Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 121 III 125



121 III 125

29. Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. März 1995 i.S. ASTA Medica
Aktiengesellschaft gegen Peter Lendi und Vereinigung für biologischen
Kräuteranbau im Schweizer Berggebiet (Berufung) Regeste

    Patentschutz für eine neue Kamillensorte? (Art. 1, 1a und 8 Abs. 3
PatG).

    Für eine neue Kamillensorte, die nach dem Sortenschutzgesetz schützbar
ist, kann wegen des Doppelschutzverbotes kein Erzeugnispatent erteilt
werden. Das gilt unabhängig davon, ob die entsprechende Pflanzenfamilie
im Artenverzeichnis aufgeführt ist. Das Doppelschutzverbot steht dagegen
der Gewährung derivierten Stoffschutzes im Sinne von Art. 8 Abs. 3 PatG
nicht entgegen. Im vorliegenden Fall handelt es sich zudem nicht um ein -
gemäss Art. 1a PatG vom Patentschutz ausgeschlossenes - im wesentlichen
biologisches Verfahren (E. 1, 2 und 4).

    Auslegung der Patentansprüche (E. 3).

    Begriffe des Naheliegens bzw. Nichtnaheliegens, des Analogieverfahrens
und der Kombinationserfindung (E. 5a-c). Verneinung des Patentschutzes im
konkreten Fall, weil es an einer hinreichenden erfinderischen Tätigkeit
fehlt (E. 5d).

Sachverhalt

    A.- Die ASTA Medica Aktiengesellschaft ist Inhaberin des am
30. September 1988 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom
29. Juli 1983 erteilten Schweizer Patents Nr. 667 180 für ein "Verfahren
zur Herstellung der neuen Kamillensorte Manzana". Die Patentansprüche
haben folgenden Wortlaut:

    "1. Verfahren zur Herstellung von Pflanzen oder Vermehrungsgut der
   tetraploiden Kamillensorte Manzana der Kulturpflanzenart Echte Kamille
   (Chamomilla recutita (L.) Rauschert, synonym mit Matricaria chamomilla
   L.,

    Asteraceae), deren bei 40o C getrocknete Blüten, bezogen auf die

    Trockensubstanz, mindestens 150 mg% Chamazulen, mindestens 300 mg%
   (-)-a-Bisabolol und weniger als 50 mg% an übrigen Bisaboloiden
   aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass die diploide Kamillensorte
   "DEGUMILL" tetraploidisiert wird und die ausselektierten tetraploiden
   Pflanzen auf den erforderlichen Wirkstoffgehalt weiteren Selektions- und

    Vermehrungsschritten unterworfen werden.

    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die

    Tetraploidisierung mittels Chemikalien bei Temperaturen zwischen 0
und 35o

    C, mittels Gammastrahlen, Röntgenstrahlen oder UV-Strahlen bei
Temperaturen
   zwischen 0 und 35o C, mittels hoher Temperaturen von 33-50o C, mittels
   niedriger Temperaturen von 0-5o C, mittels der

    Dekapitierungs-Kallus-Methode oder durch Antherenkultur erfolgt.

    3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass nach
   der Tetraploidisierung

    a) eine Selektion der tetraploiden Pflanzen nach Wirkstoffgehalt,
nämlich
   mit mindestens 150 mg% Chamazulen, mindestens 300 mg% Bisabolol
   und weniger als 50 mg% übrige Bisaboloide, alles bezogen auf
   die Trockensubstanz, gleichzeitigem Blühtermin, gleichmässiger
   grundständiger Verzweigung sowie einer Blütenköpfchengrösse von 25-35
   mm erfolgt, die so herausselektierten

    Pflanzen verklont werden und aus den durch die Verklonung erhaltenen

    Pflanzen Saatgut gewonnen wird,

    b) aus dem so erhaltenen Saatgut Nachkommen gezogen werden,
anschliessend
   eine Selektion gemäss a) erfolgt und aus den ausselektierten Pflanzen
   wiederum Saatgut gewonnen wird,

    c) die Massnahmen gemäss b) 2-4 mal wiederholt werden,

    d) aus dem gemäss c) erhaltenen Saatgut Nachkommen gezogen werden,
diese
   gemäss a) selektiert werden, die so selektierten Pflanzen verklont
   werden und aus den durch die Verklonung erhaltenen Pflanzen Saatgut
   gewonnen wird.

    4. Kamille oder Kamillenvermehrungsgut, erhalten nach einem der
Ansprüche

    1-3.

    5. Verfahren zur Herstellung einer Kamillendroge aus Blüten der Kamille
   nach Anspruch 4, die mindestens 150 mg% Chamazulen, mindesten 300 mg%
   (-)-a-Bisabolol und weniger als 50 mg% an übrigen Bisaboloiden enthält,
   dadurch gekennzeichnet, dass die Blüten in dem Vegetationsstadium
   geerntet werden, wo erst 30-70% der Röhrenblüten eines Blütenköpfchens
   geöffnet sind, und die Blüten bei einer Lufttemperatur von nicht höher
   als 50o C getrocknet werden.

    6. Kamillendroge, die mindesten 150 mg% Chamazulen, mindestens 300 mg%
   (-)-a-Bisabolol und weniger als 50 mg% an übrigen Bisaboloiden enthält,
   dadurch gekennzeichnet, dass sie Blüten der Kamille nach Anspruch
   4 enthält."

    Am 22. Februar 1991 reichten Peter Lendi, der hauptberuflich als
Kräuterzüchter tätig ist, und die Vereinigung für biologischen Kräuteranbau
im Schweizer Berggebiet (VBKB) gegen die ASTA Medica Aktiengesellschaft
Klage ein mit den Anträgen, die Nichtigkeit des Patents der Beklagten
gerichtlich festzustellen, dieses im Patentregister zu löschen und sie
zu ermächtigen, das Urteilsdispositiv in der Schweizer Tagespresse zu
veröffentlichen.

    Mit Urteil vom 16. Dezember 1993 stellte das Handelsgericht des Kantons
Bern die Nichtigkeit des Streitpatents fest und ordnete dessen Löschung
im Patentregister an. Das Begehren um Urteilsveröffentlichung wies es
dagegen ab. Seine Auffassung, wonach das Patent nichtig sei, begründete
es zur Hauptsache damit, die Pflanzenzüchtung "Manzana" falle unter die
Schutzvoraussetzungen des Sortenschutzgesetzes und sei deshalb gemäss
Art. 1a des Patentgesetzes (PatG; SR 232.14) nicht patentfähig. In einer
Eventualbegründung verneinte es eine für den Patentschutz hinreichende
erfinderische Tätigkeit.

    Die Beklagte hat das Urteil des Handelsgerichts mit Berufung
angefochten, die vom Bundesgericht abgewiesen wird.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Das Internationale Übereinkommen zum Schutz von
Pflanzenzüchtungen vom 2. Dezember 1961, das für die Schweiz am 10. Juli
1977 in Kraft getreten ist (UPOV Übereinkommen; SR 0.232.161), verpflichtet
die Vertragsstaaten, in die nationalen Gesetzgebungen einen bestimmten
Mindestschutz von Pflanzenzüchterrechten aufzunehmen (Art. 5), sei es durch
Gewährung eines besonderen Schutzrechts oder eines Patents (Art. 2 Abs. 1).
Indessen darf - nach der ursprünglichen Fassung des Übereinkommens - ein
Verbandsstaat, dessen innerstaatliches Recht den Schutz in diesen beiden
Formen zulässt, nur eine von ihnen für die gleiche botanische Gattung
oder Art vorsehen (Doppelschutzverbot; Art. 2 Abs. 1). Seit der Revision
des Übereinkommens im Jahre 1978 (SR 0.232.162) ist diese Bestimmung
allerdings insoweit nicht mehr zwingend, als Art. 37 des Übereinkommens neu
hinzukommenden Mitgliedstaaten ermöglicht, eine in ihren nationalen Rechten
bestehende Doppelschutzmöglichkeit trotz Beitritts zum Übereinkommen
beizubehalten. Mit einer weiteren, von der Schweiz unterzeichneten,
aber noch nicht in Kraft getretenen Änderung des Übereinkommens vom
19. März 1991 wird den Vertragsstaaten allgemein die Möglichkeit gegeben,
das Doppelschutzverbot aufzuheben (vgl. Biotechnologie und Patentrecht,
Bericht des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements, August 1993, S. 20).

    b) Im internationalen Patentrecht befasste sich erstmals das
Übereinkommen zur Vereinheitlichung gewisser Begriffe des materiellen
Rechts der Erfindungspatente (vom 27. November 1963; SR 0.232.142.1)
mit der Biotechnologie, indem es in Art. 2 lit. b den Vertragsstaaten
freistellte, für Pflanzensorten oder Tierarten sowie für im wesentlichen
biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren die Erteilung
von Patenten vorzusehen, mit Ausnahme der mikrobiologischen Verfahren und
der mit deren Hilfe gewonnen Erzeugnisse, die dem Patentschutz zugänglich
zu machen waren. Das Europäische Patentübereinkommen aus dem Jahre 1973
(EPÜ; SR 0.232.142.2) sodann schliesst in Art. 53 lit. b Pflanzensorten
oder Tierarten sowie im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung
von Pflanzen oder Tieren von der Patentierbarkeit aus. Damit stimmt Art. 1a
PatG, der am 1. Januar 1978 in Kraft getreten ist, inhaltlich überein.

    c) Für die Beurteilung des vorliegenden Falls - insbesondere die
Auslegung von Art. 1a PatG - ist das im folgenden zu erörternde Verhältnis
zwischen Sortenschutz und Patentrechtsschutz von entscheidender Bedeutung.

    aa) Das Rechtsinstitut des Sortenschutzes ist historisch aus
dem technischen Verständnis des Patentrechts zu begreifen. In der
im 19. Jahrhundert breit einsetzenden Entwicklung der europäischen
Patentrechtssetzung stand der Gedanke der Förderung der industriell und
gewerblich anwendbaren Technik im Vordergrund. Zu diesem Zweck ermöglichte
das Patentrecht die zeitlich beschränkte Monopolisierung gewerblich
anwendbarer Lehren zum technischen Handeln mit "toter Materie". Verfahren
zur Behandlung von Lebewesen wurden nicht als zum Gebiet der Technik
gehörend betrachtet, da deren Erfolg nach damaliger Auffassung wesentlich
von der selbständigen, das heisst technisch nicht beherrschbaren Funktion
der lebenden Natur abhing und damit dem patentgemässen Erfordernis
der Wiederholbarkeit, der überschaubaren Kausalkette vom technischen
Einsatz zum angestrebten Erfolg, angesichts des mitwirkenden Zufalls
der naturgegebenen Aleatorik nicht genügte. Zum gleichen Ergebnis führte
die Entwicklung des Patentrechts in den Vereinigten Staaten von Amerika,
das nach der "Product-of-Nature-Doctrine" Naturerzeugnisse grundsätzlich
nicht als patentfähige Leistungen anerkannte. Zwar wurden in Europa wie in
Amerika in Durchbrechung dieser Grundsätze bereits im letzten Jahrhundert
Patente für die Züchtung von Hefen, später auch für Bakterien zur
Herstellung von Buthylalkohol und Aceton sowie für biologische Antibiotika
(Penicillin) erteilt, doch setzte die Diskussion über die Patentfähigkeit
von Pflanzenzüchtungen erst in den dreissiger Jahren dieses Jahrhunderts
ein. Diese mündete, im Bestreben, den technischen Erfindungsbegriff nicht
übermässig aufzuweichen, in einen eigenständigen Schutz von Züchterrechten
(vgl. zum Ganzen: BENKARD/BRUCHHAUSEN, Patentgesetz, 9. Aufl., N. 8 zu § 2
DPatG; STRAUS, Gewerblicher Rechtsschutz für biotechnologische Erfindungen,
S. 56 ff.; MOUFANG, Genetische Erfindungen im gewerblichen Rechtsschutz,
S. 81 ff.; STAMM, Biotechnologische Erfindungen, in Kernprobleme des
Patentrechts, S. 159 ff.). Folge dieser Gabelung des Rechtsschutzes ist
das Doppelschutzverbot, wie es in Art. 2 des UPOV Übereinkommens und in
Art. 1a PatG seinen Niederschlag gefunden hat.

    bb) Das Aufkommen der Gentechnologie hat die Beschäftigung mit
Organismen in den Bereich der Technik gerückt und dazu geführt, dass
der Grundsatz des Patentierungsausschlusses dogmatisch relativiert
wurde. Folge davon war eine weltweite Zunahme von Patenterteilungen
für biotechnologische Erfindungen und eine neu entfachte Diskussion
über die Rechtfertigung von Patentierungsausschlüssen im Sinne von
Art. 1a PatG und des Doppelschutzverbots (vgl. dazu VON PECHMANN,
Zum Problem des Schutzes gentechnologischer Erfindungen bei Pflanzen
durch Sortenschutz und/oder Patente, GRUR 1985, S. 717 ff.; STRAUS,
Pflanzenpatente und Sortenschutz - Friedliche Koexistenz -, GRUR 1993,
S. 794 ff.; DI CERBO, Die Patentierbarkeit von Tieren, GRUR Int. 1993, S.
399 ff.). Diese Entwicklung hat denn auch das Bundesamt für geistiges
Eigentum dazu veranlasst, im Jahre 1986 seine Prüfungsrichtlinien zu
Art. 1a PatG zu ändern (vgl. PMMBl 1986 I S. 36 ff.). In den geänderten
Richtlinien wird namentlich darauf hingewiesen, Art. 1a PatG sei als
Ausnahmebestimmung zur allgemeinen Regel von Art. 1 Abs. 1 PatG formuliert
und dementsprechend eng auszulegen. Sodann wird angekündigt, das Amt werde
zukünftig Erzeugnisansprüche zum Patent zulassen, die ganze Pflanzen oder
deren Vermehrungsmaterial beträfen, in denen aber keine Pflanzensorte
spezifiziert sei, das heisst die nur solche Merkmale enthielten, welche
für mehrere Sorten (z.B. für eine ganze Gattung) gälten. Zu diesen
Richtlinien ist hier festzuhalten, dass sie weder Gesetzeskraft haben
noch für rechtsanwendende Behörden verbindlich sind (vgl. BGE 120 II 137
E. 2b S. 139 mit Hinweisen). Davon abgesehen kommt ihnen im vorliegenden
Fall ohnehin keine Bedeutung zu, wie sich im folgenden zeigen wird.

    Der weitgehende Wegfall der technischen Hindernisse für die
Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen hat indessen zu einer
grundsätzlichen Diskussion auf neuer Grundlage geführt, indem der Bio-
und Gentechnologie zunehmend Einwände aus religiösen, ethischen oder
ökologischen Überlegungen entgegengesetzt werden (vgl. zit. Bericht des
EJPD, S. 7 und S. 27 ff.; GRÜTTER/PADRUTT, Patentierung von Lebewesen:
Kamille als Versuchsballon, Plädoyer 1994, S. 27 ff., insbes. S. 35). Zur
Zeit sind in der Schweiz verschiedene parlamentarische Vorstösse sowie
Gesetzesprojekte oder Anträge zum Beitritt zu internationalen Abkommen
hängig, welche diese Fragen betreffen (vgl. BBl 1994 IV 1 und 777 ff.:
Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum,
Art. 27 Ziff. 3; BBl 1993 III 706 ff. und 1989 III 232 ff.). Unter
diesen Umständen hat es die Vorinstanz zu Recht abgelehnt, bei ihrer
Entscheidfindung die divergierenden Meinungen in der einen oder andern
Richtung mitzuberücksichtigen. Sie ist vielmehr zutreffend davon
ausgegangen, die Gesetzesauslegung sei im vorliegenden Fall nach der
üblichen, auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers abstellenden Methode
vorzunehmen, da nicht eindeutig feststellbar ist, dass sich die Realien
seit dem Erlass der massgebenden Artikel des Patentgesetzes geändert haben
(vgl. dazu BGE 116 II 525 E. 2b S. 527 f.).

    d) Für den vorliegenden Fall von Bedeutung ist schliesslich Art. 8
Abs. 3 PatG, wonach sich das Recht aus einem Verfahrenspatent auch auf die
unmittelbaren Verfahrenserzeugnisse erstreckt. Die Vorinstanz verneint
für das hier streitige Patent die Möglichkeit eines solchen derivierten
Stoffschutzes mit der Hauptbegründung, der Patentierungsausschluss
für Pflanzensorten nach Art. 1a PatG gehe Art. 8 Abs. 3 PatG vor. Diese
Auffassung steht indessen im Widerspruch zu jener, welche der Bundesrat in
der Botschaft vom 16. August 1989 zur Änderung des Patentgesetzes vertreten
hat (BBl 1989 III 232 ff.). Dort (S. 252) wurde darauf hingewiesen,
der derivierte Stoffschutz komme auch dann in Frage, wenn das Erzeugnis
selbst nicht gültig patentiert werden könne, weil es zum Beispiel aufgrund
einer Sonderregel von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sei. Die Meinung
des Bundesrats stützt sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu
Art. 8 Abs. 3 PatG (Urteile vom 22. September 1970 und 24. Februar 1966,
abgedruckt in SMI 1971 S. 29 ff. und 1966 S. 133 f.).

    An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Nicht zu überzeugen
vermag der Einwand der Vorinstanz, die konsequente Anwendung der Praxis
führe zum Schutz von Erzeugnissen, die gemäss Art. 2 lit. a PatG wegen
Verstosses gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten von der
Patentierung ausgeschlossen seien. Damit wird verkannt, dass Art. 2
lit. a PatG nicht bloss Erzeugnisse, sondern ebenso Verfahren von der
Patentierung ausschliesst, deren Veröffentlichung oder Verwertung gegen die
öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstossen. Verfahrenspatente
beziehen sich ihrem Wesen nach auf die Herstellung von Erzeugnissen, auf
bestimmte Arbeitsvorgänge oder die Verwendung eines Stoffs. Geht es um
ein Herstellungsverfahren, führt dieses notwendigerweise zu einem näher
zu bezeichnenden Endprodukt. Widerspricht aber dessen Bekanntgabe oder
Verwendung der öffentlichen Ordnung oder den guten Sitten, so versteht sich
von selbst, dass auch das Herstellungsverfahren nicht patentierbar ist.

    Für den hier interessierenden Bereich stellt sich indessen
die zusätzliche Frage, ob dem derivierten Stoffschutz für eine
sortenspezifische Pflanze nicht das Doppelschutzverbot entgegenstehe. In
der Tat wird in der Literatur zum Teil die Auffassung vertreten, eine
Pflanzensorte könne als unmittelbares Erzeugnis eines patentierten
Züchtungsverfahrens nur geschützt werden, wenn sie auch selbständigen
Patentschutzes fähig wäre (vgl. MOUFANG, Genetische Erfindungen im
gewerblichen Rechtsschutz, S. 380 f.). Andere Autoren sind indessen,
im wesentlichen mit der gleichen Begründung, wie sie in der Botschaft
des Bundesrates vom 16. August 1989 angeführt wird, gegenteiliger
Meinung (vgl. VON PECHMANN, aaO, S. 723). Diese zweite Meinung
ist durchaus vereinbar mit dem Doppelschutzverbot, so wie es im
geltenden schweizerischen Recht durch die Abgrenzung zwischen Sorten-
und Patentschutz Ausdruck gefunden hat. Danach bildet Gegenstand des
Sortenschutzes dessen Wesen nach das Züchterrecht, das begrifflich an
biologische Verfahren anknüpft. Dem trägt das Recht der Verfahrenspatente
insoweit Rechnung, als mit dem Ausschluss der im wesentlichen biologischen
Verfahren zur Züchtung von Pflanzensorten vom Patentschutz (Art. 1a PatG)
verhindert werden soll, dass über Art. 8 Abs. 3 PatG ein Patentschutz der
Sorte selbst erreicht werden kann. Das schliesst indessen nicht aus, einem
patentfähigen biotechnologischen Verfahren den derivierten Stoffschutz
beizugeben. Dafür spricht denn auch, dass es kaum einen Sinn hätte,
dem Verfahren Patentschutz zu gewähren, dem damit gewonnenen Erzeugnis
dagegen patentrechtlichen Stoffschutz zu versagen. Wirtschaftliches
Ziel des Verfahrenspatents ist regelmässig das Verwertungsrecht über
das verfahrensgemässe Endprodukt. Zudem darf nicht übersehen werden,
dass sich der Sortenschutz auf alle Individuen einer konkreten und
homogenen Pflanzenmehrheit erstreckt (vgl. Art. 12 Sortenschutzgesetz),
der derivierte Stoffschutz aus einem Pflanzenzüchtungsverfahren dagegen
solche Benutzungshandlungen Dritter nicht berührt, die sich auf unabhängig
vom geschützten Verfahren erzeugte und vermehrte Individuen derselben
Pflanzenmehrheit beziehen. In diesem Sinne gewährt der derivierte
Stoffschutz nur einen eingeschränkten Patentschutz des Erzeugnisses. Damit
besteht keine Veranlassung, Pflanzenzüchtungen von der Rechtsprechung
zum derivierten Stoffschutz nicht selbständig patentierbarer Erzeugnisse
auszunehmen.

Erwägung 2

    2.- a) Aus den dargelegten Gründen schliesst das schweizerische Recht
die Erteilung eines Erzeugnispatents für eine Pflanzensorte aus. Und
zwar gilt das entgegen der Meinung der Beklagten unabhängig davon,
ob sie im Artenverzeichnis (Art. 4 Abs. 1 Sortenschutzverordnung; SR
232.161) aufgeführt ist oder nicht. Der Umstand, dass die Familie der
Korbblütler (Asteraceae) im Zeitpunkt der Patentanmeldung noch nicht in
das Artenverzeichnis aufgenommen worden war, sondern dies erst mit der
Änderung der Sortenschutzverordnung vom 11. Juni 1990 geschah (vgl. AS
1990 1030), ändert nichts an der Anwendbarkeit von Art. 1a PatG. Nach
schweizerischem Recht beschränkt sich der Patentierungsausschluss nicht
auf Sorten, die im Artenverzeichnis aufgezählt sind.

    Da sich die Rechtslage insoweit von jener in Deutschland unterscheidet,
kann nicht - im Sinne einer harmonisierten Auslegung staatsvertraglich
bestimmter nationaler Regelungen - auf die deutsche Rechtsprechung
zur Frage des Patentschutzes für die Kamillensorte "Manzana" abgestellt
werden (vgl. insbes. den Entscheid des BGH vom 30. März 1993, abgedruckt
in GRUR 1993, S. 651 ff.). Das deutsche Recht sah bis zum Jahre 1992
nur einen beschränkten Patentierungsausschluss von Pflanzensorten vor
(BENKARD/BRUCHHAUSEN, aaO, N. 8 zu § 2 DPatG). Der umfassende Schutz,
den das - im übrigen noch nicht endgültig bestätigte - deutsche Patent
der Kamillensorte "Manzana" für sich selbst und das Vermehrungsgut, für
das Herstellungsverfahren und die Verarbeitung sowie Verwendung als Droge
gewährt, erklärt sich denn auch im wesentlichen daraus, dass die Kamille im
deutschen Artenverzeichnis zum Sortenschutz nicht enthalten war (vgl. VON
PECHMANN, Ausschöpfung des bestehenden Patentrechts für Erfindungen auf
dem Gebiet der Pflanzen- und Tierzüchtungen unter Berücksichtigung des
Beschlusses des Bundesgerichtshofs-Tollwutvirus GRUR 1987, S. 476). Dass
der BGH sodann trotz des Doppelschutzverbots und des Umstands, dass für die
Kamillensorte "Manzana" in der früheren DDR bereits Sortenschutz gewährt
worden war, den Patentschutz nicht ausschloss, liegt in den Besonderheiten
der Rechtslage nach der deutschen Wiedervereinigung begründet (vgl. dazu
STRAUS, Pflanzenpatente und Sortenschutz - Friedliche Koexistenz -, GRUR
1993, S. 794) und vermag das schweizerische Recht nicht zu beeinflussen.

    b) Die Patentschrift der Beklagten nennt als Endprodukt der
zum Schutz beanspruchten Lehre zum technischen Handeln die "neue
Kamillensorte Manzana". Dazu wird im angefochtenen Urteil festgehalten,
dieses Erzeugnis erfülle die Kriterien an eine Pflanzensorte im
Sinne des Sortenschutzgesetzes und sei daher nach Art. 1a PatG nicht
patentierbar. Mit der Berufung werden - abgesehen vom soeben (E. 2a)
verworfenen Einwand - keine den Begründungsanforderungen von Art. 55
Abs. 1 lit. c OG gerecht werdenden Einwände gegen die Erwägungen
der Vorinstanz zur Frage der Sortenschutzfähigkeit vorgebracht. Eine
Verletzung von Bundesrecht durch die Vorinstanz ist denn auch insoweit
nicht ersichtlich, weshalb auch im bundesgerichtlichen Verfahren davon
auszugehen ist, die Kamillensorte "Manzana" sei als solche im Sinne von
Art. 1a PatG vom Patentschutz ausgeschlossen.

Erwägung 3

    3.- Die Vorinstanz ist aufgrund einer Auslegung der Patentansprüche zum
Ergebnis gekommen, die Beklagte beanspruche in erster Linie Patentschutz
für das Erzeugnis, das heisst die Kamillensorte "Manzana". Es handle
sich deshalb nicht um ein Verfahrens- sondern um ein Erzeugnispatent.
Daraus schliesst die Vorinstanz, dass Patentanspruch 4 als einziger
selbständiger Anspruch zu betrachten sei, von welchem die übrigen
Ansprüche abhingen; da Patentanspruch 4 aber wegen Verstosses gegen
Art. 1a PatG nichtig sei, gelte dies auch für die übrigen Ansprüche. Mit
der Berufung wird demgegenüber eingewendet, sowohl die Qualifikation als
Erzeugnispatent wie auch die Beurteilung des Verhältnisses zwischen den
einzelnen Patentansprüchen sei falsch und verletze Bundesrecht.

    Wie es sich damit verhält, kann letztlich offenbleiben, da sich im
folgenden zeigen wird, dass das Streitpatent aus anderen Gründen nichtig
ist. Immerhin ist anzumerken, dass die Auslegung der Vorinstanz eher
unzutreffend erscheint. Aus dem insoweit klaren Wortlaut ergibt sich
nämlich, dass das Patent einen unabhängigen und zwei davon abhängige
Verfahrensansprüche (Ansprüche 1-3), einen Erzeugnisanspruch (Anspruch
4) und zwei darauf bezügliche Verwendungsansprüche (Ansprüche 5 und 6)
umfasst. Die erstgenannten Ansprüche halten Verfahren und Erzeugnis in
eindeutiger Weise auseinander, betreffen allein den patentrechtlichen
Verfahrensschutz und definieren damit nicht bloss ein Erzeugnis
mittels des Herstellungsverfahrens. Es liegt deshalb kein sogenannter
"product-by-process claim" vor, der nach den Prüfungsrichtlinien des
Bundesamtes für geistiges Eigentum nicht zugelassen wird (vgl. dazu COMTE,
Die Schweiz und die internationale Harmonisierung des Patentrechts,
in: Kernprobleme des Patentrechts, S. 461 ff., S. 472 f.). Mit dem
Patentanspruch 4 wird sodann nicht Schutz für die Kamillensorte "Manzana"
schlechthin verlangt, sondern für Pflanzen oder Vermehrungsgut, das
aus einem Verfahren nach den Patentansprüchen 1-3 hergestellt wird. Der
Anspruch ist gemäss seiner Formulierung bloss im Lichte des derivierten
Stoffschutzes nach Art. 8 Abs. 3 PatG zu verstehen, hat mithin keine
selbständige, sondern lediglich deklaratorische Bedeutung (vgl. SMI 1971,
S. 29 ff.).

Erwägung 4

    4.- Vom Patentschutz ausgeschlossen sind gemäss Art. 1a PatG, der
wörtlich mit Art. 53 lit. b EPÜ übereinstimmt, im wesentlichen biologische
Verfahren zur Züchtung von Pflanzen. Nach früherer Auffassung war der
Begriff des "Biologischen" als Gegensatz zu jenem des "Technischen" zu
verstehen. Die Abgrenzung zwischen patentfähigen und nicht patentfähigen
Verfahren hing deshalb davon ab, in welchem Umfang von menschlicher Seite
technisch eingewirkt wurde (MOUFANG, Münchner Gemeinschaftskommentar
zum EPÜ, N. 110 zu Art. 53; STRAUS, Gewerblicher Rechtsschutz für
biotechnologische Erfindungen, S. 74 ff.). Nach dem heutigen Stand der
Wissenschaft ist dagegen die Annahme überholt, dass Technik und Biologie
in grundsätzlichem Gegensatz zueinander stehen. Als Abgrenzungskriterium
wird jetzt vielmehr der Wissenschaftsbereich betrachtet und deshalb auf
die naturwissenschaftliche Grenzziehung zwischen Biologie und Chemie
oder Physik abgestellt (MOUFANG, Münchner Gemeinschaftskommentar zum EPÜ,
N. 112 zu Art. 53). Diese Frage braucht indessen im vorliegenden Fall nicht
weiter untersucht zu werden, da sie den Entscheid über die Anwendbarkeit
von Art. 1a PatG nicht zu beeinflussen vermag.

    Die Vorinstanz ist zum Ergebnis gekommen, die in den Patentansprüchen
2 und 3 beschriebenen erfindungswesentlichen Verfahrensschritte seien
ihrem Wesen nach nicht der Biologie zuzuordnen; insoweit liege kein
Anwendungsfall der Ausnahmebestimmung von Art. 1a PatG vor. Dem kann
insoweit ohne Bedenken zugestimmt werden, als die im Patentanspruch
2 beschriebene Tetraploidisierung der Kamillensorte "DEGUMILL" mittels
Chemikalien, Bestrahlung, Temperaturschocks, Dekapitierungs-Kallus-Methode
oder Antherenkultur technische und nicht "im wesentlichen biologische"
Verfahren darstellen. Ob das auch für die in Patentanspruch 3 beschriebenen
selektiven Verfahrensschritte gilt, ist dagegen fraglich. Zwar hat der
deutsche Bundesgerichtshof in einem Entscheid vom 27. März 1969 (BGHZ 52,
S. 74, 84, "Rote Taube") Selektionen ausdrücklich als nicht biologische
Verfahrensschritte bezeichnet, doch gilt anderseits die Selektion
im Bereich der Pflanzenzüchtungen allgemein als nicht patentfähiges
Verfahren (MOUFANG, Münchner Gemeinschaftskommentar zum EPÜ, N. 107 zu
Art. 53; MOUFANG, Genetische Erfindungen im gewerblichen Rechtsschutz,
S. 195). Im vorliegenden Fall ist jedoch ausschlaggebend, dass bei
Patentanspruch 3 in seiner von Patentanspruch 2 abhängigen Form die
technischen Verfahrensschritte im Vordergrund stehen. Das genügt für
die Annahme, es handle sich nicht um ein im wesentlichen biologisches
Verfahren im Sinne von Art. 1a PatG.

Erwägung 5

    5.- Zu prüfen bleibt, ob die in den Patentansprüchen 1-3 sowie
5 und 6 beschriebenen Verfahren die übrigen Voraussetzungen des
Patentschutzes, insbesondere jene nach Art. 1 PatG, erfüllen. Nach
Auffassung der Vorinstanz ist das nicht der Fall. Im angefochtenen
Urteil wird dazu festgehalten, das zur Patentierung beanspruchte
Verfahren sei nicht erfinderisch, da es sich im massgebenden Zeitpunkt
in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben habe. Sowohl
die beschriebene Tetraploidisierung wie die ihr nachfolgenden Selektionen
seien für Kamillenpflanzen bekannt gewesen, und die gefundene Lösung einer
bestimmten Dosierung der Wirkstoffe habe dem Fachmann aus dem massgebenden
Wissensstand nahegelegen. Die beanspruchten positiven Eigenschaften des
verfahrensgemässen Erzeugnisses sodann seien bloss in der Beschreibung
genannt worden und daher für die Beurteilung der Erfindung untauglich;
überdies reichten sie auch für die Annahme einer Kombinationserfindung
nicht aus.

    Mit der Berufung wird auch insoweit an der Schutzfähigkeit des Patents
festgehalten. Die Beklagte wirft dem Handelsgericht vor, es habe verkannt,
dass das Streitpatent ein Analogieverfahren bzw. eine Kombinationserfindung
betreffe; zudem habe es bundesrechtswidrig bestimmte Eigenschaften des
Erzeugnisses unbeachtet gelassen und dadurch Art. 1 Abs. 2 PatG verletzt.

    a) Die Beklagte macht darüber hinaus geltend, die Ablehnung der
von beiden Parteiseiten beantragten Expertise durch die Vorinstanz habe
es verunmöglicht, den patenttechnisch relevanten Sachverhalt in jeder
Beziehung vollständig, richtig und widerspruchslos zu erfassen. Diese
Unterlassung könne, was sie anrege, gemäss Art. 67 OG vom Bundesgericht
von Amtes wegen nachgeholt werden.

    Art. 67 Ziff. 1 OG ermöglicht es dem Bundesgericht, unter bestimmten
Umständen (vgl. dazu BGE 120 II 312 E. 3b S. 315) die tatsächlichen
Feststellungen der kantonalen Instanz über technische Verhältnisse
von Amtes wegen zu überprüfen und zu diesem Zweck Beweismassnahmen
zu ergreifen, insbesondere einen Sachverständigen zu bestellen. Im
vorliegenden Fall besteht indessen keine Veranlassung, von Amtes wegen
zusätzliche Beweismassnahmen durchzuführen, da die technischen Einwände der
Beklagten richtig besehen nicht den Sachverhalt, sondern dessen Subsumtion
unter den Begriff des Naheliegens bzw. Nichtnaheliegens betreffen. Dabei
handelt es sich aber um eine Rechtsfrage, die nicht von einem technischen
Sachverständigen, sondern vom Bundesgericht zu beantworten ist.

    b) Der Bereich des Erfinderischen beginnt nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichts erst jenseits der Zone, die zwischen dem vorbekannten
Stand der Technik und dem liegt, was der durchschnittlich gut ausgebildete
Fachmann des einschlägigen Gebiets gestützt darauf mit seinem Wissen
und seinen Fähigkeiten weiterentwickeln und finden kann. Entscheidend
ist daher, ob ein solcher Fachmann nach all dem, was an Teillösungen
und Einzelbeiträgen den Stand der Technik ausmacht, schon mit geringer
geistiger Anstrengung auf die Lösung des Streitpatentes kommen kann oder
ob es dazu eines zusätzlichen schöpferischen Aufwandes bedarf. Diese
Anforderungen an die erfinderische Tätigkeit, welche das Patentgesetz mit
dem Begriff des Nichtnaheliegens umschreibt (Art. 1 Abs. 2 PatG), galten
im wesentlichen - damals unter dem Begriff der Erfindungshöhe - schon vor
der Revision des Patentgesetzes von 1978, mit der dieses harmonisiert,
das heisst an bestimmte internationale Übereinkommen, darunter das EPÜ,
angeglichen worden ist. Festzuhalten ist im übrigen, dass der deutsche
Ausdruck "naheliegend" diesen Sachverhalt sinnbildlicher umschreibt als
das in der französischen und italienischen Fassung von Art. 1 Abs. 2
PatG verwendete "évident" bzw. "evidente" oder das englische "obvious" in
Art. 56 EPÜ. Daher ist eine Lösung nicht bereits dann patentfähig, wenn
sie für einen Fachmann "nicht offensichtlich ist" oder "nicht klar auf
der Hand" liegt, sondern erst dann, wenn er sie auch aufgrund einfacher
Experimente im entsprechenden Forschungsbereich nicht zu finden vermag
(BGE 120 II 312 E. 4b S. 317, 71 E. 2 S. 72 f. je mit Hinweisen).

    c) Analogieverfahren, die im chemischen Bereich verbreitet sind,
liegen als solche dem Fachmann in der Regel nahe. Eine erfinderische
Tätigkeit kann sich aber daraus ergeben, dass das bis anhin unbekannte
Erzeugnis des Verfahrens Eigenschaften oder Wirkungen aufweist, die
in Anbetracht der zu bekannten Erzeugnissen analogen Konstitution nach
dem Stand der Wissenschaft zur Zeit der Anmeldung ihrer Art oder ihrem
Ausmass nach nicht oder nicht in gleichem Masse erwartet werden konnten,
sondern überraschend waren. Die Patentfähigkeit des Verfahrens wird von
den Eigenschaften des Endprodukts getragen (Urteil vom 10. November
1976, in SMI 1976, S. 171 ff. E. 3b; TROLLER, Immaterialgüterrecht,
Bd. I, 3. Aufl., S. 179 ff.). Allerdings ist zu beachten, dass diese
unerwartet vorteilhaften Eigenschaften des Erzeugnisses zwar bei der
Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit mitzuberücksichtigen sind, aber
bei Herstellungsverfahren nicht einfach an deren Stelle treten, das heisst
bei dieser Art von Erfindungen nicht ohne weiteres der erfinderischen
Tätigkeit gleichzusetzen sind. Vorhersehbare Ergebnisse, die bei der
Anwendung neuer Ausgangsstoffe oder erwartungsgemäss neuer Endprodukte des
Verfahrens erzielt werden, weisen daher auch ein neues Analogieverfahren
als naheliegend aus (BENKARD/BRUCHHAUSEN, aaO, N. 94a zu § 1 DPatG).

    Der Begriff der Kombinationserfindung kennzeichnet eine besondere
Grundlage für die Beurteilung des Nichtnaheliegens, indem die
erfinderische Tätigkeit das Zusammenwirken mehrerer Merkmale betrifft,
die für sich allein keine Erfindungen darzustellen brauchen. Geschützt
ist die erfinderische Verknüpfung verschiedener Merkmale, die
technisch-betriebliche, funktionelle Bestimmung der Elemente in der
Gesamtkombination und ihre Eignung gerade für diese. Die erfinderische
Tätigkeit muss bei vorbekannten Merkmalen folgerichtig in deren Verbindung
liegen, ihre Zusammenfassung muss eine neue Anweisung geben. Das ist - wie
bei allen Erfindungen - zu verneinen, falls bereits der durchschnittlich
gut ausgebildete Fachmann aufgrund seines Fachkönnens die bekannten
Merkmale zu der beschriebenen Kombination vereinigen kann. Trifft dies
zu, so liegt die Kombination nahe. Sie gehört damit zum freien Stand der
Technik und ist deshalb dem Patentschutz entzogen. Mithin bestimmt auch im
Kombinationsbereich das Kriterium des Naheliegens bzw. Nichtnaheliegens
die erfinderische Tätigkeit, ohne dass allerdings darüber hinaus ein von
den kompilierten Merkmalen qualitativ verschiedenes Ergebnis oder ein die
Summe der Einzelwirkungen übersteigender Synergieeffekt erforderlich ist
(BGE 120 II 312 E. 4a S. 316 f. mit Hinweisen).

    d) Gemäss Patentschrift liegt der beanspruchten Erfindung die
Aufgabe zugrunde, eine neue Kamillensorte mit verbesserten Eigenschaften,
insbesondere einem erhöhten Gehalt an (-)-a-Bisabolol und einer besonderen
Widerstandskraft der Pflanzen gegen Fremdbestäubung durch die natürlich
vorkommenden Kamillenpopulationen (Wildkamille) herzustellen. Die in den
Patentansprüchen beschriebene Lösung der Aufgabe liegt in der Kombination
einer Tetraploidisierung der diploiden Kamillensorte "DEGUMILL" mit
nachfolgenden Selektions- und Vermehrungsschritten.

    aa) Nach den Feststellungen der Vorinstanz war das Polyploidisieren
(Vervielfachen des Chromosomensatzes) von Pflanzen, insbesondere auch das
Tetraploidisieren (Verdoppeln eines bereits diploiden, zweifach vorhandenen
Chromosomensatzes) im Prioritätszeitpunkt vorbekannt. In diesem Verfahren
liegt deshalb nichts Erfinderisches, was die Beklagte im übrigen selbst
anerkennt. Gleiches gilt für die in Patentanspruch 3 beschriebene
Selektion der tetraploidisierten Pflanzen nach Wirkstoffgehalt. Dass
sodann eine Kombination der beiden Verfahrensschritte dem Fachmann
grundsätzlich nahelag, bedarf keiner besonderen Erörterung. Die
erforderliche erfinderische Tätigkeit könnte demnach einzig in der Wahl
des Ausgangsmaterials oder in überraschenden Eigenschaften des Endprodukts
liegen.

    Die Patentschrift selbst nennt eine Reihe vorbekannter tetraploider
Kamillensorten, die allerdings einen geringeren (-)-a-Bisabolol-Gehalt
aufweisen als jener, der mit dem patentgemässen Verfahren erreicht
werden soll. Es lag denn auch durchaus nahe, eine Sorte mit höherem
Wirkstoffgehalt dadurch zu züchten, dass eine diploide Kamillensorte mit
grossem (-)-a-Bisabolol-Gehalt durch Tetraploidisierung weiterentwickelt
wurde, zumal einer der beiden in der Patentschrift genannten Erfinder,
Chlodwig Franz, ein solches Vorgehen bereits in seiner 1981 erschienen
Habilitationsschrift angeregt hatte. Eine erfinderische Leistung kann
demnach auch nicht in der Wahl des Ausgangsmaterials erblickt werden.

    bb) Die Beklagte macht weiter geltend, die überraschenden Eigenschaften
des Endproduktes wiesen das Verfahren als nicht naheliegend aus. Als
vorteilhafte Eigenschaften der Kamillensorte "Manzana" nennt sie deren
gleichmässigen Wuchs mit grundständiger Verzweigung und vielen Blüten,
den einheitlichen Blühtermin, die grossen Blütenköpfchen in einer Ebene,
die geringe Grusbildung sowie den hohen Gehalt an Chamazulen und Bisabolol
bei unverändertem Oxidgehalt. Das Handelsgericht will diese Eigenschaften
indessen nur insoweit berücksichtigen, als sie in den Patentansprüchen
selbst und nicht lediglich in der Patentbeschreibung aufgeführt sind. Davon
abgesehen fehlt nach seiner Meinung aber auch insoweit eine erfinderische
Leistung.

    Im Ergebnis kann der Vorinstanz zugestimmt werden. Die Begründung ist
dagegen insoweit zu korrigieren, als damit prinzipiell verlangt wird,
die erfinderische Tätigkeit müsse in den Patentansprüchen umschrieben
sein. Zwar ist richtig, dass die Erfindung in den Patentansprüchen
zu definieren ist und diese den sachlichen Geltungsbereich des Patents
bestimmen (Art. 51 Abs. 1 und 2 PatG). Doch wird damit bloss das Fundament
des Rechtsschutzes umschrieben. In den Schutz der Erfindung darf nichts
hineininterpretiert werden, was nicht in den objektiv, das heisst
mit Hilfe der Beschreibung und der Zeichnungen (Art. 51 Abs. 3 PatG),
ausgelegten Ansprüchen enthalten ist. Patentierungsvoraussetzungen
und Schutzbereich sind auseinanderzuhalten. Jene begründen den
Rechtsschutz, dieser begrenzt ihn sachlich. Die Patentansprüche aber
stehen im Dienste des Schutzbereichs. Sie sollen das Schutzbegehren,
und nur dieses umschreiben. Das Definitionsgebot nach Art. 51 Abs. 1
PatG erschöpft sich darin, die unter Schutz gestellte Erfindung klar
zu umschreiben. Die Erfindung als solche zu offenbaren, ist demgegenüber
Gegenstand der Patentanmeldung (Art. 50 PatG) und der daraus hervorgehenden
Patentschrift als Ganzes. Im übrigen ist nicht erforderlich, dass daraus
auch die gesamte Tragweite des Erfindungsgedankens erkennbar ist, muss
sie doch selbst vom Erfinder nicht in vollem Umfang erfasst worden sein
(BGE 64 II 392 ff. E. 2c). Das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit
lässt sich somit nicht bereits mit der Begründung verneinen, sie sei in
den Patentansprüchen nicht oder nicht hinreichend offenbart.

    Die Erfindung ist schöpferische Tätigkeit auf technischem
Gebiet. Patentwürdig wird sie erst dann, wenn sie den normalen
Weg der ständigen Weiterentwicklung verlässt und neue Wege geht,
die einer schöpferischen Leistung entspringen. Die handwerksmässige
oder fachmännische Weiterentwicklung der Technik genügt hierzu nicht,
ebensowenig, was mit den normalen Fähigkeiten eines Praktikers erreicht
werden kann (BENKARD/BRUCHHAUSEN, aaO, N. 2 zu § 4 PatG). Das gilt auch
für den sogenannten Überraschungseffekt. Zwar ist dieser oft ein Indiz
dafür, dass eine neue Lehre nicht nahelag, doch ist auch er am Massstab
der Voraussehbarkeit zu messen. Lag dem Fachmann die Erfolgserwartung
aufgrund des allgemeinen Wissensstandes nahe, ist die sie bestätigende
Lehre nicht erfinderisch. Im Lichte dieser Kriterien aber kann dem
Handelsgericht keine Bundesrechtsverletzung vorgeworfen werden, wenn
es die beschriebenen Verfahrensschritte einerseits im einzelnen und
anderseits in ihrer Kombination nicht als erfinderisch gewertet hat. Die
Vorteile der Tetraploidisierung mit jenen einer Selektion nach Wirkstoffen
zu kombinieren, lag dem fachmännischen Pflanzenzüchter nahe, da die
beschriebene Lösung der gestellten Aufgabe im pragmatischen Versuch nach
Massgabe der bekannten Vorgaben vorauszusehen war. Die Nichtigerklärung
des Verfahrenspatents durch die Vorinstanz ist aus diesen Gründen
bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

    e) Die Beklagte macht mit der Berufung nicht geltend, die
Verwendungsansprüche (Patentansprüche 5 und 6) seien selbständig
patentierbar. Insoweit ist der angefochtene Entscheid nicht zu überprüfen
(Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; vgl. dazu BGE 116 II 745 E. 3 S. 748 f.).