Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 V 161



120 V 161

22. Auszug aus dem Urteil vom 21. Februar 1994 i.S. D. R. gegen
Ausgleichskasse des Kantons Zürich und AHV-Rekurskommission des Kantons
Zürich Regeste

    Art. 25 Abs. 4 AHVV: unverhältnismässig starke Abweichung der
Erwerbseinkommen. Die Verwaltungspraxis gemäss Rz. 1282 der Wegleitung über
die Beiträge der Selbständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen (WSN) in
der seit 1. Januar 1988 geltenden Fassung, wonach die Einkommensveränderung
mindestens 25% betragen muss, um unverhältnismässig stark zu sein, ist
nicht zu beanstanden (Bestätigung der Rechtsprechung).

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Es steht fest, dass der auf 12 Monate umgerechnete Gewinn
des 1. Geschäftsabschlusses (am 31. Dezember 1988) von Fr. 148'669.--
um über 27% vom Durchschnittswert der Ergebnisse 1989 (Fr. 183'832.--)
und 1990 (Fr. 227'032.--) von Fr. 205'432.-- abweicht. Streitig ist,
ob diese Einkommenssteigerung "unverhältnismässig stark" im Sinne von
Art. 25 Abs. 4 AHVV ist.

    b) Gemäss Verwaltungspraxis (Rz. 1282 der Wegleitung über die
Beiträge der Selbständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen [WSN]
in der seit 1. Januar 1988 geltenden Fassung) gilt die Abweichung
als unverhältnismässig stark, wenn das auf 12 Monate umgerechnete
reine Erwerbseinkommen des ersten Geschäftsjahres mindestens um 25%
vom durchschnittlichen reinen Erwerbseinkommen der beiden folgenden
Jahre abweicht und der Unterschied auch beitragsmässig erheblich ist.
Dabei hat der Vergleich nach Aufrechnung der steuerlich abgezogenen
persönlichen Beiträge zu erfolgen (BGE 115 V 180 ff. Erw. 2).

    c) Das Eidg. Versicherungsgericht hat in BGE 107 V 66 f. Erw. 3b
mit Bezug auf die gleichlautende Rz. 202c WSN (gültig gewesen vom
1. Januar 1980 bis 31. Dezember 1987) festgehalten, diese Weisung lasse
sich nicht beanstanden, lehne sie sich doch mit diesem Prozentsatz
an die Rechtsprechung zu Art. 25 Abs. 1 und 2 AHVV an, wonach eine
Einkommensveränderung mindestens 25% betragen muss, um wesentlich zu sein
(vgl. BGE 105 V 118; ZAK 1984 S. 487 Erw. 3b; Rz. 1263 WSN). Das höchste
Gericht hat diese Verwaltungspraxis in ständiger Rechtsprechung bestätigt
(BGE 115 V 182 Erw. 2d, 113 V 179 Erw. 2c; unveröffentlichtes Urteil
F. vom 29. November 1993, Erw. 4b).

Erwägung 4

    4.- a) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird vorgebracht,
Rz. 1282 WSN sei nicht gesetzeskonform, weshalb an der mit BGE 107 V
65 eingeleiteten Rechtsprechung nicht festgehalten werden könne. Die
Verschiedenartigkeit der Begriffe "wesentlich" und "unverhältnismässig
stark" verunmögliche eine Gleichbehandlung der Einkommensveränderung gemäss
Art. 25 Abs. 1 und Abs. 4 AHVV. Werde eine Abweichung von mindestens
25% als wesentlich betrachtet, könne erst eine solche von rund 50% als
unverhältnismässig stark bezeichnet werden. Für diese Betrachtungsweise
spreche auch die Zweckbestimmung des gesamten Art. 25 AHVV, wonach
möglichst bald zum ordentlichen Verfahren gewechselt werden solle; mithin
stelle Art. 25 Abs. 4 AHVV im Verhältnis zu Art. 25 Abs. 1 und 3 AHVV
eine Ausnahmebestimmung dar, welche lediglich zur Korrektur der krassen
stossenden Fälle diene.

    b) Die in Erw. 3c wiedergegebene Verwaltungsweisung ist eine
Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe "wesentlich" (Abs. 1)
und "unverhältnismässig stark" (Abs. 4) durch die weisungsberechtigte
Aufsichtsbehörde (Art. 72 Abs. 1 AHVG und Art. 176 Abs. 2 AHVV),
welcher diesbezüglich ein erheblicher Gestaltungsspielraum zukommt. Der
Richter berücksichtigt die getroffene Lösung bei seiner Entscheidung,
sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende
Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulässt. Er
weicht anderseits insoweit von den Weisungen ab, als sie mit den
anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen nicht vereinbar sind (BGE 118 V
131 Erw. 3a mit Hinweisen). Davon kann im vorliegenden Fall nicht die
Rede sein: Die allzu stark am Wortlaut verhaftete Betrachtungsweise
in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde berücksichtigt nicht, dass nach
der Grundkonzeption des Art. 25 AHVV eine Einkommensänderung, sei sie
wesentlich (Art. 1) oder unverhältnismässig stark (Abs. 4), die gleiche
Rechtsfolge nach sich zieht: die Anwendung des ausserordentlichen
Beitragsfestsetzungsverfahrens (Gegenwartsbemessung). Warum dessen
Auslösung (Abs. 1) oder Verlängerung (Abs. 4) unter quantitativem
Gesichtswinkel nicht von der gleichen masslichen Differenz abhangen dürfen,
ist nicht einsichtig, zumal der Zweck des Art. 25 AHVV, die Beiträge so
festzusetzen, dass sie den erzielten Erwerbseinkommen angemessen sind
(vgl. ZAK 1978 S. 119 unten), dem in keiner Weise entgegensteht.

    Aus dem Gesagten ergibt sich, dass kein Anlass besteht, von der
geltenden Rechtsprechung abzugehen.

    c) Der Vergleich des Einkommens des ersten Geschäftsjahres Dezember
1987/88 mit dem Durchschnittseinkommen 1989/90 (je) nach Aufrechnung der
steuerlich abgezogenen persönlichen Beiträge (Erw. 3a und 3b) ergibt
unbestrittenermassen eine Differenz von über 27%. Insoweit sind die
Beitragsverfügungen (vom 15. März 1993) und der kantonale Entscheid
nicht zu beanstanden.