Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 III 142



121 III 142

30. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 20.
April 1995 i.S. Thurgauer Kantonalbank (Rekurs) Regeste

    Summarisches Konkursverfahren (Art. 231 Abs. 2 und 3 SchKG).

    Im summarischen Konkursverfahren darf keine ausseramtliche
Konkursverwaltung eingesetzt werden.

Sachverhalt

    A.- Über die H. AG wurde am 9. März 1994 der Konkurs eröffnet. Das
Bezirksgerichtspräsidium Bischofszell ordnete das summarische Verfahren
an. Da das kantonale Konkursamt sich ausserstande sah, das Konkursverfahren
selber durchzuführen, beantragte es bei den Konkursgläubigern auf dem
Zirkulationsweg die Ernennung einer ausseramtlichen Konkursverwaltung.
Innert der vom Konkursamt angesetzten Frist ging keine Einsprache gegen
diesen Antrag ein.

    B.- Die Thurgauer Kantonalbank, welche Gläubigerin im Konkurs
der H. AG ist, gelangte mit dem Antrag, die Wahl der ausseramtlichen
Konkursverwaltung sei als nichtig zu erklären, am 18. November 1994
an die Rekurskommission des Obergerichts des Kantons Thurgau. Zur
Begründung machte sie geltend, im summarischen Konkursverfahren bestehe
keine Möglichkeit, eine ausseramtliche Konkursverwaltung einzusetzen;
vielmehr sei ausschliesslich das Konkursamt zuständig. Andernfalls
bestehe die Gefahr, dass die ausseramtliche Konkursverwaltung Prozesse
zu führen habe, welche bei Misserfolg beträchtliche Kosten zulasten der
Masse verursachen würden.

    Die Rekurskommission des Obergerichts des Kantons Thurgau trat auf
die Beschwerde wegen Fristversäumnisses nicht ein. Diesen Entscheid zog
die Thurgauer Kantonalbank an die Schuldbetreibungs- und Konkurskommission
des Bundesgerichts weiter.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Die Lehre ist sich einig darüber, dass es im summarischen
Konkursverfahren gemäss Art. 231 Abs. 2 und 3 SchKG keine ausseramtliche
Konkursverwaltung gibt (AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und
Konkursrechts, 5. Auflage, Bern 1993, § 49 N. 8; FRITZSCHE/WALDER,
Schuldbetreibung und Konkurs nach Schweizerischem Recht, Band II,
Zürich 1993, § 45 Rz. 21; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite
et concordat, 3. Auflage Lausanne 1993, S. 323, § 2 Ziff. 1: "On
peut relever ... qu'il n'y a jamais d'administration spéciale." -
Komm. JAEGER, Zürich 1911, N. 9 zu Art. 231 SchKG; BLUMENSTEIN, Handbuch
des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, Bern 1911, S. 747). Auch
wenn diese Lehre nicht als Rechtsquelle gilt, ist sie - entgegen den in den
Vernehmlassungen geäusserten Auffassungen - zu berücksichtigen, wenn sich
deren Übernahme sachlich rechtfertigt (Art. 1 Abs. 3 ZGB; vgl. DESCHENAUX,
Der Einleitungsartikel, in SPR II, S. 119 ff.; Komm. MEIER-HAYOZ, N. 451
ff. zu Art. 1 ZGB; Komm. EGGER, N. 44 f. zu Art. 1 ZGB).

    b) Das summarische Konkursverfahren zeichnet sich dadurch aus,
dass es einfach, rasch und weitgehend formlos ist. Vor allem ist
es auch kostensparend, und dementsprechend ist das Ergebnis für die
Gläubiger meistens günstiger. Die Vereinfachung des Verfahrens liegt nicht
zuletzt auch darin, dass es in den Händen des Konkursamtes liegt und dass
Gläubigerversammlungen nur ausnahmsweise vorgesehen sind. Aus diesem Grund
wird es als folgerichtig betrachtet, dass weder ein Gläubigerausschuss noch
eine gewählte Konkursverwaltung tätig wird (AMONN, aaO, § 49 N. 1 und 8).

    Der von der kantonalen Aufsichtsbehörde ins Feld geführte Umstand,
dass die Beamten des Konkursamtes zeitlich nicht in der Lage seien, das
Verfahren zu leiten, hätte ohnehin keinen Grund für die Einsetzung einer
ausseramtlichen Konkursverwaltung im summarischen Konkursverfahren zu
bilden vermocht. Die Kantone sind zur Gewährung einer ordnungsgemässen
Rechtspflege, zu der auch das Konkurswesen gehört, verpflichtet; sie
haben daher für ausreichend Personal zu sorgen (BGE 119 III 1 E. 2).

    c) Der neugefasste Art. 231 revSchKG (BBl 1994 V, S. 1046) hält sowenig
wie das noch geltende Recht ausdrücklich fest, dass es im summarischen
Konkursverfahren keine ausseramtliche Konkursverwaltung gibt. Indessen
werden nach Art. 231 Abs. 3 Ziff. 1 revSchKG Gläubigerversammlungen in
der Regel nicht einberufen, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass
das revidierte Recht, welches das summarische Konkursverfahren allgemein
auf einfache Verhältnisse ausgedehnt wissen will (BBl 1991 III, S. 143),
das Wirken einer ausseramtlichen Konkursverwaltung im summarischen
Konkursverfahren ebenfalls ausschliesst.

Erwägung 2

    2.- Den Auffassungen, welche im angefochtenen Entscheid und in den
Vernehmlassungen vertreten werden - insbesondere der Argumentation mit
Vorschriften der KOV (SR 281.32) -, kann nach dem Gesagten nicht gefolgt
werden, während die Rechtsauffassung der Thurgauer Kantonalbank sich als
zutreffend erweist.

    Die kantonale Aufsichtsbehörde, die immerhin eingesehen hat, dass
die Einsetzung einer ausseramtlichen Konkursverwaltung insbesondere
im Hinblick auf die Kosten als äusserst problematisch erscheint, hätte
die Bestellung einer ausseramtlichen Konkursverwaltung von Amtes wegen
aufheben können (FRITZSCHE/WALDER, aaO, § 47 Rz. 22, S. 268 oben). Die
Anordnung muss als nichtig betrachtet werden, weil damit eine grundlegende
und - mit Ausnahme der abweichenden Meinung, die in einem Entscheid
der solothurnischen Aufsichtsbehörde Ausdruck gefunden hat - allgemein
anerkannte Verfahrensregel verletzt wird.

    Da die Nichtigkeit jederzeit festgestellt werden kann und muss
(BGE 120 III 117 E. 2c mit Hinweis), bleibt es ohne Bedeutung, dass die
Beschwerde im kantonalen Verfahren nicht innert der zehntägigen Frist
des Art. 17 Abs. 2 SchKG eingereicht worden ist.