Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 V 455



120 V 455

64. Urteil vom 28. November 1994 i.S. R., Beschwerdeführer, gegen
Artisana Kranken- und Unfallversicherung und Verwaltungsgericht des
Kantons Bern Regeste

    Art. 1 Abs. 2, Art. 3 Abs. 3, Art. 28 und 33 KUVG, Art. 1
Abs. 1 des Bundesbeschlusses über befristete Massnahmen gegen die
Entsolidarisierung in der Krankenversicherung, Art. 1 ff. Verordnung
IX über die Krankenversicherung betreffend den Risikoausgleich unter
den Krankenkassen. Da bereits der Bundesbeschluss in Art. 1 Abs. 1 den
Grundsatz des vollen Risikoausgleichs statuiert, ist die Verordnung IX
nicht gesetz- und verfassungswidrig, wenn diese die von einer Krankenkasse
zu leistenden Ausgleichszahlungen nicht auf die Höhe der Bundesbeiträge
begrenzt.

Sachverhalt

    A.- R. ist Mitglied der Artisana Kranken- und
Unfallversicherung. Nachdem ihm der Versicherungsausweis mit den für das
Jahr 1993 gültigen Versicherungsprämien zugestellt worden war, teilte er
seiner Krankenkasse mit Schreiben vom 21. Dezember 1992 mit, er akzeptiere
lediglich die Prämienerhöhung, welche durch die Kostensteigerung bedingt
sei. Er sei jedoch nicht dazu bereit, dass die erhöhten Prämien zur
Zahlung des Risikoausgleichs an die anderen Krankenkassen verwendet
würden. Entsprechend verlange er, dass seine Versicherungsprämien um
die Höhe jenes Teils reduziert werden, welcher durch den Risikoausgleich
bedingt sei. Mit Verfügung vom 6. Januar 1993 lehnte die Krankenkasse
das Ansinnen des R. ab.

    B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern mit Entscheid vom 15. März 1993 ab, soweit es darauf eintrat.

    C.- R. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der
vorinstanzliche Entscheid und die Verfügung der Krankenkasse seien
aufzuheben. Mittels superprovisorischer Verfügung sei der Krankenkasse zu
untersagen, bis zum Ende des laufenden Verfahrens Risikoausgleichszahlungen
auszurichten; insbesondere sei ihr zu untersagen, die am 31. März
1993 fällig werdende Teilzahlung in der Höhe von rund 10 Mio. Franken
auszurichten.

    Die Krankenkasse stellt den Antrag, es sei auf die Beschwerde
einzutreten und die Verfassungs- und Gesetzmässigkeit der Verordnung
IX über die Krankenversicherung betreffend den Risikoausgleich unter
den Krankenkassen zu überprüfen. Insbesondere sei festzustellen, dass
Risikoausgleichszahlungen einer bestimmten Krankenkasse für ein bestimmtes
Geschäftsjahr nicht höher ausfallen können als die diesem Geschäftsjahr
entsprechenden Bundesbeiträge.

    Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) schliesst auf Abweisung
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne.

    D.- Mit Verfügung vom 7. April 1993 wurde das Gesuch des R. um Erlass
vorsorglicher Massnahmen abgewiesen.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Das BSV wirft in seiner Vernehmlassung die Frage auf, ob die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Hinblick auf Art. 129 Abs. 1 lit. b OG
überhaupt zulässig sei.

    Gemäss Art. 129 Abs. 1 lit. b OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
unzulässig gegen Verfügungen über Tarife. Die Prämientarife
von Krankenkassen sind Tarife im Sinne dieser Bestimmung (BGE
112 V 287 Erw. 3 und 293 Erw. 1). Nach der Rechtsprechung ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde allerdings nur unzulässig gegen Verfügungen,
welche den Erlass oder die Genehmigung eines Tarifes als Ganzes zum
Gegenstand haben oder wenn unmittelbar einzelne Tarifbestimmungen
als solche angefochten werden. Entscheidend dafür ist, dass die
Gesichtspunkte, welche der Strukturierung eines Tarifs zugrunde liegen,
als nicht oder schwer justiziabel betrachtet werden. Hingegen steht die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen gegen Verfügungen, welche in Anwendung
eines Tarifs im Einzelfall ergangen sind; dabei kann das Gericht zwar nicht
den Tarif als Ganzes mit all seinen Positionen und in ihrem gegenseitigen
Verhältnis auf die Gesetzmässigkeit hin überprüfen, wohl aber kann es
die konkret angewandte Tarifposition ausser acht lassen, wenn sie sich
als gesetzwidrig erweist (BGE 116 V 133 Erw. 2a mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 119 V 323 Erw. 2).

    Der Beschwerdeführer ficht die Prämienverfügung für das Jahr
1993 an. Es handelt sich somit um eine Prämienverfügung, welche
in Anwendung eines Tarifs im Einzelfall ergangen ist. Auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist demzufolge einzutreten (BGE 120 V 47).

Erwägung 2

    2.- a) Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die
Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat
das Eidg. Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche
Richter Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder
Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt
offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung
mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

    b) Nach der Rechtsprechung kann das Eidg. Versicherungsgericht
Verordnungen des Bundesrates grundsätzlich, von hier nicht in Betracht
fallenden Ausnahmen abgesehen, auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Bei
(unselbständigen) Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation
stützen, prüft es, ob sie sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz
eingeräumten Befugnisse halten. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche
Delegation ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung
auf Verordnungsebene eingeräumt, muss sich das Gericht auf die Prüfung
beschränken, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften offensichtlich aus
dem Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen herausfallen
oder aus andern Gründen verfassungs- oder gesetzwidrig sind. Es kann
jedoch sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle desjenigen des Bundesrates
setzen und es hat auch nicht die Zweckmässigkeit zu untersuchen. Die vom
Bundesrat verordnete Regelung verstösst allerdings dann gegen Art. 4 BV,
wenn sie sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt, wenn sie sinn-
oder zwecklos ist oder wenn sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für
die sich ein vernünftiger Grund nicht finden lässt. Gleiches gilt, wenn die
Verordnung es unterlässt, Unterscheidungen zu treffen, die richtigerweise
hätten berücksichtigt werden sollen (BGE 118 V 225 Erw. 2b mit Hinweis;
vgl. auch BGE 118 Ib 538 Erw. 1).

Erwägung 3

    3.- Laut Art. 1 des Bundesbeschlusses über befristete Massnahmen
gegen die Entsolidarisierung in der Krankenversicherung vom 13.
Dezember 1991 (nachfolgend: Bundesbeschluss) müssen Krankenkassen,
denen im Vergleich zum Durchschnitt aller Krankenkassen als Mitglieder
weniger Frauen und ältere Personen angehören, zugunsten von Kassen
mit überdurchschnittlich vielen Frauen und älteren Personen Abgaben
entrichten, welche die durchschnittlichen Kostenunterschiede zwischen den
massgebenden Risikogruppen in vollem Umfang ausgleichen (Abs. 1; ebenso
die französische und italienische Fassung: "une contribution destinée à
compenser entièrement les différences moyennes de frais entre les groupes
de risques déterminants"; "contributi destinati a compensare interamente
le differenze medie dei costi tra i gruppi a rischio determinanti"). Die
Krankenkassen regeln gemeinsam unter Vorbehalt der Zustimmung des
Bundesrates den Risikoausgleich. Sie umschreiben die massgebenden
Risikogruppen und übertragen die Durchführung des Risikoausgleichs
einer geeigneten Institution. Der Ausgleich wird auf kantonaler Ebene
vorgenommen. Können sich die Krankenkassen bis zum 30. April 1992 nicht
einigen, so erlässt der Bundesrat die nötigen Bestimmungen (Abs. 2).

    Gestützt auf diesen Bundesbeschluss erliess der Bundesrat am 31. August
1992 (teilweise geändert am 14. Juni 1993) die Verordnung IX über die
Krankenversicherung betreffend den Risikoausgleich unter den Krankenkassen
(nachfolgend: Vo IX). Dem Risikoausgleich unterstehen laut Art. 2 Vo IX
alle anerkannten Krankenkassen, welche die Krankenpflegeversicherung
betreiben; der Risikoausgleich gilt für die Grundversicherung für
Krankenpflege und umfasst die Einzel- und Kollektivversicherung sowie
die besonderen Versicherungsformen gemäss den Art. 23-23quater der
Verordnung V vom 2. Februar 1965 (Art. 2 Vo IX). Für die Durchführung des
Risikoausgleichs legt Art. 3 Vo IX verschiedene Risikogruppen fest, wobei
die Zuteilung aufgrund der Geburtsjahre der Versicherten erfolgt. Jede
Kasse erhält dabei für jedes Mitglied bestimmter Risikogruppen einen
Ausgleichsbeitrag gutgeschrieben. Dieser entspricht der Differenz
der durchschnittlichen Kosten pro Versicherten in jeder Risikogruppe
innerhalb eines Kantons (Art. 4 Vo IX). Jede Kasse schuldet für jedes
Mitglied eine Risikoabgabe. Die Abgaben sind für alle Versicherten eines
Kantons gleich hoch. Die Abgaben sind so zu bemessen, dass dadurch die
Finanzierung der Ausgleichsbeiträge gesichert und die anderen mit der
Durchführung des Risikoausgleichs verbundenen Kosten gedeckt sind (Art. 5
Vo IX). Übersteigen bei einer Kasse in einem Kanton die Ausgleichsbeiträge
die Risikoabgaben, so erhält die Kasse den Differenzbetrag aus dem
Risikoausgleich. Übersteigen bei einer Kasse in einem Kanton die
Risikoabgaben die Ausgleichsbeiträge, so entrichtet die Kasse den
Differenzbetrag an den Risikoausgleich (Art. 6 Vo IX). Massgeblich
für die Berechnung der Ausgleichsbeiträge und Risikoabgaben sind die
Versichertenbestände und die von ihnen verursachten Kosten im Kalenderjahr,
für welches der Risikoausgleich erfolgt (Ausgleichsjahr). Die definitiven
Ausgleichsbeiträge und Risikoabgaben werden im Laufe des Jahres, welches
dem Ausgleichsjahr folgt, festgesetzt (Art. 7 Abs. 1 und 3 Vo IX in der
Fassung gemäss 14. Juni 1993, gültig bereits für den Risikoausgleich im
Jahre 1993).

Erwägung 4

    4.- a) Der Beschwerdeführer verlangt eine Reduktion seiner
Krankenkassenprämie für das Jahr 1993 um jenen Teil, der auf den
Risikoausgleich zurückzuführen ist. Er vertritt die Auffassung, die
bundesrätliche Vo IX vom 31. August 1992 sei bundesrechtswidrig. Zur
Begründung verweist er auf seine Ausführungen in der vorinstanzlichen
Beschwerde. Darin machte er im wesentlichen geltend, die in der Vo
IX vorgesehenen Mittel müssten in einem vernünftigen Verhältnis zum
Gesetzeszweck stehen, d.h. das Verhältnismässigkeitsprinzip müsse
eingehalten sein. Dieses Prinzip sei nicht erfüllt, insbesondere
hinsichtlich des Ausmasses des Risikoausgleichs, insofern er einen
Drittel der Prämienerhöhung ausmache und für seine Krankenkasse auf 21
Mio. Franken für 1993 zu beziffern sei. Der vorgesehene Risikoausgleich
in den genannten Ausmassen verletze Art. 28 KUVG, da finanzielle
Mittel, die an andere Krankenkassen abgeliefert werden, nicht mehr
Versicherungszwecken dienen. Des weitern laufe der Risikoausgleich dem in
Art. 3 KUVG festgelegten Grundsatz der Gegenseitigkeit zuwider, da die
zu einem Drittel durch den Risikoausgleich bedingte Prämienerhöhung in
einem Missverhältnis zum Anstieg der Versicherungsleistungen stehe. Des
weitern würden die aus dem Vereinsrecht abzuleitenden Schutzbestimmungen
der Mitglieder verletzt, weil ein grosser Teil der Versichertengelder
entgegen dem Vereinszweck nicht mehr zur Abdeckung der Risiken Krankheit
und Unfall der Mitglieder der Beschwerdegegnerin verwendet werde (Verweis
Art. 74 und 75 ZGB). Schliesslich widerspreche der Risikoausgleich
auch dem Förderungsgedanken des KUVG, wenn der Risikoausgleich gleich
hoch oder höher sei als die Bundessubventionen. Die Beschwerdegegnerin
werde dafür bestraft, dass sie sich freiwillig dem KUVG unterstellt
habe. Die Absurdität des Risikoausgleichs im vorgesehenen Ausmass werde
auch durch Art. 33 Abs. 3 KUVG deutlich, wonach als Zwangsmassnahmen
die Aberkennung der Bundesbeiträge oder der Entzug der Anerkennung in
Frage komme. Falle der gesetzlich vorgesehene Risikoausgleich gemäss der
Konkretisierung in der Vo IX höher aus als die Bundessubventionen, so
käme der Beschwerdegegnerin eine Weigerung der Risikoausgleichszahlungen
unter dem Strich billiger zu stehen. Diese Zusammenhänge würden
deutlich machen, dass der Risikoausgleich seine natürliche Grenze in
den einer Krankenkasse zustehenden Bundessubventionen finden müsse. Im
weiteren sei davon auszugehen, dass die obere Grenze höchstens bei den
hälftigen Bundessubventionen liegen dürfe. Sei sie höher, so werde der
Förderungsgedanke ausgehöhlt, da die Krankenkassen keine Abgeltung
mehr für die Nachteile erhielten, die ihnen aus dem Betreiben der
Krankenversicherung nach dem KUVG entstünden.

    Die Beschwerdegegnerin bringt vor, mit ihrem Berechnungsmodell
"Risikoausgleich nach Vo IX des KVG" vom 7. Januar 1993 erbringe sie
den Nachweis, dass das verfolgte Ziel des Risikoausgleichs mit der
Verordnung des Bundesrates nicht eingehalten werde. Der vom Gesetzgeber
vorgegebene Rahmen, nämlich Zahlungen unter den Krankenkassen vorzunehmen,
die ausschliesslich aufgrund der verschiedenen Risikogruppen zu einem
Ausgleich führen, werde eindeutig gesprengt. Sobald sich die höheren
Durchschnittskosten einer anderen Kasse und auch deren Marktanteil auf
die Höhe der Ausgleichszahlung einer Krankenkasse auswirken könnten,
handle es sich um weit mehr als um den Ausgleich der massgebenden
Risikogruppen. Mit dieser Überschreitung des Delegationsrahmens
würden zusätzlich Ungleichheiten geschaffen und es liege damit ein
offensichtlicher Verstoss gegen das Rechtsgleichheitsgebot vor. Eine
Relation zwischen dem Risikoausgleich und den Bundesbeiträgen lasse sich
weder aus dem dringlichen Bundesbeschluss noch aus der Vo IX ersehen. Es
sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber im Zeitpunkt des Normenerlasses
noch keine Vorstellung von der Höhe solcher Risikoausgleichszahlungen
haben konnte. Die Anwendung der Vo IX führe dazu, dass eine Krankenkasse
die Überlegung machen müsse, ob sie nicht den für sie finanziell
vorteilhafteren Weg, nämlich Nichtbezahlen des Risikoausgleichs mit
nachfolgender Sperrung der Bundesbeiträge, gehen wolle. Der Erlass einer
Verordnung durch den Bundesrat dürfe keinesfalls dazu führen, dass sich
ein Verstoss gegen gesetzliche und aufsichtsrechtliche Bestimmungen für
die Krankenkassen vorteilhafter erweisen könne. Folgerichtig müssten die
Bundesbeiträge eines bestimmten Jahres zugleich die oberste Grenze der
Risikoausgleichszahlungen desselben Jahres bilden.

    Das BSV führt in der Vernehmlassung aus, die Vo IX beruhe
im wesentlichen auf dem von den Krankenkassen bzw. vom Konkordat
vorgeschlagenen Ausgleichssystem. Man sei sich jedoch damals bewusst
gewesen, dass das Ausgleichssystem nachträglich verfeinert werden
müsse. Aufgrund der ersten Erfahrungen mit dem Risikoausgleich für das
Jahr 1993 zeige es sich, dass im Bereich der Kostenunterschiede zwischen
den massgebenden Risikogruppen und den einzubeziehenden Beständen die
Vo IX verbesserungsbedürftig sei. Es sei deshalb eine Revision der Vo
IX eingeleitet worden, die einen besseren und gerechteren Ausgleich im
Sinne von Art. 1 des Bundesbeschlusses vorsehe.

    b) Laut Art. 1 Abs. 1 des Bundesbeschlusses über befristete
Massnahmen gegen die Entsolidarisierung in der Krankenversicherung vom
13. Dezember 1991 müssen Krankenkassen, denen im Vergleich zum Durchschnitt
aller Krankenkassen als Mitglieder weniger Frauen und ältere Personen
angehören, zugunsten von Kassen mit überdurchschnittlich vielen Frauen
und älteren Personen Abgaben entrichten, welche die durchschnittlichen
Kostenunterschiede zwischen den massgebenden Risikogruppen in vollem
Umfang ausgleichen. Mit dieser Zweckbestimmung soll der zunehmenden
Entsolidarisierung in der Krankenversicherung begegnet werden. Der
Risikoausgleich bildet denn auch einen Teil von Massnahmen zur Festigung
der Solidarität in der Krankenversicherung. In der bundesrätlichen
Botschaft über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung und
die Entsolidarisierung in der Krankenversicherung vom 6. November 1991
wurde dazu ausgeführt (BBl 1991 IV S. 917 ff.), das heutige System
begünstige neue Krankenkassen, weil diese in erster Linie junge und
gesunde Versicherte anwerben und damit sehr günstige Prämien offerieren
können. Gleichzeitig verlören dadurch die "alten" Krankenkassen die
Substanz an jungen, d. h. kostengünstigen Versicherten. Die Leidtragenden
seien die älteren und kranken Versicherten, die nach heutigem Recht
die Krankenkasse praktisch nicht mehr wechseln könnten. In letzter Zeit
hätten sich die Anzeichen vermehrt, dass die Krankenkassen selber dazu
übergehen möchten, neue "Billigkassen" zu gründen und diese durch ein
"Mutter-Tochter-Verhältnis" an sich zu binden. Dies würde längerfristig
den Ruin der Krankenversicherung in der heutigen Form bedeuten (BBl 1991
IV S. 920).

    Nach dem klaren Willen des Gesetzgebers sollen mithin Krankenkassen,
die im Vergleich zum Gesamtdurchschnitt mehr ältere Personen und
mehr Frauen aufweisen, Beiträge erhalten, die von jenen Krankenkassen
aufzubringen sind, welche weniger ältere Personen und Frauen versichern,
als es dem Gesamtdurchschnitt entsprechen würde. Der Risikoausgleich
beruht sodann nicht auf dem Rechnungsergebnis, sondern auf den objektiv
festgestellten Beständen bezüglich Geschlecht und Alter der Versicherten
und auf den durchschnittlichen Kostenunterschieden dieser Gruppen. Dabei
sind laut Art. 1 des fraglichen Bundesbeschlusses die durchschnittlichen
Kostenunterschiede zwischen den massgebenden Risikogruppen in vollem Umfang
auszugleichen. Damit ist der Grundsatz des vollen Risikoausgleichs - was im
vorliegenden Zusammenhang entscheidend ist - bereits im Bundesbeschluss
statuiert. Aus diesem Grunde geht einerseits die übereinstimmende
Argumentation von Beschwerdeführer und Beschwerdegegnerin ins Leere,
die bundesrätliche Vo IX führe zu einem gesetz- und verfassungswidrigen
Ergebnis (vgl. in diesem Zusammenhang Art. 113 Abs. 3 und Art. 114bis
Abs. 3 BV). Denn eine allfällige Unvereinbarkeit des Risikoausgleichs
mit Art. 1-3, Art. 28 und 33 Abs. 3 KUVG sowie Art. 74 und 75 ZGB wäre
nämlich nicht erst durch die bundesrätliche Vo IX hervorgerufen worden,
sondern bereits mit dem erwähnten für das Eidg. Versicherungsgericht
verbindlichen Bundesbeschluss erfolgt und durch den Gesetzgeber gewollt.
Anderseits kann auch keine Rede davon sein, die Ausgleichszahlungen der
einzelnen Krankenkassen müssten ihre Grenze am Betrag der erhaltenen
Bundessubventionen finden. Mit der bundesrätlichen Vo IX wird daher im
beanstandeten Punkt der Höhe der Ausgleichszahlungen lediglich ausgeführt,
was der Bundesbeschluss mit dem in Art. 1 enthaltenen Grundsatz des
vollen Risikoausgleichs vorgibt. Die von den Parteien gerügte Gesetz-
und Verfassungswidrigkeit der bundesrätlichen Verordnung hat im Grunde
genommen nicht diese, sondern den Bundesbeschluss im Auge. Im übrigen
wird nicht geltend gemacht, einzelne Bestimmungen der bundesrätlichen Vo
IX würden dem Bundesbeschluss widersprechen. In diesem Zusammenhang ist
schliesslich festzuhalten, dass der Exekutive in gesundheitspolitischen
Belangen, um die es hier geht, ein besonders weiter Gestaltungsspielraum
zukommt. Dass die mit der Vo IX konkretisierten Massnahmen Nebenwirkungen
in der von der Beschwerdegegnerin geschilderten oder befürchteten Weise
haben können, spricht nicht gegen die grundsätzliche Zwecktauglichkeit
des mit dem Bundesbeschluss angestrebten Systems des Risikoausgleichs. Die
Beschwerdegegnerin kann deshalb aus ihrem Berechnungsmodell vom 7. Januar
1993 nichts zu ihren Gunsten ableiten.

Erwägung 5

    5.- (Kostenpunkt)