Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 II 291



121 II 291

46. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 8.
November 1995 i.S. Angelrath und Mitb. gegen Schweiz. Bundesbahnen
und Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Zuständigkeit zur Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen
im kombinierten eisenbahnrechtlichen Plangenehmigungs- und
Enteignungsverfahren.

    Im kombinierten eisenbahnrechtlichen Plangenehmigungs- und
Enteignungsverfahren hat grundsätzlich die zum Sachentscheid zuständige
Instanz, also die Einsprachebehörde einerseits und die Eidgenössische
Schätzungskommission bzw. deren Präsident andererseits, auch über die
Kostenfolgen zu befinden. Wird mit der Erledigung der Einsprache indessen
auch das Enteignungsverfahren hinfällig, ist die Behörde, die sich mit der
Sache zuletzt befasst hat, zur abschliessenden Kostenregelung zuständig.

Sachverhalt

    A.- Im Plangenehmigungs- und Enteignungsverfahren für den Ausbau
des SBB-Streckenabschnitts Ligerz-Twann erhoben verschiedene betroffene
Grundeigentümer Einsprache und verlangten, dass die eisenbahnrechtliche
Genehmigung nicht erteilt oder das Projekt allenfalls im Sinne einer
Verlängerung des vorgesehenen Tunnels abgeändert werde. Weiter meldeten
sie ihre enteignungsrechtlichen Entschädigungsansprüche an.

    Da die Einigungsverhandlungen vor dem Präsidenten der Eidgenössischen
Schätzungskommission erfolglos blieben, überwies dieser die Akten
dem für die Einsprachenbehandlung zuständigen Bundesamt für Verkehr
(BAV). Anlässlich der Einigungsverhandlung vor dem Bundesamt wurde eine
Variante "Langtunnel" zunächst zur Diskussion gestellt und schliesslich das
entsprechend abgeänderte Projekt neu aufgelegt. Hierauf teilte Fürsprecher
Max Uhlmann dem BAV mit, dass sich die von ihm vertretenen Einsprecher
am weiteren Verfahren nicht mehr beteiligen würden, da durch die Änderung
des Projektes den gestellten Eventualbegehren vollumfänglich entsprochen
worden sei. Auf Aufforderung des Bundesamtes reichte er anschliessend
eine Kostennote von insgesamt Fr. 10'102.-- für die Vertretung von neun
Parteien ein.

    Mit Teilentscheid vom 1. Juli 1993 sprach das BAV den von
Fürsprecher Uhlmann vertretenen Einsprechern eine Parteientschädigung von
gesamthaft Fr. 1'972.-- zu. Auf Beschwerde der Einsprecher hin erhöhte
das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (EVED)
diesen Betrag zwar am 24. Februar 1995 auf Fr. 2'872.--, lehnte aber die
Zusprechung einer weiteren Entschädigung ab, da die Einspracheinstanz
nur die Kostenfolgen für das Einspracheverfahren zu regeln
habe. Soweit der Anwalt im Zusammenhang mit den enteignungsrechtlichen
Entschädigungsforderungen tätig geworden sei, sei der Entscheid über die
Kosten und die Parteientschädigungen vom Schätzungskommissions-Präsidenten
zu treffen.

    Die von Fürsprecher Uhlmann vertretenen Einsprecher, Manfred
Angelrath-Güggi und die acht weiteren Grundeigentümer, haben den Entscheid
des EVED mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten. Das Bundesgericht
heisst die Beschwerde teilweise gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Umstritten ist zunächst, wer nach dem Gegenstandsloswerden
des Einsprache- und Enteignungsverfahrens zur Festsetzung
der Parteientschädigungen zuständig gewesen sei, ob das BAV als
Einsprachebehörde die Gesamtentschädigung hätte festlegen müssen oder
ob der Präsident der Eidgenössischen Schätzungskommission seinerseits
die auf das Entschädigungsverfahren entfallenden Parteikosten hätte
bestimmen sollen.

    Wird die eisenbahnrechtliche Plangenehmigung im Sinne von
Art. 20 lit. c und Art. 23 ff. der Verordnung über die Planvorlagen
für Eisenbahnbauten vom 23. Dezember 1932 (PlVV; SR 742.142.1) mit
einem Enteignungsverfahren kombiniert, so richtet sich das Verfahren
grundsätzlich nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Enteignung
(EntG, SR 711; vgl. Art. 24 Abs. 1 und Art. 25 Abs. 1 PlVV). Danach sind
innert der dreissigtägigen Frist, während der die Pläne und Verzeichnisse
öffentlich aufliegen, nicht nur die Einsprachen gegen die Enteignung
und die Begehren, die eine Planänderung bezwecken, sondern auch die
Entschädigungsforderungen für die zu enteignenden Rechte anzumelden
(Art. 30 Abs. 1 lit. a, b und c, Art. 35 und 36 EntG). Nach Ablauf
der Frist übermittelt die Gemeinde die Eingaben dem Präsidenten der
Eidgenössischen Schätzungskommission, der das Einigungsverfahren durchführt
(Art. 45 EntG, Art. 26 Abs. 1 PlVV). Während die Einsprachen, die in der
Einigungsverhandlung strittig bleiben, anschliessend der Einsprachebehörde
zum Entscheid übermittelt werden, bleibt das weitere Verfahren vor der
Schätzungskommission auf die Behandlung der Entschädigungsfragen beschränkt
(Art. 26 Abs. 3 und Art. 33 PlVV, Art. 57 ff. EntG).

    Aus dieser gesetzlichen Regelung ergibt sich, dass mit der Planauflage
sowohl das (enteignungs- und eisenbahnrechtliche) Einspracheverfahren wie
auch das Entschädigungsverfahren eröffnet werden, dass diese Verfahren
bis zum Abschluss der Einigungsverhandlung nebeneinander verlaufen
und sich die Verfahrenswege erst danach trennen. Ungeachtet dieser
Zusammenlegung der Verfahren ist über die Kosten- und Entschädigungsfolgen
des Einspracheverfahrens einerseits und des Entschädigungsverfahrens
andererseits grundsätzlich getrennt zu entscheiden. Seit der
Revision der Kostenbestimmungen des Enteignungsgesetzes im Jahre
1971 hat im Einspracheverfahren nicht mehr die Schätzungskommission
(vgl. Art. 115 Abs. 1 EntG in der Fassung vom 20. Juni 1930), sondern die
Einsprachebehörde selbst über die Kosten und die Parteientschädigung zu
bestimmen (Art. 114 Abs. 4 und Art. 115 Abs. 4 EntG); das heisst mit
anderen Worten, dass die für den Sachentscheid zuständige Behörde auch
die Kostenfolgen regeln soll (vgl. FRITZ HESS, Das Enteignungsrecht
des Bundes, N. 3 zu Art. 115 aEntG; HESS/WEIBEL, Das Enteignungsrecht
des Bundes, N. 11-14 zu Art. 114 EntG). Dementsprechend hat das
Bundesgericht schon verschiedentlich erkannt, dass die Einsprachebehörde
über die Kosten- und Entschädigungsfolgen für das ganze Verfahren
der Einsprachenbehandlung ab Planauflage zu entscheiden habe und die
Eidgenössische Schätzungskommission zur nachträglichen Vergütung von
Parteikosten für diesen Verfahrensteil nicht zuständig sei (BGE 118 Ib 206
nicht publ. E. 16, nicht publ. Entscheide vom 8. Januar 1992 i.S. WWF und
Mitbet. gegen Kanton Bern und Kanton Freiburg, E. 9, und vom 21. Mai 1987
i.S. NOK/SN gegen B. und Eidg. Schätzungskommission, Kreis 11, E. 2a).

    Wird indessen ein Verfahren vor dem Einsprachenentscheid oder
durch diesen gegenstandslos, rechtfertigt sich aus prozessökonomischen
Gründen nicht, zwei verschiedene Behörden - also auch die Instanz,
die sich zur Zeit mit der Sache nicht befasst - zur Kostenregelung
beizuziehen. So sieht das Enteignungsgesetz ausdrücklich vor,
dass der Schätzungskommissions-Präsident, wenn das Verfahren mit der
Einigungsverhandlung abgeschlossen wird, allein über die Kosten und die
Entschädigungsfolgen bestimmt (Art. 114 Abs. 4 Satz 2 EntG), obschon
er im Einspracheverfahren grundsätzlich keinerlei Entscheidbefugnisse
hat (vgl. BGE 111 Ib 28 E. 2 mit Hinweisen). Analoges muss gelten,
wenn das Verfahren, wie hier, vor der Einspracheinstanz erledigt
wird und infolge der Einigung oder Gutheissung von Begehren auch das
Entschädigungsverfahren vor der Schätzungskommission entfällt. Auch
in diesem Falle muss die Kompetenz zur Kostenregelung allein bei der
Behörde liegen, die sich mit der Sache zuletzt befasst hat. Es liesse sich
mit dem Gebot der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung, das der
Zusammenlegung von Plangenehmigungs-, Einsprache- und Landerwerbsverfahren
zugrundeliegt, nur schlecht vereinbaren, wenn in dieser Situation
der Schätzungskommissions-Präsident das Verfahren nochmals aufgreifen
müsste, nur um einen ergänzenden Kostenentscheid zu fällen. Dass somit
je nach Verfahrensstand einmal die Schätzungs- und ein anderes Mal die
Einsprachebehörde über die Kostenfolgen eines vorweg erledigten Verfahrens
zu befinden hat, ändert nichts an der Praktikabilität der Lösung: Beide
Instanzen haben die Kostenvorschriften des Enteignungsgesetzes anzuwenden,
die für das Einsprache-, das Einigungs- und das Schätzungsverfahren
die gleichen sind. Zudem stehen der mit der Sache befassten Instanz auch
sämtliche Akten zur Verfügung, die sie für die Beurteilung der Kosten- und
Entschädigungsfragen benötigt. Es ist daher mit den SBB und entgegen der
Auffassung des EVED davon auszugehen, dass das BAV als Einsprachebehörde
im vorliegenden Falle zuständig war, die Parteientschädigungen für das
gesamte bisher durchgeführte Verfahren festzulegen.