Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 III 168



121 III 168

36. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. April 1995 i.S.
Gewerkschaft Druck und Papier (GDP) gegen Verein der Buchbindereien und
Druckausrüstungsbetriebe der Schweiz (VBS) sowie Schweizerische Graphische
Gewerkschaft (SGG) (Berufung) Regeste

    Gesamtarbeitsvertrag; Aktivlegitimation eines Berufsverbandes (Art. 356
OR; Art. 28 ZGB; Art. 9 und 10 UWG).

    Legitimation eines aussenstehenden Berufsverbandes gegenüber den
Vertragsparteien auf Teilnichtigkeit eines Gesamtarbeitsvertrags zu
klagen und Ansprüche wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte, wegen
Beeinträchtigung seiner Wettbewerbsstellung sowie als Verband zu erheben.

Sachverhalt

    A.- Die Gewerkschaft Druck und Papier (nachfolgend GDP)
und die Schweizerische Graphische Gewerkschaft (nachfolgend SGG)
als Arbeitnehmervertretung sowie der Verein der Buchbindereien
und Druckausrüstungsbetriebe der Schweiz (nachfolgend VBS) als
Arbeitgebervertretung führten im Hinblick auf die Erneuerung des
Gesamtarbeitsvertrages für das Buchbindergewerbe (Ausgabe 1984/1989)
Vertragsverhandlungen, die am 12. Januar 1990 abgeschlossen wurden.

    In der Folge schlossen der VBS und die SGG am 11./18. April 1990
den Gesamtarbeitsvertrag für das Buchbindergewerbe (Ausgabe 1989/1995)
ab, der rückwirkend auf den 1. Oktober 1989 bzw. 1. Januar 1990
in Kraft gesetzt wurde. Die GDP hingegen konnte den ausgehandelten
Gesamtarbeitsvertrag nicht unterzeichnen; denn mit Urteil vom 26. Februar
1991 erklärte der Appellationshof des Kantons Bern den entsprechenden
Urabstimmungsbeschluss der GDP wegen Verfassungswidrigkeit für nichtig,
da im Gesamtarbeitsvertrag ein unterschiedlicher Mindestlohn für ungelernte
Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen vereinbart worden war.

    B.- Am 1. Juli 1992 reichte die GDP beim Appellationshof des
Kantons Bern Klage gegen den VBS und die SGG ein. Sie beantragte
festzustellen, dass der Gesamtarbeitsvertrag insoweit nichtig sei, als
der Mindestlohn für ungelernte Arbeitnehmerinnen niedriger als jener
für männliche Nichtberufsleute vereinbart worden sei; im weiteren seien
die Beklagten unter Strafandrohung zu verpflichten und entsprechend
anzuweisen, Nichtberufsleuten für gleichwertige Arbeit den gleichen Lohn
auszurichten. Sie forderte ferner die Zusprechung von Schadenersatz
und Genugtuung. Ihre Klagebegehren begründete sie mit der Verletzung
von Persönlichkeitsrechten und von Bestimmungen gegen den unlauteren
Wettbewerb. Mit Urteil vom 10. Februar 1994 wies der Appellationshof
die Klage mangels Aktivlegitimation ab.

    C.- Gegen das Urteil des Appellationshofes vom 10. Februar 1994 erhebt
die Klägerin eidgenössische Berufung mit dem Antrag, das angefochtene
Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Berufung gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                  Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Appellationshof hat die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation
abgewiesen. Das Gericht hat der Klägerin damit die Berechtigung
abgesprochen, die eingeklagten Ansprüche in eigenem Namen zu verfolgen
(GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., 1979, S. 139)
und gegenüber den Beklagten geltend zu machen (BGE 114 II 345 E. 3a
S. 346, 107 II 82 E. 2a S. 85). Die Klägerin rügt, die Vorinstanz habe
ihre Sachlegitimation in Verletzung bundesrechtlicher Normen verneint
und insbesondere nicht zwischen ihrer Klagebefugnis aus eigenem Recht
und ihrem Verbandsklagerecht unterschieden.

    Aktiv- bzw. passivlegitimiert sind grundsätzlich die Träger
des Rechtsverhältnisses, welches Gegenstand des Urteils bilden soll
(GULDENER, aaO, S. 139; VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts und des
internationalen Zivilprozessrechts, 3. Aufl., 1992, Kap. 7 N. 91). Einige
Bestimmungen des Bundesrechts sehen ein Verbandsklagerecht vor, welches
einer Organisation gestattet, ihre Rechtsbegehren in eigenem Namen,
jedoch im Interesse ihrer Mitglieder oder gar weiterer betroffener
Personen durchzusetzen (BGE 103 II 294 E. 2 S. 299 f.; STAEHELIN/SUTTER,
Zivilprozessrecht, § 9 N. 20; VOGEL, aaO, Kap. 7 N. 92a f.). Die Klägerin
macht die eingeklagten Ansprüche einerseits mit der Behauptung geltend,
sie selbst sei in ihren eigenen Rechten durch die beanstandete Regelung
im Gesamtarbeitsvertrag der Beklagten verletzt, und es ständen ihr daraus
eigene Ansprüche zu. Andererseits beruft sie sich auf ihre Eigenschaft als
Berufsverband, dem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der graphischen
Industrie, in der Druckweiterverarbeitung und im Medienbereich angehören,
und der sich nach Artikel 3 der Statuten für die beruflichen, materiellen,
sozialen, ökologischen und kulturellen Interessen der Mitglieder
einsetzt, und zwar im besonderen durch (a) den Zusammenschluss und die
Organisation aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, (b) das Aushandeln
günstiger Arbeitsbedingungen in Gesamtarbeitsverträgen sowie (c) die
Weiterentwicklung des Arbeitsrechts, des Schutzes von Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer und der Sozialgesetzgebung. Unter diesen Umständen ist
gesondert zu prüfen, ob die Klägerin aktivlegitimiert ist, einerseits
aus eigenem Recht und andererseits als Berufsverband im Interesse Dritter
Ansprüche klageweise geltend zu machen.

Erwägung 3

    3.- Die Klägerin beruft sich zunächst auf eigene Rechte, wenn sie
zur Begründung ihrer Begehren vorbringt, die beanstandete Bestimmung im
Gesamtarbeitsvertrag verletze sie in ihrer Persönlichkeit und bedrohe
sie in ihren wirtschaftlichen Interessen.

    a) Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird,
kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt,
den Richter anrufen (Art. 28 Abs. 1 ZGB); widerrechtlich ist
eine Persönlichkeitsverletzung, wenn sie nicht durch Einwilligung
des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches
Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist (Art. 28 Abs. 2 ZGB). Der
Persönlichkeitsschutz steht nach konstanter Rechtsprechung nicht nur
natürlichen, sondern auch juristischen Personen insoweit zu, als er
nicht auf Eigenschaften beruht, die ihrer Natur nach nur den natürlichen
Personen zukommen (BGE 108 II 241 E. 6 S. 244, 95 II 481 E. 4 S. 488
f., vgl. auch BGE 117 II 513 ff.; PEDRAZZINI/OBERHOLZER, Grundriss des
Personenrechts, 4. Aufl., 1993, S. 212 Ziff. 8.4.2.1; TERCIER, Le nouveau
droit de la personnalité, S. 75 f. N. 520 und 521; TUOR/SCHNYDER/SCHMID,
Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 11. Aufl., 1995, S. 93). Zu den
Persönlichkeitsrechten, die auch den juristischen Personen eignen,
gehört unter anderen der Anspruch auf soziale Geltung und namentlich das
Recht auf freie wirtschaftliche Entfaltung, das heute weitgehend noch
eigens durch das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG;
SR 241) und jenes über die Kartelle und ähnlichen Organisationen (KG;
SR 251) geschützt ist (TERCIER, aaO, S. 71 f. N. 493 bis 495; A. BUCHER,
Natürliche Personen und Persönlichkeitsschutz, S. 138 f. N. 495 und 496).

    aa) Mit einem Gesamtarbeitsvertrag (Art. 356 ff. OR) soll den
Verbänden eine reale Einflussmöglichkeit auf die Gestaltung der
Arbeitsverhältnisse in die Hand gegeben werden, um minimale Arbeits-
und Sozialbedingungen für die einzelnen Arbeitnehmer festzulegen
(BGE 115 II 251 E. 4a S. 253; VISCHER, Schweizerisches Privatrecht,
Bd. VII/1, III, S. 247 und 265). Der Gesamtarbeitsvertrag bezweckt,
die schwächere Partei zu schützen, eine einheitliche Behandlung
der Arbeitnehmer zu sichern, sozialen Konflikten vorzubeugen und die
Anstellungsbedingungen mit relativ flexiblen Normen zu ordnen (BGE 113 II
37 E. 4c S. 44; OR-REHBINDER, N. 1 und 7 zu Art. 356). Hieraus hat das
Bundesgericht eine Beschränkung der Privatautonomie der Parteien eines
Gesamtarbeitsvertrages abgeleitet; die Vertragsfreiheit darf von ihnen
nicht unbesehen der Zwecke des Gesamtarbeitsvertrages ausgeübt und es
dürfen insbesondere keine Ziele verfolgt werden, die denen des Gesetzes
objektiv widersprechen (BGE 113 II 37 E. 4c S. 45 f.). Die Zielsetzung des
Instituts des Gesamtarbeitsvertrages schützt auch die Persönlichkeit der
vertragsfähigen Gewerkschaften als Körperschaften des privaten Rechts,
da diese anderenfalls gar nicht mehr in der Lage wären, ihre Aufgabe
ordnungsgemäss zu erfüllen. In BGE 113 II 37 E. 4c S. 45 f. ist daraus in
Weiterentwicklung von BGE 75 II 305 E. 9a S. 326 abgeleitet worden, dass
weder Mehrheitsgewerkschaften noch Arbeitgeberverbände bzw. Unternehmen
repräsentative Minderheitsgewerkschaften ohne achtenswerte Gründe von
Verhandlungen über den Abschluss oder vom Beitritt zu abgeschlossenen
Gesamtarbeitsverträgen verdrängen dürfen (vgl. auch VISCHER, aaO, S. 253).

    bb) Die Klägerin hat die Verhandlungen über den Abschluss des
umstrittenen Gesamtarbeitsvertrages geführt, und der Beitritt wird ihr von
den Beklagten nicht verwehrt. Die Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte
sieht sie im Umstand, dass die Beklagten mit dem Gesamtarbeitsvertrag eine
Bestimmung über den Minimallohn vereinbart haben, welche die Klägerin
nicht unterzeichnen kann oder will, weil sie diese als rechtswidrig
betrachtet. Da die Klägerin dem Gesamtarbeitsvertrag der Beklagten nur
in der Form beitreten könnte, wie er im April 1990 abgeschlossen wurde
(BGE 118 II 431 E. 4a S. 433), sieht sie sich vor die Wahl gestellt, auf
die Vorteile der Beteiligung am Gesamtarbeitsvertrag und damit auch auf
die Wahrnehmung ihrer eigentlichen statutarischen Aufgabe zu verzichten,
oder mit der Zustimmung zur diskriminierenden Minimallohnregelung für
Nichtberufsleute im Gesamtarbeitsvertrag an einer rechtswidrigen Handlung
mitzuwirken. Wenn ihr der Appellationshof die Aktivlegitimation abspricht
aus der Erwägung, dass der Abschluss des Gesamtarbeitsvertrages durch
die Beklagten sie nicht berühre, weil sie am Vertrag nicht beteiligt
sei, so verkennt er sowohl die absolute Natur der Persönlichkeitsrechte
wie die Tatsache, dass Verträge Dritter sich als faktische Angriffe auf
die Persönlichkeit im Sinne von Art. 28 ZGB auswirken können (BUCHER,
Berner Kommentar, N. 13 in Vorbem. vor Art. 27 bis 30 ZGB; vgl. auch BGE
114 II 91 E. 2 S. 95). Die Klägerin behauptet einen derartigen Eingriff
in ihren Anspruch auf soziale Geltung, wenn sie vorbringt, es werde
ihr die Wahrnehmung ihrer körperschaftlichen Aufgaben verwehrt; sie
werde von Gesamtarbeitsverträgen ausgeschlossen, weil sie sich weigere,
an rechtswidrigem Handeln, nämlich an der Vereinbarung diskriminierender
Lohnbestimmungen mitzuwirken. Als Trägerin der Persönlichkeitsrechte, auf
die sie sich beruft und deren Verletzung sie durch den Gesamtarbeitsvertrag
behauptet, ist die Klägerin zur Sache legitimiert. Der Appellationshof
hat ihr somit zu Unrecht die Aktivlegitimation abgesprochen, soweit sie
eine Verletzung ihrer eigenen Persönlichkeitsrechte behauptet.

    b) Nach Art. 9 Abs. 1 UWG ist klageberechtigt, wer in seiner
Kundschaft, seinem Kredit oder beruflichen Ansehen, in seinem
Geschäftsbetrieb oder sonst in seinen wirtschaftlichen Interessen bedroht
oder verletzt wird. Dem Gericht kann unter dieser Voraussetzung beantragt
werden, (a) eine drohende Verletzung zu verbieten, (b) eine bestehende
Verletzung zu beseitigen, (c) die Widerrechtlichkeit einer Verletzung
festzustellen, wenn sich diese weiterhin störend auswirkt. Nach Art. 9
Abs. 2 UWG kann überdies verlangt werden, dass eine Berichtigung oder das
Urteil Dritten mitgeteilt oder veröffentlicht wird. Nach Abs. 3 dieser
Bestimmung kann schliesslich nach Massgabe des Obligationenrechts auf
Schadenersatz und Genugtuung sowie auf Herausgabe eines Gewinns geklagt
werden.

    aa) Die Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb sind besondere Ausprägungen
des allgemeinen Persönlichkeitsschutzes gemäss Art. 28 ZGB, dessen
Klagen insoweit subsidiär, neben den spezialgesetzlichen bestehen (BGE
110 II 411 E. 3a S. 417 sowie unveröffentlichtes Urteil vom 31. Oktober
1991 i.S. Sch. c/S., E. 3b; TERCIER, aaO, S. 236 N. 1782). Mit dem
Erfordernis der Verletzung in eigenen Interessen als Voraussetzung
der Aktivlegitimation nach Art. 9 Abs. 1 UWG wird ein gewisses
Spannungsverhältnis zur Zwecksetzung des revidierten Bundesgesetzes
gegen den unlauteren Wettbewerb geschaffen, das in funktionaler Weise die
Lauterkeit des Wettbewerbs gewährleisten will und daher das Bestehen eines
Wettbewerbsverhältnisses für die Annahme unlauteren Wettbewerbs nicht
voraussetzt (PEDRAZZINI, Unlauterer Wettbewerb, UWG, S. 223 Ziff. 16.1;
BAUDENBACHER, Schwerpunkte der schweizerischen UWG-Reform, in Das
UWG auf neuer Grundlage, S. 15 ff., 31; J. MÜLLER, Schweizerisches
Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bd. V/1, S. 8; H.P. WALTER,
Das Wettbewerbsverhältnis im neuen UWG, in SMI 1992 S. 169 ff., 169
Ziff. 2). Das Wettbewerbsverhältnis begründet dennoch auch nach neuem
Recht das Rechtsschutzinteresse im Sinne von Art. 9 Abs. 1 UWG für die
Beteiligten (H.P. WALTER, aaO, S. 179 Ziff. 10; DAVID, Schweizerisches
Wettbewerbsrecht, 2. Aufl., 1988, S. 165; PEDRAZZINI, aaO, S. 224 Ziff.
16.1). Immerhin sind die Interessen, aufgrund derer nach Art. 9 Abs. 1
UWG die Aktivlegitimation zu bejahen ist, dem Wortlaut der Bestimmung nach
nicht an eine direkte Konkurrenzsituation gebunden; es genügt vielmehr jede
Verschlechterung der eigenen Stellung im Wettbewerb durch das inkriminierte
Verhalten zur Begründung der Aktivlegitimation; die Klageberechtigung
ist insofern nicht auf Mitbewerber beschränkt (Botschaft vom 18. Mai 1983
zum Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb [UWG], BBl 1983 II 1009
ff., S. 1075; GUYET, Les actions en justice, in La nouvelle loi fédérale
contre la concurrence déloyale, CEDIDAC 1988, S. 89 ff., 91).

    bb) Die Klägerin steht als Berufsverband im Wettbewerb zu anderen
Berufsverbänden, die sich an dieselben Berufstätigen als mögliche
Mitglieder wenden, wie namentlich die Beklagte 2, zu der sie sogar
in direkter Konkurrenz stehen dürfte. Die Klägerin vertritt nicht
nur die Interessen der ihr angeschlossenen Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer im Rahmen von Gesamtarbeitsverträgen, sondern bietet
ihnen auch Dienstleistungen an, namentlich Beratung unterschiedlicher
Art. Sie macht geltend, sie sei durch den Abschluss des umstrittenen
Gesamtarbeitsvertrages nicht nur in ihrem Kredit und Ansehen,
sondern auch in ihren wirtschaftlichen Interessen verletzt. Da sie
den Gesamtarbeitsvertrag der Beklagten nicht unterzeichnet habe,
habe sie Mitglieder durch Austritte verloren. Hieraus leitet sie
Schadenersatzansprüche - wegen entgangener Mitgliederbeiträge - ab. Die
Klägerin ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz nach Art. 9 Abs. 1
UWG zur Klage legitimiert.

Erwägung 4

    4.- Die Klägerin begründet ihre Aktivlegitimation sodann mit
Ansprüchen, zu deren Geltendmachung sie als Verband befugt sei. Sie beruft
sich diesbezüglich einerseits auf Art. 10 Abs. 2 UWG und andererseits
auf die Persönlichkeitsrechte ihrer Mitglieder bzw. weiterer durch die
umstrittene Mindestlohnvorschrift diskriminierter Arbeitnehmerinnen.

    a) Nach Art. 10 Abs. 2 lit. a UWG sind Berufs- und Wirtschaftsverbände,
die nach den Statuten zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen ihrer
Mitglieder befugt sind, zur Erhebung von Klagen nach Art. 9 Abs. 1
und 2 UWG legitimiert. Die Ausweitung und Verstärkung der Klagerechte
hinsichtlich der Berufs- und Wirtschaftsverbände bildete ein zentrales
Anliegen der Revision des Gesetzes vom 19. Dezember 1986 (Botschaft
zum UWG, aaO, S. 1076). So wurde den Verbänden das Klagerecht direkt
eingeräumt und auf dessen altrechtliche Abhängigkeit von der Klagebefugnis
der Mitglieder verzichtet; festgehalten wurde bewusst nur am Erfordernis,
dass die Verbände gemäss Statuten zur Wahrung der wirtschaftlichen
Interessen ihrer Mitglieder befugt sind (Botschaft zum UWG, aaO, S. 1077).

    aa) Die Klägerin vereinigt als Berufsverband Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer in der graphischen Industrie, in der Druckweiterverarbeitung
und im Medienbereich und setzt sich nach Artikel 3 der Statuten für die
beruflichen, materiellen, sozialen, ökologischen und kulturellen Interessen
der Mitglieder ein. Aufgrund dieser statutarischen Bestimmung ist die
Klägerin zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder im
Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. a UWG befugt. Sie ist daher unabhängig von
der Klagebefugnis ihrer Mitglieder berechtigt, Ansprüche wegen unlauterer
Wettbewerbshandlungen geltend zu machen, und zwar mindestens soweit,
als die wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder betroffen sind, zu
deren Wahrung sie statutarisch befugt ist. Dies trifft jedenfalls für
gesamtarbeitsvertragliche Mindestlohnvorschriften zu, deren Vereinbarung
zu den wesentlichen Aufgaben der Klägerin gehört.

    bb) Die Zulässigkeit markt- und wettbewerbsbezogener Vereinbarungen
beurteilt sich auch nach deren möglichen Beeinträchtigung des wirksamen
Wettbewerbs und nach deren Auswirkungen auf die Freiheit Dritter zu
wirtschaftlicher Betätigung (BGE 114 II 91 E. 2 S. 95). Die Vorinstanz
stellt die Wettbewerbsrelevanz der umstrittenen gesamtarbeitsvertraglichen
Minimallohnbestimmungen zu Unrecht in Abrede. Nach Art. 7 UWG
handelt insbesondere unlauter, wer Arbeitsbedingungen nicht einhält,
die durch Rechtssatz oder Vertrag auch dem Mitbewerber auferlegt,
oder die berufs- bzw. ortsüblich sind. Die Klägerin bringt vor,
die umstrittene gesamtarbeitsvertragliche Regelung der Beklagten
über den Mindestlohn für ungelernte Arbeitnehmerinnen widerspreche
dem Rechtssatz der Verfassung zur Lohngleichheit, zu deren Einhaltung
jedermann verpflichtet ist. Diese Mindestlohnregelung verfälsche daher
den Wettbewerb zwischen den Unternehmen der Beklagten einerseits und
denjenigen, die sich an das Lohngleichheitsgebot halten, andererseits und
sei daher unlauter. Die Klägerin ist nach Art. 10 Abs. 2 lit. a UWG zur
Klage befugt (vgl. G. AUBERT, Discriminations salariales, protection de la
personnalité et concurrence déloyale, in AJP 1992 S. 572 ff., 574; ebenso
Botschaft vom 24. Februar 1993 zum Bundesgesetz über die Gleichstellung
von Frau und Mann [Gleichstellungsgesetz], BBl 1993 I 1248 ff., S. 1302).

    b) Die Klägerin beruft sich schliesslich auf die Persönlichkeitsrechte
ihrer Mitglieder, namentlich der ungelernten Arbeitnehmerinnen, um
ihr Verbandsklagerecht zu begründen. Sie ist nach der Rechtsprechung
als Berufsverband zur Klage im Interesse der Arbeitnehmerinnen der
Branche befugt unter der Voraussetzung, dass sie nach den Statuten die
wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder wahrt und diese selbst zur
Klage legitimiert wären (BGE 114 II 345 E. 3b S. 347 mit Hinweisen). Diese
Voraussetzungen sind erfüllt. Namentlich sind die ungelernten
Arbeitnehmerinnen befugt, in eigenem Namen wegen Verletzung ihrer
Persönlichkeitsrechte infolge diskriminierender Mindestlohnvorschriften
im Gesamtarbeitsvertrag der Beklagten zu klagen (G. AUBERT, aaO, S. 573;
Botschaft zum Gleichstellungsgesetz, aaO, S. 1322).