Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 II 67



121 II 67

11. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 22. Februar 1995 i.S. S. gegen Gemeinde X., Regierungsrat und
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste

    Art. 16 und 24 RPG; zonenkonformer bzw. standortgebundener Wohnraum
in der Landwirtschaftszone.

    Bei der Bemessung des zonenkonformen bzw. standortgebundenen Wohnraums
in der Landwirtschaftszone kann den Eigenheiten des biologischen Landbaus
so weit Rechnung getragen werden, als die sich daraus ergebenden besonderen
Bedürfnisse betrieblich bedingt sind und nicht bloss auf subjektiven
Vorstellungen und Wünschen des Bewirtschafters beruhen (E. 3).

Sachverhalt

    A.- S. führt im Gebiet Y. in der Gemeinde X. einen
Landwirtschaftsbetrieb nach biologisch-dynamischen Grundsätzen. Der
Betrieb liegt ausserhalb des Siedlungsgebiets in der Landwirtschaftszone
und verfügt über eine Fläche von rund 10 ha, ein Bauernhaus mit Wohn-
und Ökonomieteil und eine Remise.

    Ohne zuvor eine Bewilligung eingeholt zu haben, nahm S. im Umfeld des
Bauernhauses und der Remise verschiedene kleinere bauliche Veränderungen
vor (Anbringen von Vordächern am Remisengebäude, Errichten eines Anbaus
an das Remisengebäude, einer Volière, eines Brennholz- und Bauholzlagers,
Aufstellen von drei Wohnwagen). Die Gemeinde X. erteilte ihm für diese
Arbeiten am 14. Oktober 1992 nachträglich die Baubewilligung. Von der
Bewilligung ausgenommen blieb jedoch das Aufstellen der drei Wohnwagen,
da die Direktion der öffentlichen Bauten des Kantons Zürich am 8. Juli 1992
die dafür erforderliche Ausnahmebewilligung nach Art. 24 des Bundesgesetzes
über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG; SR 700) verweigerte.

    Mit Bezug auf zwei der drei Wohnwagen focht S. den ablehnenden
Entscheid der Direktion der öffentlichen Bauten vom 8. Juli 1992
mit Rekurs beim Regierungsrat des Kantons Zürich an. Das Rechtsmittel
blieb ohne Erfolg. Eine gegen den Entscheid des Regierungsrats erhobene
Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich am 25. August
1994 ebenfalls ab.

    S. hat gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 25. August 1994
eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Er
beantragt, es seien die Entscheide des Verwaltungsgerichts, des
Regierungsrats und der Direktion der öffentlichen Bauten - letztere
nur bezüglich der beiden umstrittenen Wohnwagen - aufzuheben und es sei
festzustellen, dass die beiden Wohnwagen keiner Ausnahmebewilligung gemäss
Art. 24 RPG bedürften.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Nach Auffassung des Beschwerdeführers hat das Verwaltungsgericht
die Zonenkonformität bzw. die Standortgebundenheit der beiden Wohnwagen
auf seinem Hofgelände zu Unrecht verneint. Er macht vor allem geltend,
der angefochtene Entscheid sehe bei der Bemessung des zonenkonformen
Wohnraumbedarfs in unzulässiger Weise davon ab, den Besonderheiten Rechnung
zu tragen, die sich aus der biologischen Bewirtschaftungsweise ergäben.

    a) Wohngebäude sind in der Landwirtschaftszone gemäss Art. 16 RPG
nur zonenkonform im Sinne von Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG, soweit sie im
Hinblick auf die bodenabhängige Nutzung des Landes als unentbehrlich
erscheinen. Der landwirtschaftliche Zweck darf nicht bloss Vorwand sein,
um ein Bauvorhaben zu realisieren, das für die Bewirtschaftung des Bodens
nicht erforderlich ist. Das Vorrecht, ausserhalb der Bauzone zu wohnen,
bleibt daher einem relativ engen Personenkreis vorbehalten. Dazu zählen
nur Leute, die als Betriebsinhaber oder Hilfskraft unmittelbar in der
Landwirtschaft tätig sind, und ihre Familienangehörigen sowie ferner die
abtretende Generation, welche ein Leben lang in der Landwirtschaft tätig
war (BGE 116 Ib 228 E. 3a S. 230 f.; 115 Ib 295 E. 3a S. 299; 113 Ib 138
E. 4d S. 141).

    In jedem einzelnen Fall ist anhand objektiver Kriterien zu prüfen, ob
eine betriebliche Notwendigkeit besteht, ausserhalb der Bauzonen Wohnsitz
zu nehmen. Auf subjektive Vorstellungen und Wünsche des Einzelnen
kann es ebensowenig ankommen wie auf die persönliche Zweckmässigkeit
und Bequemlichkeit. Es ist namentlich zu untersuchen, in welchem
Umfang eine ständige Anwesenheit des Bewirtschafters zur Führung des
Landwirtschaftsbetriebs notwendig ist. Zu berücksichtigen ist ferner,
wie weit das zu bewirtschaftende Land von der nächsten Bauzone entfernt
liegt (BGE 116 Ib 228 E. 3a S. 230; 113 Ib 138 E. 5a S. 142). Soweit
betrieblich eine ständige Anwesenheit des Personals nicht erforderlich
ist, gilt dessen Wohnraum nur dann als zonenkonform, wenn die nächste
Wohnzone weit entfernt und schwer erreichbar ist. Letzteres ist nicht
anzunehmen, wenn ein Fussmarsch von 20-30 Minuten erforderlich ist,
um an den Betriebsort zu gelangen (BGE 117 Ib 266 E. 2b S. 268).

    Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers besteht kein Anlass,
bei Landwirtschaftsbetrieben, die im Sinne von Art. 31b Abs. 1 des
Bundesgesetzes über die Förderung der Landwirtschaft und die Erhaltung des
Bauernstandes vom 3. Oktober 1951 (LwG; SR 910.1) besonders umweltschonend
oder tiergerecht produzieren, von diesen Grundsätzen abzuweichen. Die
dargestellte Rechtsprechung erlaubt es, den betrieblichen Eigenheiten
des biologischen Landbaus Rechnung zu tragen. Allerdings kommt dies nur
soweit in Frage, als die besonderen Bedürfnisse objektiv gerechtfertigt
erscheinen und nicht bloss auf subjektiven Vorstellungen und Wünschen
des Bewirtschafters beruhen.

    b) Das Bauernhaus des Beschwerdeführers enthält in den beiden
Hauptgeschossen fünf Wohnräume. Dazu kommt eine Zweizimmerwohnung im
Dachgeschoss, welche die Direktion der öffentlichen Bauten am 12. Mai
1992 bewilligte, um der Familie des Betriebsleiters mehr Wohnraum und
Privatsphäre zu ermöglichen.

    Das Betriebskonzept des Beschwerdeführers sieht neben vollzeitlich
beschäftigtem Personal den Beizug weiterer, lediglich vorübergehend
angestellter Arbeitskräfte vor. Neben dem Betriebsleiterehepaar arbeiten
auf dem Hof ein bis zwei Lehrlinge und durchschnittlich noch zwei
Praktikanten. Vor allem letztere erbringen jedoch nicht eine volle
Arbeitsleistung, sondern sie halten sich auch zu erzieherischen oder
sozialtherapeutischen Zwecken auf dem Hof auf. Nach den Vorstellungen des
Beschwerdeführers müssen diese nur vorübergehend beigezogenen Angestellten
ebenfalls ganz in die Hofgemeinschaft integriert werden, da sich die
erzieherischen und therapeutischen Ziele nur bei einem ununterbrochenen
Aufenthalt auf dem Bauernhof erreichen liessen.

    Die sieben Zimmer des Bauernhauses reichen nach den Angaben
des Beschwerdeführers nicht aus, um den sich aus dem dargestellten
Betriebskonzept ergebenden Wohnraumbedarf zu decken. Zwei auf dem
Hofgelände aufgestellte Wohnwagen sollen daher zusätzlichen Wohnraum für
die festangestellten Mitarbeiter schaffen. Es fragt sich, ob die beiden
Wohnwagen nach den angeführten Grundsätzen der Rechtsprechung noch als
zonenkonform betrachtet werden können.

    c) Der Beschwerdeführer macht zwar geltend, der biologische Landbau
sei mit einem erhöhten Personalaufwand verbunden. Er räumt aber selber
ein, dass ein Teil seines Personals nur teilzeitlich und vorübergehend
in seinem Betrieb arbeite. Eine ständige Präsenz aller Mitarbeiter ist
jedenfalls aus betrieblichen Gründen nicht erforderlich, auch wenn man
dem etwas erhöhten Personalbedarf des biologischen Landbaus Rechnung
trägt. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt, kann bei den gegebenen
Verhältnissen neben den sieben Zimmern des Bauernhauses kein zusätzlicher
Wohnraum als zonenkonform anerkannt werden. Dem nicht ständig benötigten
Personal ist es im Lichte der erwähnten Rechtsprechung zuzumuten, in den
nahegelegenen ausgedehnten Bauzonen zu wohnen, von wo aus sich der Hof
des Beschwerdeführers zu Fuss in kurzer Zeit erreichen lässt.

    Die dauernde Anwesenheit des gesamten Personals wird vom
Beschwerdeführer indessen auch aus sozialen bzw. sozialtherapeutischen
Gründen für unumgänglich gehalten. Bauten zur Wahrnehmung sozialer
Aufgaben sind in der Landwirtschaftszone jedoch von vornherein nicht
zonenkonform. Dies gilt auch dann, wenn die soziale Tätigkeit in engem
Zusammenhang mit der Landwirtschaft steht, aber nicht zwingend auf
einen Standort im Landwirtschaftsgebiet angewiesen ist, sondern auch in
der Bauzone ausgeübt zu werden vermag. Einzig ein Betrieb, bei dem die
Landwirtschaft ganz in den Dienst sozialtherapeutischer Ziele gestellt
wird, kann unter Umständen in der Landwirtschaftszone zugelassen werden. Er
erscheint zwar nicht als zonenkonform, aber als standortgebunden und
kann deshalb in den Genuss einer Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG
gelangen (BGE 112 Ib 99 E. 4a S. 103). Wie das Verwaltungsgericht zu Recht
bemerkt, ist der vorliegende Betrieb mit einer Rehabilitationsstätte, wie
sie im angeführten Entscheid zu beurteilen war, nicht vergleichbar. Der
Beschwerdeführer betont vielmehr selber, dass die Landwirtschaft bei seinem
Betrieb klar im Vordergrund stehe und durch die sozialtherapeutischen
Zwecke nicht zurückgedrängt werde. Letztere haben in seinem Betrieb somit
bloss begleitenden und nicht dominanten Charakter. Einen Anspruch auf
die Anerkennung zusätzlichen zonenkonformen Wohnraums lässt sich daraus
nicht ableiten.

    Schliesslich begründet der Beschwerdeführer die Notwendigkeit
zusätzlichen Wohnraums mit wirtschaftlichen Motiven. Nach biologischen
Grundsätzen geführte Betriebe erzielten geringere Erträge als
konventionelle. Deren Inhaber seien daher darauf angewiesen,
sämtlichem beigezogenen Personal Kost und Logis gewähren zu können,
da die Einnahmen des Betriebs eine Entrichtung von Barlöhnen nur sehr
beschränkt zuliessen. Der Beschwerdeführer belegt diese Behauptung
zahlenmässig weder für seinen eigenen Betrieb und erst recht nicht für
die Mehrheit der nach biologischen Grundsätzen geführten Betriebe. Die
angeführten finanziellen Gründe sind freilich bei der Bestimmung
des zonenkonformen Wohnraums ohnehin nicht ausschlaggebend. Nach der
dargestellten Rechtsprechung richtet sich die Bestimmung des zonenkonformen
Wohnraums nach betrieblich-technischen Gesichtspunkten. Tiefere Kosten oder
organisatorische Vereinfachungen rechtfertigen dagegen keine Anerkennung
von zusätzlichen zonenkonformen Wohnflächen (vgl. BGE 117 Ib 266 E. 3a-c
S. 269).

    d) Das Verwaltungsgericht hat somit die Zonenkonformität der beiden
Wohnwagen in der Landwirtschaftszone zu Recht verneint. Da sich die
Standortgebundenheit von Wohnraum zu landwirtschaftlichen Zwecken
ausserhalb der Bauzonen nach den gleichen Kriterien beurteilt wie die
Zonenkonformität (vgl. BGE 113 Ib 307 E. 4 S. 313; 112 Ib 259 E. 3 S. 263),
durfte das Verwaltungsgericht ebenfalls eine Ausnahmebewilligung nach
Art. 24 Abs. 1 RPG verweigern, ohne Bundesrecht zu verletzen.

    Die Beschwerde erweist sich aus diesen Gründen als unbegründet. Sie
ist demzufolge abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist.