Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 III 187



121 III 187

39. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 14.
Juni 1995 i.S. Solothurner Bank SoBa (Rekurs) Regeste

    Miet- und Pachtzinssperre (Art. 91 VZG).

    Die Miet- oder Pachtzinssperre kann nicht nur mit dem
Betreibungsbegehren, sondern - wenn mit dem Betreibungsbegehren nicht
ausdrücklich darauf verzichtet wurde - auch noch zu einem späteren
Zeitpunkt verlangt werden. Das spätere Begehren um Anordnung von Miet- oder
Pachtzinssperre und die ihm Folge leistende Anordnung des Betreibungsamtes
können jedoch keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Anhebung der
Betreibung auf Grundpfandverwertung oder der Konkurseröffnung entfalten;
vielmehr werden sie erst ab dem Zeitpunkt wirksam, wo das Begehren gestellt
und der Kostenvorschuss geleistet wird.

Sachverhalt

    A.- Nachdem gegen M. H. von der Solothurner Bank SoBa die Betreibung
auf Grundpfandverwertung eingeleitet worden war, stellte das Betreibungsamt
am 16. November 1994 dem Schuldner und der Sch. AG, die Dritteigentümerin
des Grundpfandes ist, den Zahlungsbefehl zu.

    Der von der Grundpfandgläubigerin gestützt auf Art. 91 VZG (SR 281.42)
verlangten Mietzinssperre widersetzte sich der Rechtsvertreter der
Dritteigentümerin. Indessen hielt das Betreibungsamt in einer Verfügung
vom 2. Februar 1995 fest, dass es verpflichtet sei, den Einzug der
Mietzinse für 42 Parkplätze vorzunehmen. Gleichzeitig legte es den Mietzins
auf Fr. 50.-- je Parkplatz, somit auf einen Totalbetrag von Fr. 2'100.--,
monatlich fest.

    B.- Die Dritteigentümerin beschwerte sich über diese Verfügung
des Betreibungsamtes bei der Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung
und Konkurs des Kantons Basel-Landschaft. Diese hiess die Beschwerde
- im wesentlichen mit der Begründung, dass von einem Verzicht der
Grundpfandgläubigerin auf die Mietzinssperre auszugehen sei, weil sie
nicht mit dem Betreibungsbegehren und unter gleichzeitiger Leistung des
Kostenvorschusses verlangt worden sei - mit Entscheid vom 18. April 1995
gut und hob die Mietzinssperre auf.

    Dieser Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde wurde von der
Solothurner Bank SoBa an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des
Bundesgerichts weitergezogen, welche den Rekurs guthiess.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Die Auffassung der kantonalen Aufsichtsbehörde könnte sich -
allerdings nur prima vista - auf die Erläuterungen zu den Betreibungskosten
auf der Rückseite des Betreibungsbegehrens (Form. 1) stützen, welche wie
folgt lauten:

    "2. Bei der Betreibung auf Verwertung eines Grundpfandes ist,
   anderweitige Verfügungen der kantonalen Aufsichtsbehörden vorbehalten,
   dem

    Betreibungsamt neben der Gebühr für den Zahlungsbefehl für die zur

    Miete-(Pacht)-Zinssperre nach Art. 806 ZGB erforderlichen Massnahmen
ein

    Kostenvorschuss zu leisten, und zwar auch dann, wenn zur Zeit der
Anhebung
   der Grundpfandbetreibung das betreffende Grundpfand gepfändet ist
   (Art. 91

    VZG). Unterbleibt die Leistung dieses Kostenvorschusses, so wird ohne
   weiteres Verzicht des Gläubigers auf die Ausdehnung der Pfandhaft
   auf die

    Miet- und Pachtzinse angenommen."

    Auf diese Erläuterungen nimmt auch der im angefochtenen Entscheid
angerufene BGE 64 III 26 ff. (S. 29) Bezug. Dabei fallen jedoch zwei
Abweichungen gegenüber dem heutigen Text auf: Der zweite Satz begann früher
mit den Worten "Unterbleibt bei der Stellung des Betreibungsbegehrens
die Leistung dieses Kostenvorschusses ..."; und sodann wird die Höhe des
Kostenvorschusses (von dazumal Fr. 5.--) ausdrücklich genannt, was jetzt
nicht mehr der Fall ist.

    b) Der Gebührentarif zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und
Konkurs vom 7. Juli 1971 (GebVSchKG; SR 281.35) ist gegenüber früheren
Fassungen insofern wesentlich vereinfacht worden, als - in Art. 29
- für die Verwaltung von Grundstücken eine Gebühr in Prozenten des
erzielten oder erzielbaren Ertrages festgesetzt wurde; es sind auch in
der Fassung vom 17. Juni 1991 [Gebührenverordnung] noch 5%. Damit wurde
vom System der Tarifierung einzelner Verwaltungsverrichtungen abgerückt
(STRAESSLE/KRAUSKOPF, Erläuterungen zum Gebührentarif zum Bundesgesetz
über Schuldbetreibung und Konkurs vom 7. Juli 1971).

    Wegen dieser Änderung des Systems ist es nun aber dem
Grundpfandgläubiger nicht mehr möglich, der Gebührenverordnung die
Höhe des Kostenvorschusses zu entnehmen, welchen das Betreibungsamt
mit dem Begehren um Miet- oder Pachtzinssperre erwartet. Somit kann
vom Grundpfandgläubiger nicht ohne weiteres erwartet werden, dass er
gleichzeitig mit dem Betreibungsbegehren den Kostenvorschuss im Sinne von
Art. 91 Abs. 1 VZG leistet. Daran ändert die im angefochtenen Entscheid
vertretene Auffassung, es sei dem Pfandgläubiger zuzumuten, dass er sich
vor Einreichung des Betreibungsbegehrens beim Betreibungsamt nach dessen
Höhe erkundigt, grundsätzlich nichts.

    c) Nun meint die kantonale Aufsichtsbehörde aber weiter, es wäre
dem Grundpfandgläubiger zuzumuten, "dass er entsprechend der andern
gemäss Art. 91 Abs. 1 VZG zulässigen Alternative im Betreibungsbegehren
ausdrücklich den Antrag auf Einbezug der Mietzinse in die Pfandhaft
stellt".

    Dem kann nicht beigepflichtet werden. Wenn in BGE 64 III 26 ff. (S. 28)
gesagt worden ist, Art. 91 Abs. 1 VZG könne nicht so verstanden
werden, dass beim Fehlen einer ausdrücklichen Verzichterklärung im
Betreibungsbegehren die Einbeziehung der Miet- oder Pachtzinse als
anbegehrt zu erachten sei, so darf umgekehrt - und noch weniger -
beim Fehlen einer ausdrücklichen Verzichterklärung darauf geschlossen
werden, der Grundpfandgläubiger verzichte unwiderruflich auf die Miet-
und Pachtzinssperre.

    Die Rekurrentin argumentiert zutreffend, wenn sie sagt, dass sich
der Anspruch unmittelbar aus Art. 806 ZGB ergebe. Dieser Anspruch darf
dem Grundpfandgläubiger nicht rundweg dadurch verwehrt werden, dass von
ihm verlangt wird, er müsse die Miet- und Pachtzinssperre unter allen
Umständen schon mit dem Betreibungsbegehren beantragen. Es wird denn
auch bezüglich der Anzeige an die Mieter oder Pächter gemäss Art. 152
Abs. 2 SchKG die Meinung vertreten, dass sie normalerweise gleichzeitig
mit dem Zahlungsbefehl zu erlassen sei, ihre Wirkung jedoch, wie sich
aus Art. 806 Abs. 2 ZGB ergebe, für die Zeit von ihrer Erlassung bis
zur Verwertung auch dann noch ausübe, wenn sie erst später gemacht werde
(LEEMANN, N. 26 zu Art. 806 ZGB).

    d) Der Auffassung, dass der Einbezug der Miet- oder Pachtzinse auch
zu einem späteren Zeitpunkt noch beantragt werden kann, steht auch der
Wortlaut von Art. 806 Abs. 1 ZGB nicht entgegen, wonach sich die Pfandhaft
auf die Miet- oder Pachtzinsforderungen erstreckt, "die seit Anhebung der
Betreibung auf Verwertung des Grundpfandes oder seit der Eröffnung des
Konkurses über den Schuldner bis zur Verwertung auflaufen". Das ist die
maximale Zeitspanne, über welche sich die Pfandhaft erstreckt. Doch wird
damit nicht ausgeschlossen, dass die Miet- oder Pachtzinssperre erst ab
einem späteren Zeitpunkt, wo ein entsprechendes Begehren gestellt wird,
angeordnet wird. Das spätere Begehren und die ihm Folge leistende Anordnung
des Betreibungsamtes können allerdings keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt
der Anhebung der Betreibung oder der Konkurseröffnung entfalten.

    e) Dem bleibt beizufügen, dass - entgegen der Auffassung der
Rekursgegnerin - aus dem Hinweis von Art. 91 Abs. 1 VZG auf Art. 68
SchKG nicht abgeleitet werden kann, dass der Kostenvorschuss für die
Miet- oder Pachtzinssperre mit dem Betreibungsbegehren geleistet werden
müsse. Art. 68 SchKG bestimmt, dass der Schuldner die Betreibungskosten
trägt und dass diese vom Gläubiger vorzuschiessen sind; er sagt aber nichts
über den Zeitpunkt aus, wann der Kostenvorschuss (und jener für die Miet-
oder Pachtzinssperre im besonderen) zu leisten ist.