Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 IV 332



121 IV 332

54. Urteil des Kassationshofes vom 7. November 1995 i.S. Staatsanwaltschaft
des Kantons Basel-Landschaft gegen B. und M. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 1 Abs. 3 lit. a und 19 Ziff. 2 lit. a BetmG; LSD, schwerer Fall.

    Der mit BGE 109 IV 143 E. 3b begründeten Rechtsprechung, wonach
ein schwerer Fall bei Mengen ab 200 Trips LSD anzunehmen ist, liegt die
spezifische Gefährlichkeit der Einzeldosis zugrunde, nicht die Gefahr
einer psychischen Abhängigkeit (E. 2; Klarstellung der Rechtsprechung).

    Am Grenzwert von 200 Trips LSD ist deshalb festzuhalten (E. 3;
Bestätigung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- Das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft bestätigte am
14. Februar 1995 ein Urteil des Strafgerichts des Kantons Basel-Landschaft
vom 22. Juni 1994 und damit die Verurteilung von B. und M. zu bedingten
siebenmonatigen Freiheitsstrafen wegen mehrmaliger Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz (BetmG; SR 812.121), unter anderm wegen Vermittlung,
Bezug und Weitergabe von 300 bis 320 LSD-Trips. Beide kantonalen Behörden
gehen davon aus, LSD könne nicht im Sinn von Art. 19 Ziff. 2 lit. a
BetmG die Gesundheit vieler Menschen in eine naheliegende und ernstliche
Gefahr bringen.

    B.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft führt
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts
aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde
zurückzuweisen. Die Beschwerdegegner reichten keine Vernehmlassung ein.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Die Vorinstanz vergleicht das Gefährdungspotential von LSD mit
jenem von Cannabis und nimmt gestützt auf die neuere Rechtsprechung zum
Cannabis an, bei LSD-Widerhandlungen sei ein schwerer Fall nach Art. 19
Ziff. 2 lit. a BetmG grundsätzlich und in casu zu verneinen.

    Die Analyse der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum schweren Fall
im Sinn von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG ergebe, dass BGE 109 IV 143 bei
LSD nicht mehr als Urteilsgrundlage dienen könne. Vielmehr seien heute
die Kriterien von BGE 117 IV 314 heranzuziehen. Bei der Festlegung der
Grenzwerte in BGE 109 IV 143 habe das Risiko einer psychischen Abhängigkeit
für die Annahme einer Gesundheitsgefahr ausgereicht. Nach BGE 117 IV 314
sei dagegen der angedrohten Strafe Rechnung zu tragen und dementsprechend
eine Gesundheitsgefahr nur mit Zurückhaltung anzunehmen. Dieser
Auslegungsregel folgend sei eine Gesundheitsgefahr nicht schon dann
zu bejahen, wenn der Gebrauch einer Droge psychisch abhängig mache,
sondern erst, wenn er psychische und körperliche Schäden verursachen
könne; ausserdem müsse die Gefahr für die Gesundheit vieler Menschen eine
naheliegende und ernstliche sein. Somit könne für die Annahme des schweren
Falls nicht genügen, dass eine psychische Abhängigkeit bewirkt werden
könne; Art. 1 Abs. 1 BetmG spreche generell von abhängigkeitserzeugenden
Stoffen und Präparaten. Das Abhängigkeitspotential eines Wirkstoffs sei
bei der Abgrenzung von Art. 19 Ziff. 1 und 2 BetmG mitzuberücksichtigen.

    Das Gefährdungspotential von LSD erscheine zwar nicht als gering;
Gesundheitsgefahren seien nicht zu verharmlosen. Sie träten aber selten
auf, oft unter Umständen, die nicht allein mit LSD zusammenhingen;
sie seien vergleichsweise gering, vor allem nicht naheliegend. LSD
sei selbstlimitierend (Dosissteigerungen steigerten die Wirkung nicht
mehr); selbst eine langfristige Einnahme führe nicht zu körperlichen
Schäden. LSD und Cannabis seien zwar nicht pharmakologisch, wohl aber
im Gefährdungspotential vergleichbar. Das Suchtpotential von LSD sei
höchstens in etwa als gleich hoch, jedoch eher als geringer als bei
Cannabis einzustufen.

    b) Die Beschwerdeführerin wendet ein, nach der Vorinstanz könne sich
bereits der einmalige Konsum eines Trips gravierend auswirken. Zu denken
sei an Halluzinationen (flashbacks), psychotische Reaktionen, Panikattacken
und Handlungsweisen mit tödlichem Ausgang. Es könnten aber auch chronische
Toxizitätsfolgen wie Flashback-Psychosen und chronische psychotische
Zustände auftreten. Auch wenn das psychische Abhängigkeitspotential gering
und demjenigen von Cannabis vergleichbar sei, seien diese Auswirkungen
ungleich gravierender. Nur weil die Gefahr bleibender körperlicher Schäden
nicht vorhanden sei, selbst bei akuter Intoxikation keine Todesfälle
bekannt seien und kein grosses Suchtpotential bestehe, dürfe angesichts
dieser möglichen Auswirkungen nicht von geringen Gesundheitsgefahren
gesprochen werden. Daher seien eine ernstliche und naheliegende Gefahr
zu bejahen und eine qualifizierte Widerhandlung anzunehmen.

Erwägung 2

    2.- Halluzinogene wie das LSD sind den Betäubungsmitteln gleichgestellt
(Art. 1 Abs. 3 lit. a BetmG). Vermittlung, Bezug und Weitergabe von LSD
werden bei vorsätzlicher Begehung mit Gefängnis oder mit Busse bestraft. In
schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus oder Gefängnis nicht unter
einem Jahr, womit eine Busse bis zu 1 Million Franken verbunden werden
kann (Art. 19 Ziff. 1 BetmG). Ein schwerer Fall liegt insbesondere vor,
wenn der Täter weiss oder annehmen muss, dass sich die Widerhandlung auf
eine Menge von Betäubungsmitteln bezieht, welche die Gesundheit vieler
Menschen in Gefahr bringen kann (Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG).

    a) Nach der Rechtsprechung sind zwanzig Personen oder mehr "viele
Menschen" im Sinn von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG (BGE 108 IV 63
E. 2c). Eine Gesundheitsgefährdung ist bei Gefahr physischer oder
psychischer Abhängigkeit gegeben (BGE 106 IV 227 E. 3b). In BGE 109 IV
143 E. 3b setzte der Kassationshof des Bundesgerichts aufgrund eines
Hearings vom 5. Mai 1983 die Werte "zur Berechnung der das Risiko einer
psychischen Abhängigkeit erzeugenden Betäubungsmittelmenge" für Heroin,
Kokain, Cannabis und LSD fest. Für LSD ging er von einer Wirkstoffmenge
von 10 Trips (1 Trip = 0.05-0.1 mg Wirkstoff) aus und nahm entsprechend
eine Gefährdung der Gesundheit vieler Menschen im Sinn von Art. 19 Ziff. 2
lit. a BetmG bei einer Widerhandlung mit 200 Trips LSD an.

    b) Nach dem Kurzbericht zu diesem Hearing vom 5. Mai 1983 kann die
Gesundheitsgefahr bei LSD "nicht mit der Gefahr der Abhängigkeit (und
den sich daraus ergebenden Risiken) begründet werden, sondern damit,
dass schon die Einzeldosis gefährlich sein kann". Doch könne sich auch
bei dieser Droge eine Toleranz entwickeln. Schon die Einnahme eines Trips
könne zu psychotischen Zuständen, zu Suizidgefahr und zur Gefahr von
Chromosomenbrüchen führen. "Bad trips" seien aber unter kontrollierten
Bedingungen seltener als bei unkontrollierter Einnahme. Es sei vertretbar
anzunehmen, dass bei Einnahme unter nicht kontrollierten Bedingungen zehn
Konsumeinheiten negative Folgen (psychotischer Zustand, Suizidgefahr,
Chromosomenbruch) bewirken können. Die Menge Wirkstoff, die für 200 Trips
ausreiche, könne mithin in diesem Sinn die Gesundheit vieler Menschen in
Gefahr bringen.

    Der Kurzbericht stimmt inhaltlich mit einem Gutachten des am Hearing
beteiligten Arztes DIETER LADEWIG überein, in dem er ausführte, dem LSD
sei eine suchterzeugende Wirkung im klassischen Sinn nicht beizumessen;
die Gesundheitsgefahr bestehe nicht in einer Abhängigkeit, sondern im
Auftreten psychotischer Zustände, in der Suizidgefahr und in der Gefahr von
Chromosomenbrüchen (Zur Frage der Gesundheitsschädlichkeit des LSD-Konsums,
SJZ 79/1983 S. 363 f.).

    c) Der Wortlaut von BGE 109 IV 143 E. 3b legt die Annahme nahe,
der Kassationshof sei auch bezüglich LSD vom Risiko einer psychischen
Abhängigkeit ausgegangen. Diese Lesart widerspricht jedoch der Begründung
im Kurzbericht und damit der damaligen Entscheidgrundlage, die die
Gefährlichkeit von LSD gerade nicht mit einer psychischen Abhängigkeit
begründete, sondern damit, "dass schon die Einzeldosis gefährlich sein
kann".

    Diese Begründung stimmt insoweit denn auch mit der gesetzlichen
Begriffsbestimmung überein. Art. 1 Abs. 1 BetmG definiert Betäubungsmittel
als abhängigkeitserzeugende Stoffe und Präparate der Wirkungstypen
Morphin, Kokain und Cannabis. Dagegen sind gemäss Art. 1 Abs. 3 BetmG
Halluzinogene wie das LSD den Betäubungsmitteln gleichgestellt (worauf
auch der Kurzbericht hinweist). Das Gesetz zählt mithin LSD nicht zu
den "abhängigkeitserzeugenden Stoffen und Präparaten" im Sinn von Art. 1
Abs. 1 BetmG.

    d) Zusammenfassend liegt der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum
schweren Fall bei LSD die spezifische Gefährlichkeit der Einzeldosis
zugrunde, nicht die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit. Diese Tatsache
konnte die Vorinstanz BGE 109 IV 143 nicht entnehmen; ihre Argumentation
geht insoweit (notwendig) fehl. Zu prüfen ist aber, ob an der bisherigen
Rechtsprechung festzuhalten ist.

Erwägung 3

    3.- a) Die Vorinstanz führt aufgrund eines Gutachtens des
Gerichtschemischen Laboratoriums des Kantons Basel-Stadt vom 29. September
1994 (zur Wirkung und zum Suchtpotential von LSD im Vergleich zu MDMA
[Ecstasy], Haschisch, Kokain und Heroin) aus, Halluzinogene wirkten auf das
zentrale Nervensystem, die akute pharmakologische Wirkung von LSD sei vor
allem psychischer Natur. Es könnten Zustände traumhafter Selbstversenkung
vorkommen, die mit vielfältigen Veränderungen der Wahrnehmung und des
Denkens einhergingen, wobei abnorme Körperempfindungen aufträten. Es
sei mit Halluzinationen, Panikattacken und psychotischen Reaktionen zu
rechnen. Als Nebenwirkungen würden Übelkeit, Tremor, Schwindel, Brechreiz,
Blutdruckabfall und Hyperthermie auftreten. Als chronische Folge werde
eine Toleranz gegen die pharmakologischen Effekte beschrieben. Ausserdem
würden Flashback-Psychosen (psychische Reaktionen noch Wochen nach einer
LSD-Einnahme) sowie chronische psychotische Zustände genannt. Direkt durch
die Wirksubstanz verursachte Todesfälle seien nicht bekannt. Allerdings
seien Handlungsweisen mit tödlichem Ausgang (wie der Sprung aus dem
Fenster) beschrieben worden. Bei kontrollierter Einnahme seien aber
keine besondern körperlichen oder unfallmässigen Risiken bekannt. LSD
könne nach wiederholtem Gebrauch eine psychische, nicht aber eine
physische Abhängigkeit bewirken. Bei Halluzinogenen bestehe aber keine
sich in der Entwicklung einer Abhängigkeit manifestierende besondere
Gefährdung. Die Schwere der psychischen Abhängigkeit werde durch die
Experten unterschiedlich beurteilt. An der Hauptverhandlung habe der
Gutachter zur Frage einer Gefährdung Dritter ausgeführt, Aggressionen
gegen andere seien nicht beschrieben worden, bekannt seien lediglich
Fälle von Selbstgefährdung.

    Dem Gutachten ist weiter zu entnehmen, dass die Rauschwirkung von LSD
in der Regel 40 bis 90 Minuten nach der Einnahme einsetzt (ausnahmsweise
nach 15 Minuten) und 8 bis 14 Stunden andauert. Die Cannabiswirkung
beginnt einige Minuten nach dem Konsum und hält ein bis zwei Stunden
an. Der Cannabisrausch verändert die Sinneswahrnehmungen, erzeugt aber im
Unterschied zu LSD und MDMA keine Halluzinationen. Er ist in seinem Verlauf
im Einzelfall nicht berechenbar, doch sind Handlungsweisen mit tödlichem
Ausgang wie bei LSD für Cannabis nicht beschrieben; wie bei LSD und MDMA
sind keine direkt durch die Wirksubstanz verursachten Todesfälle bekannt.

    Die Vorinstanz stützt sich ausserdem auf JOACHIM NELLES, Wie
gefährlich sind illegale Drogen?, in WOLFGANG BÖKER/JOACHIM NELLES [Hrsg.],
Drogenpolitik wohin?, Bern 1991, S. 181 ff., und LADEWIG, aaO

    b) aa) Auf die im Zeitpunkt von BGE 109 IV 143 massgebliche
Einschätzung von LSD wurde in E. 2b hingewiesen. Die damalige Literatur
betonte, dass Halluzinogene wesentlich stärker wirkten als Cannabis. Bei
LSD bestehe die besondere Gefährdung in Entgleisungsmöglichkeiten
und selbstgefährdenden Handlungen sowie Flashback-Psychosen (DIETER
LADEWIG/VIKTOR HOBI/HEINRICH DUBACHER/VOLKER FAUST, Drogen unter uns,
3. Auflage, Basel 1979, S. 29 ff.). HANS KIND erwähnte vielfältige
Störungen der Wahrnehmung und des Denkens sowie den Horror-Trip als
einen Rauschzustand, der schwere Angst auslösen und zu Panik führen
könne; die grösste Gefahr bildeten der Verlust der Selbstkontrolle
und die verzerrte Einschätzung der Situation (Opiat-Abhängigkeit,
Morphium, Heroin u.a., Haschisch und Marihuana, Halluzinogene, in
KIND/LICHTENSTEIGER/WEISS/JENNY, Drogenprobleme aus psychiatrischer,
pharmakologischer und juristischer Sicht, Basel 1982 [Beiheft ZSR 1],
S. 43 ff., 48). Nach ALEXANDER EBERTH/ECKHART MÜLLER führen Halluzinogene
zu Selbstüberschätzungen und Horrortrips, die mit Angstpsychosen, akuter
Verworrenheit, Panikreaktionen und unberechenbaren Handlungen bis zu
Gewalttätigkeit einhergehen könnten (Betäubungsmittelrecht, München 1982,
S. 89 f.; ähnlich FRIEDRICH HACKER, Drogen, Wien 1981 [Goldmann 1983,
S. 115 ff.], sowie HELLMUT KOTSCHENREUTHER, Das Reich der Drogen und Gifte,
Berlin 1976 [Ullstein 1978, S. 49 ff., 58 ff.]).

    bb) In der neuern Literatur führt SEBASTIAN SCHEERER aus, LSD und
die verwandten Halluzinogene wirkten völlig anders als die Rauschgifte
vom Typ der Opiate. Während letztere schnell zu körperlicher Abhängigkeit
führen könnten, machten die Halluzinogene nicht süchtig. Auch zwanghafte
Gebrauchsmuster im Sinn psychischer Abhängigkeit seien rar. Die
Gefahren lägen in der Überdosierung und in ungünstigen innern und
äussern Umständen. Die früher befürchteten Schädigungsmöglichkeiten wie
Auslösung latenter Psychosen oder von Suiziden, Chromosomenschädigungen
und Suchtbildung hätten sich nicht bestätigt. Es sei jedoch unvernünftig,
sich unter den heutigen Schwarzmarkt-Bedingungen den komplexen Wirkungen
dieser Droge auszusetzen (LSD und andere Halluzinogene, in SEBASTIAN
SCHEERER/IRMGARD VOGT/HENNER HESS, Drogen und Drogenpolitik, Frankfurt
1989, S. 408 ff., 415 f.).

    HARALD HANS KÖRNER hält zunächst fest, es gebe kaum eine Droge, die
Gegenstand so umfangreicher Panikmache und Fehlinformationen war und ist
wie LSD. LSD bewirke keine körperliche, wohl aber eine unterschiedlich
starke psychische Abhängigkeit und Toleranzbildung. Die Halluzinogenwirkung
des LSD-Rauschs sei explosionsartig und ungleich stärker als beim
Haschischgenuss. Der Horrortrip sei als atypischer Rauschverlauf
gefürchtet: Der LSD-Konsument erlebe angstbetonte, quälende und bedrohliche
Ereignisse wie Krankheit, Tod, Krieg, Vernichtung, Schmerzen, Verfolgung
und Verhaftung; es würden groteske Verzerrungen erlebt wie Angriffe von
Hexen, Teufeln und Bestien, die man glaube vernichten zu müssen. So komme
es bisweilen unter LSD-Einfluss zu schrecklichen Gewaltakten und Morden
(Betäubungsmittelgesetz, Arzneimittelgesetz, 4. Auflage, München 1994,
S. 1545 ff.).

    Dagegen bezeichnet der Arzt JURAJ STYK, Präsident der
schweizerischen Ärztegesellschaft für Psycholytische Therapie, in einem
Brief vom 17. Februar 1995 an die Vorinstanz Berichte wie das "Aus
dem-Fenster-Fliegen" als Horrorgeschichten und nach neuen Forschungen
für veraltet.

    JOACHIM NELLES (aaO, S. 185, 188 ff., 195) führt als pharmakologisch
bedingte Folgen akuter Intoxikation an: Bad- oder Horrortrips mit
Panik- und Psychosesymptomatik, Pupillenerweiterung, Herzjagen,
Schweissausbrüche, Sehstörungen, Zittern und Koordinationsstörungen. Bei
kontrollierter Einnahme sieht er keine besonderen körperlichen oder
Unfallrisiken; tödliche Überdosierungen seien nicht bekannt. Als chronische
Toxizitätsfolgen erwähnt er Flashback-Psychosen und chronische psychotische
Zustände. Dagegen könne Cannabis nicht im gleichen Kontext betrachtet
werden wie Opiate, Stimulantien oder Halluzinogene. Die Risiken von
Cannabis würden zwar hoch kontrovers diskutiert, doch entwickle sich ein
Konsens, dass Cannabis in niedrigen Dosen und nicht regelmässig konsumiert
kein besonderes gesundheitliches Risiko darstellen dürfte.

    cc) Somit lässt sich in der wissenschaftlichen Literatur das Bestreben
um eine Versachlichung in der Einschätzung der Gefährlichkeit von Drogen
allgemein und von LSD im besondern feststellen. In dieser Linie kommt
NELLES (aaO, S. 195) zum Schluss, die substanzbedingte Risiko-Hypothese,
d.h. dass illegale Drogen an sich als sehr gefährliche Substanzen anzusehen
sind, sei wissenschaftlich nicht haltbar. Die suchtbedingten Komplikationen
gründeten wesentlich in den illegalen Konsumationsbedingungen
(ähnlich SCHEERER, aaO, sowie bereits der Kurzbericht vom 5. Mai 1983;
vgl. aus juristischer Sicht WINFRIED HASSEMER, Entkriminalisierung im
Betäubungsmittelstrafrecht, KritV 76/1993 S. 198-212).

    Hinsichtlich LSD wird eine mehr oder weniger starke psychische
Abhängigkeit als Folge wiederholter Einnahmen angenommen, eine
physische Abhängigkeit dagegen verneint. Alle Autoren nennen sogenannte
Flashback-Psychosen und chronische psychotische Zustände. Die eigentliche
Gefahr wird im atypischen Rauschverlauf, dem sogenannten Horrortrip
gesehen, und zwar mit Selbst-, aber auch mit Fremdgefährdung.

    c) Die deutsche Rechtsprechung nimmt eine "nicht geringe Menge" bei 6
mg Lysergid (oder 120 Konsumeinheiten zu 50 Mikrogramm) beziehungsweise
bei 300 Trips an (wenn der reine Wirkstoff nicht bestimmbar ist). LSD
gelte als das wirksamste aller Halluzinogene. Eine letale Dosis sei zwar
nicht festzustellen, aber es könne bei jedem LSD-Rausch zu gefährlichen
Zwischenfällen (Verkennen der Situation, Überschätzen der Fähigkeiten,
schwere Verwirrtheitszustände) mit auch tödlichem Ausgang kommen
(Verkehrsunfälle, Sprung aus dem Fenster). Die häufigste Komplikation bilde
der Horrortrip, dessen Eintritt und Folgen kaum vorhersehbar seien; nicht
selten seien Flashbacks. Bereits der einmalige Konsum könne verhängnisvolle
Folgen haben. Häufigkeit und Schwere gefährlicher Zwischenfälle seien
wesentlich höher einzuschätzen als beim Konsum von Cannabisprodukten
(BGHSt 35/1989 S. 43 ff.; dazu GUNNAR CASSARDT, Zur Feststellung der nicht
geringen Menge im Betäubungsmittelstrafrecht, NStZ 15/1995 S. 257, 259).

    d) Zusammenfassend lässt sich der neuern wissenschaftlichen Literatur
im Vergleich zu den Entscheidgrundlagen von BGE 109 IV 143 im Rahmen der
hier relevanten illegalen Konsumationsbedingungen keine wesentlich neue
Einschätzung der Gefährlichkeit von LSD entnehmen. Die Einschätzung des
atypischen Rauschverlaufs, des sogenannten Horrortrips, hat sich nicht
geändert. Damit bleibt es im Licht des Betäubungsmittelgesetzes bei
der Beurteilung der grundlegenden Gefährlichkeit von LSD, dass nämlich
schon die Einzeldosis gefährlich sein kann. Schliesslich erscheint
eine Gleichstellung des künstlichen Halluzinogens LSD mit Cannabis nicht
angebracht (zur Beurteilung von Cannabis im übrigen BGE 117 IV 314, 120 IV
256). Demnach ist an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten und ein
schwerer Fall unter dem Gesichtspunkt der Menge (Art. 19 Ziff. 1 BetmG)
bei einer Widerhandlung mit 200 Trips LSD anzunehmen.

Erwägung 4

    4.- Die Vorinstanz verurteilte die Beschwerdegegner (soweit hier
relevant) wegen Vermittlung, Bezug und Weitergabe von 300 bis 320 LSD-Trips
gemäss Art. 19 Ziff. 1 BetmG. Diese rechtliche Qualifikation verletzt
Bundesrecht. Daher ist die Beschwerde gutzuheissen, der angefochtene
Entscheid aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung zurückzuweisen.

Erwägung 5

    5.- (Kostenfolgen).