Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 II 49



121 II 49

8. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. März 1995 i.S. K.
gegen EJPD (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Eheliche Gemeinschaft als Voraussetzung für die erleichterte
Einbürgerung (Art. 27 und 28 BüG).

    Eine eheliche Gemeinschaft im Sinn von Art. 27 und 28 BüG setzt
nicht nur das formelle Bestehen einer Ehe, sondern das Vorliegen einer
tatsächlichen Lebensgemeinschaft voraus. Ausnahmsweise kann dies auch
bei einer Aufhebung des gemeinsamen Wohnsitzes angenommen werden, wenn
der getrennte Wohnsitz auf plausible Gründe zurückzuführen ist, und wenn
die Stabilität der Ehe offensichtlich intakt ist.

Sachverhalt

    A.- Am 29. November 1993 stellte K. als Ehegatte einer Schweizerin das
Gesuch um erleichterte Einbürgerung. Mit Verfügung vom 21. November 1994
wies das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) dieses
Gesuch ab.

    B.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 10. Januar 1995  beantragt
K. dem Bundesgericht, die Verfügung des EJPD vom 21. November 1994
aufzuheben und ihm die erleichterte Einbürgerung zu bewilligen.

    In seiner Vernehmlassung vom 24. Februar 1995 schliesst das EJPD auf
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Das EJPD hat die Ablehnung der erleichterten Einbürgerung damit
begründet, dass der Beschwerdeführer, der den Wohnsitz in Kinshasa
habe, nicht in einer ehelichen Gemeinschaft mit seiner in der Schweiz
wohnhaften Ehefrau lebe. Angesichts der grossen räumlichen Distanz seien
nur vereinzelte Kontakte zwischen den Ehegatten möglich, so dass es sich
nicht rechtfertige, von einer tatsächlich gelebten ehelichen Gemeinschaft
auszugehen. Daran ändere auch nichts, wenn ein Wille der Ehegatten zur
Aufrechterhaltung der ehelichen Gemeinschaft vorliege. Der Beschwerdeführer
hält dieser Auffassung im wesentlichen entgegen, dass die Ehe, aus der drei
Töchter hervorgegangen seien, seit über 27 Jahren bestehe. Die Schweizer
Ehefrau des Beschwerdeführers sei aus politischen Gründen am 26. September
1991 aus Kinshasa evakuiert worden und daher gezwungen gewesen, den
gemeinsamen ehelichen Wohnsitz zu verlassen. Der Beschwerdeführer sei
nur in Zaïre geblieben, um die beiden von den Ehegatten gegründeten
Schulen weiterzuführen, die andernfalls geschlossen werden müssten.
Trotz der grossen geographischen Distanz sei der Wille der Ehegatten, die
eheliche Gemeinschaft aufrechtzuerhalten, intakt. Der Beschwerdeführer
stehe in ständigem brieflichem Kontakt mit seiner Ehefrau und habe
diese und seine Töchter zweimal während längerer Zeit in der Schweiz
besucht. Die Ehefrau trage mit ihrem in der Schweiz erzielten Einkommen
finanziell zur Weiterexistenz der Schulen und zum persönlichen Unterhalt
des Beschwerdeführers bei. Aus diesen Gründen sei das Vorliegen einer
ehelichen Gemeinschaft des Beschwerdeführers mit seiner Ehefrau zu bejahen.

    a) Gemäss Art. 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Erwerb und Verlust des
Schweizer Bürgerrechts (BüG; SR 141.0) kann der ausländische Ehegatte
eines Schweizers, der im Ausland lebt oder gelebt hat, ein Gesuch um
erleichterte Einbürgerung stellen, wenn er seit sechs Jahren in ehelicher
Gemeinschaft mit dem Schweizer Bürger lebt und mit der Schweiz eng
verbunden ist. Vorliegend ist die Frage umstritten, ob der in Kinshasa
wohnende Beschwerdeführer mit seiner in der Schweiz lebenden Ehefrau eine
eheliche Gemeinschaft im Sinn von Art. 28 Abs. 1 lit. a BüG bildet.

    b) Der Begriff der "ehelichen Gemeinschaft" stammt aus dem
Zivilgesetzbuch (Art. 159 Abs. 1 ZGB). Dem ZGB kann freilich keine
Begriffsdefinition entnommen werden. Vielmehr werden nur die sich aus der
ehelichen Gemeinschaft abgeleiteten Grundpflichten (Art. 159 Abs. 2 und 3
ZGB) und spezielle Anwendungsfälle davon geregelt (HEGNAUER/BREITSCHMID,
Grundriss des Eherechts, 3. Aufl. 1993, N. 15.04). In Art. 27 und 28 BüG
wird der zivilrechtliche Begriff der ehelichen Gemeinschaft ins Recht der
Staatsangehörigkeit übernommen. In der Literatur wird jedoch zu Recht die
Auffassung vertreten, dass sich der Begriff der ehelichen Gemeinschaft im
Sinn von Art. 27 und 28 BüG durchaus von demjenigen des ZGB unterscheide
(SCHÄRER, Die neue Revision des Bürgerrechtsgesetzes, ZZW 58, 1990,
S. 199). Dies wird denn auch vom französischen Gesetzestext bestätigt, der
in Art. 159 Abs. 1 ZGB den Begriff "union conjugale" verwendet, während
Art. 27 und 28 BüG den Ausdruck "communauté conjugale" enthalten. Das
Bundesgericht geht davon aus, dass eine eheliche Gemeinschaft im Sinn des
Bürgerrechtsgesetzes nicht nur das formelle Bestehen einer Ehe, sondern
das Vorliegen einer tatsächlichen Lebensgemeinschaft voraussetze, was
namentlich dann zu verneinen sei, wenn im Zeitpunkt der Gesuchstellung
bzw. der Einbürgerungsverfügung ein Scheidungsverfahren eingeleitet
worden sei oder die Ehegatten faktisch oder richterlich getrennt lebten
(sinngemäss BGE 120 Ib 193 E. 4, nicht veröffentlichte Urteile i.S. O. c/
EJPD vom 3. Oktober 1994, i.S. Gemeinde G. c/ A. vom 6. Juli 1994 und
i.S. E. c/ EJPD vom 24. Mai 1993). Freilich können plausible Gründe -
namentlich beruflicher und gesundheitlicher Art - für einen getrennten
Wohnsitz der Ehegatten bestehen, ohne dass deshalb die Existenz einer
ehelichen Gemeinschaft im Sinn von Art. 27 und 28 BüG generell zu verneinen
wäre (SCHÄRER, Erfahrungen bei der Anwendung der letzten Revision des BüG,
ZZW 62, 1994, S. 34).

    Im vorliegenden Fall leben die Ehegatten seit mehr als 3 Jahren
faktisch getrennt, weil die Ehefrau des Beschwerdeführers aufgrund
politischer Umstände evakuiert werden musste, während der Beschwerdeführer
aus beruflichen Gründen zwecks Weiterführung der gemeinsam gegründeten
Schulen in Kinshasa blieb. Trotz der Aufhebung des gemeinsamen ehelichen
Wohnsitzes ist indessen der Wille zur ehelichen Gemeinschaft nach wie
vor intakt. Dies äussert sich zunächst darin, dass die Ehegatten in
engem brieflichen Kontakt stehen. Sodann hat sich der Beschwerdeführer
trotz der beschränkten finanziellen Mittel bereits zweimal zu längeren
Besuchen bei seiner Frau und den Töchtern in der Schweiz aufgehalten. Von
grosser Bedeutung ist schliesslich die Tatsache, dass die Ehefrau aus
dem in der Schweiz erzielten Einkommen einen finanziellen Beitrag an
den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers und an die Weiterführung der
gemeinsam gegründeten Schulen leistet. Ungeachtet der Aufhebung des
gemeinsamen ehelichen Wohnsitzes, die auf äussere Umstände politischer
und beruflicher Art zurückzuführen ist, erweist sich der Wille der
Ehegatten zur Aufrechterhaltung der ehelichen Gemeinschaft als unverändert
intakt. Genau in diesem Punkt unterscheidet sich der vorliegende Fall
von den vom Bundesgericht bislang beurteilten Sachverhalten, in denen
regelmässig der Wille zur Fortführung der ehelichen Gemeinschaft
durch einen rechtshängigen Scheidungsprozess oder durch faktisches
bzw. gerichtlich bewilligtes Getrenntleben nicht mehr bestand. Es
rechtfertigt sich deshalb, von einer ehelichen Gemeinschaft im Sinn von
Art. 28 Abs. 1 lit. a BüG auszugehen. Eine tatsächliche Lebensgemeinschaft
kann ausnahmsweise auch bei einer Aufhebung des gemeinsamen Wohnsitzes
angenommen werden, wenn der getrennte Wohnsitz auf plausible Gründe
zurückzuführen ist, und wenn aufgrund eines gemeinsamen Willens
der Ehegatten die Stabilität der Ehe offensichtlich intakt ist. Die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher gutzuheissen.