Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 V 74



120 V 74

10. Urteil vom 21. Februar 1994 in Sachen L. gegen Kantonale
Arbeitslosenkasse Nidwalden und Kantonsgericht Nidwalden Regeste

    Art. 17 und 30 Abs. 1 lit. c AVIG, Art. 20 Abs. 1 AVIV.

    - Die Auflage an einen Versicherten, die erfolgten Stellenbewerbungen
auf dem Formular "Nachweis der persönlichen Arbeitsbemühungen"
nicht mittels Firmenstempel, sondern handschriftlich nachzuweisen,
verbunden mit der generellen Androhung, dass er widrigenfalls in der
Anspruchsberechtigung eingestellt werde, verletzt Bundesrecht (Erw. 3).

    - Ob das blosse Anbringen von Firmenstempeln auf dem Nachweisformular
mit dem Erfordernis der Qualität der Stellenbewerbungen vereinbar ist,
beurteilt sich aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Der 1929 geborene L. war seit 1982 als Hilfsarbeiter in
der Autogarage E. tätig. Am 30. September 1991 löste die Firma
dieses Arbeitsverhältnis wegen Arbeitsmangels auf Ende November
1991 auf. Am 3. Dezember 1991 stellte L. bei der Arbeitslosenkasse
Nidwalden Antrag auf Arbeitslosenentschädigung und erfüllte ab diesem
Datum die Kontrollpflicht. Mit Schreiben vom 24. Februar 1992 wies ihn
das Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) Nidwalden
unter anderem darauf hin, das Formular "Nachweis der persönlichen
Arbeitsbemühungen" bei der Stellensuche nicht durch den Arbeitgeber
mittels Firmenstempel bescheinigen zu lassen. Anzugeben seien jeweils der
Name der Kontaktperson, die Telefonnummer sowie der Firmenname; im Falle
ungenügender Arbeitsbemühungen müsste er von Gesetzes wegen vorübergehend
in der Anspruchsberechtigung eingestellt werden.

    Nachdem L. für den Monat Mai 1992 auf der Kontrollkarte einzig
neun Firmenstempel als persönliche Arbeitsbemühungen nachweisen konnte,
verfügte die Arbeitslosenkasse am 3. Juni 1992 die Einstellung in der
Anspruchsberechtigung für elf Tage. Die Verfügung enthielt zudem den
Vermerk, dass dem Versicherten die Vermittlungsfähigkeit abgesprochen
werden müsste, falls er weiterhin nur Firmenstempel als Arbeitsnachweis
einreiche.

    B.- In teilweiser Gutheissung der hiegegen eingereichten Beschwerde
setzte das Kantonsgericht Nidwalden die Einstellungsdauer unter Annahme
eines leichten Verschuldens von elf auf fünf Tage herab (Entscheid vom
14. Januar 1993).

    C.- L. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und sinngemäss
beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sowie die Kassenverfügung
vom 3. Juni 1992 seien aufzuheben. Auf die Begründung wird, soweit
erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.

    Während das kantonale Amt auf eine Vernehmlassung verzichtet, trägt
das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an.

Auszug aus den Erwägungen:

      Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Kognition)

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 17 Abs. 1 AVIG muss der Versicherte, unterstützt durch
das Arbeitsamt, alles Zumutbare unternehmen, um Arbeitslosigkeit zu
vermeiden oder zu verkürzen. Insbesondere ist es seine Sache, Arbeit zu
suchen, wenn nötig auch ausserhalb seines bisherigen Berufes. Er muss
seine Bemühungen nachweisen können. Gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. c AVIG
ist der Versicherte in der Anspruchsberechtigung einzustellen, wenn er
sich persönlich nicht genügend um zumutbare Arbeit bemüht.

    Bei der Beurteilung der Frage, ob sich ein Versicherter genügend um
zumutbare Arbeit bemüht hat, ist nicht nur die Quantität, sondern auch
die Qualität seiner Bewerbungen von Bedeutung (BGE 112 V 217 Erw. 1b
mit Hinweisen).

Erwägung 3

    3.- Im vorliegenden Fall ist zu Recht unbestritten, dass sich der
Beschwerdeführer in quantitativer Hinsicht genügend um zumutbare Arbeit
bemüht hat. Streitig und zu prüfen ist dagegen, ob die Angabe der im
Rahmen der Stellensuche kontaktierten Arbeitgeber im Formular "Nachweis
der persönlichen Arbeitsbemühungen" handschriftlich erfolgen muss oder
ob hiezu der Eintrag eines Firmenstempels genügt.

    a) Gemäss Art. 17 Abs. 1 letzter Satz AVIG muss der Versicherte
seine Bemühungen bezüglich der Arbeitssuche nachweisen können. Er hat
sich am ersten Tag, für den er Arbeitslosenentschädigung beansprucht,
persönlich beim Arbeitsamt seines Wohnortes zur Arbeitsvermittlung
zu melden und von da an die Kontrollvorschriften des Bundesrates zu
befolgen (Abs. 2). Gestützt auf diese Delegationsnorm hat der Bundesrat
in Art. 20 Abs. 1 AVIV bestimmt, dass der Versicherte der Kasse für jede
Kontrollperiode mit dem Kontrollausweis schriftliche Angaben über seine
Bemühungen um Arbeit einreichen muss.

    Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, von welchem bei der Auslegung
in erster Linie auszugehen ist (BGE 118 Ib 191 Erw. 5a, 452 Erw. 3c,
118 II 342 Erw. 3e, 117 Ia 331 Erw. 3a, 117 III 45 Erw. 1, 117 V 5
Erw. 5a und 109 Erw. 5b, je mit Hinweisen; IMBODEN/RHINOW/KRÄHENMANN,
Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Nr. 21 B IV), muss der
Eintrag im Nachweisformular weder handschriftlich noch gar eigenhändig
erfolgen. Schon nach dem allgemeinen Verständnis hinsichtlich
der einfachen Schriftlichkeit bedarf es zur Erfüllung dieser Form
keiner handschriftlichen oder eigenhändigen Abfassung der Angaben im
Nachweisformular. Es genügt vielmehr, dass der Erklärungsinhalt in
Schriftzeichen auf einem Erklärungsträger aufgezeichnet und dauerhaft
festgehalten wird. Gleichgültig ist die Schriftart und das verwendete
Schreibgerät, sofern nur die dauerhafte Verkörperung gewährleistet
ist. Insbesondere können auch Formulare und Vordrucke verwendet werden
(vgl. HONSELL/VOGT/WIEGAND, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht,
Obligationenrecht, Bd. I, N. 3 f. zu Art. 13 OR). Diesen Anforderungen
genügt auch ein Stempel, mit welchem eine auf einem Formular gewünschte
Angabe angebracht wird. Damit aber bieten die Kontrollvorschriften der
Art. 17 AVIG und 20 Abs. 2 AVIV keine Handhabe für eine Einstellung in der
Anspruchsberechtigung, wenn ein Versicherter entgegen der Auflage einer
Arbeitslosenkasse die Angaben über die Firma und deren Adresse im Formular
"Nachweis der persönlichen Arbeitsbemühungen" nicht handschriftlich,
sondern mittels eines Firmenstempels anbringt.

    b) Die Arbeitslosenkasse wirft denn auch dem Beschwerdeführer zu Recht
nicht eine Verletzung bundesrechtlicher Kontrollvorschriften vor. Vielmehr
begründet sie die verfügte Einstellung damit, dass er den ihm mit Schreiben
vom 24. Februar 1992 gesetzten Auflagen nicht nachgekommen sei. Das
blosse Anbringen von Firmenstempeln auf dem Nachweisformular sei mit dem
Erfordernis der Qualität der Stellenbewerbungen nicht vereinbar. Zudem
könnten durch diese Auflage immer mehr Versicherte erfolgreich
davon abgehalten werden, in den Betrieben Stempel zu sammeln. Dieser
"Stempeltourismus" werde vom Arbeitgeber nicht gewünscht, und die
Firmenstempel würden gegeben, um die teils hartnäckigen Versicherten
loszuwerden. Das kantonale Gericht hat sich dieser Argumentation
angeschlossen und führte sinngemäss ergänzend aus, dass im Interesse der
einzelnen Arbeitslosen eine seriöse, eingehende Arbeitssuche verlangt
werden müsse. Deshalb dürften sich die Versicherten nicht einfach damit
begnügen, sich von Arbeitgebern Firmenstempel geben zu lassen.

    c) Der Betrachtungsweise von Verwaltung und Vorinstanz kann in dieser
allgemein gehaltenen Form nicht gefolgt werden. Nicht durchzudringen
vermag insbesondere das Argument, dass man den Arbeitgeber vor dem sog.
"Stempeltourismus" schützen wolle. Die schriftlichen Angaben, die von
einem Versicherten verlangt werden, sollen die Verwaltung einzig in
die Lage versetzen, die Quantität und Qualität der Anstrengungen zur
Überwindung der Arbeitslosigkeit umfassend abzuklären und zu würdigen. Es
geht nicht an, mit solchen, von Gesetz und Verordnung nicht vorgesehenen
Formvorschriften weitere Nebenzwecke zu verfolgen, die mit dem Nachweis
genügender Bemühungen um zumutbare Arbeit nichts zu tun haben. Namentlich
dürfen solche Formvorschriften nicht dazu dienen, die Arbeitgeber vor
(hartnäckigen) Stellenbewerbungen zu bewahren. Es ist kein Arbeitgeber
verpflichtet, das Formular "Nachweis der persönlichen Arbeitsbemühungen"
anstelle des Versicherten auszufüllen. Es steht jedem Betriebsinhaber
frei, ob er auf entsprechendes Ansinnen des Versicherten das Formular,
sei es auch nur mittels Anbringen eines Stempels, ausfüllen will. Wenn
die Verwaltung diese Praxis nicht wünscht, bleibt es ihr unbenommen,
die Arbeitgeber mittels Rundschreiben anzuhalten, die Formulare
inskünftig nicht mehr selber auszufüllen, insbesondere auch nicht mit
Stempelaufdrucken. Es geht jedoch nicht an, den Versicherten derartige
Auflagen zu machen und an deren Nichtbefolgung generell die Sanktion der
Einstellung in der Anspruchsberechtigung zu knüpfen.

    Ein solches Vorgehen lässt sich auch nicht mit Sinn und Zweck
des Formulars begründen. Mit dem Stempelaufdruck wird zuhanden der
Arbeitslosenkasse zumindest belegt, dass der Versicherte persönlich beim
betreffenden Arbeitgeber vorgesprochen und um eine Stelle nachgefragt
hat. Diese schriftliche Feststellung kann unter Umständen aussagekräftiger
sein als eine in jedem Fall schwieriger nachzuprüfende handschriftliche
Eintragung des Versicherten. Wenn kantonales Amt und Vorinstanz sich
in dieser Beziehung zusätzlich noch auf den Schutz des Arbeitgebers vor
hartnäckigen Stellenbewerbern berufen, muss dem entgegengehalten werden,
dass es aus alv-rechtlicher Sicht ja gerade erwünscht ist, dass sich
der Arbeitslose energisch und gegebenenfalls auch mit einer gewissen
Hartnäckigkeit um eine Stelle bemüht.

Erwägung 4

    4.- a) Bei der Beurteilung der Frage, ob die ausgewiesenen
Arbeitsbemühungen in qualitativer Hinsicht genügen, sind nach den
zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz auch die persönlichen Umstände und
Möglichkeiten des Versicherten wie Alter, Schul- und Berufsausbildung sowie
die Usanzen des für den Versicherten in Betracht fallenden Arbeitsmarktes
zu berücksichtigen (vgl. Rz. 97 f. des Kreisschreibens des BIGA über
die Arbeitslosenentschädigung in der seit 1. Januar 1992 gültigen
Fassung). Dies hat auch bezüglich der Anforderungen zu gelten, die an den
schriftlichen Nachweis der persönlichen Arbeitsbemühungen gestellt werden.

    b) Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen über 63jährigen
Mann, der keine Berufsausbildung genossen hat, Zeit seines Lebens als
Hilfsarbeiter tätig war und auch von der Schulbildung her zu keiner anderen
als zu einer Hilfsarbeit fähig ist. Zudem verfügt er nur über ungenügende
Kenntnisse der deutschen Sprache. Nach den glaubwürdigen Darlegungen
in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gestalten sich die Bewerbungen um
eine Hilfsarbeiterstelle äusserst einfach und erfordern regelmässig keine
grossen Abklärungen von seiten des Arbeitgebers. In vielen Fällen finde
überhaupt kein oder nur ein sehr kurzes Anstellungsgespräch statt, und
es würde ihm jeweils schon auf kurze Ansprache hin eröffnet, dass keine
Stelle frei sei.

    Bei dieser Sachlage und unter Berücksichtigung der sprachlichen
Schwierigkeiten muss es genügen, wenn im Formular "Nachweis der
persönlichen Arbeitsbemühungen" der Eintrag vom angefragten Arbeitgeber
angebracht wird, auch wenn er mit einem Firmenstempel erfolgt. Es käme
einem durch kein schutzwürdiges Interesse gerechtfertigten überspitzten
Formalismus (vgl. BGE 118 V 315 unten f., 116 V 358 Erw. 3b mit
Hinweisen) gleich, in Fällen wie dem vorliegenden vom Versicherten eine
handschriftliche Angabe seiner Arbeitsbemühungen zu verlangen. Denn es
ist nicht einzusehen, was im Hinblick auf die qualitative Beurteilung
der Arbeitsbemühungen des Beschwerdeführers gewonnen werden könnte, wenn
man von ihm verlangt, die entsprechenden Einträge selber handschriftlich
vorzunehmen. Zudem kann dem Nachweisformular für den Monat Mai 1992
entnommen werden, dass die Arbeitgeber darin nicht nur ihren Firmenstempel
angebracht, sondern in den meisten Fällen zugleich das Ergebnis
der Stellenbemühungen festgehalten haben. Solchen Eintragungen kommt
aber im Vergleich zu den vom Versicherten handschriftlich angebrachten
mindestens dieselbe, wenn nicht gar eine erhöhte Aussagekraft zu. An diesem
Ergebnis vermag der Umstand, dass der Beschwerdeführer versucht hat, die
Eintragungen für die Kontrollperiode Juli 1992 selber vorzunehmen, nichts
zu ändern. Dies um so mehr, als es sich bei den entsprechenden, von der
Arbeitslosenkasse als rechtsgenüglich anerkannten Stellenbewerbungen
ausnahmslos um telefonische Anfragen handelt, welche naturgemäss
schwieriger zu überprüfen sind. Schliesslich ist darauf hinzuweisen,
dass der Beschwerdeführer auch die übrigen Nachweisformulare kaum je
selber ausgefüllt hat. Diesbezüglich macht der Beschwerdeführer zu
Recht geltend, dass es auf der Basis der erwähnten Kontrollvorschriften
einem Betriebsinhaber immer unbenommen bleibt, einem unbeholfenen
Stellensuchenden einen Dienst zu erweisen und diesem beim Ausfüllen des
Formulars behilflich zu sein.

    c) Nach dem Gesagten ist die vorinstanzlich bestätigte
Einstellungsverfügung aufzuheben mit der Feststellung, dass der
Beschwerdeführer für den Monat Mai 1992 Anspruch auf die volle
Arbeitslosenentschädigung hat.