Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 IV 32



120 IV 32

8. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Februar 1994 i.S. X.
gegen Z. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 2, 3 lit. a, Art. 23 UWG. Medienberichterstattung über die
Tätigkeit eines Anwalts.

    Anwälte stehen untereinander und zu ihren Klienten in einem Verhältnis,
das durch herabsetzende Äusserungen beeinflusst werden kann. Äusserungen
in einem Zeitungsartikel über das Verhalten des Sekretärs einer Stiftung,
die nach dem Eindruck des unbefangenen Durchschnittslesers auch auf die
anwaltliche Tätigkeit des Stiftungssekretärs Bezug nehmen, können daher
grundsätzlich tatbestandsmässig sein (E. 3 u. 4).

Sachverhalt

    A.- X., von Beruf Rechtsanwalt, war Sekretär der Stiftung
"Y.". Z. arbeitet als Journalist beim "Schweizerischen Beobachter". Er war
früher eine Zeitlang Mitglied des Stiftungsrates der erwähnten Stiftung.

    Im "Beobachter" vom 10. Mai 1991 erschien unter dem Titel
"Jenischenhilfe: Verschaukelte Opfer, 'Geld spielt überhaupt keine
Rolle'", ein von Z. verfasster Artikel, in welchem u.a. die Tätigkeit
von X. kritisiert wurde. Die Frontseite der betreffenden Ausgabe enthält
die Schlagzeile: "Hilfsgelder für Fahrende: Anwalt macht Kasse", wobei
der zuletzt zitierte Satz nach Schriftgrösse und Aufmachung besonders
ins Auge sticht.

    B.- X. erstattete deswegen am 6. August 1991 bei der
Bezirksanwaltschaft Dielsdorf Strafantrag wegen Widerhandlung gegen
das Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb im Sinne von dessen
Art. 23 i.V.m. Art. 3 lit. a. Überdies reichte er am 8. August 1991 beim
Präsidenten des Bezirksgerichts Dielsdorf Strafantrag wegen Verleumdung,
eventuell übler Nachrede ein.

    C.- Am 14. November 1991 stellte die Bezirksanwaltschaft Dielsdorf
die Strafuntersuchung wegen Widerhandlung gegen das UWG (SR 241) ein.

    D.- Einen von X. dagegen eingereichten Rekurs wies die
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich am 30. Juni 1993 ab.

    E.- X. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
den Entscheid der Staatsanwaltschaft aufzuheben und die Sache zur
Anklageerhebung an diese zurückzuweisen.

    F.- Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf Gegenbemerkungen.

    G.- Z. beantragt Nichteintreten, eventuell Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Gemäss den Ausführungen der Vorinstanz machte der
Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren geltend, der Beschwerdegegner
habe mit dem inkriminierten Artikel den Tatbestand der Herabsetzung
(Anschwärzung) im Sinne von Art. 3 lit. a UWG erfüllt; denn die Kritik
betreffe seine Tätigkeit als Rechtsanwalt und könne sich negativ darauf
auswirken. Aufgrund der herabsetzenden Schilderung erscheine er nicht
mehr als vertrauenswürdig. Als Folge des Artikels sei eine seitens der
Scheidungsberatungsstelle St. Gallen in Aussicht gestellte Mitarbeit
nicht zustande gekommen.

    Nach Ansicht der Vorinstanz ist für die Anwendung der Strafbestimmungen
des UWG entscheidend, ob eine wettbewerbsrelevante Handlung vorliege. Dazu
gehöre stets ein wirtschaftliches Element. Nicht jedes Verhalten und
Geschäftsgebaren, das geeignet sei, das Verhältnis zwischen Mitbewerbern
unter sich oder dasjenige zwischen Anbietern und Abnehmern zu beeinflussen,
soll erfasst werden. Würde auf das Erfordernis eines wirtschaftlichen
Elementes verzichtet, so könnte die überwiegende Mehrheit kritischer
Zeitungsberichte nicht mehr veröffentlicht werden, da jeder wie auch
immer gestaltete Bericht über Marktteilnehmer in irgendeiner Form sich
auf das Erscheinungsbild bei der Konkurrenz und beim Publikum auswirke. Es
lasse sich schlechthin nicht vermeiden, dass das Publikum die Person des
Kritisierten nicht von dessen beruflicher Tätigkeit zu trennen vermöge
respektive bei Berufen, deren Ausübung in hohem Masse an der persönlichen
Integrität des jeweiligen Berufsmannes gemessen wird, sich gar nicht erst
dazu bereit finde. Eine Überdehnung des Begriffes "wettbewerbsrelevante
Handlung" auf dieses Phänomen hätte aber nicht nur die Aushöhlung der
Pressefreiheit, sondern faktisch deren Beseitigung zur Folge.

    Die vom Beschwerdeführer angeführten Zitate wie auch andere
Textstellen dürften nicht aus dem Gesamtzusammenhang gerissen und
isoliert betrachtet werden. Zwar werde verschiedentlich erwähnt, dass der
Beschwerdeführer Rechtsanwalt sei, jedoch stets in direktem Zusammenhang
mit seiner Tätigkeit als Stiftungssekretär. Zur Sprache gebracht würden
ausschliesslich Fälle, welche der Beschwerdeführer im Rahmen seiner
Tätigkeit als Stiftungssekretär betreut hatte. Nie werde auf seine übrige
anwaltliche Tätigkeit Bezug genommen, geschweige denn diese beanstandet. Es
werde nicht behauptet, dass er seine beruflichen Leistungen schlechter
als andere Anwälte oder gar in ungenügender Weise erbringe. Auch seine
juristische Qualifikation und seine Erfolgsquote - etwa vor Gericht -
seien unerwähnt geblieben. Direkt wettbewerbsrelevante Äusserungen, die
massgebliche Kriterien des Anwaltsberufes beim Durchschnittsleser und
insbesondere bei potentiellen Mandanten des Beschwerdeführers ansprächen,
enthalte der Artikel somit nicht. Zwar werde die Vertrauenswürdigkeit des
Beschwerdeführers durch die Ausführungen im "Beobachter" tangiert. Ein
"wirtschaftliches Element" im vorgenannten Sinne gehe jedoch dem
inkriminierten Artikel ab.

    Zusammenfassend kommt die Vorinstanz zum Schluss, der unbefangene
Durchschnittsleser könne den Artikel nicht als eine Kritik an der
anwaltlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers verstehen, sondern als Kritik
an dessen Tätigkeit als Stiftungssekretär. Eine Widerhandlung im Sinne
von Art. 3 lit. a i.V.m. Art. 23 UWG liege daher nicht vor.

    b) Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, im Artikel
würden seine beiden Funktionen als Rechtsanwalt einerseits und als
Stiftungssekretär anderseits kunterbunt durcheinander gemischt. Einmal
sei die Rede vom Rechtsanwalt, der Kasse mache, dann vom Sekretär,
der die Kommissionsmitglieder irreführe, dann wieder vom Rechtsanwalt,
der sich Doppelzahlungen leisten lasse und dafür Fresszettelquittungen
ausstelle. All dies stehe unter dem Titel "Anwalt macht Kasse"; abgebildet
respektive in der Bildlegende genannt sei nicht der "Stiftungssekretär",
sondern der "Anwalt" X. Die genannten Bestimmungen des UWG seien daher
auf die inkriminierten Äusserungen anwendbar.

    c) Der Beschwerdegegner befürwortet zusammenfassend eine restriktive
Anwendung der Strafbestimmungen des UWG, insbesondere von Art. 3
lit. a. Er habe nicht die wirtschaftliche Tätigkeit des Beschwerdeführers
in dessen Eigenschaft als Anwalt kritisiert, sondern dessen Handlungen
als Sekretär einer gemeinnützigen Stiftung. Dass er hie und da das Wort
"Anwalt" verwendet habe, sei für den Gesamteindruck nicht von Bedeutung;
dies sei lediglich aus stilistischen Gründen erfolgt, um nicht ständig
die Bezeichnung "Sekretär" benützen zu müssen. Jedenfalls habe er nicht
vorsätzlich gehandelt.

Erwägung 3

    3.- Wer vorsätzlich unlauteren Wettbewerb nach den Art. 3, 4,
5 oder 6 begeht, wird auf Antrag mit Gefängnis oder Busse bis zu
Fr. 100'000.-- bestraft (Art. 23 Satz 1 UWG). Unlauter handelt unter
anderem, wer andere, ihre Waren, Werke, Leistungen, deren Preis oder
ihre Geschäftsverhältnisse durch unrichtige, irreführende oder unnötig
verletzende Äusserungen herabsetzt (Art. 3 lit. a UWG). Die Anwendung
des neuen UWG vom 19. Dezember 1986 setzt nicht ein Wettbewerbsverhältnis
zwischen dem Täter und dem Verletzten voraus. Auch ein Journalist kann
daher durch Äusserungen in den Medien über Unternehmungen und ihre Waren
etc. Straftatbestände des UWG erfüllen (BGE 117 IV 193 E. 1). Denn wie
aus Art. 2 UWG, dem Grundsatzartikel, ersichtlich ist, gilt als unlauter
jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu
und Glauben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das
Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern
beeinflusst. Entsprechend wurde die Anwendbarkeit von Art. 3 lit. a
UWG auf Medienschaffende grundsätzlich bejaht (BGE 117 IV 193 E. 2;
jedenfalls insoweit zustimmend die herrschende Lehre, z.B. PETER NOBEL,
Zu den Schranken des UWG für die Presse, SJZ 88/1992, S. 245 ff., 249;
HANS PETER WALTER, Das Wettbewerbsverhältnis im neuen UWG, SMI 1992,
S. 169 ff., 174 ff.; LEO SCHÜRMANN/PETER NOBEL, Medienrecht, 2. Auflage
1993, S. 351 ff.; FRANZ RIKLIN, Strafrechtliche Aspekte der Anwendung
des neuen UWG auf Medienschaffende, AJP 1993, S. 620).

    Die Anwendbarkeit des UWG auch auf die Medienberichterstattung
schliesst eine kritische Berichterstattung über Unternehmen bzw. ihre
Waren und Leistungen nicht aus. Denn unlauter im Sinne von Art. 3 lit. a
UWG ist nur die Herabsetzung eines anderen durch unrichtige, irreführende
oder unnötig verletzende Äusserungen. Strafrechtlich relevant ist zudem
bloss vorsätzliches Handeln. Unerheblich ist, dass die Journalisten in der
Regel nicht primär in Wettbewerbsabsicht bzw. zum Zweck der Förderung oder
Benachteiligung bestimmter Unternehmen oder ihrer Waren und Leistungen
um ihrer selbst willen handeln, sondern im Interesse der Allgemeinheit
Markttransparenz schaffen wollen (BGE aaO E. 2 in fine). Entsprechendes
gilt für die Berichterstattung über Personen, die freie Berufe ausüben
wie etwa die Tätigkeit eines Anwaltes. Auch Anwälte stehen zueinander
im Verhältnis von Mitbewerbern, welches durch herabsetzende Äusserungen
beeinflusst werden kann. Ebenso besteht zwischen Anwälten und ihren
Klienten ein Verhältnis, das im Sinne von Art. 2 i.V.m. Art. 3 durch
herabsetzende Äusserungen beeinflusst werden kann. Ein Zeitungsartikel,
in dem auf die Tätigkeit eines Anwaltes eingegangen wird, kann deshalb
grundsätzlich unter die Strafbestimmung des UWG (Art. 23) fallen.

Erwägung 4

    4.- a) Im inkriminierten Artikel wird der Beschwerdeführer mehrfach
namentlich genannt. Im Mittelpunkt des Artikels steht eine kritische
Beleuchtung seiner Tätigkeit für die Stiftung "Y.". In diesem Zusammenhang
wird er häufig als ihr "Sekretär" bezeichnet. In welchem Rechtsverhältnis
er zur Stiftung stand, wird allerdings nicht deutlich. Andererseits
wird der Beschwerdeführer im Artikel mehrfach ausdrücklich als "Anwalt"
bezeichnet, so insbesondere in der Legende zu dem Bild, das ihn gemeinsam
mit dem früheren Stiftungspräsidenten zeigt. Sodann enthält der Artikel
mehrere Passagen, die deutlich machen, dass der Beschwerdegegner darin
auch auf die Tätigkeit des Beschwerdeführers in dessen Eigenschaft als
Anwalt eingegangen ist. Denn die Rede ist von Mandaten und von Honoraren,
von denen man aufgrund des Zusammenhanges annehmen muss, dass es sich
um Anwaltshonorare handelt. Der Einwand, das Wort "Anwalt" sei einzig
aus stilistischen Gründen verwendet worden, vermag am Eindruck, den der
unbefangene Durchschnittsleser erhält, nichts zu ändern. Zudem ist im
als Blickfang aufgemachten Titel der fraglichen Ausgabe des "Beobachters"
("Anwalt macht Kasse"), der im Untertitel des Artikels wieder aufgenommen
wird ("Kasse machten vor allem Anwälte"), einzig vom "Anwalt" und nicht
vom "Sekretär" die Rede.

    Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass der fragliche Artikel
Ausführungen auch über die anwaltliche Tätigkeit des Beschwerdeführers
enthält.

    b) Anwälte versehen häufig nicht nur Einzelmandate, sondern arbeiten
daneben oder sogar überwiegend als Verbandssekretäre, Sekretäre oder
Geschäftsführer von Stiftungen oder übernehmen ständige Funktionen für
andere juristische Personen. Auch dies gehört zur Anwaltstätigkeit,
insbesondere dann, wenn das Rechtsverhältnis nicht durch Arbeitsvertrag
geregelt ist.

    c) Die Vorinstanz verletzte somit Bundesrecht, wenn sie den
Einstellungsbeschluss der Bezirksanwaltschaft mit der Begründung
bestätigte, ein "wirtschaftliches Element" gehe dem inkriminierten Artikel
ab und das UWG sei aus diesem Grunde nicht anwendbar. Der Beschwerdeführer
wird durch den Artikel in seiner beruflichen Tätigkeit als Anwalt, zu der
auch seine Arbeit als Stiftungssekretär gehörte, angegriffen. Insoweit
geniesst er den Schutz vor ungerechtfertigter Herabsetzung gemäss Art. 3
lit. a UWG. Der angefochtene Entscheid ist deshalb aufzuheben.

    Die kantonalen Instanzen werden sich demnach im neuen Verfahren
mit den einzelnen Elementen des Tatbestands von Art. 23 i.V.m. Art. 3
lit. a UWG befassen müssen. Im jetzigen Stadium des Verfahrens hat sich
der Kassationshof zu der vom Beschwerdegegner aufgeworfenen Frage des
Vorsatzes nicht zu äussern. Er hat auch nicht zu prüfen, ob und inwieweit
und mit welcher Begründung bei der Auslegung der Strafbestimmungen des
UWG, insbesondere von Art. 23 i.V.m. Art. 3 lit. a, dem Gesichtspunkt
der Pressefreiheit Rechnung zu tragen ist (vgl. dazu BGE 118 IV 153 E. 4c
mit Hinweisen). Denn auch soweit unter diesem Aspekt im Ergebnis eine
einschränkende Anwendung der Strafbestimmungen des UWG geboten sein sollte,
könnte dies keinesfalls zum generellen Ausschluss der Anwendbarkeit von
Art. 23 UWG führen.