Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 II 5



121 II 5

2. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 1. März 1995 i.S. R. gegen Regierungsrat des Kantons Solothurn
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Aufenthaltsbewilligung (Art. 17 Abs. 2 ANAG).

    Die Bewilligung kann verweigert werden, wenn mit der Ehe nicht eine
Lebensgemeinschaft begründet werden soll (E. 3a).

Sachverhalt

    A.- Die Behörden des Kantons Solothurn verweigerten dem aus Bosnien
stammenden R. die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, obwohl er sich
mit einer Frau verheiratet hatte, welche über die Niederlassungsbewilligung
verfügt. Eine gegen den Entscheid des Regierungsrates vom 9. August
1994 erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde weist das Bundesgericht ab,
soweit es darauf eintritt. In den Erwägungen lässt es dahingestellt, ob
die Eheleute zusammen wohnen und insofern im Sinne von Art. 17 Abs. 2
ANAG (SR 142.20) Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung
bestünde. Es gelangt zum Schluss, dass die kantonalen Behörden die
Bewilligung verweigern durften, weil eine Scheinehe vorliege.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Nach Art. 7 Abs. 2 ANAG hat der ausländische Ehegatte
eines Schweizer Bürgers dann keinen Anspruch auf die ihm nach Abs. 1
dieser Bestimmung grundsätzlich zustehende Erteilung und Verlängerung
der Aufenthaltsbewilligung, wenn die Ehe eingegangen worden ist, um
die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern
und namentlich jene über die Begrenzung der Zahl der Ausländer zu
umgehen. Eine entsprechende Bestimmung findet sich in Art. 17 Abs. 2
ANAG, wo der Aufenthaltsanspruch des Ehegatten eines in der Schweiz
niedergelassenen Ausländers geregelt wird, nicht. Art. 7 Abs. 2 ANAG wurde
im Zusammenhang mit der Revision des Bundesgesetzes vom 29. September
1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (SR 141.0) vom
23. März 1990 eingeführt und trat an die Stelle von Art. 120 Ziff. 4 ZGB
betreffend die sogenannte Bürgerrechtsehe, der seine Grundlage verloren
hatte (vgl. BGE 119 Ib 417 E. 4a S. 419). Obwohl auch in Art. 17 Abs. 2
ANAG, der bei dieser Gelegenheit ebenfalls revidiert wurde, die Heirat
einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung vermittelt und
die Gefahr der Gesetzesumgehung durch Eingehung einer Scheinehe in beiden
Fällen in gleicher Weise besteht (vgl. zum Problem im allgemeinen KOTTUSCH,
Scheinehen aus fremdenpolizeilicher Sicht, ZBl 84/1983 S. 425 ff.), sah
sich der Gesetzgeber nicht veranlasst, auch diese Bestimmung entsprechend
anzupassen (vgl. demgegenüber Art. 49 Abs. 4 lit. b in Verbindung mit
Art. 40 Abs. 2 des in der Volksabstimmung verworfenen Ausländergesetzes
vom 19. Juni 1981, BBl 1981 II 579, 582). Diese Unterlassung kann
indessen nicht zur Folge haben, dass ein Anspruch auf Erteilung der
Aufenthaltsbewilligung im Falle von Art. 17 Abs. 2 ANAG auch dann besteht,
wenn die Ehe nur deswegen eingegangen worden ist, um die Vorschriften
über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer zu umgehen. Art. 7
Abs. 2 ANAG stellt nichts anderes als eine konkrete Ausgestaltung
des Rechtsmissbrauchsverbots dar, das auch im öffentlichen Recht ohne
ausdrückliche Normierung allgemeine Geltung beansprucht und namentlich
die zweckwidrige Verwendung eines Rechtsinstituts zur Verwirklichung
von Interessen, die dieses Rechtsinstitut nicht schützen will, untersagt
(BGE 110 Ib 332 E. 3a S. 336, 94 I 659 E. 4 S. 667). Dazu kommt, dass die
Eingehung einer Scheinehe zum Zweck des Erwerbs der Aufenthaltsbewilligung
auch einen Widerrufsgrund gemäss Art. 9 Abs. 2 lit. a, eventuell
b ANAG bildet (vgl. BGE 112 Ib 161 bezüglich der alten Fassung von
Art. 17 Abs. 2 ANAG, wonach die mit einem Niedergelassenen verheiratete
Ausländerin mit der Heirat Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung
erwarb); kann die Aufenthaltsbewilligung in einem solchen Fall sogleich
widerrufen werden, besteht zum vornherein kein Anspruch auf ihre Erteilung
bzw. Verlängerung. Im übrigen besteht ohnehin keinerlei Anlass, den
ausländischen Ehegatten eines in der Schweiz niedergelassenen Ausländers
in dieser Hinsicht besser zu stellen als den ausländischen Ehegatten eines
Schweizer Bürgers. Es ist daher davon auszugehen, dass der Anspruch aus
Art. 17 Abs. 2 ANAG in gleicher Weise wie derjenige aus Art. 7 Abs. 1
ANAG dann nicht besteht, wenn die Ehe eingegangen worden ist, um die
fremdenpolizeilichen Vorschriften zu umgehen.