Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 III 81



121 III 81

21. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 28. März 1995 i.S. M. (Rekurs) Regeste

    Löschung einer auf Irrtum des Gläubigers beruhenden Betreibung im
Betreibungsregister.

    Die Löschung einer auf Irrtum des Gläubigers beruhenden Betreibung
hat analog zur nichtigen Betreibung (BGE 115 III 24 ff.) zu geschehen. Der
Registereintrag ist mit dem Vermerk zu versehen, dass die Betreibung vom
Gläubiger irrtümlicherweise angehoben worden ist. Die so gekennzeichnete
Betreibung darf fortan in den Registerauszügen nicht mehr erwähnt werden
(E. 3 und 4).

Sachverhalt

    A.- Am 19. Oktober 1994 erhob M. beim Bezirksgericht Uster als untere
Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs Beschwerde gegen den
Auszug aus dem Betreibungsregister des Betreibungsamtes Y. und beantragte,
den die Betreibung Nr. ... betreffenden Eintrag im Betreibungsregister zu
löschen, so dass er auf dem Auszug nicht mehr erscheine; zur Begründung
brachte er vor, diese Betreibung sei von der Gläubigerin irrtümlich
angehoben worden, was diese denn auch bestätigte. Das Bezirksgericht
Uster wies die Beschwerde mit Beschluss vom 6. Dezember 1994 ab.

    Einen dagegen eingereichten Rekurs wies das Obergericht
(II. Zivilkammer) des Kantons Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde
über Schuldbetreibung und Konkurs seinerseits am 5. Januar 1995 ab.

    Mit Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des
Bundesgerichts beantragt M., den Beschluss vom 5. Januar 1995 aufzuheben
und die fragliche Betreibung für die amtsexterne Öffentlichkeit zu löschen.

    In ihrer Vernehmlassung bestätigt die Gläubigerin die irrtümliche
Einleitung der Betreibung und weist darauf hin, dass sie deswegen beim
Betreibungsamt Y. um deren Löschung ersucht habe.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer heisst den Rekurs im Sinne
der Erwägungen gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Nach den für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen
Feststellungen der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde (Art. 81 OG
i.V.m. Art. 63 Abs. 2 OG) wurde die strittige Betreibung durch den
Gläubiger irrtümlicherweise angehoben. Ob in einem solchen Fall mit dem
Eintrag im Betreibungsregister gleich wie bei nichtigen Betreibungen
verfahren werden kann, hat das Bundesgericht bisher, soweit ersichtlich,
noch nicht dargelegt. Insbesondere ging es in BGE 119 III 97 ff. nicht um
diese Problematik. Dieser Entscheid betraf vielmehr den Fall, in dem der
Gläubiger parallel zur an sich berechtigten Betreibung Verhandlungen mit
dem Schuldner geführt und im Anschluss an die Einigung unter den Parteien
die Betreibung zurückgezogen hat (BGE 119 III 97 E. 3a S. 99). Zudem
hatte der Schuldner dort um Löschung des Eintrags ersucht.

    b) Während von einem vereinzelten Autor die Ansicht vertreten wird,
dass es sich auch bei einer vom Gläubiger irrtümlicherweise eingeleiteten
Betreibung rechtfertige, diese der amtsexternen Öffentlichkeit nicht mehr
zugänglich zu machen (vgl. SUTER/VONDERMÜHLL, Die Löschung von Betreibungen
unter besonderer Berücksichtigung der Praxis beim Betreibungsamt
Basel-Stadt, BlSchK 52/1988 S. 217 ff., insbesondere S. 218/219), erachtet
die Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt des Kantons
Basel-Stadt dieses Vorgehen selbst dann für unzulässig, wenn der Gläubiger
den Irrtum schriftlich bestätigt (BlSchK 58/1994, Nr. 39 S. 127 ff.). Zur
Begründung wird dabei angeführt, da objektive Kriterien zur Feststellung
des Irrtums weitgehend fehlten, frage es sich, wie ein Betreibungsbeamter
entscheiden könne, ob sich der Gläubiger vor Anhebung der Betreibung
geirrt habe. Die Anerkennung der Möglichkeit zur Unterdrückung eines
Registereintrages eröffne insbesondere auch die Gefahr des Missbrauchs,
könne sich doch ein Gläubiger nach Erhebung des Rechtsvorschlages durch
den Schuldner etwa veranlasst sehen, dessen nun zügige Zahlung mit dem
Versprechen zu erkaufen, er werde die Löschung der Betreibung wegen
Irrtums beantragen. Es sei nicht Sache des Betreibungsamtes, sich in
dieser Frage zum Richter zu machen. Der Betreibungsbeamte könne nicht
auf einfache Weise überprüfen, ob dem Antrag auf Löschung stattzugeben
sei oder nicht. Hinzu komme, dass die Zulassung der Unterdrückung von
Registereinträgen sich für einen Schuldner, der sich zum Beispiel aus
Unkenntnis um diese Möglichkeit nicht um die an sich berechtigte Löschung
bemüht habe, noch nachteiliger auswirken werde; im übrigen verzerre sie
das Bild für den das Register einsehenden Dritten (BlSchK 58/1994 S. 131).

Erwägung 4

    4.- a) Im Geschäfts- und Sozialleben wird der Tatsache Bedeutung
beigemessen, dass jemand betrieben worden ist (BGE 119 III 97 E. 1 S.
98; 115 III 81 E. 3b S. 87). Das Betreibungsregister wird konsultiert,
um die Kreditwürdigkeit eines Bewerbers zu beurteilen, für die Behandlung
von Zulassungsgesuchen bei bewilligungsbedürftigen Berufen oder auch vor
Abschluss einer Wohnungsmiete. Selbstverständlich kann der Betroffene
allenfalls gegenüber dem Auskunft Suchenden nachweisen, dass bestimmte
Betreibungen ungerechtfertigt waren. Dies erweist sich allerdings als
umständlich, besonders wenn der Nachweis mehrmals erbracht werden muss;
sodann bleibt fraglich, ob Ruf und Kreditwürdigkeit nicht dennoch Schaden
nehmen (SUTER/VONDERMÜHLL, aaO S. 215). Der Betroffene hat damit ein
gewichtiges, persönliches Interesse daran, dass eine ungerechtfertigte
Betreibung Dritten nicht zugänglich gemacht wird, weshalb denn auch
nichts dagegen spricht, eine auf Irrtum des Gläubigers beruhende und
damit ungerechtfertigte Betreibung der amtsexternen Öffentlichkeit
vorzuenthalten. Das amtliche Interesse am Registereintrag wird dadurch
gewahrt, dass die Eintragung, wie im Fall der Nichtigkeit der Betreibung
aufgezeigt (BGE 115 III 24 E. b S. 27 unten), nicht schlechtweg
zum Verschwinden gebracht, sondern mit einem entsprechenden Vermerk
gekennzeichnet wird und so für das Betreibungsamt und die Aufsichtsbehörden
sichtbar bleibt. Damit wird namentlich auch der erhöhten Beweiskraft,
die dem Register gestützt auf Art. 8 Abs. 3 SchKG bzw. Art. 9 ZGB
zuteil wird (BGE 119 III 97 E. 2 S. 98), Rechnung getragen. Im weiteren
ist nicht ersichtlich, welches Interesse der Dritte an der Mitteilung
einer irrtümlich eingeleiteten und damit ungerechtfertigten Betreibung
haben könnte, zumal dieser Eintrag keinen Aufschluss über Liquidität
und Zahlungsmoral des Betriebenen geben kann (vgl. SUTER/VONDERMÜHLL,
aaO S. 219 oben).

    b) Ferner vermögen auch die Bedenken der kantonalen Rechtsprechung
(BlSchK 58/1994 S. 131) eine andere Behandlung der auf Irrtum
des Gläubigers beruhenden Betreibung nicht zu rechtfertigen: Um
dem Betreibungsamt die Überprüfung des Irrtums des Gläubigers zu
ermöglichen, genügt es, wenn der Betriebene dazu angehalten wird,
zusammen mit seinem Gesuch eine vom Gläubiger unterschriebene Erklärung
beizubringen, in der dieser kurz den Irrtum und die Gründe, welche dazu
geführt haben, darlegt. Damit dürfte das Amt durchaus in der Lage sein,
rasch und problemlos berechtigte Gesuche von rechtsmissbräuchlichen zu
unterscheiden. Bedenken gegen diese Lösung sind um so weniger angebracht,
als es dem Amt in unklaren bzw. mangelhaft begründeten Fällen unbenommen
bleibt, dem Begehren nicht zu entsprechen und den Betriebenen an die
Aufsichtsbehörde zu verweisen. Im konkreten Fall sind die Einwände der
kantonalen Rechtsprechung hinsichtlich der Überprüfungsmöglichkeit des
Betreibungsamtes ohnehin nicht von Belang, zumal der Rekurrent die obere
kantonale Aufsichtsbehörde davon überzeugt hat, dass die Betreibung
auf einem Irrtum der Gläubigerin beruht. Diese Feststellung wurde
von der Gläubigerin denn auch vor Bundesgericht bestätigt. Angesichts
der Bedeutung des Registereintrages für den Schuldner und des damit
verbundenen, gewichtigen privaten Interesses an der Vorenthaltung einer
nicht gerechtfertigten Betreibung gegenüber dem Auskunft ersuchenden
Dritten ist dem Begehren des Rekurrenten stattzugeben. Dass nicht
jeder Schuldner ein an sich berechtigtes Gesuch um Vorenthaltung einer
nicht gerechtfertigten Betreibung stellen wird, muss wegen des im Spiele
stehenden Interesses ebenso in Kauf genommen werden wie der Umstand, dass
allenfalls für den Dritten, der das Register einsieht, ein verzerrtes
Bild resultieren kann, weil mangels Gesuchs der Betroffenen wohl nie
alle Betreibungen, welche auf einem Irrtum des Gläubigers beruhen, durch
entsprechende Vorkehren der Öffentlichkeit vorenthalten werden dürften.