Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 II 359



121 II 359

52. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 1.
Dezember 1995 i.S. Adrian Gasser u. Mitb. gegen SRG und Unabhängige
Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste

    Art. 103 lit. a OG, Art. 4 und Art. 63 RTVG; programmrechtliche
Überprüfung verschiedener Beiträge über den Textilindustriellen Adrian
Gasser.

    Die Beschwerdebefugnis gegen einen Entscheid der Unabhängigen
Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen richtet sich ausschliesslich
nach Art. 103 OG und ergibt sich nicht bereits aus der Beteiligung an
deren Verfahren (E. 1).

    Umfang der bundesgerichtlichen Prüfung eines Entscheids der
Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (E. 2).

    Inhalt und Tragweite des Gebots der Objektivität und Sachgerechtigkeit
(E. 3).

    Die beanstandeten Beiträge befriedigen nicht in allen Punkten; die
Berichterstattung sowie der Einsatz der stilistischen Mittel sind bei
einer Gesamtwürdigung aber nicht in dem Sinne manipulativ, dass sich der
Zuschauer kein eigenes Bild hätte machen können (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Das Fernsehen DRS berichtete am 30. März 1994 in den Sendungen
"Schweiz aktuell", "Tagesschau" und "10 vor 10", am 4. Mai 1994 in der
Sendung "Schweiz aktuell" und am 15. Juni 1994 in der "Tagesschau" über
den Textilindustriellen Adrian Gasser.

    Gegenstand der Beiträge vom 30. März 1994 bildete die "Aussperrung"
der Belegschaft bei der Kollbrunner Baumwollspinnerei: Da die Arbeitnehmer
gegen Lohnkürzungen und Entlassungen streikten, habe Adrian Gasser einen
Zaun um das Betriebsareal gezogen und die Streikenden "ausgesperrt". Der
Bericht in der "Tagesschau" enthielt zudem den Hinweis, Adrian Gasser
habe es mit dem Arbeitsgesetz "offenbar noch nie so genau genommen". Die
"10 vor 10"-Redaktion ergänzte die Meldung über die "Aussperrung" mit einem
Porträt, das sie unter anderem mit der Bemerkung einleitete, Adrian Gasser
dürfe wohl als der "bestgehasste Unternehmer des Landes" bezeichnet werden.

    Der Beitrag von "Schweiz aktuell" vom 4. Mai 1994 war einer
Medienorientierung von Adrian Gasser und von verschiedenen seiner
Angestellten im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung gewidmet: Die
Einigungsverhandlungen zwischen Adrian Gasser und den Gewerkschaften seien
gescheitert, obwohl die Angestellten ihren Streik inzwischen abgebrochen
hätten. In Kollbrunn hätten 49 Angestellte von sich aus fristlos gekündigt;
Adrian Gasser habe darauf mit Vorwürfen an die Gewerkschaft Bau und
Industrie reagiert.

    Die "Tagesschau" vom 15. Juni 1994 enthielt eine kurze Mitteilung,
wonach Adrian Gasser vor dem Handelsgericht Zürich einen Prozess gegen die
"Weltwoche" verloren habe.

    Regula Pfister und rund 240 Mitunterzeichner - unter ihnen
Adrian Gasser - gelangten gegen diese Sendungen an die Unabhängige
Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (im weitern: Unabhängige
Beschwerdeinstanz bzw. UBI), die am 3. Februar 1995 eine Verletzung
von Programmvorschriften verneinte. Gesamthaft gesehen sei die
Berichterstattung über Adrian Gasser in der beanstandeten Periode im
Vergleich zu jener in der Presse nicht besonders einseitig gewesen,
auch wenn "bisweilen ein herablassender oder hämischer Unterton aus
den Beiträgen herauszuhören war, der einem qualitativ hochstehenden
Journalismus keine Ehre bringt".

    Adrian Gasser und Regula Pfister sowie 23 Mitunterzeichner haben am
31. Mai 1995 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht,
die das Bundesgericht abweist, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Der Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz
über die rundfunkrechtliche Konformität von Sendungen ist mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar (Art. 65 Abs. 2 RTVG; SR
784.40). Die Beschwerdebefugnis richtet sich dabei ausschliesslich
nach Art. 103 OG und ergibt sich nicht bereits aus der Beteiligung am
Verfahren vor der Unabhängigen Beschwerdeinstanz (Art. 63 RTVG). An
dieser zu Art. 25 des Bundesbeschlusses vom 7. Oktober 1983 über die
Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (BB/UBI; AS 1984
153) entwickelten Rechtsprechung (BGE 114 Ib 200 E. 1 S. 201 f., 115 Ib
387 E. 1 S. 388 ff., bestätigt in den unveröffentlichten Entscheiden vom
12. Juli 1991 i.S. G.K., E. 1, und EOS, E. 1, und vom 30. Januar 1992
i.S. VSE, E. 1) hat sich mit dem Radio- und Fernsehgesetz nichts geändert
(LEO SCHÜRMANN/PETER NOBEL, Medienrecht, 2. Aufl., Bern 1993, S. 207;
FRANZISKA BARBARA GROB, Die Programmautonomie von Radio und Fernsehen in
der Schweiz, Diss. ZH 1994, S. 336). Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen
Entscheide der Unabhängigen Beschwerdeinstanz kann demnach nur führen,
wer durch den angefochtenen Entscheid berührt ist und ein schutzwürdiges
Interesse an seiner Aufhebung oder Änderung hat (Art. 103 lit. a OG). Der
Beschwerdeführer muss stärker als jedermann betroffen sein und in einer
besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache stehen
(vgl. BGE 121 II 176 E. 2a S. 177 f. mit zahlreichen Hinweisen).

    b) aa) Gegenstand der beanstandeten Beiträge bildete der
Unternehmer Adrian Gasser. Seine Person und Verhaltensweisen rund um
die Kollbrunner Baumwollspinnerei wurden dargestellt und kritisiert. Er
steht der Streitsache damit näher als irgendein Dritter, weshalb er
zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert ist, auch wenn er sich am
Verfahren vor der Unabhängigen Beschwerdeinstanz lediglich im Rahmen einer
Popular- (Art. 63 Abs. 1 lit. a RTVG) und nicht einer Betroffenenbeschwerde
(Art. 63 Abs. 1 lit. b RTVG) beteiligt hat. Art. 103 lit. a OG setzt
nur voraus, dass der Beschwerdeführer am Verfahren vor der Unabhängigen
Beschwerdeinstanz überhaupt beteiligt war und mit seinen Anträgen ganz oder
teilweise unterlag (formelle Beschwer, vgl. unveröffentlichtes Urteil
vom 30. Januar 1992 i.S. VSE, E. 1 u. 2); er verlangt nicht, dass der
Beschwerdeführer auch bereits vor der Unabhängigen Beschwerdeinstanz als
Betroffener aufgetreten ist (BGE 115 Ib 387 E. 1b S. 389 letzter Satz).

    bb) Zweifelhaft erscheint die Beschwerdelegitimation von
Regula Pfister. Als PR-Beauftragte von Adrian Gasser steht sie zum
Streitgegenstand grundsätzlich nicht in einer besonderen, beachtenswerten,
nahen Beziehung im Sinne von Art. 103 lit. a OG. Einzig soweit sie im
Beitrag der Sendung "Schweiz aktuell" vom 4. Mai 1995 namentlich als
Leiterin der Medienorientierung und "Freundin Gassers" bezeichnet wurde,
könnte eine hinreichende Sachnähe bestehen. Wie es sich damit verhält,
braucht nicht geklärt zu werden, da auf die Beschwerde nach dem Gesagten
auch in diesem Punkt so oder so einzutreten ist.

    cc) Nicht legitimiert sind die weiteren Beschwerdeführer: Sie waren am
vorinstanzlichen Verfahren bloss im Rahmen einer Popularbeschwerde (Art. 63
Abs. 1 lit. a RTVG) beteiligt und leiten ihre Beschwerdeberechtigung einzig
hieraus ab (vgl. SCHÜRMANN/NOBEL, aaO, S. 207). Sie legen nicht dar, und es
ist auch nicht ersichtlich, inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid
stärker betroffen sind als irgendein Zuschauer und in einer besonderen,
beachtenswerten, nahen Beziehung zur Angelegenheit stehen (vgl. BGE 115
Ib 387 E. 2b S. 390). Soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in ihrem
Namen eingereicht wurde, ist darauf nicht einzutreten.

Erwägung 2

    2.- a) Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann eine Verletzung
von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, gerügt werden (Art. 104 lit. a OG). Dem Bundesgericht stellen
sich bei der Prüfung von Fernsehsendungen die gleichen Rechtsfragen wie der
Unabhängigen Beschwerdeinstanz, nämlich ob Programmbestimmungen des Radio-
und Fernsehgesetzes, seiner Ausführungsvorschriften oder der Konzession
verletzt worden sind. Verfahrensgegenstand bildet somit einzig die
Einhaltung rundfunkrechtlicher Regeln; für angebliche Verletzungen anderer
Normen (z.B. Strafrecht, Persönlichkeitsrecht, Unlauterer Wettbewerb
usw.) bleiben die ordentlichen Gerichte und Behörden zuständig. Die
Programmaufsicht dient ausschliesslich dem Schutz der unverfälschten
Willens- und Meinungsbildung der Öffentlichkeit. Bundesgericht wie
Unabhängige Beschwerdeinstanz haben dabei die in Art. 55bis Abs. 3 BV
garantierte Programmautonomie zu berücksichtigen. Bei der Grenzziehung
zwischen dem, was im Rahmen dieser Gestaltungsfreiheit noch erlaubt
ist, und was bereits gegen rundfunkrechtliche Programmvorschriften
verstösst, ergibt sich für die Unabhängige Beschwerdeinstanz ein
Beurteilungsspielraum, dem das Bundesgericht Rechnung trägt (BGE 119 Ib
166 E. 2a S. 168 f. mit Hinweisen, 116 Ib 37 E. 2a S. 40).

    b) Seit Inkrafttreten des Radio- und Fernsehgesetzes gilt
die Unabhängige Beschwerdeinstanz als richterliche Behörde im
Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG. Das Bundesgericht ist deshalb an
ihre Sachverhaltsfeststellung gebunden, es sei denn, diese sei
offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensbestimmungen erfolgt (BGE 119 Ib 166 E. 2b S. 169 f.).

Erwägung 3

    3.- Nach Art. 4 RTVG sind (in Konkretisierung von Art. 55bis Abs. 2
BV; vgl. BBl 1987 III 729) Ereignisse "sachgerecht" darzustellen;
die Vielfalt der Ereignisse und Ansichten muss angemessen zum Ausdruck
kommen (Abs. 1). Ansichten und Kommentare haben als solche erkennbar
zu sein (Abs. 2). Das aus diesen Programmanforderungen abgeleitete
Gebot der Objektivität verlangt, dass sich der Hörer oder Zuschauer
durch die vermittelten Fakten und Meinungen ein möglichst zuverlässiges
Bild über den Sachverhalt machen kann und in die Lage versetzt wird,
sich eine eigene Meinung zu bilden. Das Prinzip der Wahrhaftigkeit
verpflichtet den Veranstalter, Fakten objektiv wiederzugeben; bei
umstrittenen Sachaussagen ist der Zuschauer so zu informieren, dass
er sich selber ein Bild machen kann (BGE 119 Ib 166 E. 3a S. 170, 116
Ib 37 E. 5a S. 44). Die gesetzlichen Programmbestimmungen schliessen
weder Stellungnahmen und Kritiken von Programmschaffenden noch den
"anwaltschaftlichen" Journalismus aus, wenn in diesem Sinne Transparenz
gewahrt bleibt (BGE 121 II 29 E. 3b S. 34). Wann dies der Fall ist,
beurteilt sich in erster Linie danach, ob der Beitrag insgesamt manipulativ
wirkt bzw. ob die bei der Vorbereitung und Darstellung des Gegenstands
gebotene Sorgfalt beachtet wurde. Die Anforderungen an diese sind nicht
allgemein, sondern im Einzelfall mit Blick auf die Umstände sowie den
Charakter und die Eigenheit des Sendegefässes zu ermitteln (BGE 121 II
29 E. 3a S. 33 f.). Der Programmautonomie des Veranstalters wird dabei
insofern Rechnung getragen, als sich ein staatliches Eingreifen im Rahmen
der Programmaufsicht nicht bereits dann rechtfertigt, wenn ein Beitrag
allenfalls nicht in jeder Hinsicht voll zu befriedigen vermag, sondern nur,
wenn er auch bei einer Gesamtwürdigung (vgl. BGE 114 Ib 204 E. 3a S. 207)
die programmrechtlichen Mindestanforderungen von Art. 4 RTVG verletzt.

Erwägung 4

    4.- Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des der
Vorinstanz zustehenden Beurteilungsspielraums (vgl. E. 2a) ist der
angefochtene Entscheid nicht zu beanstanden:

    a) Wenn in den Beiträgen vom 30. März 1994 von einer "Aussperrung"
die Rede war, so mag dieser Ausdruck juristisch unkorrekt gewesen sein. Der
Bericht war indessen als Tagesaktualität zeitgebunden (vgl. dagegen BGE 121
II 29 E. 3b S. 34), vertiefte juristische Abklärungen waren deshalb kaum
möglich und rundfunkrechtlich nicht geboten (vgl. BGE 114 Ib 204 E. 3e
S. 208 f.): Adrian Gasser liess während eines Streiks symbolträchtig um
die Kollbrunner Baumwollspinnerei einen Zaun errichten, der - wie in der
Sendung "Schweiz aktuell" und der "Tagesschau" berichtet - zumindest auch
dazu dienen sollte, die Streikenden vom Fabrikgelände fernzuhalten. Soweit
dabei gesagt wurde, es handle sich um die erste "Aussperrung" streikender
Arbeiter seit dem Zweiten Weltkrieg, wurde im Bericht von "Schweiz
aktuell" darauf hingewiesen, dass dies die Gewerkschaft Bau und Industrie
so sieht. Dieser Hinweis fehlte zwar im Beitrag der "Tagesschau", die
Hauptaussage in Ton und Bild war aber auch hier, dass Adrian Gasser
bzw. die Kollbrunner Baumwollspinnerei die "streikenden" Arbeitnehmer -
wenn vielleicht auch nicht rechtlich, so doch symbolisch - "ausgesperrt"
habe und dies eine ungewöhnliche Massnahme sei. Der Hinweis, Adrian Gasser
habe eine Aussprache mit der Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Hedi Lang
"abgelehnt", war allenfalls unpräzis, will dieser das vereinbarte Gespräch
doch bloss "verschoben" haben. Die beanstandete Wortwahl beeinträchtigte
die Meinungsbildung des Zuschauers jedoch nicht.

    b) Die Kritik, entgegen dem Bericht der "Tagesschau" habe Adrian Gasser
weder Mitarbeitern Geld geschuldet, noch habe er "happige Lohnabstriche"
gemacht, wird erstmals vor Bundesgericht erhoben. Ob dies zulässig ist,
kann dahingestellt bleiben. Dem Zuschauer wurde aus dem beanstandeten
Beitrag hinreichend klar, dass es um einen Arbeitskonflikt und dabei
um Lohn- und Abfindungsfragen ging. Der recherchierende Journalist
stützte sich bei den umstrittenen Äusserungen auf Angaben verschiedener
Arbeitnehmer sowie der Gewerkschaft Bau und Industrie. Dass der
Arbeitgeber die Problematik anders sehen würde, ergab sich für den
Zuschauer aus der Berichterstattung von der Streikfront und aus der Natur
der Auseinandersetzung. Hätte es der Meinungsbildung auch gedient, wenn
Adrian Gasser am 30. März 1994 ebenfalls zu Wort gekommen wäre, liegt
im Fehlen einer solchen Stellungnahme doch noch keine rundfunkrechtlich
relevante Verletzung journalistischer Sorgfaltspflichten. Aus allen
Beiträgen ging hervor, dass weitere Berichterstattungen folgen würden;
im übrigen hatte Adrian Gasser bereits früher seinen unternehmerischen
Standpunkt zum Ausdruck bringen können ("Arena" vom 25. Februar 1994,
"Tagesschau" vom 22. März 1994). Der Journalist wollte Adrian Gasser
mit den Vorwürfen konfrontieren, doch soll dieser hierzu nicht bereit
gewesen sein, was Adrian Gasser bestreitet. Wie es sich damit verhält,
braucht nach dem bereits Gesagten jedoch nicht weiter geklärt zu werden.

    c) Die Passage, wonach es der Beschwerdeführer mit dem Arbeitsgesetz
"offenbar noch nie so genau genommen" habe, enthält zwar einen
schwerwiegenden Vorwurf, war aber für den Zuschauer mit hinreichender
Deutlichkeit als Kritik des Journalisten und der Arbeitnehmerschaft
erkennbar. Die Aussage wurde durch den Begriff "offenbar" etwas
relativiert und diente dazu, die Erklärung von Levent Yilmaz einzuleiten,
ihm sei während einer Krankheit gekündigt worden. Der Journalist bezog
die beanstandete Einschätzung auf die Auseinandersetzung betreffend
Sonntagsarbeit von Frauen und auf umstrittene Lohnkürzungen nach
Entlassung und Wiedereinstellung von Arbeitnehmern in der Kollbrunner
Baumwollspinnerei, über die anfangs Februar 1994 auch in der Presse
berichtet worden war ("Blick" vom 2. Februar 1994, "Tages-Anzeiger"
vom 3. Februar 1994). An den Informationsstand der Zuschauer durften
deshalb höhere Anforderungen gestellt und bei ihnen gewisse Vorkenntnisse
vorausgesetzt werden (vgl. hierzu BGE 114 Ib 204 E. 1d S. 208). Dies gilt
auch für die vor dem gleichen Hintergrund in der Sendung "10 vor 10"
gemachte Einleitung, wonach Adrian Gasser "nach seinen eigenen Regeln"
handle und wohl der "bestgehasste Unternehmer des Landes" genannt werden
dürfe, obwohl die beanstandeten Aussagen überspitzt waren.

    d) Die Beschwerdeführer 1 und 2 sowie verschiedene Kadermitglieder
und Angestellte der Kollbrunner Baumwollspinnerei reagierten am
4. Mai 1994 an einer Medienorientierung auf 49 fristlose Kündigungen
aus der Belegschaft. Der in der Sendung "Schweiz aktuell" erstellte
Beitrag hierüber ist in einzelnen Punkten tatsächlich nicht optimal:
Der Hinweis, bei der Beschwerdeführerin 2 handle es sich um die
Freundin Adrian Gassers, war von der Sache her nicht geboten. Mit der
verallgemeinernden Feststellung, die 17 "gassertreuen" Angestellten
hätten sich zwar nicht aus der Nähe filmen lassen wollen, hätten den
Medienleuten aber "verzellt", dass in ihrem Betrieb alles "tip top sig",
wird deren Aussage unterschwellig in Frage gestellt. Die Kritik sowie der
Einsatz der stilistischen Mittel hält sich aber noch im Rahmen dessen,
was mit Blick auf die Programmautonomie zulässig ist: Adrian Gasser kam
im Beitrag selber zu Wort. Das Publikum, bei dem gewisse Vorkenntnisse
über die Auseinandersetzungen zwischen der Gewerkschaft Bau und Industrie
und Adrian Gasser vorausgesetzt werden durften, wurde darüber informiert,
dass dieser die Gewerkschaft für die fristlosen Kündigungen verantwortlich
macht. Das kommentierende, kritische Element des Beitrags war für den
Zuschauer erkennbar, weshalb nicht von einer Verletzung rundfunkrechtlicher
Pflichten gesprochen werden kann.

    e) Die "Tagesschau" vom 15. Juni 1994 berichtete im Rahmen
einer Kurzmeldung, dass Adrian Gasser vor dem Zürcher Handelsgericht
einen Prozess gegen die "Weltwoche" wegen einer Artikelserie über
die Finanzlage der Spinnerei an der Lorze verloren habe. Wenn dabei
statt von der Spinnerei an der Lorze personifizierend von dem an dieser
massgeblich beteiligten Adrian Gasser gesprochen wurde, um die Meldung
zu situieren, ist dies nicht zu beanstanden. Von einer Kurzmeldung kann
gezwungenermassen - wie die Beschwerdegegnerin zu Recht einwendet - nicht
letzte formale Genauigkeit erwartet werden. Dass das bei dieser Nachricht
verwendete Bild "miserabel" gewesen sei, ist eine persönliche Einschätzung
des Beschwerdeführers und rundfunkrechtlich nicht von Bedeutung.

    f) In Gesamtwürdigung (vgl. BGE 114 Ib 204 E. 3a S. 207) der
beanstandeten Sequenzen und der Berichterstattung über Adrian Gasser im
umstrittenen Zeitraum ist festzustellen, dass die verschiedenen Berichte
anders und in einzelnen Punkten besser hätten gestaltet werden können. Mit
der Vorinstanz ist einzuräumen, dass aus den Beiträgen bisweilen ein
unnötig herablassender und hämischer Unterton herauszuhören ist. Die
Berichterstattung sowie der Einsatz der stilistischen Mittel waren aber
nicht in dem Sinne manipulativ, dass sich der Zuschauer kein eigenes Bild
hätte machen können. Obwohl die Berichterstattung Adrian Gasser gegenüber
teilweise sehr kritisch war, blieben die von der Rechtsprechung geforderte
Transparenz gewährleistet und die kommentierenden Elemente für den
Zuschauer als solche erkennbar. Die Erfordernisse der Sachgerechtigkeit und
Ausgewogenheit als Kriterien der Objektivität dürfen nicht derart streng
gehandhabt werden, dass Freiheit und Spontaneität der Programmgestalter
verlorengehen. Die in Art. 55bis Abs. 3 BV garantierte Autonomie der
Medienschaffenden ist zu wahren; der ihnen bei der Programmgestaltung
zustehende Spielraum verbietet es, bereits einzugreifen, wenn eine Sendung
nicht in allen Punkten voll zu befriedigen vermag (BGE 119 Ib 166 E. 4e
S. 174).