Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 III 474



121 III 474

91. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. November 1995 i.S.
Siegfried Aktiengesellschaft gegen The Wellcome Foundation Ltd. (Berufung)
Regeste

    Materielle Rechtskraft eines Urteils über eine Patentverletzungsklage.

    Über eine Klage, welcher die Einrede der abgeurteilten Sache
entgegensteht, ist im Bundesrecht durch Nichteintreten zu entscheiden
(E. 2).

    Begriff der materiellen Rechtskraft; Bedeutung von Dispositiv und
Urteilsbegründung - insbesondere von tatsächlichen Feststellungen und
rechtlichen Erwägungen - des rechtskräftigen Urteils (E. 4a).

    Anwendung der entsprechenden Grundsätze auf den patentrechtlichen
Verletzungsprozess im allgemeinen (E. 4b) und auf den konkret beurteilten
Fall (E. 5).

Sachverhalt

    A.- Die britische Pharmazeutika-Herstellerin The Wellcome Foundation
Ltd. ist Inhaberin des Schweizer Patentes Nr. 507'266, dessen Schutzdauer
am 3. Februar 1989 abgelaufen ist. Das Patent betrifft ein Verfahren zur
Herstellung des Generikums Allopurinol, eines zur Behandlung von Gicht
verwendeten Heilmittels. The Wellcome Foundation Ltd. steht seit längerer
Zeit in Auseinandersetzungen mit der in Zofingen ansässigen Siegfried
Aktiengesellschaft, die ebenfalls Allopurinol herstellt. Streitig
ist zwischen den beiden Gesellschaften, ob die von der Siegfried
Aktiengesellschaft angewandten Verfahren das Patent ihrer Konkurrentin
verletzen.

    Am 10. Februar 1976 reichte die Siegfried Aktiengesellschaft beim
Handelsgericht des Kantons Bern gegen The Wellcome Foundation Ltd. Klage
ein mit dem Antrag, es sei gerichtlich festzustellen, dass sie nicht
in die Rechte aus dem schweizerischen Patent 507'266 der Beklagten
eingreife, wenn sie den Arzneistoff Allopurinol nach einem von ihr
entwickelten Verfahren in der Weise fabriziere, dass sie durch Reaktion
des 2-Cyano-3-morpholino-acrylsäureäthylesters mit Hydrazinhydrat das
3-Amino-4-carbäthoxypyrazol herstelle und dieses durch Umsetzung mit
Formamid in Allopurinol umwandle.

    Die Beklagte erhob Widerklage mit mehreren Rechtsbegehren. Mit
Begehren Ziffer 2 verlangte sie insbesondere, es sei der
Klägerin gerichtlich zu verbieten, Allopurinol (...) in der Weise
herzustellen, dass ein (...) 3-Morpholino-2-cyano-acrylsäureamid
oder 3-Morpholino-2-cyano-acrylsäureäthylester mit
Hydrazin in ein (...) 3-Aminopyrazol-4-carbonsäureamid
bzw. 3-Amino-pyrazol-4-carbonsäureäthylester oder in ein Salz einer
dieser Verbindungen überführt und das erhaltene Zwischenprodukt in das
(...) Allopurinol überführt werde, insbesondere durch Umsetzung mit
Harnstoff oder mit Formamid und/oder Ameisensäure.

    Das Handelsgericht hiess mit Urteil vom 22. Mai 1979 die Klage gut
und stellte fest, dass die Klägerin nicht in die Rechte aus dem Patent
Nr. 507'266 der Beklagten eingreife, wenn sie den Arzneistoff Allopurinol
nach einem von ihr entwickelten Verfahren in der Weise fabriziere, dass
sie durch Reaktion des 2-Cyano-3-morpholino-acrylsäureäthylesters mit
Hydrazinhydrat das 3-Amino-4-carbäthoxypyrazol herstelle und dieses durch
Umsetzung mit Formamid in Allopurinol umwandle. Das Widerklagebegehren
Ziffer 2 wies das Handelsgericht ab.

    Eine Berufung der Beklagten wies das Bundesgericht am 27. März 1980
unter Bestätigung des Urteils des Handelsgerichts ab. Am 12. Juni 1989 wies
das Bundesgericht zudem ein Revisionsgesuch der Beklagten ab. Diese hatte
zur Begründung ihres auf Art. 137 lit. b OG (neue erhebliche Tatsache)
gestützten Gesuches geltend gemacht, die Klägerin verwende bei der
Herstellung von Allopurinol zusätzlich Ammoniak als Reagens.

    Am 30. Juni 1988 erhob The Wellcome Foundation Ltd. beim Obergericht
des Kantons Basel-Landschaft Klage gegen die Siegfried Aktiengesellschaft
mit den folgenden Rechtsbegehren:
                "1. Es sei festzustellen, dass die Beklagte das Schweizer
           Patent Nr. 507'266 der Klägerin verletzt, indem sie den
           Arzneistoff Allopurinol in der Weise fabriziert, dass sie
           durch Reaktion des 2-Cyano-3-morpholino-acrylsäureäthylesters
           mit Hydrazin das 3-Amino-4-carbäthoxypyrazol herstellt und
           dieses durch Umsetzung mit Ammoniak und Formamid in Allopurinol
           umwandelt.
                2. Es sei der Beklagten unter Androhung der Verzeigung
                ihrer
           zuständigen Organe an den Strafrichter wegen Verletzung von Art.
           292 StGB für den Fall der Zuwiderhandlung zu untersagen, den
           Arzneistoff Allopurinol in der Weise zu fabrizieren, dass sie
           durch Reaktion des 2-Cyano-3-morpholino-acrylsäureäthylesters
           mit Hydrazin das 3-Amino-4-carbäthoxypyrazol herstellt und
           dieses durch Umsetzung mit Ammoniak und Formamid in Allopurinol
           umwandelt."

    Die Klägerin verlangte darüber hinaus, die Beklagte zur
Gewinnherausgabe zu verpflichten und sie zu ermächtigen, das Urteil auf
Kosten der Beklagten in bestimmten Zeitschriften zu veröffentlichen.

    Auf Antrag der Beklagten beschränkte das Obergericht das Verfahren
vorläufig auf die Beurteilung der von ihr erhobenen Einrede der
abgeurteilten Sache, welche es mit Urteil vom 27. September 1994
abwies. Die Beklagte hat dieses Urteil mit Berufung angefochten, die vom
Bundesgericht abgewiesen wird.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die materielle
Rechtskraft, das heisst die Verbindlichkeit eines Urteils für spätere
Prozesse, eine Frage des Bundesrechts, sofern der zu beurteilende Anspruch
darauf beruht (BGE 119 II 89 E. 2a S. 90 mit Hinweisen). Die Einrede der
abgeurteilten Sache betrifft nach der in der Schweiz nunmehr herrschenden
formellen Rechtskrafttheorie eine Prozessvoraussetzung. Ihre Gutheissung
hat daher zur Folge, dass auf die neue Klage nicht eingetreten wird
(VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Auflage, S. 213 ff.,
insbes. Rz. 67 und 70; HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess- und
Gerichtsorganisationsrecht, 2. Auflage, S. 270 f., Rz. 475; KUMMER,
Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Auflage, S. 86 und 145; POUDRET, COJ,
N 4.1 zu Art. 38 OG; LEUCH/MARBACH/KELLERHALS, Die Zivilprozessordnung
für den Kanton Bern, N 12a zu Art. 192 ZPO). Allerdings untersagt das
Bundesrecht den kantonalen Gerichten nicht, auch im Falle des Vorliegens
einer abgeurteilten Sache auf eine neue Klage einzutreten, sofern sie
darüber gleich wie das rechtskräftige Urteil entscheiden (BGE 105
II 149 E. 4; KUMMER, Das Klagerecht und die materielle Rechtskraft
im schweizerischen Recht, S. 64; derselbe, in: ZBJV 117/1981, S.
166; GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2. Auflage, S. 364
Fn. 22a; STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur Zürcherischen Zivilprozessordnung,
2. Auflage, N 26 zu § 191 ZPO; POUDRET, COJ, N 1.3.2.15 zu Art. 43 OG). Wie
es sich damit nach der Prozessordnung des Kantons Basel-Landschaft verhält,
braucht indessen nicht untersucht zu werden, da gemäss Art. 40 OG im
bundesgerichtlichen Verfahren die Regelung von Art. 22 BZP zu beachten
und die Klage für unzulässig zu erklären ist, wenn der Anspruch bereits
rechtskräftig beurteilt worden ist. Im Falle der Begründetheit der
Berufung wäre deshalb auf die Klage nicht einzutreten. Dass die Beklagte
im Widerspruch dazu mit ihrem Rechtsbegehren die Abweisung der Klage
verlangt, gereicht ihr nicht zum Nachteil, da aus der Berufungsschrift
ohne weiteres klar wird, dass sie sich der Klage unter Berufung auf die
materielle Rechtskraft des vom Bundesgericht bestätigten Urteils des
Berner Handelsgerichts vom 22. Mai 1979 widersetzt. Ihr Rechtsbegehren
ist entsprechend umzudeuten.

Erwägung 4

    4.- a) Eine abgeurteilte Sache liegt vor, wenn der streitige Anspruch
mit einem schon rechtskräftig beurteilten identisch ist. Dies trifft zu,
falls der Anspruch dem Richter aus demselben Rechtsgrund und gestützt
auf denselben Sachverhalt erneut zur Beurteilung unterbreitet wird
(BGE 119 II 89 E. 2a S. 90). In anspruchsbezogene materielle Rechtskraft
erwächst demzufolge allein das Sachurteil. Ein solches ist nur gegeben,
wenn und soweit das Gericht die Sachverhaltsvorbringen der Parteien
materiellrechtlich würdigt, das heisst den geltend gemachten Anspruch
inhaltlich beurteilt (BGE 115 II 187 E. 3b S. 189).

    Die Rechtskraftwirkung tritt folgerichtig nur soweit ein, als über
den geltend gemachten Anspruch entschieden worden ist. Inwieweit dies
der Fall ist, ergibt die Auslegung des Urteils, zu welcher dessen ganzer
Inhalt heranzuziehen ist. Zwar erwächst der Entscheid nur in jener Form in
Rechtskraft, wie er im Urteilsdispositiv zum Ausdruck kommt, doch ergibt
sich dessen Tragweite vielfach erst aus einem Beizug der Urteilserwägungen,
namentlich im Falle einer Klageabweisung (vgl. BGE 115 II 187 E. 3b S. 191;
LEUCH/MARBACH/KELLERHALS, aaO, N 12c/aa zu Art. 192 ZPO).

    Nicht zur Urteilsformel gehören die tatsächlichen Feststellungen
und die rechtlichen Erwägungen des Entscheids. Sie haben in einer
anderen Streitsache keine bindende Wirkung (LEUCH/MARBACH/KELLERHALS,
aaO, N 12c/aa zu Art. 192 ZPO). Gleiches gilt für Feststellungen zu
präjudiziellen Rechtsverhältnissen oder sonstigen Vorfragen sowie für
weitere Rechtsfolgen, die sich aus dem Inhalt des Urteils mit logischer
Notwendigkeit ergeben. Sie sind bloss Glieder des Subsumtionsschlusses,
die für sich allein nicht in materielle Rechtskraft erwachsen
(ROSENBERG/SCHWAB, Zivilprozessrecht, 15. Auflage, S. 922 ff.).

    Die materielle Rechtskraft der Entscheidung wird objektiv begrenzt
durch den Streitgegenstand. Der Subsumtionsschluss entfaltet die
Ausschlusswirkung nur gegenüber dem mit dem bereits beurteilten
identischen Anspruch. Der Begriff der Anspruchsidentität ist nicht
grammatikalisch, sondern inhaltlich zu verstehen. Er wird durch die
mit dem Begehren des abgeschlossenen Verfahrens insgesamt erfassten und
beurteilten Rechtsbehauptungen bestimmt. Der neue Anspruch ist deshalb
trotz abweichender Umschreibung vom beurteilten nicht verschieden, wenn
er in diesem bereits enthalten war, wenn bloss das kontradiktorische
Gegenteil zur Beurteilung unterbreitet wird oder wenn die im ersten
Prozess beurteilte Hauptfrage für Vorfragen des zweiten Prozesses von
präjudizieller Bedeutung ist (vgl. VOGEL, aaO, S. 213 ff. Rz. 66 ff.;
ROSENBERG/SCHWAB, aaO, S. 926 ff.; LEUCH/MARBACH/KELLERHALS, aaO,
N 12c/cc zu Art. 192 ZPO). Anderseits sind Rechtsbehauptungen trotz
gleichen Wortlauts dann nicht identisch, wenn sie nicht auf dem gleichen
Entstehungsgrund, das heisst auf denselben Tatsachen und rechtlichen
Umständen beruhen (BGE 97 II 390 E. 4 S. 396).

    b) Der patentrechtliche Verletzungsprozess gründet auf der
Rechtsbehauptung, ein bestimmtes Verhalten liege innerhalb des
Schutzbereichs des Patents und stelle damit einen unzulässigen Eingriff in
das Immaterialgüterrecht dar. Das darüber ergehende Sachurteil beschränkt
sich folglich auf eine vergleichende Beurteilung jener Erfindungselemente,
die nach den Vorbringen des Patentberechtigten widerrechtlich benützt
werden (RETO M. HILTY, Der Schutzbereich des Patents, Diss. Zürich
1990, S. 135 f. Fn 2). Das Urteil stellt nicht positiv den Inhalt des
Rechts fest, sondern untersucht lediglich vom Standpunkt desjenigen
aus, der dieses Recht respektieren muss, ob dessen Verhalten dazu in
Widerspruch steht (KUMMER, Das Klagerecht, S. 86; BENKARD/ROGGE, N 5
zu § 139 DPatG). Der Patentberechtigte gewinnt daher mit dem Urteil im
Verletzungsprozess keine rechtskräftige Entscheidung über das Recht als
solches, sondern bloss über den aus der behaupteten Verletzung abgeleiteten
Anspruch (KUMMER, Das Klagerecht, S. 86). Das Urteil lehnt sich an die
konkrete Verletzungsform, nicht an den allgemeinen Schutzbereich des
Patents an (BENKARD/ROGGE, N 32 zu § 139 DPatG). Folgerichtig erfasst
seine Rechtskraft im Fall bejahter Verletzung nur gerade die dem Gericht
zur Beurteilung unterbreiteten Handlungen, die besondere Art der Benützung
der Erfindung, nicht aber deren Gehalt insgesamt. Daher muss ein neuer
Verletzungsprozess eingeleitet werden, wenn der Patentverletzer später
in eine andere Nachahmungsart ausweicht (TROLLER, Immaterialgüterrecht,
3. Auflage, Band II, S. 1083; DAVID, Schweizerisches Immaterialgüter-
und Wettbewerbsrecht, Band I/2, S. 84). Dies ist vorab der Auffassung der
Beklagten entgegenzuhalten, dass der Schutzbereich des Streitpatents im
Berner Prozess umfassend festgelegt worden sei. Zu prüfen ist nicht,
ob nach der in den Erwägungen zum damaligen Urteil zum Ausdruck
gebrachten Auffassung des Gerichts das heute streitige Verfahren als
nicht patentverletzend erachtet worden wäre, sondern allein, ob darüber
eine urteilsmässige Entscheidung ergangen ist.

    c) Das Schicksal der Einrede der abgeurteilten Sache hängt damit
allein von der Beantwortung der Frage ab, ob das mit der Klage angegriffene
Verfahren der Beklagten zur Herstellung von Allopurinol bereits in einem
Sachurteil auf seine Verträglichkeit mit dem Schutzbereich des Patents
Nr. 507'266 überprüft worden ist.

Erwägung 5

    5.- a) Massgebend für den Inhalt der früheren Streitentscheidung ist
das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 22. Mai 1979. Dieses
ist zwar durch den Berufungsentscheid des Bundesgerichts vom 27. März 1980
ersetzt worden (vgl. POUDRET, COJ, N 5.3 zu Art. 38 und N 2 zu Chap. II
vor Art. 43 OG; MESSMER/IMBODEN, Die eidgenössischen Rechtsmittel in
Zivilsachen, S. 171 Rz. 126), doch wurde darin seine Urteilsformel
samt der entscheidwesentlichen Begründung als bundesrechtskonform
bestätigt. Damit muss die inhaltliche Tragweite der Entscheidung
aufgrund des Urteilsdispositivs des Handelsgerichts unter Zuhilfenahme
der massgebenden Erwägungen bestimmt werden.

    Ohne Einfluss bleibt in diesem Zusammenhang der Entscheid des
Bundesgerichts vom 12. Juni 1989 über das Revisionsgesuch der Klägerin. Mit
dessen Abweisung hat das Bundesgericht kein neues Sachurteil gefällt,
sondern lediglich eine Aufhebung seines Entscheids vom 27. März 1980
abgelehnt (vgl. POUDRET, COJ, N 1 zu Art. 144 OG). Anspruchsbezogene
Rechtskraftwirkung entfaltet der Revisionsentscheid nicht. Daran ändert
nichts, dass die Klägerin dem Bundesgericht damals den Antrag gestellt
hat, den Sachentscheid aufgrund ihrer Behauptung zu revidieren, dass
die Beklagte zusätzlich zu den im Verfahren erwähnten Substanzen bei der
Herstellung von Allopurinol Ammoniak als Reagens verwende. Einerseits hielt
das Bundesgericht diese Tatsache nicht für neu, anderseits nicht für ein
Tatbestandsmerkmal des geltend gemachten Verletzungsanspruchs. Damit
war das Schicksal des Revisionsgesuchs besiegelt, und die - an sich
überflüssige - Zusatzerwägung, der Vorwurf der Patentverletzung
scheitere ohnehin bereits an Unterschieden in der ersten Stufe des
Herstellungsverfahrens, erweiterte die materielle Rechtskraftwirkung des
früheren Sachentscheids nicht.

    b) In Ziffer 1 der Erwägungen seines Urteils vom 22. Mai 1979 hat
das Handelsgericht des Kantons Bern festgestellt, die Umsetzung des
von der Beklagten verwendeten Ausgangsstoffes (S-I) mittels Hydrazin
in ein Zwischenprodukt (S-II) und dessen Umwandlung in Allopurinol
durch Umsetzung mit Formamid verletze die Rechte der Klägerin aus deren
Patent Nr. 507'266 nicht. Damit wurde nicht darüber befunden, ob eine
Patentverletzung auch dann zu verneinen wäre, wenn zusätzlich Ammoniak
als Reagens verwendet würde. Zwar mag richtig sein, dass sich diese
Schlussfolgerung aus den Feststellungen des Handelsgerichts aufdrängt,
doch ist entscheidend, dass sie im Urteilsspruch keinen Niederschlag
gefunden hat. Selbst logisch zwingende Deduktionen aus den Erwägungen des
Gerichts bleiben, wenn sie in der Urteilsformel nicht zum Ausdruck kommen,
bestenfalls hypothetische Motive des Subsumtionsschlusses, haben aber an
der materiellen Rechtskraft des Urteils nicht teil (vgl. E. 4a hievor).

    c) Damit bleibt zu prüfen, ob das Handelsgericht den heute streitigen
Anspruch bereits mit dem Entscheid über die Widerklage materiell beurteilt
hat.

    aa) Mit der Unterlassungs-Widerklage (Widerklagebegehren Ziffer 2)
sollte der Beklagten (= Siegfried Aktiengesellschaft) Herstellung und
Vertrieb von Allopurinol verboten werden, welches durch die Umwandlung
eines Ausgangsstoffes (S-I) in ein Zwischenprodukt (S-II) und die
Überführung dieses Zwischenproduktes in Allopurinol insbesondere durch
Umsetzung mit Harnstoff oder mit Formamid und/oder Ameisensäure fabriziert
wird. Das Handelsgericht hat das Begehren mit der Begründung abgewiesen,
das von der Beklagten angewendete Verfahren, wie es in den Akten definiert
sei, weise nicht alle Merkmale und auch nicht alle wesentlichen Merkmale
des Verfahrens nach dem Streitpatent auf; zudem seien die Unterschiede
der jeweiligen ersten Stufe der beiden Verfahren wesentlich, weshalb
keine Patentverletzung vorliege. Die Beklagte versteht diese Abweisung
im Ergebnis so, dass angesichts des im Rechtsbegehren verwendeten Wortes
"insbesondere" sämtliche Umwandlungen ihres Zwischenprodukts (S-II) in
Allopurinol als nicht patentverletzend beurteilt worden seien, also auch
die Umsetzung unter Verwendung von Ammoniak.

    Richtig - und den Ausführungen der Beklagten insoweit zuzustimmen
- ist, dass das Handelsgericht eine Patentverletzung im wesentlichen
mit den zwei folgenden Begründungen verneint hat. Zum einen liege die
geschützte Erfindung des patentgemässen Verfahrens hauptsächlich in der
Verwendung des Ausgangsstoffes (W-I), welchen die Beklagte jedoch nicht
benütze. Zum andern werde die Umsetzung des jeweiligen Ausgangsstoffes
über ein Zwischenprodukt in Allopurinol von den Parteien unterschiedlich
durchgeführt; von der Beklagten aufgrund einer eigenen, von jener des
Streitpatents unabhängigen Erfindung, so dass sie insoweit nicht in
dessen Schutzbereich eingreife. Daraus lässt sich zwar ableiten, dass das
Handelsgericht auch die Verwendung von Ammoniak als nicht patentverletzend
erachtet hätte. Dies ist indessen unter dem hier massgebenden Gesichtspunkt
unerheblich. Entscheidend ist vielmehr der Umstand, dass es eine solche
Feststellung nicht getroffen und mit der Abweisung der Widerklage auch
nicht zum Ausdruck gebracht hat. Aus seinem Urteil geht mit keinem Wort
hervor, dass sich das Handelsgericht zur Verwendung von Ammoniak als
Reagens geäussert hat. Aus der ausdrücklichen Erwähnung des "aktenkundigen
Verfahrens" ergibt sich im Gegenteil, dass es sich einzig mit den in den
Begehren genannten Substanzen befasst hat. Hat das Handelsgericht aber die
Verwendung von Ammoniak nicht in die Beurteilung einbezogen, so erging
darüber auch keine Entscheidung zum Verletzungstatbestand. Damit kann
offenbleiben, ob das Unterlassungsbegehren überhaupt dem prozessualen
Bestimmtheitsgebot entsprach und die Beurteilung nicht ohnehin auf
die ausdrücklich genannten Substanzen zur Umwandlung des Zwischen-
in das Endprodukt zu beschränken war (vgl. dazu BGE 88 II 209 E. III/2
S. 239 f.; DAVID, aaO, S. 78 ff.). Unter dem Blickwinkel der materiellen
Rechtskraft ist allein entscheidend, dass das Handelsgericht die damals
zu beurteilende Rechtsbehauptung nicht auf das heute streitige Verfahren
bezogen und es demzufolge mit seinem Urteil nicht erfasst hat. Die
Einrede der abgeurteilten Sache ist demnach vom Obergericht des Kantons
Basel-Landschaft zu Recht abgewiesen worden.