Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 II 88



121 II 88

14. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 24. Februar 1995 i.S. Amstutz Altöl AG gegen Amt für
Gewässerschutz und Wasserbau sowie Regierungsrat des Kantons Zürich
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 30-32 und 65 USG; gesetzliche Grundlage für die Pflicht zur
Sicherheitsleistung bei Betrieben, die Sonderabfälle entgegennehmen
und behandeln.

    Es ist mit dem Bundesumweltschutzrecht vereinbar, dass der Inhaber
einer Bewilligung zur Entgegennahme, Behandlung und Weitergabe von
Sonderabfällen verpflichtet wird, eine Sicherheitsleistung für eine
allfällige spätere Zahlungsunfähigkeit zu erbringen. Solange der Bundesrat
im Rahmen seiner Verordnungskompetenz die Frage der Sicherheitsleistung
nicht abschliessend regelt, kann die Sicherstellungspflicht auf ergänzendes
kantonales Umweltrecht abgestützt werden (E. 3e).

Sachverhalt

    A.- Das Amt für Gewässerschutz und Wasserbau des Kantons Zürich
erteilte der Amstutz Altöl AG am 23. April 1993 gestützt auf Art. 30 Abs. 4
und Art. 32 Abs. 2 lit. b des Bundesgesetzes über den Umweltschutz vom
7. Oktober 1983 (USG, SR 814.01) i.V.m. Art. 17 und 29 ff. der Verordnung
über den Verkehr mit Sonderabfällen vom 12. November 1986 (VVS, SR 814.014)
eine erweiterte Bewilligung für die Entgegennahme, die Behandlung und die
Weiterleitung bestimmter Sonderabfälle. Die Firma wurde dabei verpflichtet,
für die Deckung der dem Kanton Zürich anfallenden Kosten im Zusammenhang
mit allfälligen Ersatzvornahmen im Sinne von Art. 31 Abs. 2 USG eine
Barkaution oder eine gleichwertige Sicherheit im Betrag von 1 Million
Franken zu leisten.

    Die Amstutz Altöl AG rekurrierte gegen die Verpflichtung zur
Sicherheitsleistung bei der Baudirektion des Kantons Zürich, welche
den Rekurs am 3. August 1993 abwies. Die Amstutz Altöl AG focht diesen
Entscheid beim Regierungsrat des Kantons Zürich an und verlangte, die
Verpflichtung zur Sicherheitsleistung sei aufzuheben; eventuell sei die
Sicherheitsleistung auf ein angemessenes Mass von höchstens Fr. 200'000.--
zu reduzieren. Der Regierungsrat hiess diesen Rekurs am 18. Mai 1994
insoweit gut, als er die Angelegenheit zur Neubeurteilung der Höhe
der Sicherheitsleistung an das Amt für Gewässerschutz und Wasserbau
zurückwies. Im übrigen wurde der Rekurs abgewiesen.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht vom 27. Juni
1994 beantragt die Amstutz Altöl AG im wesentlichen, der Entscheid des
Regierungsrats vom 18. Mai 1994 sei aufzuheben. Das Bundesgericht weist
die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Nach dem Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verwaltung bedürfen
auch die einem Verwaltungsakt beigefügten Bedingungen und Auflagen
(Nebenbestimmungen) einer gesetzlichen Grundlage (BGE 93 I 254 E. 2
S. 258, 88 I 213 ff.). Indessen ist nicht in allen Fällen erforderlich,
dass die Nebenbestimmungen ausdrücklich in einem Rechtssatz vorgesehen
sind. Die Zulässigkeit der Nebenbestimmungen kann sich vielmehr auch aus
dem mit dem Gesetz verfolgten Zweck ergeben und damit aus einem mit der
Hauptanordnung in einem engen Sachzusammenhang stehenden öffentlichen
Interesse hervorgehen. Eine Bewilligung kann insbesondere dann ohne
ausdrückliche gesetzliche Grundlage mit einer Nebenbestimmung versehen
werden, wenn sie im Lichte der gesetzlichen Bestimmungen verweigert
werden könnte (vgl. BGE 99 Ia 482 E. 4 S. 485 ff., 98 Ia 362 E. 9b S. 372
f., 70 I 332 E. 2 S. 335; HÄFELIN/MÜLLER, Grundriss des allgemeinen
Verwaltungsrechts, N. 721; RHINOW/KRÄHENMANN, Verwaltungsrechtsprechung,
Ergänzungsband, Nr. 39 III a,b). Ob die vorliegende Sache in Anwendung
dieser Grundsätze entschieden werden könnte, ist im Hinblick auf die
nachfolgenden Erwägungen nicht weiter zu prüfen.

    b) Gemäss Art. 30 Abs. 4 USG dürfen gefährliche Abfälle im Inland
nur an Unternehmungen weitergegeben werden, die über eine Bewilligung
zur Entgegennahme solcher Abfälle nach Art. 32 Abs. 2 lit. b USG
verfügen. Der Bundesrat erlässt Vorschriften über den Verkehr mit
gefährlichen Abfällen, einschliesslich der Ein-, Aus- und Durchfuhr
(Art. 32 Abs. 1 USG). Er schreibt insbesondere vor, dass gefährliche
Abfälle nur von Unternehmungen entgegengenommen oder eingeführt werden
dürfen, die über eine Bewilligung verfügen. Sie wird Unternehmungen
ausgestellt, die Gewähr für die umweltgerechte Behandlung der Abfälle
bieten (Art. 32 Abs. 2 lit. b Sätze 1 und 2 USG). Siedlungsabfälle
und Abfälle, deren Verursacher nicht ermittelt werden kann oder deren
Verursacher die Pflicht nach Art. 30 Abs. 1 USG wegen Zahlungsunfähigkeit
nicht erfüllen kann, werden von den Kantonen verwertet, unschädlich
gemacht oder beseitigt. Sie können diese Aufgaben auch den Gemeinden
oder anderen öffentlichrechtlichen Körperschaften übertragen. Mit der
Ausführung können private Unternehmungen beauftragt werden (Art. 31 Abs. 2
USG). Nach Art. 29 VVS erteilt die kantonale Behörde die Bewilligungen,
die zur Annahme von Sonderabfällen berechtigen, nur solchen Betrieben,
deren Gesuch den Anforderungen von Art. 17 VVS entspricht und die Gewähr
für die umweltgerechte Behandlung von Sonderabfällen bieten.

    c) Weder das Umweltschutzgesetz noch die Verordnung über den Verkehr
mit Sonderabfällen enthalten für die im vorliegenden Verfahren umstrittene
Sicherheitsleistung eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage. Art. 31
Abs. 2 USG verpflichtet die Kantone jedoch gegebenenfalls zur
Ersatzvornahme, indem die Kantone die Verpflichtung nach Art. 30 Abs. 1 USG
bei Zahlungsunfähigkeit des Abfallinhabers übernehmen müssen. In diesem
Zusammenhang führt der Regierungsrat im angefochtenen Entscheid aus, es
sei aus praktischen Gründen unmöglich, die "eigentlichen" Verursacher der
Abfälle zur Entsorgung heranzuziehen oder von diesen Sicherheitsleistungen
zu verlangen. Die Erfüllung der genannten Verpflichtung der Kantone
könne einen beträchtlichen Aufwand mit sich bringen, was vor allem
auch hinsichtlich der administrativen Belange gelte (unter anderem
Sicherung der Sonderabfälle, Gewährleistung einer vorschriftsgemässen
Behandlung, Planung und Durchführung der Abnahme bzw. Entsorgung). Die
Betriebshaftpflichtversicherung der Beschwerdeführerin decke diesen
Aufwand unbestrittenermassen nicht.

    Weiter legt der Regierungsrat dar, § 13 EG GSchG bilde die gesetzliche
Grundlage für die der Beschwerdeführerin auferlegte Sicherstellungspflicht.
Diese Bestimmung lautet wie folgt:

    "Sicherheitsleistung

    § 13. Die Baudirektion kann die Bewilligung für Vorkehren, welche
   die Gewässer gefährden, von einer angemessenen Sicherheitsleistung
   für die Erfüllung von Bedingungen und Auflagen sowie für die Kosten von

    Schadenfällen abhängig machen. Im übrigen kann der Pflichtige auch
   zu angemessener Sicherheitsleistung verhalten werden, wenn für die

    Durchführung von Ersatzvornahmen mit verhältnismässig hohen Kosten
   zu rechnen ist."

    Nach Ansicht des Regierungsrats sollen die Kantone sowohl im Lichte
von Art. 36 USG als auch gestützt auf Art. 65 Abs. 1 USG befugt sein,
solches kantonales Recht zu erlassen. Der § 13 EG GSchG werde zudem im
Abfallbereich vom praktisch gleich lautenden § 10 des kantonalen Gesetzes
über die Abfallwirtschaft (Abfallgesetz) abgelöst werden.

    Dieses kantonale Abfallgesetz ist am 25. September 1994 in der
Volksabstimmung angenommen worden. § 10 des Abfallgesetzes steht jedoch
noch nicht in Kraft, weshalb er für die Beurteilung der vorliegenden
Angelegenheit unerheblich ist.

    d) § 13 EG GSchG regelt nicht ausschliesslich Vollzugsfragen,
wie Zuständigkeiten oder Verfahrensprobleme usw. und stellt somit nicht
lediglich kantonales Vollzugsrecht im Sinne von Art. 36 USG dar. Vielmehr
enthält die kantonale Vorschrift über die Sicherheitsleistung auch
materielles Umweltschutzrecht, das aufgrund des engen Sachzusammenhangs
mit dem Bundesumweltschutzrecht den Rahmen für den Inhalt von Verfügungen
im Sinne von Art. 5 VwVG bilden kann. Im Hinblick auf den Wortlaut von
Art. 32 Abs. 2 lit. b USG, wonach der Bundesrat insbesondere vorschreibt,
dass gefährliche Abfälle nur von Unternehmungen entgegengenommen oder
eingeführt werden dürfen, die über eine Bewilligung verfügen, wäre
der Bundesrat allerdings befugt, seine Verordnung über den Verkehr mit
Sonderabfällen durch Vorschriften über die Leistung von Sicherheiten zu
ergänzen, da ihm die umfassende Rechtsetzungskompetenz für den Bereich
des Verkehrs mit gefährlichen Abfällen zusteht (vgl. BGE 120 Ib 97
E. 4b/aa S. 103 f.). Somit stellen § 13 EG GSchG und der noch nicht in
Kraft stehende § 10 des kantonalen Abfallgesetzes nicht Vollzugsrecht
im Sinne von Art. 36 i.V.m. Art. 41 Abs. 1 USG dar, sondern vielmehr
Umweltrecht der Kantone im Sinne von Art. 65 USG (RAUSCH, Kommentar zum
Umweltschutzgesetz, Art. 65 N. 17). Nach dieser Bestimmung können die
Kantone im Rahmen des USG nach Anhören des Eidgenössischen Departements
des Innern eigene Vorschriften erlassen, solange der Bundesrat von seiner
Verordnungskompetenz nicht ausdrücklich Gebrauch gemacht hat (Art. 65
Abs. 1 USG). Die Kantone dürfen hingegen keine neuen Immissionsgrenzwerte,
Alarmwerte oder Planungswerte festlegen und keine neuen Bestimmungen über
Typenprüfungen und umweltgefährdende Stoffe erlassen. Bestehende kantonale
Vorschriften gelten bis zum Inkrafttreten entsprechender Vorschriften
des Bundesrats (Art. 65 Abs. 2 USG).

    e) Die in § 13 EG GSchG geregelten Fragen betreffen den in Art. 65
Abs. 2 USG den Kantonen verwehrten Regelungsbereich nicht. Art. 65
Abs. 1 USG lässt ergänzendes materielles kantonales Umweltschutzrecht zu,
solange und soweit der Bundesrat von seiner Verordnungskompetenz nicht
ausdrücklich Gebrauch gemacht hat. Soweit der Bundesrat die Fragen
betreffend die Bewilligung zur Entgegennahme gefährlicher Abfälle
nicht abschliessend geregelt hat, ist weiterhin ergänzendes kantonales
materielles Umweltrecht zulässig. Wie vorne (Erw. 3c) erwähnt, wurde
die Frage der Leistung von Sicherheiten bis anhin im Umweltschutzrecht
des Bundes nicht geregelt. Sowohl nach Art. 32 Abs. 2 lit. b USG als
auch nach Art. 29 Abs. 2 lit. b VVS darf die Bewilligung zur Annahme
von Sonderabfällen indessen nur Betrieben erteilt werden, die Gewähr für
die umweltgerechte Behandlung von Sonderabfällen bieten. Wenn der Kanton
Zürich die Auffassung vertritt, nur ein Betrieb, welcher dauerhaft über
die finanziellen Garantien verfüge, dass die von ihm entgegengenommenen
Sonderabfälle umweltgerecht behandelt werden, biete die erforderliche
Gewähr, so verstösst diese Auffassung nicht gegen Bundesrecht. Nach
Art. 30 Abs. 3 VVS knüpft die kantonale Behörde an die Bewilligung weitere
Auflagen und Bedingungen, wenn dies für die umweltgerechte Behandlung der
Sonderabfälle notwendig ist. In Art. 30 Abs. 4 VVS werden beispielhaft
und nicht abschliessend solche Auflagen und Bedingungen aufgeführt. Die
Vorschriften in Art. 29 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 30 Abs. 3 und 4 VVS
machen deutlich, dass die Verordnung über den Verkehr mit Sonderabfällen
entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin nicht sämtliche Fragen des
Verkehrs mit Sonderabfällen abschliessend regelt. Die Kantone verfügen
daher in diesem Bereich aufgrund von Art. 65 Abs. 1 USG über die Kompetenz,
ergänzendes kantonales materielles Umweltschutzrecht zu schaffen, das
allerdings nur solange Bestand hat, bis der Bundesrat auch diese von ihm
zur Zeit noch nicht geregelten Fragen gesamtschweizerisch verbindlich
ordnet.