Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 III 304



121 III 304

62. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. September
1995 i.S. W. gegen W.-Z. (Berufung) Regeste

    Art. 210 Abs. 1 ZGB; Berücksichtigung von künftigen
Grundstückgewinnsteuern bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung.

    Künftige, nur schätzungsweise feststellbare Grundstückgewinnsteuern
dürfen bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung nur berücksichtigt
werden, wenn mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit feststeht, dass
ein im ehelichen Vermögen stehendes Grundstück nach der güterrechtlichen
Auseinandersetzung veräussert wird.

Sachverhalt

    A.- A. W. und E. W. heirateten am 7. April 1967. Aus ihrer Ehe gingen
die Kinder M., geboren am 10. Mai 1970, F., geboren am 25. Februar 1972,
und P., geboren am 17. September 1975, hervor.

    Am 31. Januar 1990 reichte E. W. beim Amtsgericht Sursee die
Scheidungsklage gegen A. W. ein. Mit Urteil vom 6. April 1993 hiess das
Amtsgericht Sursee die Scheidungsklage gut und regelte die scheidungs-
und güterrechtlichen Nebenfolgen. Mit Appellation vom 29. April 1993
gelangte E. W. ans Obergericht des Kantons Luzern. Gegen das Urteil des
Obergerichts des Kantons Luzern vom 7. März 1995 führte E. W. mit Eingabe
vom 12. März 1995 Berufung ans Bundesgericht.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- b) Der Kläger macht geltend, dass bei der güterrechtlichen
Auseinandersetzung die künftigen Grundstückgewinnsteuern hätten
berücksichtigt werden müssen. Zur Begründung führt er aus, dass
er durch die finanziellen Nebenfolgen der Ehescheidung derart stark
belastet werde, dass er nicht mehr in der Lage sei, das von ihm bewohnte
Einfamilienhaus zu halten. Die bei der Veräusserung fällig werdenden
Grundstückgewinnsteuern von rund Fr. 100'000.-- hätten daher in die
Vorschlagsberechnung einbezogen werden müssen.

    Gemäss Art. 211 ZGB sind die Vermögensgegenstände bei
der güterrechtlichen Auseinandersetzung zu ihrem Verkehrswert
einzusetzen. Massgebend ist dabei der Nettoverkehrswert, da bei der
Vorschlagsberechnung nach Art. 210 Abs. 1 ZGB die auf den zu teilenden
Vermögenswerten lastenden Schulden abzuziehen sind. Dies bedeutet, dass
bei einer Veräusserung eines Vermögenswertes laufende Gebühren, Abgaben
und Steuerlasten in Abzug zu bringen sind (HAUSHEER/REUSSER/GEISER,
Berner Kommentar, N. 15 zu Art. 211 ZGB; SPÜHLER/FREI-MAURER, N. 54 zu
Art. 154 ZGB). Künftige, nur schätzungsweise feststellbare latente Lasten
dürfen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes nur zurückhaltend
berücksichtigt werden. So ist bei der Vorschlagsermittlung eine latente
Steuerlast nur dann zu berücksichtigen, wenn mit Sicherheit oder hoher
Wahrscheinlichkeit feststeht, dass ein Vermögensgegenstand veräussert
wird (unveröffentlichtes Urteil vom 27. April 1987 i.S. C. S. c. J. V.;
HAUSHERR/REUSSER/GEISER, N. 15 zu Art. 211 ZGB; SPÜHLER/FREI-MAURER,
N. 54 zu Art. 154 ZGB).

    Im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass
der Kläger gezwungen sein wird, die von ihm bewohnte Liegenschaft
abzustossen. Bei der Zusammenstellung der finanziellen Verhältnisse des
Klägers wurden dessen Wohnkosten mit Fr. 2'800.-- pro Monat eingesetzt. Bei
einer hypothekarischen Belastung der Liegenschaft mit Fr. 500'000.--,
die die güterrechtliche Abfindung an die Beklagte bereits beinhaltet, und
einem Hypothekarzinssatz von derzeit 5,5% dürften unter Berücksichtigung
der Abgaben und Unterhaltskosten die von der Vorinstanz berechneten
monatlichen Wohnkosten zutreffend sein und dem Kläger erlauben, das Haus
zu halten. Dass der Kläger angesichts der Erhöhung der Unterhaltsrente
an die Beklagte ab Juli 1997 über weniger finanzielle Mittel verfügt,
trifft nicht zu. Im Gegenteil dürfte er trotz der um Fr. 700.-- erhöhten
Unterhaltspflicht ebenfalls über Fr. 700.-- pro Monat mehr verfügen,
da ab diesem Zeitpunkt die Alimente für F. und P. im Gesamtbetrag von
monatlich Fr. 1'400.-- entfallen. Vor diesem Hintergrund ist nicht mit
Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der Kläger zur
Veräusserung der von ihm bewohnten Liegenschaft gezwungen sein wird. Eine
Berücksichtigung von allfälligen künftigen Grundstückgewinnsteuern bei
der güterrechtlichen Auseinandersetzung kommt daher nicht in Frage.