Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 II 29



121 II 29

5. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16.
Januar 1995 i.S. SRG gegen X. und Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio
und Fernsehen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 3 lit. e/bis VwVG; Art. 55bis Abs. 2 und 3 BV, Art. 4 und 5
RTVG; programmrechtliche Überprüfung des Beitrages "Mansour - Tod auf
dem Schulhof" in der Sendung "10 vor 10" von Fernsehen DRS.

    Umfang der Prüfungsbefugnis der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für
Radio und Fernsehen; Anspruch des Veranstalters auf rechtliches Gehör
(E. 2).

    Ein nicht zeitgebundener, im Rahmen einer Informations- und
Nachrichtensendung ausgestrahlter Dokumentarbericht, der keine klare
Abgrenzung zwischen Tatsachen, Spekulationen und Ansichten des Journalisten
erlaubt und der manipulativ wirkt, weil der Zuschauer sich kein eigenes
Bild über die vermittelte Information machen kann, verstösst gegen Art. 4
RTVG (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Im Rahmen der Sendung "10 vor 10" strahlte das Fernsehen DRS am
29. September 1992 einen Beitrag über den Tod des zehnjährigen Schülers
Mansour im Zürcher Schulhaus "Letten" aus. In der Anmoderation wurde
erwähnt, dass der Todesfall annähernd vier Monate zurückliege und sich
nach einer Schlägerei mit einem Klassenkameraden ereignet habe. Bereits am
nächsten Tag hätten die Zeitungen geschrieben, der Schüler sei an einem
"akuten Herzleiden" gestorben und nicht an den Verletzungen, die er bei
der Auseinandersetzung erlitten habe. Im folgenden Beitrag gehe es nicht
darum, einen Mitschüler schuldig zu sprechen, sondern zu zeigen, dass
auch ein tragischer Unfall Fragen nach der Verantwortung aufwerfen könne.

    Der Beitrag selber begann mit Ausschnitten von den
Trauerfeierlichkeiten, woran die Vorstellung des Schulhauses "Letten" in
Wort und Bild anschloss. In der Folge wurden die Umstände des Todesfalls
und die verschiedenen Reaktionen darauf erarbeitet. Dieser Teil der Sendung
umfasste unter anderem auch eine Sequenz, in der Schüler im Beisein eines
Lehrers gegenüber dem Fernsehteam im Schulhof "Use, Use" riefen, wozu der
Moderator kommentierte: "Die Schule pflegte einen seltsamen Umgang mit
dem Tod von Mansour. Sie verbot den Kindern, mit Zeitungen oder mit dem
Fernsehen über den Tod ihres Freundes zu reden. Falls sie sich trotzdem in
die Nähe der Kamera trauten, griff bald einmal ein Lehrer ein und brüllte
auch kräftig mit, damit es möglichst peinlich werde. Die Kinder haben
sich für die Szene später entschuldigt; der Lehrer tat es bis heute nicht".

    Der Beitrag endete mit der Abmoderation: "Die Eltern von Mansour
suchten Trost in der Gerechtigkeit; sie forderten den Mut der Erwachsenen,
diesen Unglücksfall als solchen anzunehmen. Vier Monate nach dem Tod des
Jungen ist nun klar: Mansour war nicht herzkrank. Dies ist gegenüber
'10 vor 10' bestätigt worden. Damit bietet sich eine neue Chance, den
Eltern gegenüber Mitgefühl zu zeigen".

    X., der in der Sequenz über den Umgang der Schule mit dem Fernsehteam
als angeblich "kräftig mitbrüllender" Lehrer gezeigt worden war, gelangte
gegen diesen Beitrag an die Ombudsstelle DRS und an die Unabhängige
Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI; im weitern: Unabhängige
Beschwerdeinstanz bzw. Vorinstanz). Diese hiess seine Beschwerde am
2. April 1993 gut und stellte fest, dass der Beitrag "Tod des Schülers
Mansour" in der Sendung "10 vor 10" vom 29. September 1992 Art. 4 Abs. 1
des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen (RTVG;
SR 784.40) verletzt habe.

    Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft hat hiergegen
Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht, die das Bundesgericht abweist

Auszug aus den Erwägungen:

                  aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführerin macht in formeller Hinsicht geltend, ihr
Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden: Sie habe sich in ihrer
Stellungnahme an die Unabhängige Beschwerdeinstanz nur veranlasst gesehen,
sich zu der vom Beschwerdegegner konkret als wahrheitswidrig beanstandeten
Szene im Schulhof zu äussern; die Unabhängige Beschwerdeinstanz habe ihre
Überprüfung jedoch über diese hinaus in unzulässiger Weise auf den ganzen
Beitrag ausgedehnt. Mit diesem Vorgehen habe sie nicht rechnen müssen;
auf jeden Fall wäre ihr noch einmal Gelegenheit zu einer Stellungnahme
einzuräumen gewesen.

    a) Die Ausweitung der Überprüfung durch die Unabhängige
Beschwerdeinstanz über die konkret beanstandete Sequenz hinaus
auf den ganzen Beitrag ist als solche - entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin - bundesrechtlich nicht zu beanstanden: Nach Art. 62
Abs. 2 RTVG muss die Eingabe an die Unabhängige Beschwerdeinstanz
"mit kurzer Begründung angeben, wodurch Programmbestimmungen dieses
Gesetzes, seiner Ausführungsbestimmungen oder der Konzession verletzt
worden" sind. Die Beanstandung definiert das Anfechtungsobjekt
und begrenzt insofern die Überprüfungsbefugnis der Unabhängigen
Beschwerdeinstanz. Werden einzelne Teile eines Beitrags kritisiert,
erstreckt sich die Prüfungskompetenz indessen auf den ganzen Beitrag,
sofern dieser - wie hier - thematisch ein geschlossenes Ganzes bildet. Die
Unabhängige Beschwerdeinstanz ist in diesem Fall befugt, die Frage der
Verletzung von Programmvorschriften unter jedem aufgrund der Aktenlage
in Betracht fallenden Gesichtspunkt zu prüfen (vgl. zum alten Recht BGE
116 Ib 37 E. 4 S. 42; MARTIN DUMERMUTH, Die Programmaufsicht bei Radio
und Fernsehen in der Schweiz, Basel und Frankfurt a.M. 1992, S. 188).

    b) aa) Nach Art. 3 lit. e/bis des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968
über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021) findet dieses Gesetz
auf Beanstandungen von Radio- und Fernsehsendungen vor der Unabhängigen
Beschwerdeinstanz keine Anwendung; nach der Rechtsprechung gelten jedoch
auch hier die aus Art. 4 BV abgeleiteten minimalen Verfahrensgarantien,
zumindest soweit sie dem Schutz des Veranstalters dienen. So besteht ein
Anspruch auf rechtliches Gehör, dessen Tragweite sich nach der Situation
und der Interessenlage im Einzelfall bestimmt und der eine Anhörung
gebietet, wenn die Unabhängige Beschwerdeinstanz ihren Entscheid auf
einen für den Veranstalter nicht voraussehbaren Rechtsgrund stützen will
(BGE 116 Ib 37 E. 4e S. 43 mit Hinweisen). Art. 64 Abs. 1 RTVG, wonach
der Präsident der Unabhängigen Beschwerdeinstanz den Veranstalter zur
Stellungnahme einlädt, wenn die Beschwerde nicht offensichtlich unzulässig
oder unbegründet erscheint, deckt sich, verfassungskonform ausgelegt,
mit diesem noch in der Rechtsprechung zum Bundesbeschluss vom 7. Oktober
1983 über die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen
(BB UBI; AS 1984, 153) entwickelten Grundsatz und verlangt ebenfalls,
dass der Veranstalter in rechtsstaatlich genügender Weise zu Wort kommt.

    bb) Wäre es auch von Vorteil gewesen, wenn die Unabhängige
Beschwerdeinstanz mit Blick auf die Ausdehnung ihrer Überprüfung der
Beschwerdeführerin noch einmal Gelegenheit gegeben hätte, sich zu
äussern, war sie - im konkreten Fall - verfahrensrechtlich hierzu doch
nicht verpflichtet. Die Beschwerdeführerin musste vorliegend damit
rechnen, dass nicht nur die beanstandete Sequenz, sondern allenfalls
der Gesamtbeitrag einer programmrechtlichen Prüfung unterzogen würde:
Bereits die Ombudsstelle DRS hatte in ihrer Schlussorientierung die
beanstandete Sequenz im Gesamtzusammenhang des Beitrags gewürdigt,
wenn sie festhielt, dass die Szenen mit den Schulkindern vor der
Fernsehkamera weder nötig noch für den eigentlichen Inhalt der Sendung
aufschlussreich gewesen seien; was die Schülerszene mit den "Use"-Rufen
gegenüber dem Fernsehen mehrere Monate nach dem Todesfall und offenbar
nach Abklärung der Todesursache dem Fernsehzuschauer noch zeigen sollte,
sei ihr unerfindlich. In Ziffer 3 ihrer Stellungnahme vom 18. Januar 1993
an die Unabhängige Beschwerdeinstanz erläuterte die Beschwerdeführerin -
auf den Inhalt des ganzen Beitrags Bezug nehmend -, dass sie es als richtig
erachtet habe, das Verhalten der Schule, die offenbar nicht bereit gewesen
sei, das Thema Gewalt zu thematisieren und für den falschen Befund einer
Herzkrankheit dankbar gewesen sei, im Beitrag zu erwähnen. Sie ging damit
selber davon aus, dass die ganze Sendung in die Beurteilung miteinbezogen
werden konnte, und verwies ihrerseits auf die nach dem angefochtenen
Entscheid programmrechtlich heiklen Punkte, unterliess es aber, diese
zu vertiefen. Auch insofern durfte von ihr indessen eine qualifizierte
Erklärung erwartet werden, lädt die Unabhängige Beschwerdeinstanz gemäss
Art. 64 Abs. 1 RTVG sie zu einer Stellungnahme doch nur ein, wenn die
Beschwerde nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet erscheint. Im
Gegensatz zum Entscheid "Grell-Pastell" (BGE 116 Ib 37 ff.), in dem das
Bundesgericht eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bejaht
hatte, bezog sich die Kritik hier sinngemäss auf den ganzen Beitrag; nur
in dessen Gesamtrahmen konnte die sachliche Berechtigung der beanstandeten
Einzelsequenz sinnvoll geprüft werden.

Erwägung 3

    3.- a) Nach Art. 4 RTVG sind (in Konkretisierung von Art.  55bis
Abs. 2 BV; vgl. BBl 1987 III 729) Ereignisse "sachgerecht" darzustellen;
die Vielfalt der Ereignisse und Ansichten muss angemessen zum Ausdruck
kommen (Abs. 1); Ansichten und Kommentare haben überdies als solche
erkennbar zu sein (Abs. 2). Diese gesetzlichen Informationsgrundsätze
decken sich mit jenen in Art. 4 Abs. 2 der Konzession vom 5. Oktober 1987
beziehungsweise in Art. 3 Abs. 5 der Konzession vom 18. November 1992
für die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (Konzession SRG;
BBl 1987 III 814, 1992 VI 569), weshalb zum Begriff der Sachgerechtigkeit
in Art. 4 RTVG ohne weiteres an die bisherige Rechtsprechung angeknüpft
werden kann. Danach verlangt das Gebot der Objektivität, dass sich der
Hörer oder Zuschauer durch die vermittelten Fakten und Meinungen ein
möglichst zuverlässiges Bild über den Sachverhalt machen kann und in
die Lage versetzt wird, sich eine eigene Meinung zu bilden. Das Prinzip
der Wahrhaftigkeit verpflichtet den Veranstalter, Fakten objektiv
wiederzugeben; bei umstrittenen Sachaussagen ist der Zuschauer
so zu informieren, dass er sich selber ein Bild machen kann. Den
rechtlichen Beurteilungsmassstab stellt, weil ein Verstoss gegen die
Programmanforderungen immer eine objektive Verletzung der journalistischen
Sorgfaltspflicht voraussetzt, die bei der Vorbereitung und Darstellung
des Gegenstands gebotene Sorgfalt dar. Die Anforderungen an diese sind
nicht allgemein, sondern im Einzelfall mit Blick auf die Umstände sowie
den Charakter und die Eigenheit des Sendegefässes zu ermitteln (BGE 119
Ib 166 E. 3 S. 170 f. mit Hinweisen).

    b) Der beanstandete Beitrag "Tod auf dem Schulhof" wurde im Rahmen
der Sendung "10 vor 10", der zweiten allabendlichen Informations-
und Nachrichtensendung von Fernsehen DRS, ausgestrahlt, diente jedoch
vier Monate nach dem tragischen Ereignis nicht mehr der aktuellen
Tages-, sondern als nicht zeitgebundener Dokumentarbericht der
Hintergrundinformation. Für einen solchen Beitrag gelten nach der
Rechtsprechung bezüglich Objektivität und Sachgerechtigkeit besondere
Anforderungen (BGE 116 Ib 37 E. 6 S. 46 mit Hinweisen). Dies bedeutet
nicht, dass derartige Berichte nicht interessant und kritisch gestaltet
sein, oder wie die Beschwerdeführerin meint, keine "emotionale Dimension"
aufweisen dürften, sondern dass der Zuschauer befähigt werden muss,
sich über die vermittelten Informationen ein eigenes Bild zu machen. Die
gesetzlichen Programmbestimmungen schliessen weder Stellungnahmen und
Kritiken von Programmschaffenden noch den "anwaltschaftlichen" Journalismus
aus, wenn in dem Sinne Transparenz gewährleistet bleibt, dass sich der
Zuschauer ein eigenes Bild machen kann; ob dies der Fall ist, beurteilt
sich in erster Linie danach, ob der Beitrag insgesamt manipulativ wirkt
(vgl. DUMERMUTH, aaO, S. 364 ff.). Welche gestalterischen Mittel wie
eingesetzt werden, ist nur solange Sache des Veranstalters, als ihr Einsatz
nicht das Gebot der "Sachgerechtigkeit" verletzt. Art. 5 Abs. 1 RTVG,
der die Programmautonomie garantiert, gilt nur im Rahmen der allgemeinen
Informationsgrundsätze von Art. 4 RTVG beziehungsweise von Art. 55bis
Abs. 2 BV; je heikler ein Thema ist, um so grösser muss grundsätzlich die
Sorgfalt bei seiner gestalterischen Umsetzung als Informationsbeitrag
sein (vgl. BGE 116 Ib 37 E. 8 S. 48/49). Wenn das Bundesgericht in
jüngeren Entscheiden jeweils festgehalten hat, die Erfordernisse der
Sachgerechtigkeit und Ausgewogenheit dürften als Kriterien der Objektivität
nicht derart streng gehandhabt werden, dass Freiheit und Spontaneität
der Programmgestalter verlorengingen, und es sich nicht rechtfertige,
bereits dann einzugreifen, wenn eine Sendung allenfalls nicht in jeder
Hinsicht voll zu befriedigen vermöge, galt dies für Beiträge, die bei
einer Gesamtwürdigung die programmrechtlichen Mindestanforderungen zu
erfüllen vermochten und sich damit im Rahmen von Art. 4 RTVG hielten.

    c) Der Beitrag "Tod auf dem Schulhof" sollte den Umgang der Schule
und der Behörden mit dem Todesfall des Schülers Mansour aufzeigen, was
programmrechtlich von der Vorinstanz korrekterweise nicht beanstandet
wurde. Zu Recht kritisierte sie aber die gestalterische Umsetzung der
Problematik, die dem Zuschauer tatsächlich nicht erlaubte, sich ein
eigenes Bild zu machen, und als Ganzes manipulativ wirkte:

    aa) Der umstrittene Beitrag legte Gewicht darauf, dass Mansour
angeblich an einem Herzfehler gelitten habe, was nach Ansicht der Ärzte
zu seinem Tod geführt haben soll. Der Journalist arbeitete in der Folge -
subtil über die Gestaltung des Beitrags - sukzessive darauf hin, beim
Zuschauer den Eindruck zu erwecken, Schule wie Behörden gäben sich
mit dieser - nach Ansicht des Journalisten - fragwürdigen Begründung
zufrieden. Ohne klare Vorwürfe zu erheben, wird dem Zuschauer ein
unlauteres Verhalten von Schule und Behörden nicht nur moralischer Art
suggeriert, wenn der verantwortliche Redaktor im Rahmen der Schilderung
des Vorfalls, der zum Tode von Mansour geführt hat, feststellt: "Die
Lehrerinnen und Lehrer versuchten ... die Schüler in ihren Klassen auf
eine Version des Geschehens zu einigen. Sie fürchteten, die Kinder würden
das tatsächlich Vorgefallene übertrieben darstellen...". In einer der
folgenden Sequenzen betonte der Journalist wiederum in dramaturgisch
vielsagender Art und Weise auf dem Hintergrund eines angeblich akuten
Herzleidens: "Am Tag nach dem Tod von Mansour kam der Schulpräsident
zu Besuch. Auch er mochte, wie die Mutter schildert, nicht über Gewalt
und mögliche Mitverantwortung reden", bevor er dann etwas später ausführt:
"Für die Lehrer war der Fall abgehakt. Die zwei einzigen, die mit uns über
den Tod von Mansour gesprochen hatten, zogen ihre Interviews später wieder
zurück. Einer von ihnen hatte gesagt, durch den Tod von Mansour entstehe
kein zusätzlicher Handlungsbedarf in Sachen Gewalt.- Natürlich: Es wäre
für viele einfacher gewesen, wenn Mansour an einer Herzkrankheit gestorben
wäre. Es gäbe keine Fragen zur alltäglichen Brutalität vieler Kinder,
keine Fragen, wer dafür verantwortlich ist, keinen 'Handlungsbedarf'. Ein
Befund Herzkrankheit wäre auch einfacher für den Schulpräsidenten - der
sich nicht äussern will, solang' die Untersuchung läuft. Und es wäre
einfacher für den Jugendanwalt, der drei Monate lang nur das Herz vom
toten Mansour untersuchen liess, obwohl er Zeugenaussagen hat, die auch
andere Todesursachen denkbar erscheinen lassen".

    bb) Für den unbefangenen Zuschauer entstand durch diese Abfolge
der vermittelten Informationen, die ihm in Verletzung von Art. 4 RTVG
keine klare Abgrenzung zwischen Tatsachen, Spekulationen und Ansichten
des Journalisten erlaubte, wie die Vorinstanz zu Recht festhält, der
Eindruck, die Umstände des Todes von Mansour würden von den Behörden im
Interesse des unbeschadeten Rufs der Schule verschleiert, allenfalls sogar
bewusst falsch angegeben. Mit dem Hinweis in der Abmoderation, Mansour
sei gar nicht herzkrank gewesen, was gegenüber "10 vor 10" bestätigt
worden sei, ist dieser beim Zuschauer suggestiv aufgebaute und mangels
klarer Informationen über die tatsächliche beziehungsweise in diesem
Moment vermutete Todesursache nicht relativierbare Eindruck verstärkt
worden. Dem Zuschauer wurde im ganzen Beitrag kein Element in die Hand
gegeben, das ihm erlaubt hätte, sich ein eigenes Bild über die mit der Art
der gestalterischen Umsetzung suggerierten Vorwürfe des Journalisten zu
machen und dessen Ansicht in einen Gesamtzusammenhang zu stellen. Über die
im Moment der Ausstrahlung des Beitrags tatsächlich vermutete Todesursache
wurde in der Abmoderation kein Wort gesagt. Bereits mit diesem Element
wäre der Beitrag aber deutlich relativiert worden. Die Beschwerdeführerin
legt ihrer Beschwerde selber einen Zeitungsartikel vom 2. Oktober 1992,
also nur drei Tage nach der Ausstrahlung des beanstandeten Beitrags, bei,
woraus hervorgeht, dass der untersuchende Arzt als Todesursache wenige
Stunden nach dem Unfall ein "Herzversagen" verantwortlich gemacht hatte.
Dass in den Medien dann von "Herzfehler" oder "Herzkrankheit" berichtet
wurde, sei auf einen Kommunikationsfehler zwischen der Polizei und der
Presse zurückzuführen. Hätte der Zuschauer aber etwa über diese Information
verfügt - auf die auch der Autor des Beitrags, der ausgiebig recherchiert
haben will und dabei unter keinem Zeitdruck stand, hätte stossen müssen
-, hätte er sich wohl unweigerlich die Frage nach der Berechtigung der
erhobenen Vorwürfe gestellt. Die Unvoreingenommenheit gegenüber dem
publizistischen Endprodukt verbietet es dem Journalisten nicht, zu Beginn
seiner Recherchen bestimmte Hypothesen zu formulieren (vgl. BGE 119 Ib 166
E. 3b S. 171), deren Verifizierung Gegenstand der folgenden Abklärungen
bildet. Sie verlangt aber, dass die Recherchen alsdann allseitig, das
heisst ohne Ausklammerung entscheidender Perspektiven, vorgenommen
und die Ergebnisse auch dann präsentiert werden, wenn sie nicht mit
den anfänglichen Hypothesen übereinstimmen sollten; das Nichterwähnen
einer für die Meinungsbildung des Zuschauers wesentlichen Information
im Zuge der Berichterstattung über ein bestimmtes Thema ist manipulativ
und verletzt das Sachgerechtigkeitsgebot (vgl. FRANZISKA BARBARA GROB,
Die Programmautonomie von Radio und Fernsehen in der Schweiz, Diss. ZH
1994, S. 166).

    cc) Die Kritik am Verhalten der Schule im Umgang mit dem Tod von
Mansour, die, wie die Vorinstanz zu Recht ausführt, nicht zuletzt an
der Person des Beschwerdegegners personalisiert und visualisiert wurde,
beruhte weitgehend auch darauf, dass sich deren Vertreter dem Fernsehen
gegenüber nicht äussern wollten. Das Bundesgericht verlangt bei dieser
Situation für eine sachgerechte Information, dass das Publikum über die
entsprechenden Gründe angemessen informiert wird (BGE 119 Ib 166 E. 3b
S. 171). Der Beitrag "Tod auf dem Schulhof" tat dies nicht; auch insofern
liegt eine Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflichten vor: Auf die
(allenfalls guten) Gründe, warum sich die Schulvertreter Wochen nach dem
tragischen Unglück gegenüber dem Fernsehen nicht äussern wollten, wird
nicht eingegangen; dem Zuschauer wird die Berechtigung des Vorwurfs an
die Schule, nicht mitzufühlen und nicht mit dem Problem eines Todesfalls
im Schulhof umgehen zu wollen beziehungsweise zu können, vorab über die
Tatsache suggeriert, dass keine Diskussion mit dem Fernsehteam und der
Presse stattgefunden habe; auch insofern konnte sich der Zuschauer mangels
sachgerechter Information kein eigenes Bild machen.