Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 IV 45



121 IV 45

11. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 2. März 1995
i.S. G. gegen P. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 47 Ziff. 1 BankG; Verletzung des Bankgeheimnisses; Beauftragter.

    Wer als Anwalt von einer Bank in zulässiger Weise mit der Führung
eines Zivilprozesses gegen einen Bankkunden beauftragt wird, untersteht
in bezug auf Geheimnisse, die ihm in dieser Eigenschaft anvertraut worden
sind oder die er in dieser Eigenschaft wahrgenommen hat, dem Bankgeheimnis.

Sachverhalt

    A.- G. reichte am 5. Oktober 1993 Strafklage gegen Rechtsanwalt
P. wegen Verletzung des Bankgeheimnisses ein mit der Begründung, dieser
habe als Vertreter der Bank X. beim Bezirksgerichtspräsidium O. eine
superprovisorische Verfügung beantragt, mit welcher die Abänderung des
Exklusiv-Werbenutzungsvertrags zwischen G. und der Firma I. zum Nachteil
der Bank X. verhindert werden sollte. In diesem Rechtsstreit, insbesondere
in seiner Prozesseingabe vom 28. August 1992, habe P. detailliert über die
Geschäftsbeziehungen zwischen G. und der Bank X. Auskunft gegeben. Zudem
seien zahlreiche Schreiben der Bank X. an G. eingereicht worden, die
nicht prozessrelevant gewesen seien und lediglich der Diskreditierung
von G. hätten dienen sollen.

    B.- Das Verhöramt des Kantons Appenzell A.Rh. stellte am 13. April
1994 das Verfahren gegen P. ein mit der Begründung, dessen Aufgabe
habe sich auf die Führung eines Zivilprozesses beschränkt, bei der er
die Bank als klägerischer Anwalt vertreten habe; die Erfüllung eines
anwaltlichen Mandates zur Führung eines Zivilprozesses stelle keine
bankbezogene Aufgabe dar, weshalb er nicht zu den dem Bankgeheimnis
unterworfenen Personengruppen gehöre und sich somit einer Verletzung
des Bankgeheimnisses gar nicht habe schuldig machen können. Damit könne
offenbleiben, ob das Bankgeheimnis materiell verletzt worden sei.

    C.- Einen von G. dagegen erhobenen Rekurs wies die Staatsanwaltschaft
des Kantons Appenzell A.Rh. am 16. August 1994 ab. Eine Verletzung
des Bankgeheimnisses verneinte sie mit der gleichen Begründung wie das
Verhöramt. P. unterstehe einzig dem Berufsgeheimnis nach Massgabe von
Art. 321 StGB; insoweit sei jedoch kein Strafantrag gestellt worden.

    G. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den
Rekursentscheid der Staatsanwaltschaft aufzuheben.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Gemäss Art. 47 Ziff. 1 des Bundesgesetzes über die Banken und
Sparkassen vom 8. November 1934 (BankG; SR 952.0) macht sich strafbar,
wer ein Geheimnis offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Organ,
Angestellter, Beauftragter, Liquidator oder Kommissär einer Bank,
als Beobachter der Bankenkommission, als Organ oder Angestellter einer
anerkannten Revisionsstelle anvertraut worden ist oder das er in dieser
Eigenschaft wahrgenommen hat.

    Dem Beschwerdegegner wird vorgeworfen, in seiner Eigenschaft als von
einer Bank beauftragter Anwalt von Bankgeheimnissen Kenntnis erlangt und
diese in der Folge in rechtswidriger Weise offenbart zu haben. Zu prüfen
ist hier einzig, ob der Beschwerdegegner in bezug auf die Tatsachen,
deren Offenbarung ihm angelastet wird, dem Bankgeheimnis unterstand
(siehe E. c hiernach).

    b) Die Beauftragten der Bank wurden bei der Revision des
Bankengesetzes im Jahre 1971 in den Kreis jener Personen aufgenommen,
die der Schweigepflicht unterliegen (BODMER/KLEINER/LUTZ, Kommentar
zum schweizerischen Bankengesetz, Zürich 1993, Art. 47 N. 102). In der
Botschaft des Bundesrates über die Revision des Bankengesetzes vom
13. Mai 1970 (BBl 1970 I, S. 1182) wird dazu ausgeführt: "Der Kreis
der Personen, die dem Bankgeheimnis unterstehen, wird ausgedehnt
auf den Beobachter der Bankenkommission, den Liquidator, Kommissär
und Beauftragten einer Bank. Mit der Unterstellung des Beauftragten
sollen insbesondere (Hervorhebung nicht im Original) auch Rechenzentren
erfasst werden, die von Banken mit der elektronischen Datenverarbeitung
betraut werden." Aus der Entstehungsgeschichte ergibt sich somit, dass
die Erweiterung des Kreises der Geheimnispflichtigen erfolgte, weil
Banken gegebenenfalls Aussenstehende für Dienstleistungen heranziehen
müssen. Ausdrücklich angesprochen wurden zwar nur Rechenzentren, die
von Banken mit der elektronischen Datenverarbeitung betraut werden. Es
ist entgegen AUBERT/KERNEN/SCHÖNLE (Le secret bancaire suisse, 2. Aufl.,
Bern 1982, S. 67 f.) jedoch nicht ersichtlich, dass sich die Erweiterung
ausschliesslich auf diesen besonderen Kreis von Beauftragten beschränken
sollte. Eine derartige Beschränkung ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut
nicht. Bei der Unterstellung des Beauftragten unter die Schweigepflicht
ging es offenbar darum sicherzustellen, dass das Bankgeheimnis
nicht durchlöchert werden kann dadurch, dass die Bank für bestimmte
Dienstleistungen Dritte heranzieht (vgl. auch BODMER/KLEINER/LUTZ, aaO).

    Dafür, dass jedenfalls in einer Konstellation wie hier auch der von der
Bank mit der Führung eines Zivilprozesses beauftragte Anwalt prinzipiell
dem Bankgeheimnis untersteht, spricht auch die ratio legis von Art. 47
BankG: Das Bankgeheimnis würde durchlöchert, wenn Anwälte, die von einer
Bank für die Führung eines Prozesses beigezogen werden, nicht an das
Bankgeheimnis gebunden wären. Denn es liegt auf der Hand, dass die Bank
im Rahmen der Instruktion für einen Zivilprozess dem Anwalt Tatsachen
anvertrauen muss, die dem Bankgeheimnis unterstehen. Die Weitergabe
derartiger Informationen an einen Anwalt ist nur dann gerechtfertigt
und stellt keine strafbare Verletzung des Bankgeheimnisses dar, wenn nun
der Anwalt seinerseits an die Wahrung des ihm übertragenen Geheimnisses
gebunden ist, was bedeutet, dass der Anwalt im Rahmen der Prozessführung
Geheimnisse nur insoweit offenbaren darf, als dies für die Führung des
Prozesses notwendig ist. Auf Einzelheiten dazu ist beim gegenwärtigen
Stand des Verfahrens nicht einzugehen.

    Es entspricht einer Übung, dass auch juristische Personen mit eigenem
Rechtsdienst, wie Versicherungen und Banken, Anwälte im Mandatsverhältnis
beiziehen, wenn es um die Führung von Prozessen geht, nicht zuletzt
deshalb, um von der forensischen Erfahrung der Anwälte zu profitieren. Dies
erscheint zulässig, unter Umständen sogar geboten. Dann drängt es sich
aber auf, jedenfalls in den Fällen, wo ein Anwalt in zulässiger Weise mit
der Prozessführung beauftragt wurde, anzunehmen, dass er nun ebenfalls
dem Bankgeheimnis untersteht. Ob und inwieweit in weiteren Fällen von der
Bank für die Erbringung von Dienstleistungen beigezogene Aussenstehende
als Beauftragte im Sinne von Art. 47 BankG angesehen werden können,
braucht hier nicht entschieden zu werden.

    c) Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen. Zur Frage, ob der
Beschwerdegegner überdies unter dem Gesichtspunkt des Berufsgeheimnisses
nach Art. 321 StGB für eine Geheimnisverletzung verantwortlich sein kann,
hat sich das Bundesgericht nicht zu äussern, da der Beschwerdeführer
den angefochtenen Entscheid insoweit nicht als bundesrechtswidrig rügt,
wenn eine Verletzung des Bankgeheimnisses in Betracht kommt.