Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 I 273



121 I 273

38. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 5. September 1995
i.S. Franziska Friederich und Mitb. gegen Regierungsrat des Kantons Bern
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Festsetzung von Universitätsgebühren durch Verordnung.

    Delegation der Rechtsetzungsbefugnis für die Festsetzung der Höhe
von Universitätsgebühren an den Regierungsrat. Anforderungen an die
gesetzliche Grundlage (E. 3).

    Das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip belassen im vorliegenden
Fall dem Regierungsrat einen zu grossen Spielraum (E. 4).

    Zulässigkeit einer Erhöhung im Rahmen des gesamthaft über längere
Zeit Üblichen und der Teuerung (E. 5).

Sachverhalt

    A.- Der Regierungsrat des Kantons Bern änderte am 1. Juni 1994 die
Art. 2-5 der Verordnung vom 31. August 1982 über die Kollegiengelder und
Gebühren an der Universität Bern (KGVO; BSG 436.41) ab, wodurch folgende
Gebühren neu festgesetzt wurden:
                                  bisher                neu

    Kollegiengeldpauschale       280.--                450.--

    Semestergebühren              70.--                 80.--

    Immatrikulationsgebühren      50.-                 100.--

    Gegen diese Änderung der Verordnung erhoben Franziska Friederich,
Eveline Gugger, Bernadette Häfliger, Dieter Kramer und Sarah Suter am
23. September 1994 staatsrechtliche Beschwerde mit dem Rechtsbegehren,
der angefochtene Erlass sei aufzuheben.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Art. 12 Abs. 1 des bernischen Gesetzes vom 7. Februar 1954
über die Universität (UG; BSG 436.11) lautet in seiner Fassung vom 22.
November 1988 wie folgt:

    "Der Regierungsrat bestimmt die Kollegiengelder und Gebühren, die für
   den Besuch der Universität zu entrichten sind."

    Die Beschwerdeführer bestreiten, dass diese Gesetzesbestimmung eine
genügende gesetzliche Grundlage für die vom Regierungsrat beschlossene
Gebührenerhöhung darstelle. Soweit sich die Rüge nicht gegen die
Verordnung, sondern gegen das Gesetz selber richtet und geltend gemacht
wird, dieses verletze die verfassungsmässigen Anforderungen an die
Delegation von Regelungskompetenzen, kann im Rahmen der abstrakten
Normenkontrolle darauf nicht eingetreten werden, da die Frist zur
Anfechtung des Universitätsgesetzes längst abgelaufen ist. Indessen ist zu
prüfen, ob sich die angefochtene Verordnung auf eine genügende gesetzliche
Grundlage stützen kann; ist das nicht der Fall, so ist die Verordnung
aufzuheben (vgl. BGE 118 Ia 305 E. 2a S. 310).

Erwägung 3

    3.- a) Die Beschwerdeführer berufen sich auf das Legalitätsprinzip
als Ausfluss von Art. 4 BV. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
bedürfen öffentliche Abgaben der Grundlage in einem formellen
Gesetz. Delegiert das Gesetz die Kompetenz zur Festlegung einer Abgabe an
den Verordnungsgeber, so muss es zumindest den Kreis der Abgabepflichtigen,
den Gegenstand und die Bemessungsgrundlage der Abgabe selber festlegen
(BGE 120 Ia 1 E. 3c S. 3 mit Hinweisen). Diese Anforderungen wurden
in der Rechtsprechung für gewisse Arten von Kausalabgaben allerdings
gelockert; sie dürfen, was die Vorgaben über die Abgabenbemessung
anbelangt, namentlich dort herabgesetzt werden, wo das Mass der Abgabe
durch überprüfbare verfassungsrechtliche Prinzipien (Kostendeckungs- und
Äquivalenzprinzip) begrenzt wird und nicht allein der Gesetzesvorbehalt
diese Schutzfunktion erfüllt. Das Legalitätsprinzip darf dabei weder seines
Gehalts entleert, noch auf der anderen Seite in einer Weise überspannt
werden, dass es mit der Rechtswirklichkeit und dem Erfordernis der
Praktikabilität in Widerspruch gerät (BGE 120 Ia 1 E. 3a).

    b) Art. 12 UG nennt als zu entrichtende Abgaben die Kollegiengelder
und Gebühren, legt aber keine Bemessungsgrundlagen dafür fest. Es fragt
sich, ob dies den Anforderungen an die gesetzliche Grundlage entspricht.

    Das Bundesgericht hatte sich mit dieser Frage im Zusammenhang mit
Universitätsgebühren bereits verschiedentlich zu befassen. In einem
Entscheid aus dem Jahre 1978 betreffend die Universität Basel erachtete
es eine Delegationsnorm des basel-städtischen Universitätsgesetzes,
welche praktisch gleich lautete wie die hier in Frage stehende,
als verfassungsrechtlich zulässig; ausschlaggebend war dabei, dass
sich der Regierungsrat bei der Festlegung der Gebühr als durch die
bisherige Übung gebunden betrachtete, die Kollegiengelder seit anfangs
des 19. Jahrhunderts real annähernd unverändert geblieben waren und dass
an den anderen Universitäten der deutschen Schweiz Gebühren in ähnlichem
Umfang erhoben wurden (BGE 104 Ia 113 E. 4c/e S. 118 f.). In einem Fall
betreffend den Kanton Zürich, in welchem eine gleichermassen unbestimmte
gesetzliche Ermächtigung zur Diskussion stand, entschied das Bundesgericht
1994, dass eine Gebührenerhöhung, die über eine blosse Anpassung an
die Teuerung hinausgehe und auch finanzpolitische Anliegen verfolge,
zulässig sei. Ausschlaggebend war dabei, dass sich die erhöhten Gebühren
immer noch in der Grössenordnung bewegten, die an anderen schweizerischen
Hochschulen üblich ist; es könne mit hinreichender Sicherheit angenommen
werden, dass die Gebührenregelung sich innerhalb des Rahmens halte, den
der Gesetzgeber festgelegt hätte, wenn er die Delegationsnorm mit der an
sich erforderlichen quantitativen Begrenzung versehen hätte (BGE 120 Ia
1 E. 3g S. 6 f.).

Erwägung 4

    4.- a) Die Beschwerdeführer stellen den Zürcher Entscheid in
Frage. Angesichts des grossen Adressatenkreises und der bildungspolitischen
Tragweite müsse die Höhe der Gebühren vom Gesetzgeber festgelegt werden,
zumal weder das Kostendeckungs- noch das Äquivalenzprinzip herangezogen
werden könnten. Fragwürdig sei insbesondere, dem Verordnungsgeber einen
Spielraum für allgemeine finanzpolitische Überlegungen einzuräumen. Eine
fiskalisch motivierte Gebührenerhöhung könne nicht mit dem Hinweis,
dass andere Universitäten ihre Abgaben in gleichem Umfang erhöhten,
gerechtfertigt werden. Sie verstosse zudem gegen die Rechtsgleichheit,
weil dadurch die finanziell schwachen Studierenden diskriminiert
würden. Da die Ausbildungsbeiträge nicht erhöht würden, führe die
Erhöhung der Kollegiengelder zu einer Verringerung des Betrages, der den
stipendienberechtigten Studierenden noch zur Verfügung bleibe, und stelle
somit einen kalten Stipendienabbau dar.

    b) Es ist unbestritten, dass das Kostendeckungsprinzip im vorliegenden
Fall eine gesetzliche Festlegung der Bemessungsgrundlage nicht zu ersetzen
vermag; da notorisch die Einkünfte aus den Kollegiengeldern nur einen
geringen Bruchteil der staatlichen Ausgaben für die Universität decken,
würde das Abstellen auf das Kostendeckungsprinzip dem Verordnungsgeber
einen mit dem Legalitätsprinzip nicht zu vereinbarenden übermässigen
Spielraum belassen (BGE 120 Ia 1 E. 3f S. 6). Der Regierungsrat ist jedoch
der Ansicht, dass der Schutz der Studierenden vor zu hohen Gebühren auch
durch andere verfassungsmässige Grundsätze gewahrt werde, namentlich durch
den Grundsatz der Verhältnismässigkeit, wonach auf die Zumutbarkeit der
Gesamtbelastung der Studierenden durch die Gebühren abzustellen sei, ferner
durch den Grundsatz der Rechtsgleichheit, wonach sowohl im Vergleich mit
anderen Ausbildungsanstalten (Ingenieurschulen, Höhere Wirtschafts- und
Verwaltungsschulen usw.) als auch mit anderen schweizerischen Hochschulen
die Gebühren nicht grosse Unterschiede aufweisen sollten, schliesslich
durch den Grundsatz der Mässigkeit; diesbezüglich sei beachtlich, dass
die Kollegiengeldentwicklung im Rahmen der seit 1970 aufgelaufenen
Teuerung liege.

    c) Auch das Verhältnismässigkeitsprinzip, als dessen gebührenrechtliche
Konkretisierung das Äquivalenzprinzip erscheint, belässt im vorliegenden
Fall immer noch einen zu grossen Spielraum: es gibt keinen Hinweis darauf,
ein wie grosser Anteil des einem Studierenden im Durchschnitt zur Verfügung
stehenden Geldbetrages zumutbarerweise für Studiengebühren beansprucht
werden kann oder ob diese gar nach dem wirtschaftlichen Wert bemessen
werden dürfen, den eine Universitätsausbildung darstellt.

    Es liegt auf der Hand, dass eine erhebliche Erhöhung der
Kollegiengelder, das heisst eine weitergehende Beteiligung der
Studierenden an den Kosten ihrer Ausbildung, auch wenn sie mit dem
Verhältnismässigkeits- beziehungsweise Äquivalenzprinzip noch vereinbar
wäre, ohne gleichzeitige Erhöhung der Ausbildungsbeiträge für finanziell
schlechter Gestellte eine wesentliche Erschwerung des Zugangs zu einer
universitären Ausbildung darstellen würde. Ob, wie die Beschwerdeführer
annehmen, darin eine Rechtsungleichheit läge, kann offenbleiben; jedenfalls
handelt es sich dabei um eine wesentliche bildungspolitische Wertungsfrage,
die angesichts ihrer Tragweite vom formellen Gesetzgeber beantwortet
werden muss.

    d) Der Regierungsrat macht geltend, die Verwaltung habe bereits 1981
im Rahmen einer (später in der Volksabstimmung gescheiterten) Vorlage
für eine Gesetzesrevision vorgeschlagen, eine Maximalhöhe von Fr. 500.--
für die Kollegiengeldpauschale im Gesetz festzulegen, doch sei in der
grossrätlichen Kommission dieser Höchstbetrag gestrichen worden. Die
jetzt angefochtene Höhe der Kollegiengelder würde sich damit noch im
Rahmen dieser damals diskutierten Maximalhöhe bewegen.

    Aus den damaligen Vorarbeiten kann allerdings nicht ohne
weiteres auf einen mutmasslichen Willen des Gesetzgebers geschlossen
werden. Laut Protokoll der Sitzung der grossrätlichen Kommission vom
14./15. August 1981 wurde in der Kommission der Antrag gestellt, den
Höchstbetrag der Kollegiengeldpauschale auf Fr. 150.-- oder 130.--
festzulegen. Schliesslich beschloss die Kommission, überhaupt keinen
Höchstbetrag festzulegen. Dies geschah offensichtlich in der Absicht, dem
Regierungsrat einen Handlungsspielraum zu gewähren. Ob dies, namentlich
angesichts des Umstandes, dass der damalige Gesetzesentwurf in der
Volksabstimmung abgelehnt wurde, als eine dem Legalitätsprinzip genügende
Äusserung des hypothetischen gesetzgeberischen Willens zu betrachten ist,
kann offenbleiben.

Erwägung 5

    5.- a) In der bisherigen Praxis des Bundesgerichts zu den
Studiengebühren waren letztlich zwei Überlegungen für die Zulässigkeit
der Delegation ausschlaggebend: erstens die Bindung an das bisher Übliche,
zweitens die Vergleichbarkeit der Gebühren an verschiedenen schweizerischen
Hochschulen. Nur im Rahmen der zweiten Überlegung wurde es im Zürcher
Entscheid denn auch als zulässig erachtet, dass mit finanzpolitischer
Zielsetzung eine über die Teuerung hinausgehende Erhöhung vorgenommen
wurde (BGE 120 Ia 1 E. 3g S. 6 f.). Dies ist allerdings nicht in dem
Sinne zu verstehen, dass nun den Universitätskantonen zugestanden würde,
im Gleichschritt auf dem Verordnungsweg ihre Universitätsgebühren beliebig
zu erhöhen.

    Wie weit finanzpolitisch motivierte Erhöhungen zulässig sind,
braucht indessen vorliegend nicht abschliessend beantwortet zu werden,
weil sich die angefochtene bernische Regelung unter Berücksichtigung der
Teuerung gesamthaft gesehen im Rahmen des bisher Üblichen bewegt. Zwar
begründete die Erziehungsdirektion in ihrem Vortrag an den Regierungsrat
die vorgeschlagene Erhöhung auch mit dem Bestreben, zum Ausgleich des
kantonalen Finanzhaushalts beizutragen, und mit dem Hinweis, dass dank
den erhöhten Gebühren mit Mehreinnahmen von rund zwei Millionen Franken
pro Jahr gerechnet werden könne. Aus den von der Erziehungsdirektion
vorgelegten statistischen Unterlagen zur Entwicklung der Studiengebühren
geht jedoch hervor, dass sich die Erhöhung im Rahmen der seit 1970
aufgelaufenen Teuerung bewegt. Das betrifft einerseits die Belastung
der einzelnen Studierenden: bei vollem Teuerungsausgleich würde
die Kollegiengeldpauschale, die 1970 Fr. 190.-- betrug, im Jahre 1993
Fr. 491.-- betragen, also mehr als in der angefochtenen Regelung festgelegt
wird. Es gilt aber auch bei einer gesamthaften Betrachtung: deckten 1970
die von den Studierenden bezahlten Kollegiengeldpauschalen rund 1,5 %
der Kosten für die Universität, so beträgt dieser Anteil auch nach der
angefochtenen Erhöhung nur noch rund 1,2 %. Wird als Vergleichsbasis
das Jahr 1990 genommen, so ändert sich zwar das Bild wesentlich, da die
Kollegiengelder von 1970 bis 1990 unverändert blieben. Das ändert aber
nichts daran, dass sich die erhöhten Gebühren immer noch im Rahmen dessen
bewegen, was über längere Zeit üblich war.

    b) Dass, wie die Beschwerdeführer vorbringen, die Stipendien in den
letzten Jahren der Teuerung nicht angepasst worden seien und daher infolge
der Gebührenerhöhung die den einzelnen Studierenden zur Verfügung stehenden
Einkünfte netto reduziert würden, bedeutet unter diesen Umständen keine
Verletzung von Art. 4 BV: die Gebührenregelung betrifft alle Studierenden,
auch diejenigen, die nicht stipendienberechtigt sind; sollte im Umstand,
dass die Stipendien nicht der Teuerung angepasst werden, eine Verfassungs-
oder eine sonstige Rechtsverletzung liegen, so wäre dies in einem
gesonderten, stipendienrechtlichen Verfahren geltend zu machen.