Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 III 336



121 III 336

68. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. August 1995 i.S.
Corinphila gegen Jaeger (Berufung) Regeste

    Verbraucherstreitigkeit; örtliche Zuständigkeit (Art. 13 f.  Lugano
Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung
gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen).

    Begriffe der Verbraucherstreitigkeit (E. 5a-d) und des
Dienstleistungsvertrags (E. 5e).

    Bejahung einer Verbraucherstreitigkeit bei Verbindung von Kommissions-
und Kreditgeschäften (E. 6).

Sachverhalt

    A.- Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich,
die in erster Linie mit Briefmarken handelt und entsprechende Auktionen
durchführt. Der Beklagte ist Briefmarkensammler mit Wohnsitz in
Bath, England. Er gab der Klägerin in den letzten zwanzig Jahren
in unregelmässigen Abständen Briefmarken in Kommission, welche diese
an ihren Auktionen in eigenem Namen, aber auf Rechnung des Beklagten
versteigerte. Die Geschäfte wurden in der Regel so abgewickelt, dass die
Klägerin dem Beklagten eine zu verzinsende Vorauszahlung leistete und
in gewissen Zeitabständen das durch sie geführte Konto abrechnete. War
der Erlös der Auktion geringer als die Vorauszahlung, was die Regel war,
wurde der Saldo auf die neue Rechnung vorgetragen, bis aufgrund einer
weiteren Versteigerung neu abgerechnet wurde. Der Negativsaldo nahm
im Laufe der Zeit beträchtliche Ausmasse an. Nachdem die Parteien sich
auf ein weiteres Vorgehen nicht einigen konnten, verlangte die Klägerin
schliesslich die Begleichung der Ausstände bis zum 6. Januar 1992. Der
Beklagte kam dieser Zahlungsaufforderung nicht nach.

    B.- Mit Klage vom 25. Januar 1993 verlangte die Klägerin vor
Bezirksgericht Zürich die Verpflichtung des Beklagten, ihr Fr. 333'141.--
nebst Zins zu bezahlen. Das Bezirksgericht beschränkte das Verfahren
auf die Frage der örtlichen Zuständigkeit und trat mit Beschluss vom
29. September 1993 auf die Klage nicht ein. Einen dagegen gerichteten
Rekurs der Klägerin wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss
vom 23. März 1994 ab. Das Kassationsgericht trat auf eine Beschwerde der
Klägerin am 31. August 1994 nicht ein.

    Das Bundesgericht weist die Berufung der Klägerin ab, soweit es
darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

    5.- Die Klägerin rügt eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 14 Abs. 2 LugÜ (SR 0.275.11). Die Vorinstanz habe zu Unrecht
die Streitigkeit als Verbraucherangelegenheit im Sinne von Art. 13 LugÜ
qualifiziert und damit ihre Zuständigkeit verneint.

    a) Art. 13 Abs. 1 LugÜ definiert als Verbrauchervertrag denjenigen, den
eine Person zu einem Zweck abgeschlossen hat, der nicht der beruflichen
oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person (Verbraucher) zugerechnet
werden kann. Der private Endverbraucher muss das Rechtsgeschäft erkennbar
ausserhalb des Rahmens seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit
eingehen (SCHWANDER, Die Gerichtszuständigkeiten im Lugano-Übereinkommen,
in PETERSMANN/SCHWANDER (Hrsg.), Das Lugano-Übereinkommen, St. Galler
Schriften zum internationalen Recht, Band 2, St. Gallen 1990, S. 84). Das
Übereinkommen unterstellt seiner Gerichtsstandsnorm in Art. 13 LugÜ den
Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlung (Abs. 1 Ziff. 1), Kreditgeschäfte
zur Finanzierung eines Kaufs beweglicher Sachen (Abs. 1 Ziff. 2) sowie
andere Verbraucherverträge (Abs. 1 Ziff. 3), welche die Erbringung einer
Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand
haben. Letztere werden nur als Verbraucherverträge qualifiziert,
sofern zusätzlich die Anforderungen von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 lit. a
und b LugÜ erfüllt sind, das heisst dem Vertragsschluss im Staat des
Wohnsitzes des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung
vorausgegangen ist und der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss
des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat (vgl. dazu
KROPHOLLER, Europäisches Zivilprozessrecht, Kommentar zum EuGVÜ und
Lugano-Übereinkommen, 4. Aufl. 1993, N. 9 ff. zu Art. 13).

    Liegt einer der genannten Verbraucherverträge vor (Ziff. 1-3), kann
der Verbraucher gegen seinen Vertragspartner vor den Gerichten des
Vertragsstaats klagen, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner
seinen Wohnsitz hat, oder vor den Gerichten des Vertragsstaats, in
dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat (Art. 14 Abs. 1
LugÜ). Die Klage des anderen Vertragspartners gegen den Verbraucher kann
dagegen nur vor den Gerichten des Vertragsstaats erhoben werden, in dessen
Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat (Art. 14 Abs. 2 LugÜ).

    b) Streitig ist im vorliegenden Fall, ob eine Verbraucherstreitigkeit
im Sinne des Übereinkommens vorliegt, namentlich ob die Beanspruchung der
Klägerin als Dienstleistung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ zu
qualifizieren ist.

    c) Staatsverträge sind in erster Linie nach ihrem Wortlaut auszulegen,
wie ihn die Vertragsparteien nach dem Vertrauensprinzip im Hinblick auf den
Vertragszweck verstehen durften. Der von den beteiligten Staaten anerkannte
Wortlaut bildet den nächstliegenden und zugleich wichtigsten Anhaltspunkt
für den wahren gemeinsamen Vertragswillen, welcher die Auslegung
beherrscht. Ferner kommt im Fall eines Staatsvertrages, der wie das
Lugano-Übereinkommen vor allem eine internationale Rechtsvereinheitlichung
bewirken soll, der ausländischen Lehre und Rechtsprechung sowie den
Bemühungen, diese Einheit herbeizuführen, besondere Bedeutung zu (BGE
117 II 480 E. 2b S. 486 f.). Da es sich beim Lugano-Übereinkommen um
ein Parallel-Übereinkommen zum gleichnamigen EG-internen Europäischen
Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit
und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
(Brüsseler-Übereinkommen) handelt (vgl. VOLKEN, Das Lugano-Übereinkommen -
Entstehungsgeschichte und Regelungsbereich, in PETERSMANN/SCHWANDER, Das
Lugano-Übereinkommen, aaO, S. 37 ff., S. 40), sind für seine Auslegung
auch Lehre und Rechtsprechung zu diesem Übereinkommen heranzuziehen
(SCHWANDER, aaO, S. 85).

    Schliesslich können im Rahmen dieser Auslegung auch Normen des
schweizerischen Rechts zum Konsumentenvertrag berücksichtigt werden,
zumal der schweizerische Gesetzgeber die fraglichen Normen, ausgenommen
die Verfassungsbestimmung, in Anlehnung an ihren internationalen
Vorgänger formuliert hat und sie vom gleichen Schutzgedanken beherrscht
sind. Dies trifft namentlich auf die Bestimmungen von Art. 31sexies
Abs. 3 BV, Art. 40a OR, Art. 114 und Art. 120 IPRG (SR 291) zu. Im
Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsordnung sind die Erfordernisse
des Konsumentenvertrages für diese vier Bestimmungsgruppen möglichst
gleich zu umschreiben (vgl. hiezu auch STAEHELIN, Die bundesrechtlichen
Verfahrensvorschriften über konsumentenrechtliche Streitigkeiten -
ein Überblick, FS Hans Ulrich Walder, Zürich 1994, S. 125 ff., S. 128;
ALEXANDER BRUNNER, Der Konsumentenvertrag im schweizerischen Recht,
AJP 1992, S. 591 ff., S. 595).

    d) Der Verbraucher- oder Konsumentenvertrag lässt sich nicht ohne
weiteres in das übliche Schema der Vertragsarten eingliedern. Entscheidend
ist nach der gesetzlichen Definition vielmehr, dass der Vertrag zwischen
einem Anbieter und einem Verbraucher (Konsument) geschlossen wird und die
vertragliche Sache oder Leistung für dessen privaten Bedarf bestimmt
ist. Konsument ist daher, wer Waren oder Dienstleistungen für den
privaten, persönlichen Verbrauch empfängt oder beansprucht; er gilt als
Letztverbraucher (STAEHELIN, aaO, S. 129). So hat der Konsumentenvertrag
nach Art. 120 Abs. 1 IPRG oder Art. 13 LugÜ Leistungen zum Gegenstand,
die für den persönlichen oder familiären Gebrauch des Konsumenten
bestimmt sind und nicht in Zusammenhang mit seiner beruflichen oder
gewerblichen Tätigkeit stehen. Der Begriff des Konsumentenvertrags
kann damit sämtliche obligationenrechtlichen Verträge umfassen, sofern
Vertragsparteien Anbieter und Konsumenten sind. In der Literatur wird
zudem ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen den beiden gefordert
(ALEXANDER BRUNNER, aaO, S. 599; EIKE VON HIPPEL, Verbraucherschutz,
3. Aufl. 1986, S. 3 ff.; ANNE-CATHERINE IMHOFF-SCHEIER, Protection du
consommateur et contrats internationaux, Diss. Genf 1981, S. 30 ff.). Für
die Umschreibung des Inhalts des Konsumenten- oder Verbrauchervertrags und
der daran beteiligten Personen ist damit auf den besonderen Schutzzweck
der im Interesse des Konsumenten erlassenen Bestimmungen abzustellen.

    e) Unter die Konsumenten- oder Verbraucherverträge fallen nach
dem Gesagten auch Dienstleistungen, was bereits aus der gesetzlichen
Definition in Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ hervorgeht. Ob indessen eine
Dienstleistung als Konsumentenvertrag zu qualifizieren ist, ist wiederum
davon abhängig, ob sie für die privaten (persönlichen oder familiären)
Zwecke des Konsumenten erbracht wird (ALEXANDER BRUNNER, aaO, S. 595).

    In der Literatur wird im allgemeinen der Begriff der Dienstleistung
weit ausgelegt (MIKAEL SCHMELZER, Der Konsumentenvertrag - Betrachtung
einer obligationenrechtlichen Figur unter Berücksichtigung des IPR
und der europäischen Rechtsangleichung, Diss. St. Gallen 1994, S. 199;
MünchKomm-MARTINY, N. 9 zu Art. 29 EGBGB).

    aa) Der Dienstleistungsbegriff des EuGVÜ ist ein europäischer Begriff,
der losgelöst von den rechtlichen Kategorien des betreffenden Landes zu
interpretieren ist. Zu seiner Auslegung bietet der Leistungsbegriff nach
Art. 60 des EWG-Vertrages eine Hilfe. Darunter fallen Leistungen, die in
der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften
über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit
der Personen unterliegen. Als Dienstleistungen gelten insbesondere
gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten
(Art. 60 Abs. 1 und 2 EWG-Vertrag). Bei Dienstleistungsverträgen geht
es um Dienstverträge, die keine Arbeitsverträge sind, um Werk- und
Werklieferungsverträge oder Geschäftsbesorgungsverträge. Gemeinsames
Merkmal ist, dass eine tätigkeitsbezogene Leistung an den Verbraucher
erbracht wird (BGH, Urteil vom 26.10.1993, IPRax 1994, S. 449 ff.).

    Ein derart weitgefasster Dienstleistungsbegriff liegt auch der
Verbraucherschutzvorschrift des Art. 29 Abs. 1 EGBGB zugrunde (LG Berlin,
Urteil vom 1.10.1991, IPRax 1992, S. 243 ff.).

    bb) Unter Art. 13 LugÜ fallen nach dem Gesagten somit Dienstleistungen
aller Art, soweit sie für den privaten Konsum in Anspruch genommen
werden, nicht Beförderung, Versicherung oder Immobiliarmiete betreffen,
und die spezifischen, in Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 lit. a und b genannten
räumlichen Beziehungen zum Wohnsitzstaat des Verbrauchers (Angebot,
Werbung, Perfektion des Vertrags) aufweisen (SCHWANDER, aaO, S. 85). Zu
berücksichtigen ist dabei, dass die Zielsetzungen von Art. 13 und 14
LugÜ ausschliesslich vom Bemühen um den Schutz bestimmter Gruppen von
Konsumenten geleitet sind, die als Partner von Verbraucherverträgen nur vor
den Gerichten des Staates belangbar sein sollen, in dessen Hoheitsgebiet
sie ihren Wohnsitz haben.

    In der Literatur werden etwa folgende, von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3
LugÜ erfasste Dienstleistungsverträge aufgezählt: Pauschalreisen,
Schlankheitskuren, Reparaturen, Kleiderreinigungen, Fernkurse,
Heiratsvermittlungen, Verträge über Hotelunterkunft sowie über
Lehrveranstaltungen (Sprach-, Ski- oder Segelkurse). Hingegen werden
solche Rechtsgeschäfte vom Begriff des Konsumentenvertrags ausgenommen,
bei welchen nicht der kommerzielle Charakter, sondern die persönlichen
Beziehungen, insbesondere das Treueverhältnis zwischen den Parteien,
im Vordergrund stehen (z.B. beim Auftrag; STAEHELIN, aaO, S. 130 f.;
vgl. auch die Aufzählung bei IPRG-KELLER/KREN KOSTKIEWICZ, N. 60
ff. zu Art. 117 IPRG). Nach deutschem und europäischem Recht fallen
unter die Verbraucherverträge weiter Kommissionsgeschäfte auf den
Abschluss ausländischer Warentermingeschäfte, welcher Qualifikation
die Gewinnerzielungsabsicht des Privatkunden nicht schadet (KROPHOLLER,
aaO, N. 10 zu Art. 13 mit Rechtsprechungshinweisen; MünchKomm-MARTINY,
N. 9 zu Art. 29 EGBGB; offen gelassen im Urteil des EuGH vom 19.1.1993
in der Rechtssache C-89/91, Slg. 1993, I-139; EuGH 15.9.1994, Brenner
und Noller, C-318/93, Slg. 1994, I-4275).

    cc) In der Literatur wird die Auffassung vertreten, im Zweifel
sei ein Konsumentenvertrag anzunehmen (MIKAEL SCHMELZER, aaO, S. 221;
MünchKomm-MARTINY, N. 5 zu Art. 29 EGBGB). Bei einer Mischnutzung sei nach
der Präponderanzmethode zu entscheiden (MIKAEL SCHMELZER, aaO, S. 228;
KROPHOLLER, aaO, N. 4 zu Art. 13 LugÜ; MünchKomm-MARTINY, N. 4 zu Art. 29
EGBGB). Demgegenüber verlangt die Rechtsprechung zum europäischen Recht
im Hinblick auf den angestrebten Zweck der Verbraucherschutzbestimmungen,
dass Art. 14 Abs. 2 LugÜ restriktiv auszulegen und der privilegierte
Gerichtsstand ausschliesslich schutzbedürftigen Konsumenten vorzubehalten
sei, deren wirtschaftliche Stellung durch ihre Schwäche gegenüber dem
Vertragspartner gekennzeichnet ist, weil sie private Endverbraucher
sind und den Vertrag nicht im Zusammenhang mit einer geschäftlichen
oder beruflichen Tätigkeit abschliessen (EuGH, 21.6.1978, Betrand/Ott,
Rs 150/77, Slg. 1978, II-1431; auch Urteil des OLG Koblenz vom 9.1.1987,
IPRax 1987, S. 308 ff.).

    dd) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es bei der Beurteilung
eines Dienstleistungsvertrags im Hinblick auf dessen Qualifizierung
als Konsumenten- oder Verbrauchervertrag nicht darauf ankommen kann,
um welche Art von Vertrag es sich handelt, unter Vorbehalt der
von der Schutzbestimmung ausdrücklich ausgenommenen Verträge. Ohne
Belang ist auch die Struktur des Schuldverhältnisses, ob es sich
um ein einfaches Schuldverhältnis, ein Dauerschuldverhältnis,
einen Sukzessivlieferungsvertrag oder einen anderen Vertragstyp
handelt. Entscheidend ist einerseits vielmehr, für welche Zwecke die
fraglichen Verträge abgeschlossen werden, ob zu privaten oder beruflichen
Zwecken. Nur Privatgeschäfte zwischen einem kommerziellen Anbieter und
einem Verbraucher erfahren die genannte Sonderregelung. Anderseits ist
die Rollenverteilung zwischen den Vertragsparteien massgebend. Anbieter
ist, wer die charakteristische Leistung zu erbringen hat, Konsument oder
Verbraucher dagegen, wer Waren oder Dienstleistungen für private Zwecke
gebraucht oder beansprucht.

    f) Damit die Zuständigkeitsvorschriften gemäss Art. 13 ff. LugÜ auf
Dienstleistungsverträge zur Anwendung kommen können, müssen einerseits
dem Vertragsschluss eine Werbung oder ein Angebot im Wohnsitzstaat des
Verbrauchers vorangegangen sein (Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 lit. a LugÜ),
anderseits der Verbraucher in diesem Staat die zum Vertragsabschluss
erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen haben (Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3
lit. b LugÜ). Dass zwischen der anbieterseits betriebenen Werbung und
dem streitigen Vertragsschluss eine adäquate Kausalität vorliegen muss,
geht aus dem Wortlaut nicht hervor. Vielmehr genügt eine beliebige Art
der Werbung im Wohnsitzstaat des Verbrauchers (so auch Münch-Komm-MARTINY,
N. 12 zu Art. 29 EGBGB; a.A. MIKAEL SCHMELZER, aaO, S. 109).

Erwägung 6

    6.- Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz ist im
vorliegenden Fall unbestritten, dass der Beklagte der Klägerin jahrelang
Briefmarken geliefert hat, welche diese an ihren Auktionen auf Rechnung
des Beklagten verkaufte. Auf der andern Seite zahlte die Klägerin dem
Beklagten jeweils Vorschüsse bzw. Darlehen aus. Die Klägerin stützt ihre
Ansprüche auf dieses Abrechnungsverhältnis und macht den Saldo geltend.

    a) Um welche Art von Vertrag es sich handelt, kann vorliegend
offenbleiben. Massgebend ist vielmehr, dass der Beklagte der Klägerin
nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz ausschliesslich im
Rahmen seiner privaten Tätigkeit Briefmarken zur Versteigerung zukommen
liess. Nach diesen Feststellungen hat die Klägerin im Zusammenhang
mit den streitigen Geschäften immer die Privatadresse des Beklagten
verwendet. Mithin sei in der Abrechnung klar zwischen den persönlichen
Ausständen des Beklagten sowie jenen der beiden Philateliegesellschaften,
welchen der Beklagte als Direktor vorstehe, unterschieden worden. Zudem
habe die Klägerin selbst den Beklagten als Markensammler, nicht
als Markenhändler bezeichnet. Aufgrund dieser Feststellungen kann
eine Inanspruchnahme der klägerischen Dienste zu beruflichen oder
gewerblichen Zwecken bundesrechtskonform verneint werden. Es ist keineswegs
ausgeschlossen, Dienstleistungen, welche auf Gewinnerzielung ausgerichtet
sind, auch im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung zu beanspruchen. Zu
berücksichtigen ist im vorliegenden Fall der Umstand, dass die Geschäfte
der Vertragsparteien sich nicht ausschliesslich in der Auktionstätigkeit
der Klägerin erschöpften, sondern die Klägerin dem Beklagten jeweils
verzinsbare Vorschüsse bzw. Darlehen zahlte, welche dann durch den
Versteigerungserlös teilweise kompensiert wurden. Es ist infolgedessen von
einer Verkoppelung von Dienstleistungs- und Kreditverträgen auszugehen,
welche ihrerseits Gegenstand von Verbraucherverträgen (Art. 13 Abs. 1
Ziff. 2 LugÜ) sind. Diese Verbindung von Kommissions- und Kreditgeschäften
rechtfertigt es, die Streitsache als Verbraucherstreitigkeit zu
qualifizieren, auch wenn nicht von der Hand zu weisen ist, dass
der Beklagte in gewissem Sinn selbst als Anbieter aufgetreten ist,
indem er Briefmarken veräussert hat. Die Subsumtion des vorliegenden
Streitgegenstandes unter den Begriff einer Verbraucherstreitigkeit stellt
allerdings einen Grenzfall dar, der nur aufgrund seiner Besonderheiten
sowie nach dem Grundsatz, dass im Zweifel ein Konsumentenvertrag
anzunehmen ist, diesem Begriff untersteht. Dabei kann offenbleiben,
ob reine Kommissionsverträge - wie sie im Auktionswesen üblich sind -
allgemein unter den Begriff der Verbraucherstreitigkeit fallen.

    Wie aus der dargestellten Rechtsprechung folgt, spielt keine Rolle,
ob der Verbraucher das Geschäft in Gewinnabsicht abgeschlossen und daraus
einen Erlös erzielt hat.

    b) Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz sind
auch die übrigen Voraussetzungen der Werbung sowie der Vornahme der
zum Vertragsschluss erforderlichen Rechtshandlungen im Wohnsitzstaat
gegeben, welche als Tatfragen das Bundesgericht binden (Art. 63 Abs. 2
OG). Die Klägerin macht denn auch nicht geltend, die Vorinstanz habe
die Rechtsbegriffe der Werbung und der erforderlichen Rechtshandlungen
zum Vertragsabschluss im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Ziff. 3 LugÜ
verkannt. Infolgedessen richtet sich die Zuständigkeit nach Art. 14 Abs. 2
LugÜ. Die Klage ist daher am Wohnsitz des Beklagten zu erheben.