Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 IV 60



120 IV 60

11. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 2. März 1994
i.S. R. Ltd. und M. Ltd. gegen Oberzolldirektion (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 48 ff. VStrR; Art. 64 IRSG.

    Ordnet eine Bundesbehörde, die gestützt auf Art. 17 Abs. 4
IRSG durch das Bundesamt für Polizeiwesen mit der Durchführung des
Rechtshilfeverfahrens betraut wurde, im Bereich der sog. "anderen"
Rechtshilfe gestützt auf das Verwaltungsstrafrecht Zwangsmassnahmen an, so
unterliegen diese - nicht aber die Frage der Zulässigkeit der Rechtshilfe -
der Beschwerde an die Anklagekammer des Bundesgerichts (E. 1).

Sachverhalt

    A.- Am 11. Januar 1994 gelangte das Untersuchungsrichteramt in
Strafsachen am Landgericht in Arnheim/NL mit einem Rechtshilfeersuchen
an das Bundesamt für Polizeiwesen. Mit dem Ersuchen wird unter anderem
die Durchsuchung der Geschäftsräumlichkeiten der Firmen R. Ltd.,
R. International Export und M. Ltd. in Zug und die Beschlagnahme von
Unterlagen sowie die Einvernahme von D. verlangt.

    Mit Verfügung vom 19. Januar 1994 übertrug das Bundesamt für
Polizeiwesen nach Prüfung des Ersuchens die Durchführung des Verfahrens
gestützt auf Art. 17 Abs. 4 IRSG (SR 351.1) in Verbindung mit Art. 87 ZG
(SR 631.0) der Eidg. Zollverwaltung, da das Ersuchen Zollwiderhandlungen
(Art. 73 ff. ZG) betreffe.

    B.- Am 4. Februar 1994 bewilligte die Oberzolldirektion die
nachgesuchte Rechtshilfe, wobei sie das den Betroffenen zur Last gelegte
Verhalten als Abgabebetrug betrachtete.

    Gestützt auf einen Durchsuchungsbefehl vom 4. Februar 1994 des
Zollkreisdirektors Schaffhausen wurde in Zug einzig das Büro von D. in
den Räumlichkeiten der Firmen R. Ltd. und M. Ltd. durchsucht; auf die
Durchsuchung weiterer Räume wurde verzichtet.

    C.- Gegen die Durchsuchung wenden sich die beiden betroffenen Firmen
mit Beschwerde vom 10. bzw. Beschwerdeergänzung vom 14. Februar 1994 an die
Anklagekammer des Bundesgerichts mit dem Antrag, der Durchsuchungsbefehl
sei aufzuheben und die Zwangsmassnahme als rechtswidrig festzustellen.

    Die Oberzolldirektion beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Gemäss Art. 64 Abs. 1 IRSG sind Zwangsmassnahmen im Bereich
der anderen Rechtshilfe (IRSG 3. Teil) nach schweizerischem Recht
durchzuführen. In der Botschaft des Bundesrates zum heutigen Art. 12 IRSG
wird darauf hingewiesen, dass gewisse Bundesbehörden bei der eigentlichen
Ausführung von Ersuchen mitzuwirken hätten (Verfolgung und Ahndung von
Widerhandlungen nach VStrR [SR 313.0]); die Umschreibung des bei der
Ausführung anwendbaren Rechts müsse somit alle auf Bundes- wie auch auf
kantonaler Ebene in Frage kommenden Verfahrensordnungen in Strafsachen
umfassen (BBl 1976 II 456). Wird daher die Eidg. Zollverwaltung
in Anwendung von Art. 17 Abs. 4 IRSG mit der Durchführung des
Rechtshilfeverfahrens betraut, so hat sie gemäss Art. 12 IRSG für die
rechtshilfeweise verlangten Prozesshandlungen das Verwaltungsstrafrecht
anzuwenden (vgl. unveröffentlichter BGE vom 12. März 1993 i.S. Schweiz.
Volksbank gegen Direktion des I. Zollkreises, E. 1).

    Die Eidg. Zollverwaltung verfügte die angefochtene Durchsuchung daher
zu Recht gestützt auf Art. 48-50 VStrR.

    b) Gemäss Art. 26 Abs. 1 VStrR kann gegen Zwangsmassnahmen (Art. 45 ff.
VStrR) bei der Anklagekammer des Bundesgerichts Beschwerde geführt werden.

    c) Wurde die angefochtene Zwangsmassnahme - wie hier - gestützt
auf eine Bewilligungsverfügung einer Bundesbehörde im Bereich
der anderen Rechtshilfe verfügt, so ist diese Verfügung, d.h. die
Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit der verlangten Rechtshilfe
(vgl. betreffend Auslieferungsbegehren: BGE 119 Ib 193 E. 1c), durch
die Anklagekammer nicht zu überprüfen, da die Bewilligungsverfügung
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unmittelbar an das Bundesgericht
(Art. 25 Abs. 1 IRSG) unterliegt (vgl. BGE 116 Ib 96, unveröffentlichte
E. 1b); zuständig zu deren Behandlung ist die I. öffentlichrechtliche
Abteilung des Bundesgerichts (BGE 117 IV 209 E. 1b). Soweit sich die
Beschwerdeführerinnen gegen die grundsätzliche Zulässigkeit der bewilligten
Rechtshilfe wenden, ist daher auf die Beschwerde nicht einzutreten.