Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 IV 128



121 IV 128

22. Urteil des Kassationshofes vom 12. Mai 1995 i.S. Staatsanwaltschaft
des Kantons Zürich gegen C. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 197 Ziff. 3 StGB; Ausscheidungen.

    Samenergüsse sind keine menschlichen Ausscheidungen im Sinne von
Art. 197 Ziff. 3 StGB.

Sachverhalt

    A.- Die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich
sprach C. am 6. April 1994 der mehrfachen Widerhandlung gegen das
Pornographieverbot im Sinne von Art. 197 Ziff. 3 StGB schuldig und
bestrafte ihn mit einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 5'000.--.

    Gegen diesen Entscheid führt die Staatsanwaltschaft des Kantons
Zürich eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das Urteil
sei wegen Verletzung von Art. 197 Ziff. 3 StGB aufzuheben und die Sache
zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen; sie rügt, dass
diejenigen Magazine, Bücher, Video-Bänder und Video-Acht-Produkte nicht
vom Schuldspruch umfasst sind, die Ejakulationen zeigen.

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Wer pornographische Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen,
Abbildungen, andere Gegenstände solcher Art oder pornographische
Vorführungen, die sexuelle Handlungen mit Kindern oder mit Tieren,
menschlichen Ausscheidungen oder Gewalttätigkeiten zum Inhalt haben,
herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt,
anbietet, zeigt, überlässt oder zugänglich macht, wird mit Gefängnis oder
Busse bestraft (Art. 197 Ziff. 3 i.V.m. Ziff. 1 StGB).

    Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ist der
Beschwerdegegner seit Ende 1987 Eigentümer zweier Sexshops in X.,
einziger Geschäftsführer einer Unternehmung, die im wesentlichen Handel
mit Sexartikeln treibt, und Verantwortlicher für die Bereiche Einkauf,
Verkauf und Personalwesen. Anlässlich einer Hausdurchsuchung am 6. März
1991 wurden in den beiden Sexshops unter anderem zahlreiche Magazine,
Bücher und Video-Kassetten sichergestellt. Diese enthielten unter anderem
Gewaltdarstellungen, zeigten sexuelle Handlungen mit Urin und/oder
Kot und bildeten sichtbare Samenergüsse ab. Der Photodokumentation,
auf die im angefochtenen Entscheid verwiesen wird, ist zu entnehmen,
dass bei den sichtbaren Samenergüssen das Ejakulat in den vier in den
Akten dokumentierten Fällen gegen das Gesicht der Frau bzw. in ihren Mund
gespritzt wird.

    Der Beschwerdegegner wurde wegen jener Publikationen verurteilt, die
Gewaltdarstellungen und menschliche Ausscheidungen (Urin oder Kot) zum
Gegenstand haben. Nach Auffassung der Vorinstanz ist "harte Pornographie
im Sinne von Art. 197 Ziff. 3 StGB ... ohne weiteres bezüglich der in
der ergänzten Anklage unter den Abschnitten 'Gewaltdarstellungen' sowie
'menschliche Ausscheidungen/Urin und/oder Kot' genannten Magazine, Bücher,
Videokassetten und Video 8-Produktionen als gegeben zu betrachten".
Demgegenüber seien sichtbare Samenergüsse nicht zu den verpönten
menschlichen Ausscheidungen zu zählen.

    b) Die Beschwerdeführerin macht zur Hauptsache geltend, Grundgedanke
von Art. 197 Ziff. 3 StGB sei in erster Linie ein vorbeugender und
konsequenter Jugendschutz. Vor diesem Hintergrund könne die demonstrative
Darstellung von spritzender Samenflüssigkeit nicht toleriert werden.

Erwägung 2

    2.- Die bundesrätliche Botschaft zur Revision des Sexualstrafrechts vom
26. Juni 1985 äussert sich zur Frage, ob Samenergüsse zu den menschlichen
Ausscheidungen im Sinne von Art. 197 Ziff. 3 StGB zu zählen sind,
nicht (vgl. BBl 1985 II 1088-1092). Nach der in der Literatur einhellig
vertretenen Ansicht sind jedoch unter Ausscheidungen Stuhl und Urin,
nicht aber Sperma zu verstehen (Rehberg, Das revidierte Sexualstrafrecht,
AJP 2/1993 S. 29; zustimmend TRECHSEL, Fragen zum neuen Sexualstrafrecht,
ZBJV 129/1993, S. 582; ebenso URSULA CASSANI, Les représentations illicites
du sexe et de la violence, ZStrR 111/1993, S. 432). Dies ergebe sich aus
dem normalen Wortgebrauch und aus dem Umstand, dass es zu weit führen
würde, Darstellungen des Samenergusses auf den Körper der Partnerin
oder des Partners nur wegen seiner Sichtbarkeit der harten Pornographie
zuzurechnen, während dies für die ihn auslösende Handlung auch dann nicht
möglich wäre, wenn diese selber (wie z.B. bei Anal- und Oralverkehr)
"pervers" sei (REHBERG/SCHMID, Strafrecht III, 6. Aufl., S. 408).

    Es trifft zu, dass nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch Sperma nicht
zu den menschlichen Ausscheidungen gehört. Darunter versteht man ein
"abgesondertes, ausgeschiedenes Stoffwechselprodukt" und insbesondere die
Darmausscheidung (Duden, Das grosse Wörterbuch der deutschen Sprache, Band
1, S. 270) bzw. "das Entleeren von Exkreten aus Niere und Darm" (Der grosse
Brockhaus, Erster Band, S. 471). Der französische Gesetzeswortlaut spricht
von excréments. Auch dieses Wort hat jedenfalls nach moderner Auffassung
dieselbe Bedeutung wie das deutsche Wort Ausscheidungen (vgl. Le grand
Robert de la langue française, 2. Aufl., Band 4, S. 271). Dasselbe gilt
für die italienische Bezeichnung escremento (GABRIELLI, Grande dizionario
illustrato della lingua italiana, S. 1389).

    Das gemeinsame Kennzeichen der in Art. 197 Ziff. 3 StGB abschliessend
aufgezählten Fälle besteht offensichtlich in der Darstellung schwerer
sexueller Perversionen (REHBERG, Das revidierte Sexualstrafrecht,
AJP 2/1993 S. 29). STRATENWERTH spricht in diesem Zusammenhang
von den Formen besonders abartiger oder abscheuerregender sexueller
Praktiken (Schweizerisches Strafrecht, BT I, 5. Aufl., § 10 N. 6). Bei
der Abbildung des Samenergusses im Zusammenhang mit sonst nicht unter
die harte Pornographie fallenden sexuellen Handlungen kann entgegen der
Ansicht der Beschwerdeführerin von einer "schweren sexuellen Perversion"
oder von einer besonders abartigen und abscheuerregenden Praktik nicht
gesprochen werden.

    Auch der von der Beschwerdeführerin in den Vordergrund gestellte
Jugendschutz drängt keine andere Betrachtungsweise auf. Jugendschutz
erscheint im wesentlichen dann als angezeigt, wenn die Möglichkeit
nicht auszuschliessen ist, dass gewisse Darstellungen die sexuelle
Entwicklung Jugendlicher stören (BBl 1985 II S. 1089) und deren sexuelles
Verhalten ungünstig beeinflussen könnten (Expertenkommission, zitiert
nach MARC FORSTER, Die Korrektur des strafrechtlichen Rechtsgüter-
und Sanktionenkataloges im gesellschaftlichen Wandel, ZSR NF 114/1995
II S. 52). Es sind keine zwingenden Gründe ersichtlich, dies bei der
Darstellung von Samenergüssen zu bejahen. § 184 Abs. 3 des deutschen
StGB zum Beispiel, der ebenfalls dem Jugendschutz dient, zählt denn auch
nur Gewalttätigkeiten, Missbrauch von Kindern und sexuelle Handlungen
mit Tieren, jedoch keine Ausscheidungen, geschweige denn sichtbare
Samenergüsse zu der grundsätzlich verbotenen Pornographie. Hätte der
Gesetzgeber auch die Darstellung sexueller Handlungen mit Samenerguss zur
harten Pornographie im Sinne von Art. 197 Ziff. 3 StGB rechnen wollen,
hätte er dies im Wortlaut der Gesetzesbestimmung zum Ausdruck gebracht
und auch bringen müssen.

Erwägung 3

    3.- (Kostenfolgen).