zu 16 Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Die Inhaftnahme des
Beschwerdeführers sei somit am Ende eines gerichtlichen Verfahrens erfolgt,
d.h. als Ergebnis einer strafrechtlichen Verurteilung gemäss Art. 5 Ziff. 1
lit. a EMRK, weshalb die in Art. 5 Ziff. 4 EMRK vorgesehene Kontrolle für
die gesamte Dauer der 16jährigen Zuchthausstrafe im gerichtlichen Urteil
vom 27. November 1987 enthalten sei. In diesem Urteil sei die Dauer
der Strafe weder von persönlichen Eigenschaften des Beschwerdeführers
noch von sonstigen veränderlichen Umständen abhängig gemacht worden. Den
Strafvollzugsbehörden sei kein Ermessen eingeräumt worden, das über die
vom Bundesgesetzgeber in Art. 38 Ziff. 1 StGB vorgesehene Möglichkeit
der bedingten Entlassung nach Verbüssung von zwei Dritteln der Strafe
hinausgehe. Mit Verfügung der Justizdirektion vom 9. August 1991
sei der Beschwerdeführer zur Fortsetzung des Vollzugs der gegen ihn
ausgesprochenen Strafe den Behörden des Staates Israel übergeben worden.
Das ASMV habe diese Verfügung am 30. August 1994 widerrufen und die
Fortsetzung des Vollzugs der Freiheitsstrafe in der Schweiz mit Wirkung
ab 29. Juli 1994 angeordnet. Die Justizdirektion habe einen dagegen
erhobenen Rekurs mit Entscheid vom 18. April 1995 abgewiesen. Sowohl
der Rekursentscheid als auch die Verfügung vom 30. August 1994 hätten
Fragen der Zulässigkeit des Widerrufs der Verfügung vom 9. August 1991
betroffen, mithin ausschliesslich verwaltungsrechtliche Fragen, die in
keinem Zusammenhang zu persönlichen Eigenschaften des Beschwerdeführers
oder zu "sich mit dem Zeitablauf per se ändernden Umständen" gestanden
seien. Zwar sei nicht zu verkennen, dass auch der Rekursentscheid der
Justizdirektion vom 18. April 1995 ein Ermessensentscheid sei, zumal
verschiedene Interessen hätten gegeneinander abgewogen werden müssen. Es
sei jedoch zu betonen, dass es dabei einzig um die Frage des Widerrufs
der Verfügung vom 9. August 1991 gegangen sei. Zu keinem Zeitpunkt
sei es im Ermessen der Vollzugsbehörden gestanden, über die Dauer der
Strafe schlechthin zu entscheiden, und es sei bisher auch nicht über eine
(bedingte) Entlassung entschieden worden. Nach dem Gesagten bestehe im
vorliegenden Fall kein Anspruch auf eine richterliche Haftprüfung im Sinne
von Art. 5 Ziff. 4 EMRK, weshalb auf den Rekurs nicht einzutreten sei.

    bb) Der Beschwerdeführer wendet dagegen im wesentlichen ein, in
der Literatur werde für die Frage des Anspruchs auf eine gerichtliche
Haftkontrolle darauf abgestellt, ob seit der letzten Haftüberprüfung neue
Umstände hinzugekommen seien, die für die Beurteilung der Rechtmässigkeit
der Haft von Belang seien. Nach der Auffassung des Obergerichts
unterliege es "keinem Zweifel", dass der EGMR die "neuen Umstände"
in seiner bisherigen Rechtsprechung eng begrenzt habe und darunter
jedenfalls nicht beliebige neue Umstände verstanden werden könnten. Dem
sei insofern zuzustimmen, als tatsächlich nicht jeder beliebige,
sondern nur ein erheblicher neuer Umstand eine Haftprüfung gebiete. Der
Beschwerdeführer macht geltend, seine Überführung aus dem geschlossenen
Strafvollzug in der Schweiz in ein offenes Rehabilitationsprogramm in
Israel (gestützt auf die Verfügung der Justizdirektion vom 9. August 1991)
sei ein "neuer Umstand", welcher bei der Beurteilung der Rechtmässigkeit
des Entscheids über die Fortsetzung des Strafvollzugs in der Schweiz
"erheblich" sei. Das Obergericht vertrete allerdings die Meinung, dieser
neue Umstand berühre die Anwendbarkeit von Art. 5 Ziff. 4 EMRK nicht, da
er in keinem Zusammenhang zu persönlichen Eigenschaften des Rekurrenten
oder zu "sich mit dem Zeitablauf per se ändernden Umständen" stehe. Eine
solche Eingrenzung der neuen Umstände sei mit der ratio legis von Art. 5
Ziff. 4 EMRK unvereinbar, stehe in Widerspruch zur herrschenden Lehre
und lasse sich nicht auf die Rechtsprechung der Strassburger Organe
abstützen. Hinzu komme, dass sehr wohl ein Umstand vorliege, der sich
"mit dem Zeitablauf per se" ändere, denn die Frage des Widerrufs der
Verfügung der Justizdirektion vom 9. August 1991 hänge u.a. auch davon ab,
wieviel Zeit seither verstrichen sei.

    cc) Nach der Rechtsprechung des EGMR besteht aufgrund von Art. 5
Ziff. 4 EMRK ein Anspruch auf Überprüfung der Rechtmässigkeit der Haft
durch ein Gericht immer dann, wenn diese durch eine Verwaltungsbehörde
verfügt wurde. Hat dagegen ein Gericht den Freiheitsentzug durch
Strafurteil angeordnet, ist die von Art. 5 Ziff. 4 EMRK verlangte
Kontrolle in der gerichtlichen Entscheidung mit enthalten (Urteile vom
18. Juni 1971 i.S. De Wilde, Ooms und Versyp, Serie A, Band 12, S. 40,
Ziff. 76, und vom 8. Juni 1976 i.S. Engel u.a., Serie A, Band 22, S. 32,
Ziff. 77 = EuGRZ 1976, S. 230). Diese Regel, wonach der ursprüngliche
richterliche Entscheid über einen Freiheitsentzug die in Art. 5 Ziff. 4
EMRK vorgesehene Kontrolle mit einschliesst, gilt jedoch nicht in den
Fällen, in denen sich eine Person aufgrund von Art. 5 Ziff. 1 lit. e EMRK
(z.B. wegen Geisteskrankheit, Alkoholismus oder Drogensucht) in Haft
befindet. Da die Gründe, welche die Internierung erforderlich machten,
wegfallen können, wäre es, wie der EGMR festhielt, mit dem Sinn und Zweck
von Art. 5 EMRK unvereinbar, wenn Ziff. 4 der Vorschrift dahin ausgelegt
würde, dass eine nachträgliche Überprüfung der Rechtmässigkeit des
Freiheitsentzugs nicht verlangt werden könne, weil dieser von einem Gericht
angeordnet worden sei. Der Gerichtshof betonte, es sei in solchen Fällen
angesichts der Natur des in Frage stehenden Freiheitsentzugs notwendig,
dass die Rechtmässigkeit in vernünftigen Abständen überprüft werden könne
(Urteile vom 24. Oktober 1979 i.S. Winterwerp, Serie A, Band 33, S. 23,
Ziff. 55 = EuGRZ 1979, S. 656, vom 5. November 1981 i.S. X, Serie A,
Band 46, S. 22 f., Ziff. 52 = EuGRZ 1982, S. 104 f., und vom 23. Februar
1984 i.S. Luberti, Serie A, Band 75, S. 15, Ziff. 31 = EuGRZ 1985,
S. 645). Ein Recht auf periodische gerichtliche Prüfung besteht sodann,
was hier nur beiläufig erwähnt sei, bei Fortdauer der Untersuchungshaft,
denn auch hier können aufgrund veränderter Umstände die Gründe, welche
die Anordnung der Haft rechtfertigten (Tatverdacht, Flucht-, Kollusions-
oder Fortsetzungsgefahr), nachträglich wegfallen (VILLIGER, aaO, S. 216
f., N. 364; FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, Kehl/Strassburg/Arlington
1985, S. 98, N. 119; Urteil des EGMR vom 25. Oktober 1989 i.S. Bezicheri,
Serie A, Band 164, S. 10, Ziff. 20). Erfolgt der Freiheitsentzug am Ende
eines gerichtlichen Verfahrens, d.h. als Ergebnis einer strafrechtlichen
Verurteilung im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 lit. a EMRK, wird die von Art. 5
Ziff. 4 EMRK geforderte Kontrolle grundsätzlich für die gesamte Dauer der
Strafhaft von der gerichtlichen Verurteilung mit erfasst (VILLIGER, aaO,
S. 217, N. 364; FROWEIN/PEUKERT, aaO, S. 97 f., N. 117 und 118; Urteil
des EGMR i.S. De Wilde, Ooms und Versyp, aaO; Bericht der Europäischen
Kommission für Menschenrechte vom 17. Juli 1980 i.S. Caprino, DR 22,
S. 5 ff., Ziff. 66 = EuGRZ 1982, S. 534). Ausnahmsweise entsteht selbst
nach einer strafrechtlichen Verurteilung ein Anspruch auf gerichtliche
Haftprüfung, und zwar dann, wenn nach einer bedingten Entlassung
des Strafgefangenen die Verwaltungsbehörde beim Entscheid über die
Rückversetzung in den Strafvollzug über einen weiten Ermessensspielraum
verfügte oder wenn vom Gericht unbegrenzte Strafhaft verhängt und die
Dauer der Vollstreckung in das Ermessen der Strafvollstreckungsbehörden
gestellt wurde (Urteil des EGMR vom 24. Juni 1982 i.S. Van Droogenbroeck,
aaO, Ziff. 44 ff., betreffend die belgische Bestimmung der "mise à
disposition du Gouvernement des récidivistes et des délinquants d'habitude,
avec possibilité d'internement", sowie die Urteile vom 2. März 1987
i.S. Weeks, aaO, Ziff. 46 ff., und vom 25. Oktober 1990 i.S. Thynne,
Wilson und Gunnell, Serie A, Band 190-A, Ziff. 65 ff. = RUDH 1990,
S. 455 ff., betreffend die "peines perpétuelles discrétionnaires" bzw.
"discretionary life sentences" des englischen Rechts; FROWEIN/PEUKERT, aaO,
S. 98, N. 118 und 119; VILLIGER, aaO, S. 217, N. 364; ARTHUR HAEFLIGER,
Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, Bern 1993,
S. 80). In der Literatur wird zur Frage der Abweichung von der erwähnten
Regel ausgeführt, ein Anspruch auf gerichtliche Haftprüfung bestehe (auch
wenn eine Kontrolle durch ein Gericht vorangegangen sei) immer dann, wenn
der Freiheitsentzug von persönlichen Eigenschaften (z.B. Geisteskrankheit)
oder sonstigen veränderlichen Umständen abhängig sei oder wenn neue
Umstände die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs nachträglich in Frage zu
stellen vermöchten bzw. wenn sich nach dem gerichtlichen Entscheid neue,
die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs betreffende Fragen stellen
würden (FROWEIN/PEUKERT, aaO, S. 97, N. 117; VILLIGER, aaO, S. 216
f., N. 364; HAEFLIGER, aaO, S. 84; GIORGIO MALINVERNI, Die Europäische
Menschenrechtskonvention, SJK Nr. 1373, S. 22 f.; VELU/ERGEC, La Convention
européenne des droits de l'homme, Bruxelles 1990, S. 300 ff.).

    Im vorliegenden Fall war der Beschwerdeführer vom Obergericht am
27. November 1987 zu 16 Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Er verbüsste
diese Strafe bis zum 13. August 1991 in der Schweiz. Am 14. August 1991
wurde er gestützt auf die Verfügung der Justizdirektion vom 9. August 1991
zur Fortsetzung des Vollzugs der Freiheitsstrafe nach Israel überführt. Das
ASMV widerrief diese Verfügung am 30. August 1994 und ordnete die
Fortsetzung des Vollzugs der Strafe in der Schweiz mit Wirkung ab 29. Juli
1994 an. Zur Begründung führte es aus, die vom Bundesamt für Polizeiwesen
(BAP) erforderliche Zustimmung zur Übertragung des Strafvollzugs von der
Schweiz nach Israel sei nicht erteilt worden und auch der Staat Israel
habe die Übernahme des Strafvollzugs nicht in rechtsgenügender Weise
bestätigt. Da somit keine rechtsgültige Übertragung des Strafvollzugs
an die Behörden des Staates Israel erfolgt sei, seien nach wie vor die
schweizerischen Behörden für den Vollzug der gegen den Beschwerdeführer
ausgefällten Strafe zuständig. Die Justizdirektion wies am 18. April 1995
den gegen den Entscheid des ASMV erhobenen Rekurs des Beschwerdeführers
ab. Wird jemandem nach einer gerichtlichen Verurteilung im Sinne von Art. 5
Ziff. 1 lit. a EMRK die Freiheit entzogen, so ist, wie ausgeführt, die
von Art. 5 Ziff. 4 EMRK verlangte Kontrolle in der Regel für die gesamte
Dauer des Freiheitsentzugs im Strafurteil des Gerichts mit enthalten,
sofern nicht ein Ausnahmefall vorliegt. Das Obergericht nahm an, im hier
zu beurteilenden Fall seien die Voraussetzungen für eine Abweichung von
der Regel nicht erfüllt. Diese Auffassung ist entgegen der Meinung des
Beschwerdeführers mit dem Sinn und Zweck von Art. 5 Ziff. 4 EMRK durchaus
vereinbar und steht auch nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung der
Strassburger Organe und zur herrschenden Lehre. Im Urteil vom 27. November
1987 ist, wie das Obergericht mit Recht festhielt, die Dauer der Strafe
weder von persönlichen Eigenschaften des Beschwerdeführers noch von
sonstigen veränderlichen Umständen abhängig gemacht worden, und den
Strafvollzugsbehörden wurde kein Ermessen eingeräumt, das über die in
Art. 38 Ziff. 1 StGB vorgesehene Möglichkeit der bedingten Entlassung
nach Verbüssung von zwei Dritteln der Strafe hinausging. Zu keinem
Zeitpunkt stand es im Ermessen der Vollzugsbehörden, über die Dauer der
Strafe schlechthin zu entscheiden, und das Obergericht führte mit Recht
aus, soweit der Justizdirektion Ermessen zugestanden habe, habe es sich
einzig auf den Widerruf der früheren Verfügung, nicht aber auf Strafe
und Strafdauer bezogen. Es ging bei der umstrittenen Entscheidung der
Verwaltungsbehörde auch nicht um eine Rückversetzung des Verurteilten nach
einer bedingten Entlassung. Der Beschwerdeführer verlangte die gerichtliche
Überprüfung eines Entscheids, mit dem die Justizdirektion einzig darüber
zu befinden hatte, ob das ASMV zu Recht angenommen habe, die am 9. August
1991 verfügte Übertragung des Strafvollzugs an die Behörden des Staates
Israel sei nicht rechtsgültig erfolgt, weshalb die betreffende Verfügung
zu widerrufen und die Fortsetzung des Vollzugs der Strafe in der Schweiz
anzuordnen sei. Wohl trifft es zu, dass diese Fragen durch Tatsachen
ausgelöst wurden, die erst nach der strafrechtlichen Verurteilung
vom 27. November 1987 eingetreten sind. Es handelte sich jedoch bei
den neuen Umständen nicht um solche, welche die Rechtmässigkeit des
Freiheitsentzugs in Frage zu stellen vermochten oder auf dessen Dauer Bezug
gehabt hätten. Die Fragen, welche sich im Rekursentscheid vom 18. April
1995 stellten, waren ausschliesslich verwaltungsrechtlicher Natur und
betrafen die Rechtmässigkeit des auf dem Strafurteil des Obergerichts
vom 27. November 1987 beruhenden Freiheitsentzugs oder dessen Dauer
nicht. Das Obergericht hat daher Art. 5 Ziff. 4 EMRK richtig ausgelegt,
wenn es zum Schluss gelangte, es bestehe im vorliegenden Fall kein Anspruch
auf eine gerichtliche Haftprüfung. Es verstiess demzufolge nicht gegen
diese Konventionsbestimmung, wenn es auf den vom Beschwerdeführer gegen
den Entscheid der Justizdirektion vom 18. April 1995 erhobenen Rekurs
nicht eintrat.

    dd) Auch eine Verletzung des verfassungsmässigen Rechts der
persönlichen Freiheit und des Art. 4 BV liegt nicht vor. Der Anspruch
auf eine gerichtliche Haftprüfung, auf den sich der Beschwerdeführer in
seinem Rekurs stützte, wird durch Art. 5 Ziff. 4 EMRK und nicht durch das
Grundrecht der persönlichen Freiheit und schon gar nicht durch das aus
Art. 4 BV hergeleitete Prinzip von Treu und Glauben gewährleistet. Es kann
deshalb keine Rede davon sein, dass dieser Grundsatz und die persönliche
Freiheit durch den Nichteintretensentscheid verletzt worden wären. Die
Rüge der formellen Rechtsverweigerung ist ebenfalls unbegründet. Da
das Obergericht im vorliegenden Fall einen Anspruch auf gerichtliche
Haftprüfung ohne Verstoss gegen die Konvention verneinen durfte,
bedeutete es keine formelle Rechtsverweigerung, wenn es auf den Rekurs
des Beschwerdeführers nicht eintrat.