Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 III 97



121 III 97

25. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. Februar 1995 i.S.
Firma F. AG. (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 963 ff. ZGB und Art. 20 GBV; Voraussetzungen der Eintragung
eines Inhaberschuldbriefes in das Grundbuch.

    Die Voraussetzungen, unter denen Eigentümer- oder Inhaberschuldbriefe
und Eigentümer- oder Inhabergülten in das Grundbuch eingetragen werden,
sind durch das Zivilgesetzbuch abschliessend geregelt. Bezüglich solcher
Schuldbriefe und Gülten kann der Bundesrat den kantonalen Gesetzgeber
weder ermächtigen, für deren Errichtung die öffentliche Beurkundung
vorzuschreiben, noch ihm die Befugnis einräumen, deren Anmeldung zur
Eintragung in das Grundbuch ausschliesslich der kantonalen Urkundsperson
vorzubehalten (E. 2-4).

Sachverhalt

    A.- Mit Schreiben vom 31. Juli 1992 an das Grundbuchamt Basel-Stadt
errichtete die Firma F. AG einen Inhaberschuldbrief über Fr. 2'000'000.--,
lastend im dritten Rang auf der ihr gehörenden Baurechtsparzelle.
Gleichzeitig ersuchte sie um Eintragung des Pfandrechts und Ausstellung
des Pfandtitels.

    B.- Das Grundbuchamt Basel-Stadt wies die Anmeldung der Firma F. AG
ab. Den dagegen eingereichten Rekursen war kein Erfolg beschieden.

    C.- Das Bundesgericht heisst die gegen das kantonal letztinstanzliche
Urteil gerichtete Verwaltungsgerichtsbeschwerde teilweise gut aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Gegenstand des Verfahrens bildet die Frage, ob das kantonale Recht
die Anmeldung eines Inhaberschuldbriefes an das Grundbuchamt allein der
kantonalen Urkundsperson vorbehalten könne. Die Beschwerdeführerin vertritt
die Auffassung, Art. 20 Abs. 2 GBV (SR 211.432.1) - und damit verbunden die
entsprechende, ausdrücklich darauf gestützte kantonale Vorschrift (Art. 209
Abs. 3 EG zum ZGB) - sei bundesrechtswidrig. Art. 963 Abs. 1 ZGB gebe ihr
das Recht, einen Inhaberschuldbrief zur Eintragung in das Grundbuch selbst
anzumelden, weshalb ihre Anmeldung hätte entgegengenommen werden müssen.

    a) Nach Art. 20 GBV wird der Ausweis für die Eintragung einer
Eigentümerdienstbarkeit, eines Eigentümer- oder Inhaberschuldbriefes oder
einer Eigentümer- oder Inhabergült durch die schriftliche Anmeldung des
Eigentümers erbracht (Abs. 1); die Kantone können jedoch vorschreiben,
dass die Anmeldung solcher Schuldbriefe und Gülten zur Eintragung durch
eine Urkundsperson zu geschehen hat (Abs. 2). Die Bestimmung ist in keine
der bisherigen Revisionen der Grundbuchverordnung einbezogen worden.

    b) Die Ordnung des Stoffes und die Reihenfolge der Bestimmungen
der bundesrätlichen Verordnung betreffend das Grundbuch schliessen sich
eng an den Titel des Zivilgesetzbuches über das Grundbuch an (GUHL, Die
schweizerische Grundbuchordnung vom 22. Februar 1910, SJZ 6/1910 S. 362
Ziffer 3). Mit dem Marginale zu den Art. 963 ff. ZGB übereinstimmend
handelt die Grundbuchverordnung unter dem Titel "Voraussetzungen der
Eintragung" von der Anmeldung (Art. 11 ff. GBV) und alsdann von den
Ausweisen (Art. 18 ff. GBV). Art. 20 GBV erwähnt in Abs. 1 Ausweis und
Anmeldung zugleich und enthält in Abs. 2 einen Vorbehalt zugunsten des
kantonalen Rechts, der sich nach dem Wortlaut nur auf die Anmeldung
bezieht. Die Vorschrift ist in der Lehre als eine "bereits im Gesetz
selbst noch nicht vorgesehene Ausnahmebestimmung" (HOMBERGER, Die
Grundpfandverschreibung bei Schuldverpflichtungen auf den Inhaber,
ZBJV 71/1935 S. 567) und deren Tragweite - namentlich jene des zweiten
Absatzes - als umstritten bezeichnet worden (STEINAUER, Les droits réels,
I, 2.A. Berne 1990, S. 201 N. 729a, und III, Berne 1992, S. 253 N. 2954a;
SCHÜPBACH, Gestation de la cédule hypothécaire et naissance du droit
de gage, ZBGR 71/1990 S. 133 Anm. 6 sowie S. 137 Anm. 20 mit weiteren
Literaturhinweisen).

    c) Bei der Grundbuchverordnung handelt es sich um eine
Ausführungsverordnung (vgl. Ingress). Unter Vorbehalt - und hier zu
Recht nicht behaupteter - ausdrücklicher Delegation muss sie sich an den
durch das Gesetz vorgegebenen Rahmen halten und darf der Regelung des
Gesetzes, die sie näher ausführen soll, nicht zuwiderlaufen. Sie kann
verfahrensrechtliche und organisatorische Vorschriften aufstellen, im
Gesetz verwendete Begriffe verdeutlichen und gegebenenfalls echte Lücken
füllen (allgemein: BGE 98 Ia 281 E. bb S. 287). Die Beispiele, die das
Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement anführt und die mit der zu
beurteilenden Frage nicht in Zusammenhang stehen, können in diesem Sinne
verstanden werden, ohne dass sich das Bundesgericht dazu abschliessend zu
äussern braucht. Soweit Art. 20 Abs. 2 GBV gesetzeswidrig sein sollte,
wie dies die Beschwerdeführerin geltend macht, kann die Frage nach der
gesetzlichen Grundlage der bundesrätlichen Verordnungsbefugnis im Bereiche
der Eintragungsvoraussetzungen offenbleiben (dazu immerhin: OSTERTAG,
Berner Kommentar, N. 2, CURTI/FORRER, Schweizerisches Zivilgesetzbuch mit
Erläuterungen, Zürich 1911, N. 3, und WIELAND, Zürcher Kommentar, N. 1,
je zu Art. 949 ZGB).

Erwägung 3

    3.- In der Lehre wird Art. 20 GBV als Ausweis über den Rechtsgrund
für die Eintragung (vgl. Art. 965 Abs. 3 ZGB) verstanden. Für dessen
ersten Absatz trifft dies zu. Die - im übrigen umstrittene - Auslegung
hingegen, wonach die Kantone gestützt auf den Vorbehalt in Abs. 2 derselben
Bestimmung für die Errichtung von Eigentümer- oder Inhaberschuldbriefen und
von Eigentümer- oder Inhabergülten die öffentliche Beurkundung vorschreiben
könnten, lässt sich mit Bundesrecht nicht vereinbaren.

    a) In Beantwortung einer Anfrage des Justizdepartements des Kantons
Tessin teilte das Eidgenössische Justizdepartement am 23. September 1920
unter anderem mit, für die Errichtung eines Inhaberschuldbriefes genüge
nach eidgenössischem Recht die schriftliche Erklärung des Eigentümers
der zu belastenden Grundstücke gegenüber dem zuständigen Grundbuchamt,
dass er die Ausfertigung eines Inhaberschuldbriefes verlange. Art. 799
Abs. 2 ZGB, wonach der Vertrag auf Errichtung eines Grundpfandes zu
seiner Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung bedürfe, sei auf
den Inhaberschuldbrief nicht anwendbar, weil ein solcher Vertrag ja gar
nicht geschlossen werde. Zur Zeit der Eintragung des Inhaberschuldbriefes
im Grundbuch und dessen Errichtung durch das Grundbuchamt brauche ein
Gläubiger, der im Pfandvertrag als Gegenkontrahent erscheinen würde, noch
gar nicht vorhanden zu sein. Man könne daher als Ausweis für die Errichtung
des Inhaberschuldbriefes auch nicht einen öffentlich beurkundeten Vertrag,
ja überhaupt keinen Vertrag, sondern eben nur eine einseitige Erklärung
des Grundeigentümers und Schuldners verlangen (unter vergleichsweisem
Hinweis auf Art. 20 Abs. 1 GBV; ZBGR 8/1927 Nr. 61 S. 157 E. 2 S. 158). An
dieser Auffassung, der Errichtung eines Inhaberschuldbriefes liege kein
Vertrag zugrunde, weshalb die Formvorschrift gemäss Art. 799 Abs. 2 ZGB
nicht zum Tragen komme, haben die zuständigen Bundesbehörden auch seither
festgehalten (ZBGR 22/1941 Nr. 166 S. 283 E. 2; 35/1954 Nr. 25 S. 104,
Nr. 26 S. 105 und Nr. 93 S. 314).

    Bereits 1919 in anderem Zusammenhang (BGE 45 I 311 E. 2 S. 315/316)
und sodann im Jahre 1923 ausdrücklich hat das Bundesgericht erwogen,
aus Art. 799 ZGB dürfe nicht abgeleitet werden, dass in jedem Falle der
Abschluss eines Vertrages für die Errichtung einer Grundpfandverschreibung
unerlässlich sei. Dies erhelle auch aus dem Umstande, dass der Art. 799
ZGB sich in den allgemeinen Bestimmungen über das Grundpfand (22. Titel,
1. Abschnitt) befinde, welche für alle Formen des Grundpfandes Geltung
hätten, also auch für die Schuldbriefe und Gülten, für welch letztere
das Gesetz ausdrücklich erkläre, dass sie direkt zu Gunsten des Inhabers
(Art. 859), also auf einseitige Erklärung des Willens des Schuldners
errichtet werden könnten. Dies aber schliesse in solchen Fällen die
Notwendigkeit des Abschlusses eines eigentlichen Pfandvertrages aus
(BGE 49 II 19 E. 3a S. 26).

    Darüber, dass sich nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die
Form der Errichtung eines Inhaberschuldbriefes oder einer Inhabergült
unmittelbar aus dem materiellen Recht ergibt und Art. 20 Abs. 1 GBV
dies lediglich wiederholt, darf zum einen nicht hinwegtäuschen, dass in
verschiedenen Entscheiden und anderem Zusammenhang nur auf Art. 20 Abs. 1
GBV (etwa in BGE 116 II 291 E. 2 S. 293; 115 II 349 E. 4a S. 357/358;
112 II 430 E. 2c S. 431) oder bloss auf die erwähnte Rechtsprechung
(z.B. in BGE 93 II 82 E. 4 S. 86/87) verwiesen worden ist. Zum anderen
muss davon die Ausnahme geschieden werden, wonach die öffentliche
Beurkundung dann als unabdingbar zu betrachten ist, wenn sich der
Grundeigentümer zur Verpfändung erst noch zu errichtender Eigentümer-
oder Inhaberschuldbriefe verpflichtet (BGE 71 II 262 Nr. 61; vgl. BGE 88
II 162 E. a S. 168 sowie das Gutachten des Eidgenössischen Grundbuchamtes:
ZBGR 22/1941 Nr. 166 S. 283 E. 3).

    b) Das gleiche Bild zeigen die vorherrschenden
Lehrmeinungen. Einesteils wird lediglich auf Art. 20 Abs. 1 GBV und/oder
die gezeigte Rechtsprechung des Bundesgerichts verwiesen (STEINAUER,
aaO, II, 2.A. Berne 1994, S. 292 N. 2183; RIEMER, Die beschränkten
dinglichen Rechte, Bern 1986, S. 91 N 24; vgl. auch THORENS, Cédules
hypothécaires. Naissance du droit réel immobilier et actes de disposition,
ZSR NF 92/1973 I S. 373; SCHELLENBERG, Die betreibungsrechtlichen Wirkungen
des Eigentümergrundpfandes nach schweizerischem Recht, Diss. Zürich
1955, S. 21; SCHÖNBERG, Zehn Jahre Schweizerisches Zivilgesetzbuch. Die
Grundbuchpraxis, Aarau 1924, S. 143).

    Andernteils stimmen verschiedene Autoren ausdrücklich darin überein,
dass es der öffentlichen Beurkundung nicht bedürfe, weil kein Vertrag
mit einem Gläubiger geschlossen werde TUOR/SCHNYDER, Das schweizerische
Zivilgesetzbuch, 10.A. Zürich 1986, S. 696 und S. 745; WIELAND, Zürcher
Kommentar, N. 6 zu Art. 859 ZGB S. 400; HOMBERGER/MARTI, Grundpfandrecht
I, SJK 608, S. 4; vgl. auch VOLLENWEIDER, Die Sicherungsübereignung
von Schuldbriefen als Sicherungsmittel der Bank, Diss. Freiburg
i.Ü. 1994, S. 41; LAREIDA, Der Schuldbrief aus wertpapierrechtlicher
Sicht, Diss. Zürich 1986, S. 32/33; FISCHER, Interimsurkunden im
Grundpfandrecht, Diss. Basel 1975, S. 35; REUTLINGER, Die Inhaberobligation
mit Grundpfandverschreibung und der Schuldbrief, Diss. Neuchâtel 1950,
S. 27 f.; KUNZ, Öffentliche Vertragsverurkundung und ihre Gültigkeit nach
schweizerischem Recht, Diss. Bern 1928, S. 98), oder heben deutlich hervor,
dass in dieser Frage durch die bundesrätliche Grundbuchverordnung lediglich
wiedergegeben werde, was schon nach materiellem Recht gelte (HOMBERGER,
Zürcher Kommentar, N. 29 zu Art. 965 ZGB; LEEMANN, Berner Kommentar,
N. 25 zu Art. 799 ZGB; vgl. auch SCHÜPBACH, ZBGR 71/1990 S. 133 Ziffer
2; ABRAVANEL, Le gage immobilier en droit suisse, Diss. Lausanne 1928,
S. 67 N. 77). Betont wird vereinzelt, bei Errichtung von Eigentümer-
und Inhaberpfandrechten entfalle das Erfordernis, den Grundeigentümer
durch öffentliche Beurkundung zu schützen (RIEMER, ebenda; DOLEZAL,
Les actes juridiques des droits réels soumis à la forme écrite, Diss.
Lausanne 1987, S. 113; abweichend: BÄR, Wertpapierrechtliche Aspekte von
Schuldbrief und Gült, BN 1985/86 S. 38, der die eigentliche Errichtung von
der Pfandbestellung unterscheidet und im Gegensatz zur bundesgerichtlichen
Rechtsprechung wenigstens für letztere die öffentliche Beurkundung fordert;
ähnlich: BONNARD, L'obligation hypothécaire au porteur, Diss. Lausanne
1955, S. 63 ff.).

    c) Soweit daher Art. 20 Abs. 1 GBV seiner Einreihung entsprechend als
Regelung den "Ausweis über den Rechtsgrund für die Eintragung" betreffend
zu verstehen ist, gibt er materielles Recht wieder. Die anscheinend
gegenteilige Auffassung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements
trifft nicht zu. Ob eine Anpassung des Wortlautes an die obenerwähnte
Rechtsprechung, die ausnahmsweise eine öffentliche Beurkundung erfordert,
in einer Revision nachgeholt werden sollte, kann hier offenbleiben
(bejahend: HUBER, Zur Änderung der eidgenössischen Grundbuchverordnung
vom 18. November 1987, ZBGR 70/1989 S. 135 Ziffer 5.1).

    Damit steht auch ohne Weiterungen fest, dass der Vorbehalt in Abs. 2
von Art. 20 GBV nicht dahingehend ausgelegt werden darf, die Kantone
könnten für die Errichtung eines Eigentümer- oder Inhaberschuldbriefes
und einer Eigentümer- oder Inhabergült die öffentliche Beurkundung
vorsehen (so OSTERTAG, Berner Kommentar, N. 20 zu Art. 965 ZGB, a.E.;
DESCHENAUX, Das Grundbuch, SPR V/3/1, Basel 1988, S. 291). Ein derart
verstandener Vorbehalt widerspräche Bundesrecht (DOLEZAL, aaO, S. 115/116;
vgl. STEINAUER, aaO, III, S. 253 N. 2954a; SCHÜPBACH, ZBGR 71/1990
S. 137 Anm. 20). Es braucht in diesem Zusammenhang lediglich an Art. 18
Abs. 3 letzter Satz aGBV erinnert zu werden, der im Falle von Erbteilung
als Ausweis einen öffentlich beurkundeten Teilungsvertrag gefordert
hatte und aufgrund klarer Gesetzesvorschrift (Art. 634 Abs. 2 ZGB) und
entsprechender Praxis des Bundesgerichts zunächst für unanwendbar erklärt
und anschliessend geändert werden musste (GONVERS-SALLAZ, Le registre
foncier suisse. Commentaire de l'ordonnance fédérale du 22 février 1910 sur
le registre foncier, Lausanne 1938, N. 12 zu Art. 18 aGBV; ausführlich:
ANDERMATT, Die grundbuchliche Anmeldung nach schweizerischem Recht, Zug
1938, S. 152 ff.). Ein Vorbehalt zugunsten einer Befugnis des kantonalen
Gesetzgebers, für Eigentümer- oder Inhaberschuldbriefe und Eigentümer-
oder Inhabergülten als Rechtsgrundausweis einen öffentlich beurkundeten
Akt zu fordern, verstiesse deshalb gegen Bundesrecht. Art. 20 Abs. 2 GBV
kann nicht in diesem Sinne ausgelegt werden.

    Seine abweichende Auffassung stützt das Eidgenössische Justiz- und
Polizeidepartement unter anderem auf den Entwurf Siegmund zur GBV vom 27.
Februar 1911, der bezüglich Eigentümer- oder Inhaberschuldbriefen und
Eigentümer- oder Inhabergülten die öffentliche Beurkundung für erforderlich
gehalten habe. Dass auch der Vorentwurf der Expertenkommission für
eine GBV in Art. 20 Abs. 2 die Befugnis der Kantone, die öffentliche
Beurkundung für die Anmeldung solcher Schuldbriefe und Gülten zur
Eintragung vorzuschreiben, enthalten hat, trifft zwar zu, doch muss darauf
hingewiesen werden, dass es in diesem Punkt beim Vorentwurf geblieben und
der vorgeschlagene Art. 20 Abs. 2 in dieser Form gerade nicht in die vom
Bundesrat verabschiedete Verordnung aufgenommen worden ist (GONVERS-SALLAZ,
N. 7 zu Art. 20 GBV). Aus dem nicht allgemein zugänglichen Protokoll der
Expertenkommission geht im übrigen mit aller Deutlichkeit hervor, dass die
Frage nach der Gesetzmässigkeit eines Beurkundungserfordernisses kantonalen
Rechts einen Diskussionspunkt gebildet hat und die Mehrheit diesen
Art. 20 Abs. 2 vor allem aus Zweckmässigkeitsgründen in den Vorentwurf
aufnehmen wollte (Protokoll über die Verhandlungen der Expertenkommission
für die Beratung der Grundbuchverordnung, Grundbuchformularien und
Pfandtitel. III. Sitzung vom 17. November 1909, S. 15/16).

Erwägung 4

    4.- Art. 963 Abs. 1 ZGB sieht vor, dass die Eintragungen auf Grund
einer schriftlichen Erklärung des Eigentümers des Grundstückes, auf das
sich die Verfügung bezieht, erfolgen. Dies gilt auch für die Eintragung
von Grundpfandrechten und von Schuldbriefen und Gülten gemäss Art. 859 ZGB
(DESCHENAUX, SPR V/3/1, S. 290). Soweit in Art. 20 GBV eine Vorschrift
über die Anmeldung zu erblicken ist, beinhaltet Abs. 1 eine ausdrückliche
Wiederholung von Art. 963 Abs. 1 ZGB, während der Vorbehalt in Abs. 2 dem
Wortlaut dieser Bestimmung klar zuwiderläuft. Dem Bundesrat fehlt daher
die Befugnis zum Erlass einer solchen Ermächtigung (in diesem Sinne:
HUBER, ZBGR 70/1989 S. 143 Ziffer 8.4).

    a) Die Anmeldung hat grundsätzlich vom Eigentümer auszugehen
(HOMBERGER, Zürcher Kommentar, N. 10 zu Art. 963 ZGB). Sie setzt
Verfügungsmacht und Handlungsfähigkeit (Verfügungsfähigkeit) voraus,
die im Grundsatz beide nur durch gesetzliche Vorschrift beschränkt
werden können (DESCHENAUX, SPR V/3/1, S. 270 ff.; vgl. VON TUHR/PETER,
Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, 3.A. Zürich
1979, S. 215 § 28 II); in diesem Rahmen kann die Anmeldung von einem
gewillkürten oder gesetzlichen Stellvertreter ausgehen (STEINAUER, aaO,
I, S. 199 N. 723; DESCHENAUX, SPR V/3/1, S. 274 ff.). Mit Bezug auf die
Grundbuchanmeldung findet sich keine gesetzliche Bestimmung, welche die
Urkundsperson ausdrücklich als Vertreter des verfügungsberechtigten
Eigentümers bezeichnete. Im Gegenteil. Dass Art. 963 Abs. 1 ZGB dies
nachgerade ausschliesst, zeigt sich dort, wo die Kantone von ihrer
Befugnis gemäss Abs. 3 derselben Bestimmung Gebrauch gemacht haben. Sie
verpflichten damit nur die Urkundsperson, wohingegen der Eigentümer
frei bleibt, auch bei öffentlicher Beurkundung die Anmeldung sich oder
einem von ihm bestellten Dritten vorzubehalten (BGE 55 I 341 E. 3 S. 345;
DESCHENAUX, SPR V/3/1, S. 275/276; HOMBERGER, Zürcher Kommentar, N. 18 zu
Art. 963 ZGB). Ein Vorbehalt zugunsten des kantonalen Gesetzgebers, für die
Grundbuchanmeldung in bestimmten Fällen eine Art gesetzlicher Vertretung
des an sich verfügungsberechtigten Eigentümers durch die Urkundsperson,
wie sie in Art. 20 Abs. 2 GBV gesehen werden kann, vorzuschreiben, steht
mit Art. 963 Abs. 1 ZGB somit nicht im Einklang.

    b) Eine formelle Betrachtungsweise - die Grundbuchanmeldung verstanden
als den auf Einleitung des Einschreibeverfahrens gerichteten Antrag
des verfügungsberechtigten Eigentümers an den Grundbuchverwalter -
führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach Lehre und Rechtsprechung darf das
kantonale Recht für die Anmeldung - im Unterschied zu deren Vollzug - keine
weiteren Voraussetzungen aufstellen (BGE 112 II 322 E. 2 und 3 S. 324;
vgl. DESCHENAUX, SPR V/3/1, S. 449; MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, N. 45
zu Art. 656 ZGB). Ein Vorbehalt zugunsten des kantonalen Gesetzgebers
in diesem Bereich ist bundesrechtswidrig. Aus dem gleichen Grund kann
Art. 20 Abs. 2 GBV im Zusammenhang mit der Anmeldung auch nicht als
"Ausnahme von der Schriftlichkeit" (so OSTERTAG, Berner Kommentar, N. 16
zu Art. 963 ZGB; ihm folgend: ANDERMATT, aaO, S. 80) gesehen werden, die -
als blosse Ordnungsvorschrift zwar (STEINAUER, aaO, I, S. 199 N. 722a;
DESCHENAUX, SPR V/3/1, S. 279) - für die Grundbuchanmeldung gesetzlich
vorgeschrieben ist und genügt. Ebensowenig darf die erwähnte Bestimmung
als "im Interesse der kantonalen Urkundspersonen" gerechtfertigt werden
(ABRAVANEL, aaO, S. 69 Anm. 138 unter Hinweis auf BORLAT, Formulaire
d'actes hypothécaires avec notes explicatives, Lausanne 1911, S. 52). Die
Kantone haben in dieser Frage keine Gesetzgebungsbefugnis und können dazu
auch nicht ermächtigt werden.

    c) Die in BGE 45 I 311 E. 2 S. 316 aufgeworfene Frage, ob Art. 20
Abs. 2 GBV mit dem Zivilgesetzbuch im Einklang stehe, ist zu verneinen. Der
nach allgemeinen Grundsätzen Verfügungsberechtigte ist befugt, die
Grundbuchanmeldung selbst vorzunehmen. Die Voraussetzungen, unter denen
Eigentümer- oder Inhaberschuldbriefe und Eigentümer- oder Inhabergülten
im Grundbuch eingetragen werden, sind im Zivilgesetzbuch ebenfalls
abschliessend geregelt (BGE 66 I 88 E. 2 S. 91). Von den vielfältigen
Meinungsäusserungen, die in der Literatur zu Art. 20 GBV vertreten werden,
sind der Vollständigkeit halber noch deren zwei hervorzuheben:

    LEEMANN hält dafür, die Ermächtigung zum Erlass kantonaler
Bestimmungen gemäss Art. 20 Abs. 2 GBV diene offenbar dem Zwecke der
Herstellung einer sichern Grundlage für den Grundbucheintrag (Berner
Kommentar, N. 13 zu Art. 859 ZGB; in der gleichen Richtung: ABRAVANEL,
aaO, S. 68 N. 78, der den Schutz des Grundeigentümers in den Vordergrund
stellt). Weshalb dieses Bedürfnis je nach Kanton verschieden sein soll
und inwieweit es überhaupt besteht (verneinend: GAUTSCHI, Beitrag zur
Theorie des Eigentümergrundpfandes nach Schweizerischem Zivilgesetzbuch,
Diss. Zürich 1928, S. 182), kann offenbleiben. Denn die Prüfungspflicht
des Grundbuchverwalters erstreckt sich auf sämtliche ihm unterbreiteten
Akte, unabhängig von deren Verfasser. Beim Gesuch um Ausstellung eines
Inhaberschuldbriefes hat er daher zu prüfen, ob dieses alle wesentlichen
Elemente enthält, den Namen des Eigentümers, die Bezeichnung des
Grundstückes sowie Betrag und Rang des Pfandrechtes (BGE 116 II 291 E. 2 S.
292/293), ansonsten die Anmeldung abzuweisen ist und dem Gesuchsteller
der Beizug einer Urkundsperson empfohlen werden kann. Das Grundbuchamt
wird dadurch keineswegs zu einem "Beratungsbüro"; der Grundbuchverwalter
nimmt vielmehr die ihm von Gesetzes wegen obliegenden Pflichten wahr.

    Das erwähnte Urteil des Bundesgerichts (BGE 45 I 311 E. 2 S. 316)
bringt Art. 20 GBV in direkten Zusammenhang mit der Verordnungsbefugnis
des Bundesrates gemäss Art. 858 ZGB, und LEEMANN verweist auf
eine kantonale Praxis, nach welcher der Notar, der den Pfandvertrag
öffentlich beurkundet oder den Eigentümer- bzw. Inhaberschuldbrief oder
die Eigentümer- bzw. Inhabergült nach Art. 20 Abs. 2 GBV zur Eintragung
angemeldet hat, als ermächtigt gilt, das Formular des Schuldbrief-
oder Gülttitels auszufüllen und dem Grundbuchverwalter einzureichen
(Berner Kommentar, N. 2 zu Art. 857 ZGB). Einmal abgesehen davon, dass
Art. 858 ZGB eine bundesrätliche Verordnungsbefugnis nur für die "Formen
des Schuldbriefes und der Gült", für die Formulare mithin (eindeutig die
lateinischen Gesetzestexte: "le formulaire des cédules hypothécaires et des
lettres de rente"; "i formulari delle cartelle ipotecarie e delle rendite
fondiarie"), vorsieht und Art. 20 Abs. 2 GBV deshalb in dieser Bestimmung
keine Stütze finden kann, rechtfertigte eine - im übrigen wenig verbreitete
- kantonale Spezialität aufgrund der klaren bundesgesetzlichen Regelung
über die Ausstellung des Pfandtitels keine Beeinträchtigung der Befugnis
des Eigentümers, selbst anzumelden. Nach Art. 857 Abs. 1 ZGB werden
Schuldbrief und Gült durch den Grundbuchverwalter ausgestellt, weshalb den
kantonalen Sonderordnungen von Bundesrechts wegen auch keine materielle
Bedeutung zukommen kann (LEEMANN, ebenda). Der Grundbuchverwalter hat in
diesem Bereich eine Leistungspflicht. Der Auffassung, das Grundbuchamt sei
"ausschliesslich ein Register", muss insoweit widersprochen werden.