Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 V 306



120 V 306

42. Urteil vom 29. Dezember 1994 i.S. B. gegen 1. BVG
Personalvorsorgestiftung der I., 2. Personalvorsorgestiftung der I. und
Versicherungsgericht des Kantons Zürich Regeste

    Art. 13 und Art. 27 Abs. 2 BVG, Art. 331b Abs. 1 OR: Verhältnis
zwischen Altersleistungen und Freizügigkeitsleistung.

    - Erfolgt die Kündigung des Arbeitsvertrages in einem Alter, in dem
bereits ein reglementarischer Anspruch auf Altersleistungen im Sinne
einer vorzeitigen Pensionierung entsteht, besteht kein Anspruch auf eine
Freizügigkeitsleistung mehr (Erw. 4a).

    - Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt,
in welchem die reglementarischen Voraussetzungen für eine vorzeitige
Pensionierung erfüllt sind, führt zur Entstehung des Anspruchs auf die
im Reglement vorgesehenen Altersleistungen, ungeachtet der Absicht des
Versicherten, anderweitig erwerbstätig zu sein (Erw. 4b und c).

Sachverhalt

    A.- Der 1929 geborene B. war seit 1960 bei der I. tätig. Seit 1980
gehörte er als Direktor deren Geschäftsleitung an. Für die berufliche
Vorsorge war er einerseits bei der BVG Personalvorsorgestiftung der I. und
anderseits bei der Personalvorsorgestiftung der I. versichert. Seinen
eigenen Angaben zufolge hat er seit 1. Januar 1988 seinen Wohnsitz
im Ausland. Entsprechend einer mit der I. getroffenen Übereinkunft
löste B. das Arbeitsverhältnis am 8. November 1991 auf den 29. Februar
1992 auf. Mit Schreiben vom 17. Dezember 1991 orientierten die beiden
Personalvorsorgestiftungen B. über die ihm ab März 1992 zukommenden
Leistungen, bestehend aus einer Altersrente in Höhe von Fr. 11'106.--
im Monat, zuzüglich einer Übergangsaltersrente von monatlich Fr. 1'300.--
für die Zeit von März 1992 bis Februar 1994.

    B.- Am 17. August 1992 liess B. beim Versicherungsgericht des
Kantons Zürich gegen die beiden Personalvorsorgestiftungen der I. Klage
einreichen mit dem Begehren, diese seien zu verpflichten, die ihm per
29. Februar 1992 zustehenden Freizügigkeitsleistungen zuzüglich Zins zu 8%
ab 1. März 1992 bar auszuzahlen. Mit Entscheid vom 23. September 1993
wies das kantonale Versicherungsgericht die Klage ab. Zur Begründung
führte es im wesentlichen aus, B. habe das Arbeitsverhältnis zu einem
Zeitpunkt gekündigt, als er bereits einen reglementarischen Anspruch auf
Altersleistungen gehabt habe. Dies schliesse den subsidiären Anspruch auf
eine Freizügigkeitsleistung zumindest in jenen Fällen aus, in welchen der
Versicherte - wie hier - seine Erwerbstätigkeit tatsächlich aufgebe und
damit auch nach aussen seinen Übertritt vom Erwerbsleben in den Ruhestand
als vollzogen bekunde.

    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt B. das vorinstanzlich
gestellte Rechtsbegehren erneuern.

    Die Vorsorgestiftungen lassen die Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen, während sich das Bundesamt
für Sozialversicherung (BSV) zum Rechtsstreit äussert, ohne einen Antrag
zu stellen.

Auszug aus den Erwägungen:

      Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Zuständigkeit)

Erwägung 2

    2.- (Kognition)

Erwägung 3

    3.- a) Gemäss Art. 13 BVG haben Männer, die das 65.  Altersjahr
zurückgelegt haben, Anspruch auf Altersleistungen (Abs. 1 lit. a).
Die reglementarischen Bestimmungen der Vorsorgeeinrichtung können
abweichend davon vorsehen, dass der Anspruch auf Altersleistungen mit
der Beendigung der Erwerbstätigkeit entsteht (Abs. 2 Satz 1).

    Gestützt auf Art. 13 Abs. 2 BVG bestimmt Art. 14 Abs. 1 des Reglements
der BVG Personalvorsorgestiftung der I. (Beschwerdegegnerin 1), dass ein
Versicherter vor Erreichen des regulären Rücktrittsalters, das für Männer
laut Art. 11 des Reglements 65 Jahre beträgt, in den Ruhestand treten
kann, sofern er mindestens das 55. Altersjahr und mindestens 15 Dienstjahre
vollendet hat. Unter den gleichen Voraussetzungen kann ein Mitglied der im
Bereich der weitergehenden Vorsorge tätigen Personalvorsorgestiftung der I.
(Beschwerdegegnerin 2) vor Erreichen des regulären Rücktrittsalters in den
Ruhestand treten (Ziff. 4.3.2.1 des Reglements der Beschwerdegegnerin
2). Ein Mitglied, das sich unter diesen Voraussetzungen vorzeitig
pensionieren lässt, hat Anspruch auf eine Altersrente und eine zusätzliche
Übergangsrente (Ziff. 4.3.2.2 des Reglements).

    b) Nach Art. 27 Abs. 2 BVG hat der Versicherte Anspruch auf eine
Freizügigkeitsleistung, wenn sein Arbeitsverhältnis vor Eintritt eines
Versicherungsfalles aufgelöst wird und er die Vorsorgeeinrichtung
verlässt. In Einklang mit dem Gesetz umschreibt Art. 25 des Reglements
der Beschwerdegegnerin 1 die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine
Freizügigkeitsleistung: Ein solcher Anspruch steht der versicherten Person
zu, deren Arbeitsverhältnis nicht durch Pensionierung, Invalidität oder
Tod, sondern durch Austritt aus der I. beendet wird.

    Hat der Arbeitnehmer für die Alters-, Hinterlassenen- oder
Invalidenvorsorge Beiträge an eine Versicherungseinrichtung geleistet
und erhält er bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses von ihr keine
Leistungen, so hat er gegen sie eine Forderung, die mindestens seinen
Beiträgen entspricht, unter Abzug der Aufwendungen zur Deckung eines
Risikos für die Dauer des Arbeitsverhältnisses (Art. 331b Abs. 1
OR). Ziff. 4.3.6.1 des Reglements der Beschwerdegegnerin 2 bestimmt,
dass ein Mitglied, dessen Arbeitsverhältnis nicht durch Pensionierung,
Invalidität oder Tod, sondern durch den Austritt aus der I. beendet wird,
automatisch aus der Pensionskasse ausscheidet und nebst dem Anspruch auf
die Freizügigkeitsleistung der BVG Pensionskasse auch Anspruch auf die
in Ziff. 4.3.6.2 bis 4.3.6.4 des Reglements festgelegten Leistungen hat.

Erwägung 4

    4.- Im vorliegenden Fall ist streitig, ob der Beschwerdeführer im
Lichte dieser Bestimmungen Anspruch auf eine einmalige Kapitalabfindung
in Form einer Freizügigkeitsleistung anstelle der ihm von den
Beschwerdegegnerinnen seit 1. März 1992 ausgerichteten Altersrente hat.

    a) Der Anspruch auf eine Freizügigkeitsleistung im Obligatoriumsbereich
nach Art. 27 Abs. 2 BVG (und Art. 25 des Reglements der Beschwerdegegnerin
1) und in der weitergehenden Vorsorge nach Art. 331b Abs. 1 OR (und
Ziff. 4.3.6.1 des Reglements der Beschwerdegegnerin 2) entsteht, wenn
das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versicherungsfalles beendigt
wird und der Versicherte die Vorsorgeeinrichtung verlässt (BGE 114 V 39
Erw. 2d). Bei denjenigen Vorsorgeeinrichtungen, welche die Möglichkeit
einer vorzeitigen Pensionierung vorsehen, ist unter Eintritt des
Versicherungsfalls Alter gemäss Art. 27 Abs. 2 BVG nicht das Erreichen
der gesetzlichen Altersgrenze von 65/62 Jahren nach Art. 13 Abs. 1 BVG,
sondern das Erreichen der reglementarischen Altersgrenze für die vorzeitige
Pensionierung zu verstehen. Dementsprechend besteht kein Anspruch auf die
im Verhältnis zu den Altersleistungen subsidiäre Freizügigkeitsleistung
mehr, wenn die Kündigung des Arbeitsvertrages in einem Alter erfolgt,
in dem bereits ein Anspruch auf Altersleistungen entsteht - und sei
es auch im Sinne einer vorzeitigen Pensionierung (RIEMER, Das Recht
der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, S. 116, § 5 N. 22; HELBLING,
Personalvorsorge und BVG, 5. Aufl., S. 161 und S. 522; BRÜHWILER, Die
betriebliche Personalvorsorge in der Schweiz, S. 505, N. 66). Dies gilt
nicht nur im Bereich des BVG, sondern auch in der weitergehenden Vorsorge
(BRÜHWILER, aaO, S. 506, N. 70; vgl. auch RIEMER, aaO, S. 116, § 5 N. 22).

    Der Beschwerdeführer hatte bei Kündigung des Anstellungsverhältnisses
mit der I. die reglementarische Altersgrenze für die vorzeitige
Pensionierung längst überschritten und konnte sich auch über die
erforderliche Anzahl Beitragsjahre ausweisen. Damit entstand der Anspruch
auf die reglementarisch bestimmten Altersleistungen, wogegen kein Anspruch
auf eine Freizügigkeitsleistung mehr bestand. Deshalb ist unerheblich,
dass der Beschwerdeführer die Schweiz endgültig verlassen und sich in
M. niedergelassen hat; dieser Umstand ist nur von Bedeutung, sofern ein
Freizügigkeitsanspruch geltend gemacht werden kann.

    b) Im Obligatoriumsbereich können die Pensionskassen gemäss Art. 13
Abs. 2 BVG in ihren reglementarischen Bestimmungen vorsehen, dass der
Anspruch auf Altersleistungen mit der Beendigung der Erwerbstätigkeit
entsteht. Die Beendigung der Erwerbstätigkeit im Sinne dieser
Gesetzesbestimmung ist bezogen auf die konkrete Erwerbstätigkeit
im Arbeitsvertrag mit dem Arbeitgeber, welcher der betreffenden
Vorsorgeeinrichtung angeschlossen ist, zu verstehen, und nicht bezogen
auf jegliche andere künftige Erwerbstätigkeit (BRÜHWILER, aaO, S. 505,
N. 67; HELBLING, aaO, S. 150). Deswegen ist entgegen der Auffassung der
Vorinstanz nicht entscheidend, ob der Beschwerdeführer nach Beendigung des
Arbeitsverhältnisses mit der I. tatsächlich in den Ruhestand getreten ist
oder ob er weiterhin erwerbstätig war. In beiden Fällen entstand gegenüber
den Beschwerdegegnerinnen bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses
gestützt auf Art. 13 Abs. 2 BVG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 des
Reglements der Beschwerdegegnerin 1 und Ziff. 4.3.2.2 des Reglements der
Beschwerdegegnerin 2 der Anspruch auf Altersleistungen.

    c) Der Beschwerdeführer macht geltend, der Eintritt des
Versicherungsfalles im Sinne von Art. 27 Abs. 2 BVG hänge davon ab, ob der
Arbeitnehmer die vorzeitige Pensionierung wähle. Tue er dies nicht, habe er
Anspruch auf eine Freizügigkeitsleistung. Eine Pensionskasse könne einem
Versicherten den Verzicht auf die Freizügigkeitsleistung nicht dadurch
aufzwingen, dass sie ihn anhalte, unverzüglich eine vorzeitige reduzierte
Altersrente zu beziehen. Vielmehr behalte der Arbeitnehmer die freie
Wahl zwischen Altersleistungen und Freizügigkeitsleistung. Entsprechend
seien die Reglementsbestimmungen betreffend vorzeitige Pensionierung als
Kann-Vorschriften formuliert. Der Beschwerdeführer habe mit der Aufgabe
der Tätigkeit bei der I. nicht eine vorzeitige Pensionierung beabsichtigt.

    Dieser Argumentation kann nicht beigepflichtet werden. Wie in der
Vernehmlassung richtig bemerkt wird, beziehen sich die Kann-Formulierungen
in den Reglementen der Beschwerdegegnerinnen auf die Möglichkeit
des Versicherten, unter bestimmten Voraussetzungen vor Erreichen des
regulären reglementarischen Rücktrittsalters vorzeitig in den Ruhestand zu
treten. Die gewählte Formulierung bezieht sich nur auf die Wahlmöglichkeit
des Versicherten, die Erwerbstätigkeit bei der I. vorzeitig zu beenden
oder bis zum Erreichen des reglementarischen Pensionierungsalters
weiterzuarbeiten. Entscheidet er sich für die vorzeitige Aufgabe der
Erwerbstätigkeit bei I. nach Vollendung des 55. Altersjahrs und von 15
Dienstjahren, tritt gemäss Art. 14 des Reglements der Beschwerdegegnerin
1 und Ziff. 4.3.2.2 des Reglements der Beschwerdegegnerin 2 zwingend der
Versicherungsfall ein mit der Folge, dass der Anspruch auf Altersleistungen
entsteht, ungeachtet der Absicht des Versicherten, anderweitig erwerbstätig
zu sein. Sind zum Zeitpunkt des vorzeitigen Ausscheidens aus der I. die
reglementarischen Voraussetzungen bezüglich des Alters und der Dienstjahre
erfüllt, bleibt kein Raum für eine Wahl zwischen Altersleistungen und
Freizügigkeitsleistung. Das Ausscheiden aus der I. nach Vollendung
des 55. Altersjahres und von mindestens 15 Dienstjahren wird demnach
berufsvorsorgerechtlich in jedem Fall als vorzeitige Pensionierung
behandelt.

Erwägung 5

    5.- Wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren macht der
Beschwerdeführer geltend, die Beschwerdegegnerinnen hätten ihm einen
Anspruch auf eine Freizügigkeitsleistung verbindlich zugesichert. Damit
beruft er sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben, der u.a. bedeutet,
dass falsche Auskünfte von Verwaltungsbehörden unter bestimmten
Voraussetzungen eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung des
Rechtsuchenden gebieten (BGE 119 V 307 Erw. 3a, 118 V 76 Erw. 7, je
mit Hinweisen). Wie das kantonale Gericht zutreffend festgehalten hat,
scheitert eine Berufung auf den Vertrauensschutz schon daran, dass es an
einer Zusicherung des Inhalts fehlt, der Beschwerdeführer habe in seiner
konkreten Situation Anspruch auf eine Freizügigkeitsleistung oder könne
zwischen einer solchen und einer Altersrente wählen. Es kann auf die
Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden.

Erwägung 6

    6.- (Kostenpunkt)